Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 101



85 III 101

24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Februar 1959 i.S. E. und A. Dubs
und Konsorten gegen Falck & Cie. und Zangwil. Regeste

    Bauhandwerkerpfandrecht. Klage nach Art. 841 ZGB im Konkurs des
Grundeigentümers. Passivlegitimation.

    Die Klage der Bauhandwerker ist gegen die ihnen im Range vorgehenden
Gläubiger zu richten, deren Forderungen bei der Verwertung des Grundstücks
ganz oder teilweise gedeckt worden sind (Art. 841 Abs. 1 ZGB), unter
Umständen gegen deren Rechtsvorgänger (Abs. 2). Der Ersteigerer kann
dagegen mit einer solchen Klage nicht belangt werden. Er tritt nicht an
die Stelle jener vorgehenden Pfandgläubiger und hat keinen Rückgriff auf
die Konkursmasse, auch wenn er den betreffenden Teildes Steigerungspreises
(in einer von den Konkursbehörden als gültig anerkannten Weise) unmittelbar
an jene Gläubiger bezahlt hat.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs über die Verlassenschaft des am 5. Mai 1954 verstorbenen
Dr. K. Aebi wurde am 16. November 1954 dessen Liegenschaft "Zum
grossen Otter" an der Oberdorfstrasse in Zürich öffentlich versteigert.
Den Zuschlag erhielt David Zangwil, Schuldbriefgläubiger mit Pfandrecht
im 5. Rang, zum Preise von Fr. 700'000.--. Durch diesen Preis waren
die Grundpfandforderungen des 1. bis 4. Ranges gänzlich und die eigenen
Pfandforderungen des Ersteigerers teilweise gedeckt. Der im 4. Rang
stehende Inhaberschuldbrief von Fr. 100'000.-- haftete der Bank Falck
& Cie, Luzern, als Faustpfand für Kapital- und Zinsforderungen von
insgesamt Fr. 109'837.50, die nach den Steigerungsbedingungen bar an
das Konkursamt zu bezahlen waren. Nach der auf Art. 47 der Verordnung
über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) berugenden Ziffer 11 der
Steigerungsbedingungen stand dem Ersteigerer frrei, mit dem betreffenden
Pfandgläubiger während der Zahlungsfrist eine andere Art der Tilgung
zu vereinbaren und sich darüber beim Konkursamt auszuweisen. Er bot
der Bank Falck & Cie zunächst eine Schuldübernahme an, was sie jedoch
ablehnte. Hierauf zahlte er den Betrag ihrer Forderung an sie selbst,
wogegen sie den Wechsel und den Schuldbrief seiner Bank aushändigte und
dem Konkursamt bescheinigte, gänzlich durch den Ersteigerer befriedigt
worden zu sein. Das Konkursamt meldete gestützt auf die Feststellung
der vollständigen Begleichung des Steigerungspreises den Übergang des
Eigentums am verwerteten Grundstück auf Zangwil beim Grundbuchamt an, das
die Eintragung am 30. November 1954 vornahm und die Eigentumserwerbsurkunde
ausstellte.

    B.- Die Bauhandwerker waren mit ihren Pfandforderungen ungedeckt
geblieben. Sie wollten sich nachträglich im Sinne von Art. 117 Abs.
2 VZG für ihre allfälligen Ansprüche aus Art. 841 ZGB sichern lassen
und erwirkten eine Verfügung der beiden Konkursämter Fluntern-Zürich
(das den Konkurs verwaltete) und Zürich-Altstadt (das mit der Verwertung
des Grundstücks beauftragt worden war), des Inhalts, der Ersteigerer
Zangwil habe jenem Konkursamt binnen bestimmter Frist einen Betrag
von Fr. 186'485.95 oder, bei Hinterlegung des Schuldbriefs im 4. Rang
von Fr. 100'000.--, Fr. 109'725.-- weniger einzuzahlen. Zugleich
liessen die beiden Konkursämter zu Lasten des versteigerten Grundstücks
eine Verfügungsbeschränkung vormerken. Auf Beschwerde Zangwils hob
jedoch die untere Aufsichtsbehörde mit rechtskräftigem Entscheid vom
2. September 1955 die angefochtene Verfügung auf und wies die beiden
Konkursämter an, die Verfügungsbeschränkung im Grundbuche wieder
löschen zu lassen. Die Erwägungen führen aus, Zangwil befinde sich im
unangefochtenen Eigenbesitz des Grundstücks. Er habe den Zuschlagspreis
gemäss den Steigerungsbedingungen (die ordnungsgemäss aufgelegt und von
den Bauhandwerkern nicht angefochten worden waren) beglichen. Daher habe
für eine allfällige Missachtung von Art. 117 VZG durch das eine oder
andere Konkursamt jedenfalls nicht der Ersteigerer einzustehen.

    C.- Die Bauhandwerker erhoben hierauf gegen Falck & Cie Klage auf
Bezahlung des von ihr bezogenen Betrages von Fr. 109, 837.50 nebst
Zins seit Klageeinleitung zur Deckung der Pfandforderungen der Kläger
im Verhältnis der einzelnen Beträge. Eventuell wurde beantragt, das
Konkursamt Fluntern-Zürich, weiter eventuell das Konkursamt Zürich-Altstadt
sei anzuweisen, "den allenfalls durch die Beklagte dort deponierten
Verwertungserlös von Fr. 109'837.50 oder einen allfälligen niedrigeren
Betrag anteilsmässig an die Kläger herauszugeben". Zur Begründung wurde
vorgebracht, das versteigerte Grundstück sei in einer für die Beklagte
erkennbaren Weise zum Nachteil der Handwerker belastet worden, indem man
mit ihrem Wissen den ihr verpfändeten Schuldbrief vom dritten in den
vierten Rang versetzt habe, um die Schaffung einer vorgehenden, durch
einen Baukredit auszufüllenden leeren Pfandstelle von Fr. 382'000.-- zu
ermöglichen. Dadurch sei der Vorgang auf Fr. 550'000.-- und die Belastung
mit derjenigen zu Gunsten der Beklagten auf Fr. 650'000.-- gestiegen.

    D.- Die Beklagte trug auf gänzliche Abweisung der Klage an. Ihr
schloss sich der Ersteigerer Zangwil als Nebenintervenient an, da er an
der Abweisung der Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Kläger,
eventuell wegen materieller Unbegründetheit der Klage, interessiert sei,
während er freilich in der Frage der Passivlegitimation, die nach Ansicht
der Beklagten nicht ihr, sondern ihm zukomme, dem gegenteiligen Standpunkt
der Kläger beitrete.

    E.- Mit Urteil vom 26. Juni 1958 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Klage wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten
abgewiesen. Die Begründung des Urteils geht dahin: Die von Zangwil an die
Beklagte geleistete Zahlung kann nicht als Teil des Steigerungspreises
gelten. Denn als andere Art der Tilgung einer eigentlich in bar an
das Betreibungs- bzw. Konkursamt zu zahlenden Pfandforderung sieht
Art. 47 VZG eine Zahlung an den Pfandgläubiger selbst nicht vor; eine
Schuldübernahme, wie sie Zangwil der Beklagten angeboten hatte, kam aber,
weil die Beklagte sie ablehnte, nicht zustande. Somit ist Zangwil als
zahlender Dritter zu betrachten, der nach Art. 827 ZGB und Art. 110 OR an
die Stelle der befriedigten Pfandgläubigerin getreten ist. Er hat damit
deren Forderungen samt Nebenrechten mit allen Vorzügen, aber auch mit den
ihnen anhaftenden Schwächen erworben und muss infolgedessen nun an ihrer
Stelle allfällige Ersatzansprüche der Bauhandwerker nach Art. 841 Abs. 1
ZGB erfüllen. Die Klage hätte sich also nicht gegen sie, sondern gegen
Zangwil richten müssen. Es kommt nicht etwa in Frage, gegen die Beklagte
nach Art. 841 Abs. 2 ZGB vorzugehen, denn sie hat ihre Forderung nicht
an Zangwil veräussert, sondern lediglich dessen Zahlung angenommen, wozu
sie verpflichtet war. Den Klägern entgeht übrigens nichts, wenn sie auf
eine Klage gegen Zangwil verwiesen werden, denn der im 4. Rang stehende
Schuldbrief ist nicht gelöscht worden.

    F.- Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung an das
Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Aufhebung der Ziffern 1, 3
und 4 des angefochtenen Rechtsspruches und Rückweisung der Sache an das
Handelsgericht zur materiellen Beurteilung; eventuell wird Gutheissung
der Klage beantragt.

    Die Beklagte trägt auf Abweisung der Berufung an. Der Nebenintervenient
verlangt dagegen die Gutheissung des Hauptantrages der Berufung, indem
er wie die Kläger die Passivlegitimation der Beklagten bejaht.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Ansicht der Vorinstanz, die von Zangwil an die
Beklagte geleistete Zahlung sei nicht als Tilgung eines Teils des
Steigerungspreises, sondern als Intervention für den Konkursiten im
Sinne von Art. 827 ZGB und Art. 110 OR zu betrachten, widerspricht
sowohl dem Grund dieser Zahlung wie auch den ihr von den Organen
des Konkursverfahrens beigelegten Rechtswirkungen. Zangwil hatte
die Liegenschaft ersteigert und damit die Pflicht zur Begleichung des
Steigerungspreises von Fr. 700'000.-- übernommen, durch den die Forderung
der Beklagten mit Faustpfandrecht am Inhaberschuldbrief im vierten Range
gedeckt war. Nach den Steigerungsbedingungen wäre ihm an und für sich
Barzahlung des Forderungsbetrages an das Konkursamt obgelegen. Wenn er
sich statt dessen an die Beklagte wandte, um mit ihr eine Schuldübernahme
zu vereinbaren, so beabsichtigte er nur eine andere Art der Tilgung des
betreffenden Teilbetrages des Steigerungspreises, wie ihm dies nach den
Steigerungsbedingungen entsprechend Art. 47 VZG vorbehalten war. Nach
Ablehnung seines Angebotes durch die Beklagte einigte er sich mit ihr
auf eine direkte Barzahlung, worauf sie sich zu Handen des Konkursamtes
als befriedigt erklärte und das Konkursamt die erfolgte Zahlung als
auf Rechnung des Steigerungspreises gehend anerkannte und Zangwil als
Ersteigerer in das Grundbuch eintragen liess. Ob die erwähnte Zahlung
als richtige Erfüllung des Steigerungspreises zu gelten habe, unterstand
der Entscheidung der Konkursbehörden. Nachdem Zangwil auf Grund der
Bescheinigung des Konkursamtes, der Steigerungspreis sei vollständig
beglichen, unter anderem durch die Zahlung an die Beklagte, als Erwerber
des Grundstücks eingetragen worden ist, und nachdem ein rechtskräftiger
Beschwerdeentscheid der Aufsichtsbehörde es als unzulässig bezeichnet
hat, auf die Gültigkeit dieser Tilgungshandlungen zurückzukommen, muss
es dabei auch für den vorliegenden Rechtsstreit sein Bewenden haben.

Erwägung 2

    2.- Was ein Ersteigerer an den Zuschlagspreis leistet, kann nicht als
Intervention für den Konkursiten gelten. Eine solche Preiszahlung bildet
den Gegenwert für das Steigerungsobjekt. Gläubiger des Ersteigerers
ist die Konkursmasse. Wird im Rahmen der Steigerungsbedingungen
oder jedenfalls im Einverständnis zwischen dem Ersteigerer und der
Konkursverwaltung bzw. mit nachträglicher Genehmigung derselben direkt an
einen Konkursgläubiger bezahlt, dessen pfandgesicherte Forderung durch
den Steigerungspreis gedeckt ist, so begleicht der Ersteigerer damit
ebenfalls seine Schuld gegenüber der Konkursmasse, und der auf diese
Weise befriedigte Pfandgläubiger empfängt damit seinen Verwertungsanteil,
gleichwie wenn das Geld zunächst in die Kasse des Konkursamtes gelangt
und ihm von diesem überwiesen worden wäre. Angesichts dieses Zweckes der
Zahlung ist eine Subrogation des Ersteigerers in die Gläubigerrechte des
befriedigten Pfandgläubigers ausgeschlossen. Er empfängt eben den Gegenwert
seiner Leistung in Gestalt des Steigerungsobjektes, und seine Leistung
soll die Konkursmasse von der dadurch getilgten Pfandforderung endgültig
entlasten, so dass kein Raum für einen Rückgriff auf den Konkursiten
bzw. das Konkursvermögen übrig bleibt. Somit fehlt es an jedem Grund
für eine Subrogation, die unter näher bestimmten Voraussetzungen nach
Art. 827 ZGB. oder Art. 110 OR dann eintritt, wenn der zahlende Dritte
mit einer Aufwendung aus seinem Vermögen für den Schuldner einspringt
(vgl. ROOS, Über die Subrogation nach schweizerischem Recht, S. 63, 76,
85). Einerseits erfüllt der Ersteigerer, auch wenn er dem Pfandgläubiger
leistet, seine eigene Schuld gegenüber der Konkursmasse. Anderseits erhält
der Pfandgläubiger vom Ersteigerer das, was er von der Konkursmasse als
Verwertungsanteil zugute hat.

Erwägung 3

    3.- Die in den Genuss dieses Anteils gelangte Beklagte haftet
den zu Verlust gekommenen Bauhandwerkern nach Art. 841 Abs. 1 ZGB,
sofern die von der Vorinstanz nicht geprüften Voraussetzungen dieser
Haftung zutreffen. Sie ist dieser Haftung nicht ledig geworden durch die
Aushändigung des ihr als Faustpfand haftenden Inhaberschuldbriefs an den
Ersteigerer. Den Pfandtitel hatte sie beim Empfang des Forderungsbetrages
auf alle Fälle herauszugeben, sei es dem Konkursamt oder dem zahlenden
Ersteigerer. Und dieser hat sich damit nicht bereichert; denn der auf der
ersteigerten Liegenschaft lastende Schuldbrief bildet in seinen Händen kein
besonderes, zum Grundstück hinzutretendes Vermögensstück. Als Ersteigerer
hat er, wie dargetan, keinen Rückgriff gegen den Konkursiten oder die
Konkursmasse. Es ist eine (die Beklagte nicht berührende) Frage für
sich, ob das Konkursamt den Schuldbrief vom Ersteigerer zur Entkräftung
herausverlangen könne, um das entsprechende Grundpfandrecht löschen
zu lassen, oder ob es den Ersteigerer wenigstens anhalten könne, als
Schuldbriefschuldner sich selbst an Stelle des Dr. K. Aebi einzuschreiben,
um jedem Missbrauch des Pfandtitels in der Hand eines Dritten vorzubeugen.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Gesagten bedarf es zur Begründung der Passivlegitimation
der Beklagten - womit die nähere Prüfung der von den Klägern geltend
gemachten Ersatzpflicht offen bleibt - nicht des Hinweises auf Art. 841
Abs. 2 ZGB. Diese Bestimmung fasst den Fall ins Auge, dass ein den
Bauhandwerkern vorgehender Pfandgläubiger, der nach Abs. 1 daselbst
ersatzpflichtig geworden wäre, den Pfandtitel - vor der Verwertung
des Grundstücks - an einen Dritten veräussert hat, so dass dieser
bei gutem Glauben den auf den Pfandtitel entfallenden Erlös beziehen
kann, ohne der Anfechtung nach Art. 841 Abs. 1 ZGB ausgesetzt zu sein
(vgl. LEEMANN, N. 46-49 zu Art. 841 ZGB; HAEFLIGER, Le rang et le
privilège de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, p.
40 ff). Ob die Beklagte im Fall der von ihr angenommenen Subrogation
nicht gemäss Art. 841 Abs. 2 ZGB zu haften hätte, d.h. ob die Übergabe
des Pfandtitels an einen als Konkursgläubiger an ihre Stelle tretenden
Dritten nicht als "Veräusserung" zu gelten hätte, kann dahingestellt
bleiben. Denn den auf ihre Pfandforderung entfallenden Verwertungserlös
hat eben die Beklagte selbst bezogen, und Zangwil ist, wie dargetan,
nicht als neuer Konkursgläubiger zu betrachten, der auch noch einen
solchen Anteil für die nämliche Pfandforderung beziehen könnte, was
mit seiner Stellung als Ersteigerer völlig unvereinbar wäre. Angesichts
der rechtskräftigen Versteigerung der Liegenschaft wird auch keine neue
Versteigerung stattfinden, wobei sich fragen würde, ob und unter was für
Umständen ein Dritter, etwa auch Zangwil, in den Fall kommen könnte, den
auf die Pfandforderung der Beklagten entfallenden Verwertungsanteil bzw.
den Anspruch darauf für sich zu erwerben und alsdann (als Zessionar
oder in ähnlicher Rechtsstellung) einer Klage nach Art. 841 Abs. 1 ZGB
ausgesetzt zu sein.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Juni 1958 aufgehoben und die
Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückgewiesen wird.