Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 86



85 III 86

20. Entscheid vom 20. August 1959 i.S. Greiff. Regeste

    Wer ist zum Antrag auf Widerruf des Konkurses berechtigt? Art. 195
Abs. 1 und Art. 317 Abs. 3 SchKG.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs des Rekurrenten stellte dessen Vertreter mit Hinweis
auf das die gänzliche Befriedigung der Gläubiger ermöglichende Ergebnis
der Verwertung beim Konkursgericht Steckborn den Antrag auf Widerruf
des Konkurses. Das Konkursamt teilte dem Gesuchsteller mit, es könne
seinerseits dem Gericht keinen dahingehenden Antrag stellen, da es an der
gesetzlichen Voraussetzung des Konkurswiderrufs - Rückzugserklärungen
aller Gläubiger mit Einschluss des Kollokationsklägers W.H. Gottlieb -
fehle. Auf eine neue Zuschrift des Gesuchstellers traf das Konkursamt am
19. Juni 1959 folgende förmliche Verfügung: "Das Begehren... um Einreichung
eines Widerrufsantrags an das Bezirksgericht Steckborn wird abgewiesen."

    B.- Mit einer bei der kantonalen Aufsichtsbehörde eingereichten
Beschwerde beantragte der Gemeinschuldner die Aufhebung dieser
konkursamtlichen Verfügung, eventuell eine dem Konkursamt zu erteilende
Weisung, beim Bezirksgericht Steckborn den Widerruf des Konkurses zu
beantragen.

    C.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat mit Entscheid vom 13. Juli
1959 die Beschwerde im Sinne der Erwägungen abgewiesen. In der Begründung
wird vorweg festgestellt, dass ein Konkurswiderruf zur Zeit nicht gemäss
Art. 195 Abs. 1 SchKG begründet sei. Denn weder seien die sämtlichen
Konkurseingaben zurückgezogen worden, noch sei ein Nachlassvertrag zustande
gekommen. Die vorgeschriebenen Rückzugserklärungen könnten allerdings durch
vorbehaltlose Quittungen ersetzt werden; daran fehle es aber gleichfalls,
wie denn die Auszahlungen an die Gläubiger noch ausstünden. Bei
dieser Sachlage könne das Konkursamt auch nicht verpflichtet werden,
seinerseits den Konkurswiderruf zu beantragen. Vorbehalten blieben künftige
Massnahmen des Gemeinschuldners, die allenfalls die heute noch fehlenden
Voraussetzungen eines Konkurswiderrufs herzustellen vermöchten.

    D.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält der
Gemeinschuldner an beiden Beschwerdebegehren fest. Weiter eventuell
beantragt er, es sei nur eine Rückzugserklärung des Kollokationsklägers
Gottlieb als erforderlich zu erklären.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Der Widerruf des Konkurses unter den gesetzlichen Voraussetzungen
steht von Bundesrechts wegen dem Konkursgerichte zu (Art. 195 Abs. 1
SchKG). Der Gemeinschuldner hat sich denn auch im vorliegenden Falle
mit einem entsprechenden Begehren an diese Behörde gewendet. Es erhob
sich die Frage, ob das Antragsrecht eigentlich dem Konkursamte (der
Konkursverwaltung) zustehe oder wenigstens ein zusätzlicher Antrag dieses
Organs des Konkursverfahrens notwendig sei. Der Gemeinschuldner verneinte
dies und verlangte nur in eventuellem Sinne, das Konkursamt sei zur
Stellung eines solchen Antrages beim Konkursgerichte zu veranlassen.

    Die Vorinstanz hat, ohne die Frage der Antragsberechtigung nach
Art. 195 SchKG näher ins Auge zu fassen, zum Gesuch um Konkurswiderruf
selbst Stellung genommen. Sie scheint einen Antrag der Konkursverwaltung
an das Konkursgericht, sei es für sich allein oder neben einem Gesuch des
Gemeinschuldners, als erforderlich zu erachten, wenn sie erklärt, die vom
Gemeinschuldner geltend gemachten Widerrufsgründe seien nicht zureichend,
und "daher" könne das Konkursamt auch nicht zu einer entsprechenden
Antragstellung verpflichtet werden.

    Indessen bedarf es zum Widerruf des Konkurses infolge Rückzuges
der Konkurseingaben (oder wegen eines allenfalls als gleichbedeutend
erscheinenden Sachverhaltes) nach dem klaren Wortlaut des Art. 195 Abs. 1
SchKG nicht notwendig eines Antrages der Konkursverwaltung. Es genügt
ein Gesuch des Gemeinschuldners. Nur im zweiten Fall eines möglichen
Konkurswiderrufes, nämlich wenn ein Nachlassvertrag zustande gekommen ist
(was hier nicht in Frage steht), ist der von der Nachlassbehörde über die
Bestätigung des Nachlassvertrages zu benachrichtigenden Konkursverwaltung
aufgegeben, beim Konkursgerichte dem Widerruf des Konkurses zu beantragen
(Art. 317 Abs. 3 SchKG). Über die sich daraus ergebende Ordnung der
Antragsberechtigung herrscht in der Lehre Einmütigkeit (vgl. BLUMENSTEIN,
Handbuch S. 612; JAEGER, N. 2 zu Art. 195 SchKG, der bemerkt, der
Gemeinschuldner habe auch eine Bescheinigung der Konkursverwaltung über
die Deckung allfälliger Masseschulden beizubringen).

    War somit der Gemeinschuldner auf einen sein Gesuch um Konkurswiderruf
unterstützenden Antrag des Konkursamtes nicht angewiesen, so hatte er
auch keinen Rechtsanspruch auf solche Antragstellung. Das Konkursamt hätte
sich selbst dann eines förmlichen Antrages an das Konkursgericht enthalten
dürfen, wenn es den vom Gemeinschuldner beantragten Widerruf des Konkurses
(bereits) für gerechtfertigt erachtet hätte.

    Die Beschwerde des Gemeinschuldners war somit unbegründet, gleichgültig
wie es sich mit den Aussichten des beim Konkursgericht eingereichten
Gesuches verhält. Über dieses Gesuch haben einzig die Konkursgerichte,
d.h. das angerufene Gericht und allenfalls noch eine kantonale gerichtliche
Appellationsinstanz, zu entscheiden (vgl. ausser den bereits erwähnten
Autoren: FRITZSCHE Bd. II S. 36 oben; BRAND, Schweiz. jur. Kartothek
Nr. 995 sub B). Die konkursrechtlichen Aufsichtsbehörden haben sich dagegen
über die Voraussetzungen des Konkurswiderrufes nicht auszusprechen. Daher
kann auch der vorliegende Rekurs an das Bundesgericht nicht zur Beurteilung
der Frage führen, ob ein dem Rückzug der Konkurseingaben gleichzuachtender
Sachverhalt gegeben sei. Vollends ist auf das erst vor Bundesgericht
gestellte zweite Eventualbegehren schon aus verfahrensrechtlichen Gründen
nicht einzutreten (Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG). Was aber den gegen die
konkursamtliche Weigerung gerichteten Antrag betrifft, so ist er nach
dem Gesagten abzuweisen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.