Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 120



85 II 120

22. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juni 1959 i.S. Doyle
gegen Goetz. Regeste

    1. Art. 1 URG, Urheberrecht.

    a) Urheberrecht besteht auch an Teilen eines Werkes, wenn sie
originelles Ergebnis einer geistigen Tätigkeit sind (Erw. 3).

    b)  Hat der Verfasser an den Namen von Gestalten eines Romans
Urheberrecht? (Erw. 4). Wann sind solche Gestalten und ihr Benehmen
urheberrechtlich geschützt? (Erw. 5, 6).

    c)  An der dialektischen Methode der Führung der Gespräche in einem
literarischen Werk besteht kein Urheberrecht (Erw. 7).

    d)  Die freie Benutzung des Werkes ist zulässig, wenn dadurch eine
eigentümliche Schöpfung hervorgebracht wird. Unterschied zwischen freier
Benutzung und Bearbeitung (Erw. 8).

    2. Art. 2 ZGB, Rechtsmissbrauch.

    Missbraucht das Recht, wer mehr als zwanzig Jahre zuwartet, um
Ansprüche aus Verletzung von Persönlichkeitsrechten und unlauterem
Wettbewerb geltend zu machen? (Erw. 9).

Sachverhalt

    Im Jahre 1887 erschien der vom Engländer Sir Arthur Conan Doyle
verfasste Roman "A Study in Scarlet". Er hat die Aufdeckung eines
Doppelmordes zum Gegenstand. Das Verdienst um die Ermittlung und Festnahme
des Mörders kommt Sherlock Holmes zu, einer Person, die nie gelebt hat,
die aber im Roman als im Hause Baker Street 221 B in London lebender
privater Detektiv ausgegeben wird. Der erste Teil des Werkes steht
unter der Überschrift "Aus den Erinnerungen von Dr. John H. Watson,
Sanitätsleutnant a.D.". Auch Watson hat nie gelebt. Doyle wies ihm
die Rolle des Hausgenossen und Freundes Holmes' zu, der in dessen
Tätigkeit Einblick erhalten hatte und über sie berichtete. Der zweite
Teil des Romans gibt in fünf Kapiteln Aufschluss über die Vorgeschichte
des Verbrechens und die Beweggründe des Täters. In den beiden letzten
Kapiteln dieses Teils ergreift wiederum Dr. Watson das Wort. Er erzählt
die Vorgänge, die sich nach der Festnahme des Mörders abspielten.

    Nach dem Roman "A Study in Scarlet" verfasste Doyle weitere
drei Romane und sechzig kürzere Erzählungen, in denen er Sherlock
Holmes und Dr. Watson in den sich stets gleich bleibenden Rollen des
Detektivs bzw. Berichterstatters auftreten liess. Holmes und Watson
wurden der Öffentlichkeit so vertraut, dass viele sich einbildeten, diese
Gestalten lebten. Mancher Leser ging Sherlock Holmes unter der Anschrift
"Baker Street 221 B" in London brieflich um Rat und Hilfe an. Die Bücher
über seine Erlebnisse wurden in grossen Auflagen im Originaltext und
in zahlreichen Übersetzungen immer neu herausgegeben und in Filmen
usw. bearbeitet.

    Im Jahre 1930 starb Arthur Conan Doyle. Die Urheberrechte an seinen
Werken stehen seinem Sohne Adrian Malcolm Conan Doyle als Treuhänder der
Erben zu.

    Von 1932 an wurde die Komödie des Bühnenschriftstellers Curt Goetz "Dr.
med. Hiob Prätorius" aufgeführt, die seither auch im Buchhandel erschienen
ist. Im ersten und siebenten Bild treten Sherlock Holmes und Dr. Watson
auf, die sich bemühen, die Ursache des Todes des Dr. med. Hiob Prätorius
und seiner Gattin zu ergründen. Die Bilder 2-6 geben dem Zuschauer Einblick
in das Leben der beiden Verstorbenen.

    Am 17. Juli 1956 reichte Adrian Malcolm Conan Doyle gegen Goetz beim
Appellationshof des Kantons Bern Klage ein. Er beantragte unter anderem,
es sei festzustellen, dass der Beklagte durch Verwendung der Gestalten
des Sherlock Holmes und des Dr. Watson im Stück "Dr. med. Hiob Prätorius"
und eventuell in literarischen, filmischen und anderen Bearbeitungen
und Fassungen dieses Werkes die Urheberrechte des Klägers verletzt
habe. Der Appellationshof wies am 1. Juli 1958 dieses Begehren ab. Der
Kläger erklärte die Berufung und beantragte, es sei gutzuheissen. Das
Bundesgericht wies es ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und
Kunst in der Fassung vom 2. Juni 1928 trat am 1. August 1931 sowohl für
Grossbritannien als auch für die Schweiz in Kraft (BS 11 960, 962). In der
neuen Fassung vom 26. Juni 1948 gilt sie für die Schweiz seit 2. Januar
1956 (AS 1955 1092) und für Grossbritannien seit 15. Dezember 1957 (Le
Droit d'Auteur 1957 225). Auf Grund der alten Fassung, Art. 4 Abs. 1 und 2,
genoss daher der Kläger in der Schweiz für die Werke des Conan Doyle ohne
Erfüllung einer Förmlichkeit die gleichen Rechte, die das schweizerische
Gesetz den schweizerischen Urhebern einräumt. Dieser Schutz steht ihm seit
15. Dezember 1957 auch gemäss Art. 4 Abs. 1 und 2 der neuen Fassung zu.

Erwägung 3

    3.- Es ist unbestritten, dass der Inhalt der Komödie "Dr. med. Hiob
Prätorius" als Ganzes keinem Werke des Conan Doyle nachgebildet worden
ist. Die Ereignisse aus dem Leben des Prätorius, wie sie im Bühnenstück
dargestellt sind, bilden nicht Gegenstand eines Werkes von Doyle. Der
Kläger sieht Verletzungen seiner Urheberrechte nur in der Nachmachung von
Teilen der Werke seines Rechtsvorgängers, insbesondere in der Verwendung
der Gestalten des Sherlock Holmes und des Dr. Watson. Auf seine Vorwürfe
ist einzutreten; denn das schweizerische Recht anerkennt ein Urheberrecht
nicht nur am Werk als Ganzes, sondern auch an dessen Teilen. Voraussetzung
ist aber, dass der einzelne Teil eine "eigenartige Schöpfung" (s. Art. 1
Abs. 2 URG) bilde, d.h. originelles Ergebnis einer geistigen Tätigkeit
sei, wie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 59 II 402, 68
II 59, 75 II 359 f., 76 II 100, 77 II 379) ja auch das Werk als Ganzes
nur dann geschützt ist, wenn es originelles Gepräge hat.

Erwägung 4

    4.- Der Beklagte hat aus den Werken des Conan Doyle unverändert die
Namen Sherlock Holmes und Dr. Watson übernommen. Sie sind jedoch schon dort
nicht originelles Ergebnis einer geistigen Tätigkeit. Die Namen Sherlock
Holmes und Watson wurden von Angelsachsen tatsächlich geführt, bevor
Doyle seine Kriminalgeschichten verfasste. Doyle konnte sie lediglich
übernehmen. Dass der Beklagte zwei Gestalten seines Bühnenstückes
mit diesen Namen versah, lässt sich daher unter dem Gesichtspunkt des
Urheberrechtsgesetzes nicht beanstanden.

Erwägung 5

    5.- Eine andere Frage ist, ob Doyle die Personen, die in seinen
Geschichten die Namen "Sherlock Holmes" und "Dr. John H. Watson" führen,
in origineller Weise ausgestaltet hat, so dass sie für sich allein,
losgelöst vom literarischen Gesamtwerk, eigenartige Schöpfungen im
Sinne des Urheberrechtsgesetzes wären, ähnlich wie z.B. das Bild der
"Mickey-Mouse" im kinematographischen Gesamtwerk (BGE 77 II 379 f.) oder -
nach Auffassung des Zürcher Obergerichts, zu der nicht Stellung genommen
zu werden braucht - die Figur des "Professors Cekadete" auf der Bühne
des Kabarettes (SJZ 45 204).

    Doyle war nicht der erste, der in Kriminalgeschichten einen nach
der deduktiven Methode arbeitenden und den anderen Leuten an Klugheit
überlegenen Meisterdetektiv auftreten liess. Insbesondere Edgar Allan Poe
(1809-1849) und Emile Gaboriau (1835-1873) taten das vor ihm. Die von der
Vorinstanz ernannten Sachverständigen sind der Auffassung, Doyle habe
die Werke dieser Schriftsteller bewusst als Vorbilder genommen und er
habe in der Gestalt des Sherlock Holmes lediglich das Urbild des idealen
Detektivs gesehen, es dem Leser überlassend, ihn in Gedanken menschlich
näher auszugestalten.

    Das trifft zu. Löst man die Gestalt des Sherlock Holmes von den
Geschehnissen der einzelnen Erzählung los, so bleibt nur wenig, was sie
kennzeichnet. Hiegegen lässt sich nicht einwenden, dass Doyle mit seinen
Kriminalgeschichten ausserordentliche Erfolge erzielt habe. Diese sind
nicht darauf zurückzuführen, dass er dem Sherlock Holmes in schöpferischer
Weise andere Eigenschaften, als sie beim Typ des Meisterdetektivs
anzutreffen sind, angedichtet, d.h. ihn vermenschlicht hätte. Anziehend
an den Erzählungen Doyles ist nicht die Person des Detektivs, sondern die
detektivische Kunst, die er am einzelnen Kriminalfall zur Schau trägt,
sowie die Spannung, die durch den Inhalt der einzelnen Geschichte und
die Art ihrer Darstellung, Entwicklung und Aufklärung erzeugt wird. Dem
Kläger ist nicht beizupflichten, wenn er glaubt, frei erfundene Gestalten
seien immer urheberrechtlich geschützt. Richtig ist, dass auch ein nicht
besonders wertvolles literarisches Werk diesen Schutz geniesst. Es muss
aber immerhin Züge einer eigenartigen geistigen Schöpfung aufweisen
und darf nicht lediglich in der Übernahme und banalen Ausschmückung
von Gemeingut bestehen. Gewiss mag Sherlock Holmes klarer umrissen und
individueller gestaltet sein als die entsprechenden Figuren von Poe
und Gaboriau. Nachdem diese Schriftsteller den Typ des Meisterdetektivs
vorgezeichnet hatten, bedurfte es aber keines schöpferischen Gedankens
mehr, ihn durch einige Äusserlichkeiten individueller zu gestalten. Auch
durch die Andichtung besonderer detektivischer Fähigkeiten und
Arbeitsmethoden erhielt Sherlock Holmes kein urheberrechtlich geschütztes
eigenartiges Gepräge, mag er deswegen auch von anderen in der Literatur
beschriebenen Detektivgestalten unterschieden werden können. Die
körperlichen Eigenschaften des Sherlock Holmes und jedes noch so hohe Lob,
das Doyle seinen Fähigkeiten gezollt hätte, würden dieser Gestalt die
Zuneigung des Lesers nicht verschafft haben, wenn die Arbeit des Detektivs
nicht am einzelnen Fall dargestellt worden wäre. Doyle betätigte sich
als Schöpfer nicht schon dadurch, dass er Sherlock Holmes ausmalte und in
seine Werke einfügte, sondern erst dadurch, dass er Kriminalfälle ersann,
Sherlock Holmes damit arbeiten liess und die Ergebnisse der dichterischen
Einfälle in spannender Form darstellte.

    Auch Dr. Watson entbehrt der nötigen Originalität, um als Gestalt
urheberrechtlich geschützt zu sein. Wie die Sachverständigen ausführen,
ist schon in den Kriminalgeschichten von Poe der etwas begriffsstutzige
Freund des Detektivs als Berichterstatter zu finden. Dr. Watson ist
gleichsam nur das Sprachrohr des Conan Doyle und verblasst als Figur neben
den detektivischen Leistungen des Sherlock Holmes und den bearbeiteten
Kriminalfällen noch mehr als die Person des Detektivs selber.

    Der Beklagte verletzte somit dadurch, dass er Sherlock Holmes und Dr.
Watson in seinem Bühnenstück auftreten liess, keine Urheberrechte des
Klägers, wie immer auch seine beiden Figuren denjenigen des Klägers
nachgebildet sein mögen.

Erwägung 6

    6.- Der Kläger sieht eine Verletzung seiner Urheberrechte auch in
der Art und Weise, wie Sherlock Holmes und Dr. Watson sich auf der Bühne
verhalten. Er glaubt, ihr Benehmen im Stück des Beklagten sei bis in alle
Eigenheiten den Werken des Conan Doyle entlehnt.

    Auch unter diesem Gesichtspunkt könnte jedoch von einer Verletzung von
Urheberrechten nur die Rede sein, wenn und soweit das Verhalten der beiden
Figuren in den Kriminalgeschichten Doyles ein schöpferisches Gepräge hätte.
Die Nachmachung allein greift nicht in Urheberrechte ein, wenn sie sich
nur auf ein Benehmen bezieht, das nicht originell ist.

    Von Originalität aber kann in den Punkten, in denen der Kläger die
Figuren des Conan Doyle in ihrem Verhalten nachgemacht sieht, nicht die
Rede sein. So versteht sich von selbst, dass der Beklagte Sherlock Holmes
und Dr. Watson, wenn er sie schon in das Bühnenstück übernehmen wollte,
in ihren freundschaftlichen Beziehungen darstellen und miteinander im
Zwiegespräch auftreten lassen musste. Es ist nicht einem schöpferischen
Gedanken Doyles zuzuschreiben, dass der Detektiv in den Kriminalgeschichten
einem ihm an Scharfsinn unterlegenen Freund gegenübersteht, mit dem
er sich über die aufzuklärenden Fälle unterhält. Dass Sherlock Holmes
vor Beginn des Zwiegespräches tief über einen Fall nachdenkt und dem
Freund dann eine überraschende Frage stellt, um mit ihm ins Gespräch zu
kommen, ist eine sich aufdrängende Art, ihn als Detektiv darzustellen,
der an der Aufklärung eines Falles arbeitet und den Freund in seine
Gedankengänge einführen will. Wenn hierauf der Freund mit scheinbar
unerklärlichen Feststellungen überrascht wird, so liegt auch das in der
Natur der Sache, nicht nur, weil dem Freund das deduktive Denken von
Natur aus weniger liegt, sondern auch, weil der Leser oder Zuschauer zur
Erzielung der Spannung erst nach und nach Einblick in die Gedankengänge
des Detektivs erhalten darf. Dessen Rolle bringt es auch mit sich, dass
er den Freund mit paradoxen Sätzen belehrt. Dadurch wird die Überlegenheit
des Detektivs unterstrichen, die Geschichte geheimnisvoller gestaltet und
der Leser oder Zuschauer in Spannung gehalten. Dieses Mittel gehört zum
allgemeinen Werkzeug, dessen sich jeder Verfasser von Kriminalgeschichten,
Bühnenstücken oder anderen literarischen Werken bedienen darf. Dasselbe
ist zu sagen von der Art und Weise, wie der Freund dem Detektiv Fragen
stellt. Soll dieser jenem überlegen sein, so ist es ein banaler Gedanke,
dem Freund die Rolle des Fragenden zuzuweisen. Der Verfasser der Erzählung
oder des theatralischen Werkes hat es dann in der Hand, mit Hilfe der
Antworten des Detektivs schrittweise der Lösung näher zu kommen, auf
die er hinarbeitet. Wenn er diesen hin und wieder seinerseits Fragen
stellen lässt, um den weniger klugen Freund in die Enge zu treiben,
so ist auch das nicht eine Eigenheit, an der dem Kläger Urheberrecht
zustände. Es handelt sich nur um ein weiteres alltägliches Mittel, um die
Überlegenheit des Detektivs vorzuführen und den Leser oder Zuschauer in
Atem zu halten. Dasselbe trifft zu, wenn der Detektiv dem Freund vorwirft,
dieser übersehe das Einfache und Naheliegende. Damit stellt der Verfasser
den Detektiv als Meister seines Faches hin, entsprechend der verbreiteten
Auffassung, dass die Spuren alltäglicher Vorgänge kriminalistisch
am schwersten zu verwerten sind. Der Kläger beanstandet ferner, dass
der Beklagte den Dr. Watson als Chronist des Sherlock Holmes auftreten
lässt. Auch dieser Vorwurf scheitert daran, dass Conan Doyle selber nicht
Vater dieses Gedankens war, sondern schon Edgar Allan Poe dem Detektiv
in der Person des Freundes einen Berichterstatter beigegeben hatte. Wenn
sodann sowohl in den Erzählungen von Doyle als auch im Bühnenstück des
Beklagten der Detektiv und dessen Freund zusammensitzen, worauf von
aussen ein Besucher kommt, den sie zuerst durch das Fenster erblicken,
so ist auch das nur ein Anzeichen dafür, dass der Beklagte Sherlock Holmes
und Dr. Watson in ihrem Benehmen möglichst getreu nachmachen wollte. Dass
dieses Benehmen der beiden Figuren originell und damit des Urheberrechtes
fähig sei, ergibt sich daraus nicht. Es ist ein elementares Mittel der
Schriftstellerei und der Bühnenkunst, den bevorstehenden Besuch einer
Person in der erwähnten Weise anzukünden und dadurch die Erwartung oder
Spannung im Leser oder Zuschauer zu steigern. Solche Vorgänge sind dem
täglichen Leben entnommen und werden nicht zum Monopol eines Verfassers,
der sie in seinem Werke wiedergibt. Dabei ist unerheblich, dass Sherlock
Holmes in den Erzählungen Doyles oft schon aus den Beobachtungen, die er
durch das Fenster macht, wesentliche Schlüsse zieht. Es wäre sonderbar,
wenn er das als Meister seines Faches nicht täte, sondern den Besucher
erst zu beobachten begänne, wenn er ihm gegenübersteht.

Erwägung 7

    7.- Die Sachverständigen sind der Auffassung, das Bühnenstück
des Beklagten gleiche den Kriminalgeschichten Doyles in der Führung
der Gespräche, nämlich insofern, als beide Verfasser die dialektische
Methode anwendeten.

    Der Kläger hat kein Urheberrecht an dieser Methode. Sie ist nicht die
geistige Schöpfung Conan Doyles, sondern wird, wie die Sachverständigen
betonen, in der neuzeitlichen Schriftstellerei allgemein bevorzugt.

Erwägung 8

    8.- Der Beklagte hat die Werke Doyles nach den Ausführungen der
Sachverständigen auch in der Art des detektivischen Vorgehens während der
Rahmenhandlung (erstes und siebentes Bild) und im Aufbau des ganzen Stückes
mit Ausschluss des Abschlussrahmens nachgeahmt. Die Sachverständigen tun
jedoch überzeugend dar, dass das Bühnenstück des Beklagten trotz dieser
Anlehnung eine freie, selbständige Geistesschöpfung von künstlerischer
Individualität ist. Gewiss sind sie der Meinung, dass die Gestalten des
Sherlock Holmes und des Dr. Watson in der Gesamtwirkung des Stückes
nicht verblassen. Sie messen dem aber mit Recht keine Bedeutung bei,
denn der Beklagte hat diese Figuren mit den ihnen zugedachten besonderen
Rollen in das Bühnenstück eingebaut und dadurch ein Werk eigener Prägung
geschaffen. Die erwähnten Nachahmungen, die übrigens vom Kern des Stückes
des Beklagten abliegen, sind daher vom Standpunkt des Urheberrechtsgesetzes
aus nicht zu beanstanden. Der in § 13 Abs. 1 des deutschen Gesetzes
betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst
aufgestellte Satz, wonach die freie Benutzung des Werkes eines andern
zulässig ist, wenn dadurch eine eigentümliche Schöpfung hervorgebracht wird
(vgl. dazu MARWITZ/MÖHRING § 13 Anm. 8; ULMER, Urheber- und Verlagsrecht
162 f.), ist als ungeschriebene Norm auch Bestandteil des schweizerischen
Rechts. Eine freie Benutzung im Sinne dieses Satzes liegt hier vor, nicht
eine unerlaubte sogenannte Bearbeitung, wie der Kläger glaubt. Wer das
Werk eines anderen bearbeitet, übernimmt seinen Inhalt und ändert nur die
Form (MARWITZ/MÖHRING § 12 Anm. 1, § 13 Anm. 1; ULMER 98 ff.; RINTELEN,
Urheberrecht und Urhebervertragsrecht 79). Der Beklagte dagegen hat
ein Werk eigenen Inhaltes geschrieben und sich nur durch Übernahme der
Figuren des Sherlock Holmes und des Dr. Watson für die Rahmenhandlung,
ferner in der Art des detektivischen Vorgehens in dieser Handlung und
im Aufbau des ganzen Stückes mit Ausschluss des letzten Bildes an die
Werke von Doyle angelehnt. Das alles war unter dem Gesichtspunkt des
Urheberrechtsgesetzes erlaubt.

Erwägung 9

    9.- Das Rechtsbegehren des Klägers, das von der Vorinstanz abgewiesen
worden ist und auf dessen Gutheissung die Berufung abzielt, lautet nur auf
Feststellung der Verletzung von Urheberrechten. Deshalb muss dahingestellt
bleiben, ob der Beklagte durch Übernahme der berühmten Figuren des Sherlock
Holmes und des Dr. Watson den Kläger in seinen persönlichen Verhältnissen
verletzt oder unlauteren Wettbewerb begangen hat.

    Hätte der Kläger auf Feststellung solcher Eingriffe geklagt, so hätte
ihm übrigens der Einwand des Rechtsmissbrauches, wenn nicht sogar der
Verwirkung, entgegengehalten werden können. Der Kläger hat es während mehr
als zwanzig Jahren unangefochten geschehen lassen, dass das Bühnenstück
des Beklagten sehr oft aufgeführt wurde. Dieses Stück ist unterdessen
in weitesten Kreisen bekannt geworden und hat nicht wenig zum Ansehen
seines Verfassers beigetragen. Würde der Beklagte nach so langer Zeit
verpflichtet, es zu verstümmeln, so würde ihm in seiner Eigenschaft als
Schriftsteller schwerer Schaden zugefügt. Wegen dieser Nachteile, die
das Zuwarten für den Beklagten zur Folge haben musste, konnte dem Kläger
zugemutet werden, Ansprüche aus Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder
unlauterem Wettbewerb früher anzumelden. Unruhige Zeiten, Kriegsereignisse
und Mobilisation entschuldigen seine Untätigkeit nicht. Dazu kommt, dass
der Beklagte, wie auch die Sachverständigen betonen, guten Glaubens war,
Sherlock Holmes und Dr. Watson seien zu legendären Figuren geworden, die
er übernehmen dürfe. Rechtsmissbräuchlich wäre die späte Berufung auf
Persönlichkeitsrechte oder Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb namentlich
auch deshalb, weil der Beklagte dem Kläger nicht nur nicht geschadet,
sondern wahrscheinlich sogar genützt hat. Denn wenn auch Sherlock Holmes
im Bühnenstück des Beklagten nicht der erfolgreiche Detektiv ist, als den
ihn Doyle fast regelmässig hinstellte, so hat doch der Beklagte die beiden
Figuren liebevoll übernommen und es nicht an Achtung vor Conan Doyle fehlen
lassen. Dieser Meinung sind auch die Sachverständigen. Das Bühnenstück
des Beklagten war durchaus geeignet, das Interesse an den Werken Doyles
zu wecken oder wachzuhalten. Gewiss hat der Kläger als Treuhänder der
Erben Doyles nach wie vor ein Interesse daran, dass die Namen von Sherlock
Holmes und Dr. Watson nicht beliebig von anderen Schriftstellern verwendet
werden. Das kann er aber durch rechtzeitiges Eingreifen verhindern, wenn
und soweit das Recht auf seiner Seite ist. Gegenüber dem Beklagten hat
er jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbes und des
Schutzes der Persönlichkeit nicht rechtzeitig eingegriffen, während in der
Annahme, er habe durch sein Zuwarten auch die Ansprüche aus Urheberrecht
verwirkt, freilich grössere Zurückhaltung angezeigt wäre (vgl. ELSTER,
Zur Frage der Verwirkung im Urheberrecht, Archiv für Urheber-, Film-
und Theaterrecht 1934 53 ff.).