Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 143



85 III 143

32. Entscheid vom 28. November 1959 i.S. Anderegg und Konsorten. Regeste

    Konkursverfahren. Die Konkursverwaltung kann einem Dritten, der ins
Konkursinventar aufgenommene Gegenstände zu Eigentum beansprucht, die
Verfügung über diese Gegenstände nicht verbieten, wenn sie sich nicht in
ihrem Gewahrsam befinden. Parteirollen im Eigentumsstreit.

Sachverhalt

    Federico Streuli, der von Hans Zollikofer in St. Gallen das
Gut Klingenmühle in Märstetten zum Betrieb einer Schweinezüchterei
gepachtet hatte, verkaufte Zollikofer mit Vertrag vom 31. August 1957
seinen gesamten Schweine- und Rindviehbestand und Futtermittelvorrat zum
Preise von Fr. 82'500.--, der durch Verrechnung mit Darlehen getilgt
wurde. Nach Ziff. 3 dieses Vertrags war Streuli ermächtigt, "auch in
Zukunft in eigenem Namen, jedoch auf Rechnung des Herrn Zollikofer den
Schweinehandel zu betreiben und Futtermittel einzukaufen". Alles was er
auf diese Weise einkaufte, sollte nach dem Vertrag Eigentum Zollikofers
sein, der Streuli den ausgelegten Kaufpreis zu ersetzen hatte.

    Nachdem Streuli am 27. Dezember 1958 gestorben war, schlugen seine
Erben die Erbschaft aus, worauf am 26. März 1959 die konkursamtliche
Liquidation seines Nachlasses angeordnet wurde. Am 30. April 1959
verpachtete Zollikofer sein Gut an Josef Hochreutener, und am 5. Mai
1959 verkaufte er ihm die Viehhabe, das Mobiliar und die Futtervorräte,
welche Gegenstände am 1. April 1959 ohne sein Wissen ins Konkursinventar
aufgenommen worden waren. Seine Eigentumsansprache an diesen Gegenständen
wurde vom Konkursamt anerkannt, von Konkursgläubigern dagegen unter
Stellung von Abtretungsbegehren im Sinne des Art. 260 SchKG bestritten.

    Am 10. September 1959 untersagte das Konkursamt dem Drittansprecher
Zollikofer mit sofortiger Wirkung jede Verfügung über die im Inventar
aufgeführten Gegenstände. Auf Beschwerde Zollikofers und Hochreuteners hin
hat die kantonale Aufsichtsbehörde diese Verfügung mit Entscheid vom 7.
November 1959 aufgehoben.

    Diesen Entscheid haben E. Anderegg und acht weitere Konkursgläubiger
an das Bundesgericht weitergezogen. Ihr Rekurs wird abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    Die angefochtene Verfügung könnte höchstens dann Bestand haben, wenn
der Gewahrsam an den streitigen Gegenständen durch die Konkurseröffnung
an die Konkursverwaltung übergegangen wäre. Dies träfe zu, wenn bìs zur
Konkurseröffnung die Erbengemeinschaft Federico Streuli den Gewahrsam
ausgeübt hätte. Das war jedoch nicht der Fall. Nach den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, die gemäss Art. 81 in Verbindung mit
Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind, wurde der
Schweinezuchtbetrieb nach dem Tode Streulis nicht von dessen Erben,
sondern vom nachmaligen Pächter Hochreutener weitergeführt, und zwar
geschah dies im Auftrag Zollikofers, dem die Liegenschaft gehört, auf der
die Schweinezüchterei betrieben wird. Nach dem Tode Streulis wurde also
der Gewahrsam an den zu diesem Betrieb gehörenden Gegenständen, den früher
Streuli innegehabt haben mag, von Zollikofer oder von seinem Beauftragten
Hochreutener ausgeübt. Hieran ändert nichts, dass die Erben Streuli in der
Klingenmühle wohnen blieben; denn die streitigen Gegenstände befanden sich
zweifellos nicht in ihren Wohnräumen, sondern in Stall- und Vorratsräumen,
über die derjenige verfügte, der den Sc.hweinezuchtbetrieb führte. Durch
die Konkurseröffnung wurde der bis dahin bestehende Gewahrsam Zollikofers
oder seines Beauftragten nicht berührt. Die Verfügung vom 10. September
1959 ist daher zu Recht aufgehoben worden.

    Wenn die Vorinstanz am Schluss ihrer Erwägungen bemerkt, die
Konkursverwaltung habe nun das Verfahren nach Art. 242 SchKG über
die geltend gemachten Aussonderungsansprüche in die Wege zu leiten,
so ist dies dahin richtigzustellen, dass Art. 242 SchKG mit Bezug auf
die von Zollikofer bzw. nun von Hochreutener zu Eigentum beanspruchten
Gegenstände nicht angewendet werden kann, weil diese Gegenstände sich
nicht im Gewahrsam der Masse befinden, sondern dass die Klägerrolle
im Eigentumsstreit über diese Gegenstände der Masse bzw. den
Abtretungsgläubigern zufällt (BGE 85 III 50/51 und dortige Hinweise).