Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 68



85 III 68

17. Entscheid vom 4. September 1959 i.S. Gebert & Co. Regeste

    Pfändungs- und Verwertungsbegehren können nicht unter einer Bedingung
gestellt oder zurückgezogen werden. Wirkung eines bedingten Rückzugs.

Sachverhalt

    In der Betreibung Nr. 33155 der Firma Gebert & Co. gegen Fritz Müller
stellte die Gläubigerin am 14. Mai 1959 das Fortsetzungsbegehren. Nachdem
das Betreibungsamt Luzern dem Schuldner die Pfändung angekündigt und
einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, diese zu vollziehen, schrieb
ihm die Gläubigerin am 1. Juni 1959:

    "Das Fortsetzungsbegehren ... wird hiermit einstweilen zurückgezogen,
sofern sich der Schuldner über eine Teilzahlung von Fr. 50. -
ausweist. Ihre Kosten zu Lasten des Schuldners."

    Am folgenden Tage sandte das Betreibungsamt der Gläubigerin eine
"Rückzugs-Bestätigung", die besagte, das Fortsetzungsbegehren werde
als zurückgezogen vorgemerkt. Gleichzeitig bezog es von der Gläubigerin
durch Nachnahme die Kosten der Pfändungsankündigung und des versuchten
Pfändungsvollzugs im Betrage von Fr. 9.-. Es betrachtete die in der
Rückzugserklärung enthaltene Bedingung als unbeachtlich.

    Hierauf führte die Gläubigerin Beschwerde mit dem Antrag, "das
Betreibungsamt habe einen an folgende Bedingungen geknüpften Rückzug des
Pfändungsbegehrens anzunehmen und ordnungsgemäss zu behandeln: a) Leistung
einer Teilzahlung, b) Übernahme der aufgelaufenen Pfändungskosten durch
den Betriebenen." Sie machte geltend, die Auffassung des Betreibungsamtes,
dass ein solcher Rückzug unzulässig sei, verstosse gegen die "elementarsten
Gläubigerrechte" und widerspreche der Praxis "führender Betreibungsämter";
die im ganzen Kanton Zürich befolgte Anweisung des zürcherischen
Obergerichtes zum SchKG vom 11. Februar 1952 bestimme in Ziff. 104 Abs. 3,
einstweilige Rückzüge von Fortsetzungs- und Verwertungsbegehren, "die an
die Bedingung einer vom Gläubiger bestimmten Zahlung an das Betreibungsamt
geknüpft sind", seien zulässig.

    Die untere und die kantonale Aufsichtsbehörde haben die Beschwerde
abgewiesen.

    Mit dem vorliegenden Rekurs gegen den Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde vom 15. Juli 1959 erneuert die Gläubigerin ihren
Beschwerdeantrag.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Das Betreibungsamt hat zwar jederzeit Zahlungen für Rechnung
des betreibenden Gläubigers entgegenzunehmen (Art. 12 SchKG), ist
aber keineswegs verpflichtet, zur Einbringung der in Betreibung
gesetzten Forderung alle Vorkehren zu treffen, die der Gläubiger für
dazu geeignet hält, sondern hat zu diesem Zwecke nur die im Gesetz
vorgesehenen Massnahmen durchzuführen, die der Gläubiger in gehöriger
Form beantragt. Der Inhalt der Begehren, mit denen der Gläubiger die
Einleitung und die Weiterführung der Betreibung erwirken kann, ist
im wesentlichen durch das Gesetz festgelegt. Der Gläubiger hat diese
Begehren in bestimmter, unbedingter Form zu stellen. Vom Eintritt oder
Nichteintritt eines künftigen Ereignisses darf die Durchführung der
verlangten Massnahmen schon deshalb nicht abhängig gemacht werden,
weil die in Frage stehenden Begehren nach Gesetz innert bestimmter,
von ihrem Eingang an laufender Frist zu vollziehen sind (Art. 71 Abs. 1,
Art. 89, 122 und 133 SchKG). Dazu kommt, dass es nicht zu den gesetzlichen
Obliegenheiten des Betreibungsamtes gehört, den Eintritt oder Ausfall
einer vom Gläubiger gesetzten Bedingung festzustellen. Vollends ist
dem Betreibungsamt nicht zuzumuten, Massnahmen zu ergreifen, um die
Entscheidung einer solchen Bedingung herbeizuführen.

    Aus diesen Gründen ist ein Pfändungs- oder Verwertungsbegehren,
das an die Bedingung geknüpft ist, dass der Schuldner eine vom Gläubiger
verlangte Teilzahlung nicht leiste, als unzulässig zurückzuweisen, und
zwar gilt dies sowohl dann, wenn der Gläubiger für diese Zahlung eine
Frist festgesetzt hat, als auch dann, wenn er dies nicht getan hat. Es geht
schon wegen der nach Gesetz für die Vollziehung geltenden Fristen nicht an,
ein Pfändungs- oder Verwertungsbegehren zwar als gestellt zu betrachten,
aber einstweilen doch nicht als solches zu behandeln. Die Zulassung von
Begehren, mit denen die Pfändung oder Verwertung nur unter der Bedingung
der Nichtleistung einer bestimmten Teilzahlung verlangt wird, hätte im
Falle der Befristung dieser Zahlung durch den Gläubiger ausserdem zur
Folge, dass das Betreibungsamt eine zusätzliche Fristenkontrolle führen
müsste, wodurch seine ohnehin nicht leichte Aufgabe in ungehöriger Weise
erschwert würde. Anderseits wäre bei fehlender Befristung völlig ungewiss,
wie lange mit dem Vollzug der Pfändung oder Verwertung zuzuwarten sei. Ein
solcher Schwebezustand ist mit einem geordneten Betreibungsverfahren
nicht vereinbar. Beim Schuldner einen Inkassoversuch zu machen, um diesen
Zustand zu beenden, ist dem Betreibungsamt um so weniger zuzumuten, als dem
Gesetz nicht entnommen werden kann, was zu einem solchen Versuch gehören
würde und unter welchen Voraussetzungen er als endgültig gescheitert zu
betrachten wäre. Pfändungs- und Verwertungsbegehren, die nur für den
Fall der Nichtleistung einer Teilzahlung gestellt werden, sind daher
vom Betreibungsamt in keinem Falle entgegenzunehmen. An der Zulassung
solcher Begehren besteht im übrigen auf Seiten des Gläubigers auch
gar kein schutzwürdiges Interesse. Ein Gläubiger, der den Schuldner
durch die Androhung der Pfändung oder Verwertung zu einer von ihm
festgesetzten Teilzahlung bestimmen will, kann sein Ziel ohne Mitwirkung
des Betreibungsamtes erreichen, indem er den Schuldner zur Leistung der von
ihm gewünschten Zahlung auffordert und ihm mitteilt, dass er im Falle des
Ausbleibens dieser Zahlung die Pfändung oder Verwertung verlangen werde.

    Ist aus diesen Gründen ein bedingtes Pfändungs- oder
Verwertungsbegehren unzulässig, so kann aber auch ein bedingter
Rückzug eines solchen Begehrens nicht statthaft sein (vgl. BGE 41
III 429 ff., wo erklärt wurde, dass ein Verwertungsbegehren nicht
bedingt zurückgezogen werden könne, und Ziff. 4 der Erläuterungen auf
den obligatorischen Formularen Nr. 4 und 27 für das Pfändungs- bezw.
Verwertungsbegehren). Indem der Gläubiger sein Begehren unter einer
Bedingung zurückzieht, verwandelt er nachträglich das betreffende Begehren
selber in ein bedingtes. Zieht er das Pfändungs- oder Verwertungsbegehren
unter der Bedingung zurück, dass der Schuldner eine bestimmte Teilzahlung
leistet, so heisst dies nichts anderes, als dass er das Pfändungs- oder
Verwertungsbegehren nur für den Fall aufrecht erhält, dass diese Zahlung
ausbleibt. Ein solches Begehren ist aber nach dem Gesagten unwirksam. Der
bedingte Rückzug des Pfändungs- oder Verwertungsbegehrens hat daher die
gleichen Folgen wie ein unbedingter Rückzug. Ob der Rückzug bedingt
oder unbedingt erklärt worden sei, bedarf es für die Weiterführung
der Betreibung eines neuen Begehrens. Nachdem die Rekurrentin das
Pfändungsbegehren gestellt hatte, hätte sie ihr Ziel, statt der sofortigen
Pfändung womöglich eine Teilzahlung zu erwirken, der Betreibung aber beim
Ausbleiben dieser Zahlung den Lauf zu lassen, nur in der Weise erreichen
können, dass sie dem Schuldner für den Fall der Leistung dieser Zahlung den
Rückzug des Pfändungsbegehrens in Aussicht gestellt, diesen aber erst nach
Eingang der Zahlung erklärt hätte. Es ist allerdings möglich, dass ihr zu
einem solchen Vorgehen angesichts der unmittelbar bevorstehenden Pfändung
die Zeit nicht mehr gereicht hätte. Dies könnte aber eine Durchbrechung
des Grundsatzes, dass die beim Betreibungsamt zu stellenden Begehren
und deren Rückzug bedingungsfeindlich sind, nicht rechtfertigen. Wer vom
Schuldner durch Androhung der Pfändung oder Verwertung eine Teilzahlung
erwirken will, soll an den Schuldner herantreten, bevor er das Pfändungs-
oder Verwertungsbegehren stellt.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.