Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 464



85 II 464

70. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1959
i.S. B. gegen B. Regeste

    Verantwortlichkeitsklage gegen vormundschaftliche Organe (hier:
gegen den Verwaltungsbeirat); Verjährung (Art. 454 f. ZGB). Begriff der
"Zustellung der Schlussrechnung", von der an nach Art. 454 Abs. 1 ZGB
die Verjährung läuft. Die Schlussrechnung ist gegebenenfalls dem neuen
Beirat und dem urteilsfähigen Verbeirateten zuzustellen. Form des nach
Art. 453 Abs. 2 ZGB erforderlichen Hinweises auf die Bestimmungen über
die Geltendmachung der Verantwortlichkeit und der in Art. 453 Abs. 3 ZGB
vorgeschriebenen Mitteilung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung
der Schlussrechnung.

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- Im Jahre 1949 wurde der Beklagte zum Mitwirkungs- und
Verwaltungsbeirat des Klägers ernannt. Im Juni 1952 wurde er in dieser
Eigenschaft durch den Amtsvormund S. ersetzt. Am 5. Juli 1952 erstattete er
seinen Schlussbericht und seine Schlussrechnung, wonach das Reinvermögen
des Verbeirateten, das bei Übernahme der Beiratschaft Fr. 183'880.--
betragen hatte, am 30. Juni 1952 nur noch Fr. 38'686.71 betrug. Im
Sitzungsprotokoll der Vormundschaftsbehörde vom 10. Juli 1952 steht:
"Der Schlussbericht und die Schlussrechnung sind eingetroffen und vom
Amtsvormund genau geprüft worden." Am 11. Juli 1952 bestätigte der Kläger
schriftlich, er habe die Schlussrechnung anhand der Rechnungsbelege und
der Buchhaltung geprüft und in allen Teilen richtig befunden; er entlaste
den Beklagten und danke ihm für seine Dienste. Am 15. November 1952
übermittelte die Vormundschaftsbehörde die Schlussrechnung dem neuen
Beirat S., der sie für die Behandlung einer Steuersache benötigte. Am
23. April 1953 beschloss die Vormundschaftsbehörde, der Beklagte werde
als Beirat des Klägers definitiv entlassen; die "Vormundschaftsrechnung"
werde formell genehmigt, doch lehne die Behörde jede Verantwortung für den
eingetretenen Vermögensrückschlag ab; die Entschädigung für den Beklagten
werde auf Fr. 2000.-- festgesetzt; dieser habe den von ihm bezogenen
Mehrbetrag zu erstatten. Am 9. Mai 1953 teilte die Vormundschaftsbehörde
diesen Beschluss im Dispositiv dem Beklagten (nicht auch dem Kläger und
dem neuen Beirat S.) schriftlich mit. Am 19. August 1953 überwies ihr der
Beklagte wie verlangt Fr. 2471.40 mit dem Bemerken, er betrachte damit
die ganze Sache als für ihn erledigt.

    B.- Am 30. September 1953 beschloss die Vormundschaftsbehörde,
die Beiratschaft aufzuheben, was u.a. dem Kläger sowie Rechtsanwalt
Dr. G. (der sich zur Übernahme der Vermögensverwaltung bereit erklärt
hatte) mitgeteilt wurde. Am 8. Oktober 1953 nahm die Vormundschaftsbehörde
vom Schlussberichte des Beirates S. vom gleichen Tage zustimmend Kenntnis
und genehmigte die Schlussrechnung dieses Beirates. Am 13. Oktober 1953
schrieb sie Dr. G. was folgt:

    "Durch Zustellung der Copie unserer Verfügung vom 30. September
a.c. haben wir Sie darüber informiert, dass wir ... die Beiratschaft
aufgehoben haben.. ..

    In der Zwischenzeit hat unsere Behörde die Schlussrechnung des
Beirates geprüft und genehmigt und wir übermitteln Ihnen in der Beilage
folgende Akten:

    1.  Schlussbericht des Beirates.

    2.  Kassa- und Vermögensrechnung für die Zeit vom 1. Juli 1952 bis
31. Mai 1953.

    3.  Kassa- und Vermögensrechnung für die Zeit vom 1. Juni 1953 bis
zum 8. Oktober 1953.

    4.-14 Weitere, hier belanglose Akten).

    ..."

    C.- Mit Zahlungsbefehl vom 16. Oktober 1954 (der nach einer von den
kantonalen Gerichten als zu spät vorgelegt aus den Akten gewiesenen
Bescheinigung des Betreibungsamts auf einem Betreibungsbegehren
vom 13. Oktober 1954 beruhte) betrieb der durch Rechtsanwalt Dr. G.
vertretene Kläger den Beklagten "für Verantwortlichkeitsansprüche" im
Betrage von Fr. 20'000.--. Der Beklagte erhob Rechtsvorschlag.

    Mit Zahlungsbefehl vom 12. Oktober 1955 betrieb der Kläger den
Beklagten von neuem für die gleiche Forderung. Der Betriebene erhob
wiederum Rechtsvorschlag.

    Am 4. Oktober 1956 stellte der Kläger beim Vermittleramt gegen den
Beklagten das Vermittlungsbegehren "betreffend Klage auf Schadenersatz im
Betrage von Fr. 20'000.--." Nachdem ihm das Vermittleramt am 8. November
1956 den Leitschein ausgestellt hatte, reichte er beim Bezirksgericht
am 1. Dezember 1956 eine vom 27. November 1956 datierte Klageschrift
ein mit dem Begehren, der Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 20'000.--
an ihn zu verurteilen. Am 26. März 1958 erkannte das Bezirksgericht,
auf die Klage werde nicht eingetreten, weil der Kläger die zwanzigtägige
Frist zur Einreichung des Leitscheins und der Prozesseingabe (Art. 96
der ZPO des Kantons Graubünden vom 20. Juni 1954) versäumt habe.

    D.- Am 23. Mai 1958 stellte der Kläger beim Vermittleramt ein neues
Vermittlungsbegehren. Auf Grund des ihm am 12. Juni 1958 ausgestellten
Leitscheines leitete er am 23./24. Juni 1958 beim Bezirksgericht die
vorliegende Klage ein mit dem Begehren, der Beklagte sei zu verpflichten,
ihm Fr. 20'000.-- zu bezahlen. Der Beklagte erhob die Einrede der
Verjährung. Diese Einrede wird von den kantonalen Gerichten geschützt,
vom Bundesgericht dagegen verworfen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die vorliegende Verantwortlichkeitsklage richtet sich gegen den
Beklagten als frühern Beirat des Klägers. Für die Verantwortlichkeit
des Beirats sind, da hierüber keine besondern Vorschriften bestehen,
gemäss Art. 367 Abs. 3 ZGB die für den Vormund geltenden Bestimmungen,
d.h. die Art. 426 ff. und hinsichtlich der Verjährung die Art. 454/55
ZGB massgebend (BGE 59 II 105 Erw. 2, 106).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 454 Abs. 1 ZGB verjährt die Verantwortlichkeitsklage
gegenüber dem Vormund und den unmittelbar haftbaren Mitgliedern
der vormundschaftlichen Behörden mit dem Ablauf eines Jahres nach
Zustellung der Schlussrechnung. Was im Sinne dieser Vorschrift unter der
Schlussrechnung und ihrer Zustellung zu verstehen ist, ergibt sich aus den
unmittelbar vorausgehenden Bestimmungen der Art. 451 bis 453 ZGB (vgl. BGE
76 II 185/86). Es handelt sich also um die Schlussrechnung, die der
Vormund bei der Beendigung seines Amtes einzureichen hat (Art. 451) und die
durch die vormundschaftlichen Behörden zusammen mit dem Schlussbericht in
gleicher Weise wie die periodische Berichterstattung und Rechnungsstellung
"geprüft und genehmigt" wird (Art. 452), womit gemeint ist, dass die
vormundschaftlichen Behörden sie zu prüfen und über ihre Genehmigung
oder Nichtgenehmigung zu entscheiden haben. Diese Rechnung ist nach
Art. 453 Abs. 2 ZGB dem Bevormundeten, dessen Erben oder dem neuen Vormund
zuzustellen unter Hinweis auf die Bestimmungen über die Geltendmachung der
Verantwortlichkeit. Gleichzeitig ist ihnen gemäss Art. 453 Abs. 3 ZGB "von
der Entlassung des Vormundes oder von der Verweigerung der Genehmigung der
Schlussrechnung", d.h. von der nach Art. 451 ZGB getroffenen Entscheidung
über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung dieser Rechnung Mitteilung zu
machen. Erst mit der Erfüllung aller dieser - nach dem klaren Wortlaut und
dem Sinne des Gesetzes unerlässlichen - Formalitäten kann die Zustellung
der Schlussrechnung, von der an nach Art. 454 Abs. 1 ZGB die Verjährung
läuft, als vollzogen gelten (vgl. den zuletzt angeführten Entscheid).

    Für den Fall der Verwaltungsbeiratschaft gelten diese Grundsätze
entsprechend, ob nun diese Art der Beiratschaft für sich allein oder
in Verbindung mit einer Mitwirkungsbeiratschaft angeordnet worden sei
(wogegen bei blosser Mitwirkungsbeiratschaft eine Schlussrechnung, deren
Zustellung die Verjährungsfrist in Gang setzen könnte, nicht in Betracht
kommt, weil eben der Mitwirkungsbeirat kein Vermögen zu verwalten hat;
vgl. KAUFMANN, 2. Aufl., N. 17 zu Art. 451 ZGB). Fällt die Entlassung
des Verwaltungsbeirats nicht mit der Aufhebung der Beiratschaft zusammen,
sondern wird dem Verbeirateten ein neuer Verwaltungsbeirat bestellt, so
ist die Schlussrechnung des abtretenden Beirats in analoger Anwendung von
Art. 453 Abs. 2 ZGB dem neuen Beirat zuzustellen; denn die Geltendmachung
der Verantwortlichkeit des frühern Beirats gehört gegebenenfalls
zur Erhaltung des Vermögens des Verbeirateten, die eine Aufgabe des
Verwaltungsbeirats ist (vgl. Art. 419 ZGB). Bei der Zustellung der
Schlussrechnung an den neuen Beirat darf es aber, wenn der Verbeiratete
urteilsfähig ist, nicht sein Bewenden haben. Vielmehr muss in diesem Falle
die Schlussrechnung in den Formen von Art. 453 ZGB auch ihm zugestellt
werden (vgl. BGE 59 II 106). Den Verantwortlichkeitsprozess hat zwar
gegebenenfalls der neue Verwaltungsbeirat im Namen des Verbeirateten
selbständig zu führen, da er im Bereich der Vermögensverwaltung wie
der Vormund gesetzlicher Vertreter des Schutzbedürftigen ist (BGE 80 II
17/18); die besondere Ermächtigung, deren er nach Art. 419 Abs. 2 ZGB zur
Führung eines solchen Prozesses bedarf, da es sich dabei um eine über die
gewöhnliche Vermögensverwaltung hinausgehende Verrichtung handelt, ist ihm
nicht vom Verbeirateten, sondern von der Vormundschaftsbehörde zu erteilen
(BGE 60 II 10, 80 II 18 lit. b; vgl. Art. 421 Ziff. 8 ZGB). Dies ändert
aber nichts daran, dass der Verbeiratete, wenn er urteilsfähig ist, durch
Zustellung der Schlussrechnung des frühern Beirats in die Lage versetzt
werden muss, sich über die Opportunität eines solchen Prozesses in aller
Ruhe ein eigenes Urteil zu bilden und seine Auffassung in Besprechungen mit
dem neuen Beirat (vgl. Art. 409 ZGB) und nötigenfalls auf dem Beschwerdeweg
(Art. 420 ZGB) zur Geltung zu bringen.

    Der in Art. 453 Abs. 2 ZGB vorgeschriebene Hinweis auf die Bestimmungen
über die Geltendmachung der Verantwortlichkeit erfolgt am besten dadurch,
dass dem Empfänger der Schlussrechnung nicht bloss mitgeteilt wird, das
ZGB enthalte in Art. 426 ff. und Art. 453/55 ZGB Bestimmungen über diesen
Gegenstand, sondern dass ihm zugleich der Inhalt dieser Bestimmungen
bekanntgegeben wird (wie es z.B. im Kanton Zürich und in Genf üblich
zu sein scheint; vgl. KAUFMANN, 2. Aufl., N. 9 zu Art. 453 ZGB, und
BGE 76 II 183 Zeilen 11-13). Will man letzteres nicht als geradezu
unerlässlich betrachten, wie es der Praxis zu Art. 292 StGB ("Hinweis
auf die Strafdrohung dieses Artikels", BGE 68 IV 45) entspräche, so ist
doch auf jeden Fall notwendig, dass dem Empfänger der Schlussrechnung
genau gesagt wird, welche Bestimmungen des ZGB die vormundschaftliche
Verantwortlichkeit und die Verjährung der Verantwortlichkeitsklage regeln;
mindestens gegenüber einem Laien kann die blosse Erklärung, er werde
auf die Bestimmungen über die Geltendmachung der Verantwortlichkeit der
vormundschaftlichen Organe hingewiesen, nicht genügen.

Erwägung 3

    3.- Nach diesen Grundsätzen kann von vornherein nicht angenommen
werden, die Verjährung der Verantwortlichkeitsklage gegen den Beklagten
habe schon damit zu laufen begonnen, dass im Juli 1952 der neue
Beirat und der Kläger Gelegenheit erhielten, die Schlussrechnung des
Beklagten zu prüfen, und dass die Vormundschaftsbehörde diese Rechnung
am 15. November 1952 zur Verwendung in einer Steuerangelegenheit dem
neuen Beirat übermittelte. Diese Annahme verbietet sich schon deswegen,
weil damals die Vormundschaftsbehörde noch nicht über die Genehmigung
oder Nichtgenehmigung dieser Rechnung entschieden hatte.

Erwägung 4

    4.- Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Verjährungsfrist aber
auch nicht dadurch in Gang gesetzt worden, dass die Vormundschaftsbehörde
in ihrer Sitzung vom 23. April 1953, welcher der neue Beirat und der Kläger
beiwohnten, zur Schlussrechnung des Beklagten Stellung nahm, indem sie
diese unter Ablehnung jeder eigenen Verantwortung für den eingetretenen
Vermögensschwund "formell" genehmigte. Die Schlussrechnung ist nämlich
dem Kläger, der sie im Gegensatz zum neuen Beirat noch nicht besass,
aber unstreitig urteilsfähig war und daher bei der Zustellung im Sinne
von Art. 453 Abs. 2 ZGB nicht übergangen werden durfte, am 23. April 1953
nicht zugestellt worden, d.h. die Behörde hat sie ihm damals nicht zum
Behalten ausgehändigt oder aushändigen lassen. Wenn er damals neuerdings
Gelegenheit erhielt, sie einzusehen, so kann dies, wie die Vorinstanz
zutreffend ausgeführt hat, die in Art. 453 ZGB vorgeschriebene Zustellung
nicht ersetzen, da nur die eigentliche Zustellung den Berechtigten in
den Stand setzt, die Rechnung in Ruhe zu prüfen, wie das Gesetz es ihm
mit dem Erfordernis der Zustellung ermöglichen will. Überdies wurde dem
Kläger und dem neuen Beirat am 23. April 1953 auch nicht in gehöriger Form
von der Entscheidung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung dieser
Rechnung Mitteilung gemacht. Diese in Art. 453 Abs. 3 ZGB vorgeschriebene
Mitteilung muss schriftlich erfolgen, damit ihr Inhalt und ihre Bedeutung
dem Empfänger richtig zum Bewusstsein kommen, und hat nicht bloss das
Dispositiv, sondern auch die Entscheidungsgründe der Behörde zu umfassen,
da es für die Berechtigten wichtig ist, diese zu kennen, bevor sie einen
Entschluss darüber fassen, ob eine Verantwortlichkeitsklage anzustrengen
sei oder nicht (vgl. BGE 76 II 186/87). In dieser Form ist der Beschluss
vom 23. April 1953 dem neuen Beirat und dem Kläger nach den vorliegenden
Akten damals nicht eröffnet worden. Die Vormundschaftsbehörde begnügte
sich vielmehr damit, am 9. Mai 1953 das Dispositiv dieses Beschlusses
dem Beklagten schriftlich mitzuteilen.

Erwägung 5

    5.- Im Anschluss an die zutreffende Erwägung, dass die Schlussrechnung
des Beklagten "jedenfalls nicht am 23. April 1953 zugestellt worden" sei,
führt die Vorinstanz aus:

    "Hingegen ist sie am 13. Oktober 1953 an den Rechtsvertreter des
Klägers gesandt und damit im Sinne von Art. 453 Abs. 2 ZGB rechtsgültig
zugestellt worden. Der entsprechende Begleitbrief, der im Original vom
Kläger zu den Akten gelegt worden ist, trägt das Datum 13. Oktober 1953
und ist mit einem roten Eingangsstempel des klägerischen Rechtsvertreters
vom 14. Oktober 1953 versehen. Ergo ist die Schlussrechnung am 14. Oktober
1953 zugestellt worden, weil der Zeitpunkt des Empfanges entscheidend
ist (Kommentar Egger zu Art. 454 N. 8). Die Verjährung für die
Verantwortlichkeitsklage begann somit an diesem Tage zu laufen."

    Wann die Schlussrechnung des Beklagten dem Anwalte des am 30. September
1953 aus der Beiratschaft entlassenen Klägers zugesandt wurde und bei
ihm eintraf, ist eine Tatfrage. Die Feststellung, welche die Vorinstanz
hierüber getroffen hat, ist gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht
verbindlich, sofern sie nicht unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen ist oder offensichtlich auf Versehen
beruht. Ob die Übersendung jener Rechnung an den Vertreter des Klägers
als Zustellung im Sinne von Art. 453/54 ZGB gelten könne, ist dagegen
eine vom Bundesgericht frei zu überprüfende Rechtsfrage.

    a) ... (Es muss als verbindlich festgestellt gelten, dass die
Vormundschaftsbehörde dem Vertreter des Klägers mit ihrem Schreiben vom
13. Oktober 1953 auch die unter den Beilagen nicht erwähnte Schlussrechnung
des Beklagten zugesandt hat.)

    b) Der rechtlichen Annahme der Vorinstanz, dass damit im Sinne von
Art. 453/54 ZGB die Zustellung der Schlussrechnung an den Kläger erfolgt
sei, kann hingegen nicht beigepflichtet werden, weil im Schreiben an
Rechtsanwalt Dr. G. vom 13. Oktober 1953 der nach Art. 453 Abs. 2 ZGB
erforderliche Hinweis auf die Bestimmungen über die Geltendmachung
der Verantwortlichkeit fehlt und weil zudem unterlassen wurde, mit der
Übermittlung der Schlussrechnung an den Vertreter des Klägers die in
Art. 453 Abs. 3 ZGB vorgeschriebene Mitteilung über die Genehmigung oder
Nichtgenehmigung dieser Rechnung zu verbinden. Von den Bestimmungen über
die Geltendmachung der Verantwortlichkeit ist im erwähnten Schreiben an
Dr. G. überhaupt nicht die Rede, und die Bemerkung im zweiten Absatz dieses
Schreibens, dass in der Zwischenzeit die Schlussrechnung des Beirates
geprüft und genehmigt worden sei, kann sich nach dem Zusammenhang nur auf
die Schlussrechnung des Beirates S. beziehen, die in der Zeit zwischen der
im ersten Absatz erwähnten Zustellung des Beschlusses vom 30. September
1953 und der Abfassung des Schreibens vom 13. Oktober 1953 (nämlich am
8. Oktober 1953) genehmigt worden war, nicht auf die Schlussrechnung
des Beklagten, zu welcher die Behörde schon am 23. April 1953, und zwar
im Sinne bloss "formeller" Genehmigung, Stellung genommen hatte. Selbst
wenn aber die angeführte Bemerkung noch die Schlussrechnung des Beklagten
beträfe, so läge in dieser Bemerkung doch keine der Vorschrift von Art. 453
Abs. 3 ZGB genügende Mitteilung des Genehmigungsbeschlusses, weil sie jede
Angabe über die Entscheidungsgründe der Vormundschaftsbehörde vermissen
lässt. Dafür, dass dem Vertreter des Klägers am 13./14. Oktober 1953
mit der Schlussrechnung des Beklagten auch der mit Motiven versehene
Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 23. April 1953 nachträglich
mitgeteilt worden sei, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Erwägung 6

    6.- Am 13. Oktober 1953 hat die Vormundschaftsbehörde freilich nicht
nur dem Vertreter des Klägers geschrieben, sondern auch diesem selber
einen Brief geschickt, worin u.a. steht: "Gemäss Gesetz möchten wir
Sie nun noch ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen betreffend
Geltendmachung der Verantwortlichkeit der vormundschaftlichen Organe
aufmerksam machen." Ein derart summarischer Hinweis kann jedoch, wie
in Erw. 2 am Ende ausgeführt, jedenfalls gegenüber einem Laien nicht
genügen. Zudem liess die Vormundschaftsbehörde damals dem Kläger persönlich
so wenig wie seinem Vertreter eine gehörige Mitteilung über die Genehmigung
oder Nichtgenehmigung der Schlussrechnung des Beklagten zukommen. Von
dieser Schlussrechnung ist im Schreiben an den Kläger überhaupt nicht
die Rede. Auch dieses Schreiben vermochte also die Verjährungsfrist von
Art. 454 Abs. 1 ZGB nicht in Gang zu setzen.

Erwägung 7

    7.- Dass die Formalitäten, die nach dem Empfang der beiden Schreiben
vom 13. Oktober 1953 zu einer gehörigen Zustellung der Schlussrechnung
noch fehlten, in einem spätern Zeitpunkt nachgeholt worden seien,
hat der Beklagte selber nicht behauptet. Die vorliegenden Akten bieten
denn auch keine Stütze für eine solche Annahme. Insbesondere hat das
Schreiben der Vormundschaftsbehörde an Dr. G. vom 19. November 1953 mit
der Schlussrechnung des Beklagten nichts zu tun. Vielmehr handelte es
sich bei diesem Schreiben lediglich darum, dass die Vormundschaftsbehörde
dem Vertreter des Klägers Rechenschaft darüber ablegte, wie sie den vom
Beklagten an sie zurückerstatteten Honorarbetrag von Fr. 2471.40 verwendet
hatte. Auf Grund der vorliegenden Akten muss daher angenommen werden, dass
die einjährige Verjährungsfrist des Art. 454 Abs. 1 ZGB (wie auch die zur
gleichen Zeit beginnende absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren im Sinne
von Art. 455 Abs. 1 ZGB) heute noch gar nicht zu laufen begonnen habe,
so dass sich die von den Parteien und den kantonalen Gerichten erörterte
Frage der Unterbrechung der Verjährung überhaupt nicht stellt. Darin,
dass der Kläger den Beklagten erstmals mit Zahlungsbefehl vom 16. Oktober
1954 betrieb, kann nicht etwa ein den Kläger bindendes Zugeständnis des
Inhalts erblickt werden, dass mit dem Empfang der Schreiben vom 13. Oktober
1953 die einjährige Frist des Art. 454 Abs. 1 ZGB begonnen habe.

    Diese Betreibung bedeutete eine Vorsichtsmassnahme, die auf den -
vom Gesetz geregelten - Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss
haben konnte.

Entscheid: