Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 65



85 III 65

15. Entscheid vom 15. Mai 1959 i.S. Kern. Regeste

    Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen (Art. 92 Ziff. 3 SchKG). Die
Ehefrau des Schuldners ist nicht legitimiert, die Unpfändbarkeit eines
vom Schuldner verwendeten, von ihr selber nicht benötigten Berufswerkzeugs
(Automobils) im eigenen Namen geltend zu machen.

Sachverhalt

    Beim Vollzug der Pfändung in der von Kloter angehobenen Betreibung
überliess das Betreibungsamt Unterehrendingen dem als Bahnhofarbeiter
bei den Schweiz. Bundesbahnen in Zürich tätigen Schuldner Jakob Kern
ein Personenautomobil VW als Kompetenzstück, weil er erklärte, infolge
"abnormaler" Arbeitszeit sei er nicht in der Lage, Bahn und Postauto zu
benützen; da er Nierenblutungen gehabt habe, dürfe er laut Arztzeugnis
nicht mehr mit dem Motorrad zur Arbeit fahren. Auf Beschwerde des
Gläubigers hin wies die untere Aufsichtsbehörde das Betreibungsamt an,
das Auto zu pfänden, weil dessen Verwendung für den Schuldner gänzlich
unwirtschaftlich sei, weshalb es nicht als notwendiges Berufswerkzeug
gelten könne.

    Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Ehefrau des Schuldners an die
kantonale Aufsichtsbehörde. Diese ist auf den Rekurs eingetreten, hat ihn
aber mit Entscheid vom 17. April 1959 abgewiesen. Zur Eintretensfrage
wird in Erwägung 3 a dieses Entscheides ausgeführt:

    "Frau Kern hat ihrer Beschwerde keine Vollmacht beigelegt. Auf
die Beschwerde ist trotzdem einzutreten, da nach ständiger Praxis das
Beschwerderecht den Familienangehörigen des Schuldners insoweit zuerkannt
wird, als sie die Unpfändbarkeit von Gegenständen verlangen, die nicht
nur für den Schuldner, sondern auch für sie unentbehrlich sind (BGE 82
III 54)."

    Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Ehefrau des
Schuldners an das Bundesgericht weitergezogen. Dieses weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Begründung:

Erwägung 1

    1.- (Ausführungen darüber, dass die Ehefrau des Schuldners den
Entscheid der untern Aufsichtsbehörde nicht als Vertreterin des Schuldners,
sondern in ihrem eigenen Namen weitergezogen hat.)

Erwägung 2

    2.- In dem von der Vorinstanz angeführten Entscheide BGE 82 III
54 hat das Bundesgericht entschieden, der Ehefrau des Schuldners
stehe hinsichtlich der Lohnpfändung ein eigenes Beschwerde- und
Weiterziehungsrecht zu. Es verwies dabei auf die ständige Praxis, wonach
ein solches Recht der Familienangehörigen gegenüber der Pfändung von
Gegenständen anerkannt ist, die sie gemäss Art. 92 Ziff. 1-5 SchKG als
nicht nur dem Schuldner, sondern auch ihnen persönlich unentbehrlich
beanspruchen (BGE 56 III 130 Erw. 2, 62 III 137, 80 III 22).

    Nach diesen Präjudizien, die sich darauf stützen, dass das SchKG
in Art. 92 Ziff. 1-5 und Art. 93 SchKG nicht nur die Bedürfnisse des
Schuldners, sondern auch diejenigen "seiner Familie" berücksichtigt,
war die Rekurrentin nicht befugt, den Entscheid der untern
Aufsichtsbehörde weiterzuziehen, der das Automobil ihres Mannes als
pfändbar erklärte. Sie machte nicht geltend, dieser Wagen stelle für sie
selber ein unentbehrrliches Berufswerkzeug dar, sondern behauptete nur,
der Schuldner sei auf ihn angewiesen, um sich an seinen Arbeitsplatz
begeben und von dort heimkehren zu können. Dies geltend zu machen,
stand nur dem Schuldner selber zu. In welcher Weise er seinen Beruf
ausüben will, insbesondere wie er seinen Arbeitsplatz erreichen und ob er
diesen nötigenfalls gegen einen andern austauschen will oder nicht, ist
seine höchstpersönliche Angelegenheit, in die ihm niemand dreinzureden
hat, auch nicht seine Ehefrau. Ihm allein stünde es zu, sich darauf zu
berufen, dass er (wie von der Rekurrentin behauptet) auf einer kleinen
Station keine Aufstiegsmöglichkeit habe und sich deshalb nicht versetzen
lassen wolle, oder dass ihm nicht zugemutet werden dürfe, am Arbeitsort
zu übernachten. Was seine Frau von diesen Eventualitäten denkt, spielt
für die Frage der Pfändbarkeit des streitigen Autos keine Rolle.

    Die Vorinstanz hätte also auf die Weiterziehung der Rekurrentin nicht
eintreten sollen, so dass der vorliegende Rekurs an das Bundesgericht
abzuweisen ist, ohne dass zu prüfen wäre, ob der angefochtene Entscheid
sich aufrechterhalten liesse, wenn der Schuldner selber sich der Anordnung
der Pfändung seines Autos widersetzt hätte.