Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 118



85 II 118

21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. März 1959
i.S. Schacher gegen Ing. G. Herzog & Co. Regeste

    Art. 418 u Abs. 1 OR. Wenn das Agenturverhältnis beendet ist, kann der
Agent auf die Vergütung für die Erweiterung des Kundenkreises verzichten.

Auszug aus den Erwägungen:

    Der Kläger macht geltend, er habe auf die Vergütung für die Erweiterung
des Kundenkreises nicht gültig verzichten können, weil Art. 418 u Abs. 1
OR den Anspruch darauf als "unabdingbar" erklärt.

    Dieses Wort hat jedoch nur den Sinn, dass der Auftraggeber den Anspruch
des Agenten auf Vergütung für die Kundschaft weder schon beim Abschluss
des Vertrages noch während dessen Dauer wegbedingen kann. Der Agent
kann auf den Anspruch nicht verzichten, solange das Agenturverhältnis
nicht aufgelöst und folglich der Anspruch noch nicht entstanden ist. Das
Gesetz setzt der Vertragsfreiheit diese Schranke, weil der Agent beim
Vertragsabschluss oder während der Dauer des Agenturverhältnisses geneigt
sein könnte, auf den Anspruch zu verzichten, um den Vertragsabschluss zu
ermöglichen bzw.

    den Auftraggeber von der Auflösung des Vertrages abzuhalten. Mit
der Beendigung des Vertrages hört dieses Bedenken auf. Der Agent
weiss, dass er nun sein Auskommen anderweitig suchen muss. Er steht
dem Auftraggeber fortan unabhängig gegenüber. Auch ist mit der
Auflösung des Agenturverhältnisses der Anspruch auf Vergütung für
die Kundschaft entstanden. Der Agent kann sich jetzt in der Regel
ein besseres Bild über die Tragweite seines Verzichtes machen als
beim Vertragsabschluss oder während der Vertragsdauer. Er bedarf des
Schutzes nicht mehr, der darin liegt, dass Art. 418 u OR den Anspruch als
unabdingbar erklärt. Wo das Gesetz einen Anspruch auch nach Auflösung des
Vertragsverhältnisses, aus dem er entstanden ist, noch als unverzichtbar
betrachtet, bestimmt es das ausdrücklich. So sagt Art. 323 Abs. 3 OR
(Fassung laut Art. 19 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen), die beteiligten
Arbeitnehmer könnten auf ihre Ansprüche aus unabdingbaren Bestimmungen
des Gesamtarbeitsvertrages während der Dauer des Dienstverhältnisses und
eines Monates nach dessen Beendigung nicht verzichten.

    Das Agenturverhältnis zwischen den Parteien ist von der Beklagten mit
Schreiben vom 11. November 1955 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden,
und der Kläger hat sich damit abgefunden. Durch die am 16. Juli 1955
ausgesprochene Kündigung wäre es zudem auf Ende 1955 ohnehin zu Ende
gegangen. Als die Parteien durch ihre Erklärungen vom 29. Januar und 9.
Februar 1956 den Vergleich abschlossen, bestand es daher auf alle Fälle
nicht mehr. Der Kläger konnte in diesem Zeitpunkt gültig auf den Anspruch
aus Art. 418 u OR verzichten.