Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 169



85 III 169

36. Entscheid vom 19. Oktober 1959 i.S. Fritschi. Regeste

    Privilegierte Anschlusspfändung. Art. 111 SchKG.

    Die Anschlussfrist von 40 Tagen läuft von der ersten, die Gruppe
einleitenden Pfändung an, gleichgültig ob und wann die anschlussberechtigte
Person hievon Kenntnis erhält, insbesondere auch, wenn das Betreibungsamt
ihr diese Pfändung erst einige Wochen nach deren Vollzug anzeigt.

Sachverhalt

    A.- An die am 6. Mai 1959 vom Betreibungsamt Steinmaur vollzogene
Pfändung in der Betreibung Nr. 445 gegen O. Fritschi schlossen sich
gemäss Art. 110 SchKG andere Betreibungen an, und es kam daher zu
Ergänzungspfändungen. Der Betreibungsbeamte übergab am 7. Juni 1959
(Sonntag) dem Schuldner die Pfändungsurkunde (gegen eine auf den 8. Juni
datierte Empfangsbescheinigung) und zeigte gleichen Tages dessen Ehefrau
Rosa Fritschi mittels des fakultativen Formulars Nr. 2 die Pfändung
an. Als Endtermin für eine allfällige Anschlusspfändung nach Art. 111
SchKG setzte er den 14. Juni 1959 ein. Frau Fritschi will das Formular
jedoch ungelesen beiseite gelegt haben. Mit Brief vom 18. Juni 1959 an
das Betreibungsamt erklärte sie, sich mit ihrer Frauengutsforderung von
Fr. 4550.-- der Pfändung anschliessen zu wollen.

    B.- Das Betreibungsamt wies diese Anschlusserklärung als verspätet
zurück. Die Beschwerde der Frau Fritschi hatte in beiden kantonalen
Instanzen keinen Erfolg.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs gegen den Entscheid der Vorinstanz vom
30. September 1959 hält Frau Fritschi an der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Ein privilegiertes Recht zum Anschluss an eine Pfändung, nämlich auch
ohne vorgängige Betreibung, steht nach Art. 111 SchKG insbesondere der
Ehefrau des Schuldners zu. Dieses Recht kann "während einer Frist von
40 Tagen" ausgeübt werden. Der Beginn der Frist ist in Art. 111 nicht
ausdrücklich festgelegt; doch ergibt sich aus Art. 110, an den sich
Art. 111 anlehnt, dass hier wie dort eine vom Vollzug der (ersten, die
Gruppe einleitenden) Pfändung laufende Frist zur Verfügung steht. Somit
hat das Betreibungsamt die von einer sich auf Art. 111 berufenden
Person abgegebene Anschlusserklärung nur dann zu berücksichtigen,
wenn sie binnen 40 Tagen seit dem Vollzug jener die Pfändungsgruppe
einleitenden Hauptpfändung erfolgt, sei es unmittelbar durch Einreichung
beim Amte oder durch Postaufgabe (Art. 32 SchKG). Im vorliegenden Falle
lief diese vom 6. Mai 1959 an zu berechnende Frist am 15. Juni 1959 ab.
Die Anschlusserklärung vom 18. Juni war somit verspätet, wie die Vorinstanz
richtig entschieden hat. Die von ihr sorgfältig durchgeführte Untersuchung
hatte ergeben, dass nicht etwa anlässlich der Anzeige der Pfändung an
die Rekurrentin, am 7. Juni, oder sonstwann in der Zwischenzeit, eine
mündliche Erklärung des Anschlusses abgegeben worden war.

    Auf den Zeitpunkt der Anzeige der Pfändung an die Ehefrau des
Schuldners, wofür das fakultative Formular Nr. 2 zur Verfügung steht,
kommt es für die Fristberechnung nicht an. Das SchKG will, wie dargetan,
nur diejenigen Anschlusserklärungen gemäss Art. 111 berücksichtigt wissen,
die binnen 40 Tagen seit der für die Bildung der Gruppe grundlegenden
ersten Pfändung eingehen bzw. zur Post gegeben werden. Diese Ordnung
des Pfändungsanschlusses nimmt keine Rücksicht darauf, ob und wann
die einzelnen nach Art. 111 anschlussberechtigten Personen von der
Pfändung Kenntnis erhalten. Das Bundesrecht schreibt im übrigen eine
Benachrichtigung dieser Personen durch das Betreibungsamt gar nicht
vor. Es verpönt sie freilich nicht, weshalb denn auch das fakultative
Formular Nr. 2 aufgestellt wurde, das die Betreibungsämter von sich
aus oder infolge einer durch kantonale Vorschrift festgesetzten
Benachrichtigungspflicht verwenden können. Unzulässig, weil dem
bundesrechtlich auf den Tag des Vollzuges der Hauptpfändung bestimmten
Fristbeginn widersprechend, wäre aber eine kantonale Norm, wonach die
Frist von 40 Tagen erst von der betreibungsamtlichen Anzeige an die
anschlussberechtigten Personen an zu laufen hätte. Deshalb geht auch der
im Rekurs angerufene Entscheid der aargauischen Aufsichtsbehörde fehl
(Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1950 Nr. 24 S. 84 ff.),
soweit er dem in § 57 Abs. 2 des kantonalen EG zum SchKG enthaltenen
Gebot ("Der Betreibungsbeamte hat die Ehefrau des Schuldners auf diese
Bestimmungen des Art. 111 des Bundesgesetzes aufmerksam zu machen") einen
Einfluss auf den Beginn der in Frage stehenden Frist zuschreibt. Mit Recht
hat die Vorinstanz den entsprechenden zürcherischen Vorschriften (§§
120 und 122 des EG zum ZGB und Nr. 193 der obergerichtlichen Anweisung
vom 11. Februar 1952 zum SchKG und zum Gebührentarif) keine derartige
Bedeutung zuerkannt. Lehre und Rechtsprechung sind denn auch darüber
einig, dass Anschlussbegehren im Sinne von Art. 111 SchKG nur binnen
der ein- für allemal von der grundlegenden Pfändung an laufenden Frist
angebracht werden können, gleichgültig ob der einzelne Anschlussberechtigte
überhaupt während dieser Frist von der Pfändung Kenntnis erhält (JAEGER und
JAEGER-DAENIKER, N. 5 zu Art. 111 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 413;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung I S. 224; G. OTT, Die
privilegierte Anschlusspfändung des Ehegatten..., ZSR NF 37 S. 311 ff.; J.
RAGGENBASS, Die privilegierte Anschlusspfändung..., S. 16 oben und 87
ff., BGE 27 I 545 = Sep.-Ausg. 4, S. 183, BGE 38 I 241 = Sep.-Ausg. 15
S. 52 und seither ständig). Dementsprechend wird der Berechtigte laut
dem vorgedruckten Text des fakultativen Anzeigeformulars Nr. 2 eindeutig
darauf aufmerksam gemacht, dass Begehren um Anschlusspfändung im Sinne des
Art. 111 Abs. 1 SchKG "innerhalb 40 Tagen seit dem Vollzug der Pfändung,
d.h. bis ..." beim Amt anzubringen seien. Und eine Fussnote stellt klar,
dass der Beginn dieser Frist, falls Ergänzungspfändungen stattfanden,
auf jenen Tag zurückfalle, an dem für diese Gruppe die erste Pfändung
vollzogen wurde. Im vorliegenden Falle hat sich das Betreibungsamt an
diese Anweisung gehalten und deshalb in das der Rekurrentin am 7. Juni
1959 übergebene Anzeigeformular den Endtermin des 14. Juni eingesetzt
(in Wirklichkeit lief die Frist bis zum 15. Juni).

    Wenn die Rekurrentin dieser Angabe keine Beachtung schenkte, so vermag
dies am Ablauf der gesetzlichen Frist nichts zu ändern. Ebensowenig lässt
sich aus der Beschwerdefrist des Art. 17 SchKG etwas für die Anwendung
von Art. 111 SchKG herleiten, wie es in der Rekursbegründung versucht wird.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.