Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 I 89



84 I 89

14. Urteil vom 14. Mai 1958 i.S. Kuhn gegen Regierungsrat des Kantons
St. Gallen. Regeste

    Kantonale Abgaben.

    1.  Nach einem feststehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz dürfen
öffentliche Abgaben nur erhoben werden, wenn eine gesetzliche Grundlage
dafür besteht (Erw. 2).

    2.  Vorschriften über die Erhebung einer Gebühr für die Bewilligung
zum Hausieren gestatten nicht, eine solche Abgabe auch für den Betrieb
von Warenverkaufsautomaten zu erheben (Erw. 3).

    3.  Gewohnheitsrecht als Grundlage für die Erhebung einer öffentlichen
Abgabe? (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 26 des st. gallischen Gesetzes über den Marrktverkehr
und das Hausieren vom 28. Juni 1887 erlässt der Regierungsrat die zum
Vollzug dieses Gesetzes notwendige Verordnung. Die am 8. Mai 1942 erlassene
Vollzugsverordnung (VV) bestimmt in Art. 16:

    "Der Betrieb von automatischen Apparaten, durch welche Waren an
öffentlichen Orten, Wirtschaften, Bahnhöfen usw. verkauft werden, ist
ebenfalls patentpflichtig.

    Die Gebühr beträgt Fr. 10.- bis Fr. 120.-- pro Jahr und Apparat."

    Entsprechende Besitmmungen, jedoch mit anderen Gebührenansätzen, waren
schon in den Vollzugsverordnungen vom 3. Juli 1903 und vom 31. Dezember
1920 enthalten.

    B.- Der Beschwerdeführer Jean Kuhn betreibt eine Kolonialwarenhandlung
in St. Margrethen. Im Jahre 1957 stellte er in dieser Gemeinde auf
privatem Grund einen Warenverkaufsautomaten auf. Die Gemeindeverwaltung
teilte ihm am 23. August 1957 mit, dass dieser Automat patentpflichtig
sei, und verlangte auf Grund des zitierten Art. 16 VV eine Gebühr für
den Staat sowie eine gleich hohe Gebühr für die Gemeinde. Kuhn erhob
hiegegen beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen Beschwerde mit dem
Antrag auf Aufhebung der Gebührenauflage und auf Feststellung, dass für
Warenautomaten auf Privatgrund keine Patentgebühren geschuldet seien. Zur
Begründung machte er vor allem geltend, dass Art. 16 VV keine gesetzliche
Grundlage habe und im vorliegenden Falle übrigens auch deshalb nicht
anwendbar sei, weil sich der Automat nicht an einem öffentlichen Ort,
sondern auf Privatgrund befinde.

    Der Regierungsrat wies die Beschwerde durch Beschluss vom 28. Februar
1958 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

    1. Nach der Praxis der Bundesbehörden zu Art. 31 BV seien die Kantone
befugt, die Aufstellung von Warenautomaten einer polizeilichen Aufsicht
sowie einer Besteuerung, die allerdings nicht prohibitiv sein dürfe,
zu unterwerfen. Der Beschwerdeführer stelle dies nicht in Abrede,
bestreite aber, dass im Kanton St. Gallen die erforderliche gesetzliche
Grundlage vorhanden sei. Der Wortlaut des Gesetzes vom 28. Juni 1887
und des Nachtragsgesetzes vom 31. Dezember 1894 erfasse in der Tat die
Warenautomaten nicht. Nach dem Sinn dieser Gesetze seien jedoch die
ausserordentlichen, vom normalen Ladenverkauf abweichenden Verkaufsarten
einer besonderen Aufsicht und Besteuerung zu unterwerfen. Im Hmnblick auf
diesen Sinnzusammenhang zwischen Hausierhandel und Warenautomaten habe der
Regierungsrat bereits im Jahre 1927 eine Beschwerde gegen die Patentpflicht
für Automaten abgewiesen (St. gall. Verwaltungspraxis Bd. II Nr. 701).

    2. Wenn man trotz dieses Sinnzusammenhangs in den erwähnten
Gesetzen keine genügende Grundlage für Art. 16 VV erblicke, so habe die
Patentpflicht jedenfalls eine gewohnheitsrechtliche Grundlage.

    a) Das Gewohnheitsrecht sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
auch im Gebiete des öffentlichen Rechts als Rechtsquelle anerkannt,
wenn auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit grosse Zurückhaltung
geboten sei. Das st. gall. Gesetz von 1887 über den Hausierhandel und das
Nachtragsgesetz von 1894 seien, von der Erhöhung der Patenttaxen abgesehen,
trotz der seitherigen wirtschaftlichen Entwicklung nie revidiert worden,
was der Entstehung von Gewohnheitsrecht von vorneherein günstig gewesen
sei. In den Vollzugsverordnungen seien die Warenautomaten seit 1903
patentpflichtig erklärt worden. Der im Jahre 1935 aufgestellte Entwurf
eines neuen Warenhandelsgesetzes habe die Patentpflicht ausdrücklich
vorgesehen; das Volk habe dieses Gesetz zwar verworfen, jedoch nicht
wegen der Patentpflicht für Automaten, die nicht umstritten gewesen sei.

    b) Die Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht seien
erfüllt. Eine Praxis von nahezu 55 Jahren genüge auch den strengsten
Anforderungen, zumal da die Patentpflicht nicht nur vereinzelt, sondern
von Jahr zu Jahr in einer Mehrzahl von Fällen zur Anwendung gelangt sei
und durch Aufnahme in die Vollzugsverordnung die allgemein verbindlichen
Erlassen eigene generelle Wirkung und Publizität erhalten habe. Ebenso
sei die erforderliche Rechtsüberzeugung gegeben. Der Regierungsrat habe
sich seit 1903 als zur Anordnung der Patentpflicht befugt erachtet,
und die Betroffenen hätten, von einer vereinzelten Bestreitung im Jahre
1927 abgesehen, die Patentpflicht anerkannt, indem sie Bewilligungen
einholten und die Gebühren bezahlten. Dazu komme, dass die Patenttaxen
aus Warenautomaten seit Jahrzehnten einen Bestandteil der Staats- und
Gemeindeeinnahmen bildeten und ihre Erhebung, unter der stillschweigenden
Voraussetzung ihrer Rechtmässigkeit, indirekt in den jährlichen
Budgetbeschlüssen des Grossen Rates gutgeheissen worden sei. Der Einwand,
dass das Gewohnheitsrecht auf dem Gebiete der Besteuerung nicht neues
Recht schaffen könne, wäre unbehelflich, da es hier um die ausdehnende
Anwendung der in der Hausiergesetzgebung aufgestellten Patentpflicht gehe.

    3. Der Beschwerdeführer bestreite die Patentpflicht auch deshalb,
weil sein Automat auf privatem Boden stehe. Art. 16 VV treffe jedoch zu,
sobald ein Automat an einem jedermann zugänglichen Orte stehe.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat Jean Kuhn staatsrechtliche Beschwerde
erhoben. Er macht geltend, die von ihm verlangte Steuer für den
Warenautomaten habe keine gesetzliche Grundlage, sei deshalb willkürlich
und verletze Art. 4 BV. Ferner wirft er dem Regierungsrat Verletzung der
Art. 27, 47, 65 und 101 KV vor. Die Begründung dieser Rügen ist, soweit
notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 16 VV erklärt den Betrieb von Warenverkaufsautomaten für
patentpflichtig (Abs. 1) und setzt die dafür zu entrichtende Gebühr auf Fr.
10.- bis Fr. 120.-- pro Jahr und Apparat fest (Abs. 2). Die Frage der
Patentpflicht, d.h. ob Art. 16 Abs. 1 VV verfassungsmässig sei, ist nicht
Gegenstand der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde. Diese richtet
sich ausschliesslich gegen die Gebühr, die gestützt auf Art. 16 Abs. 2
VV vom Beschwerdeführer verlangt wird für den Betrieb des Automaten,
den er in St. Margrethen aufgestellt hat.

Erwägung 2

    2.- Die Höhe dieser Gebühr ist den Akten nicht zu entnehmen. Indessen
behauptet der Beschwerdeführer nicht, sie überschreite den Rahmen von
Art. 16 Abs. 2 VV. Es ist daher davon auszugehen, dass sie zwischen je
Fr. 10.- bis Fr. 120.-- für den Staat und für die Gemeinde beträgt. Ob
es sich dabei um eine Gebühr im Rechtssinne d.h. um ein Entgelt für eine
Tätigkeit der Verwaltung, oder um eine (Gewerbe-) Steuer handle, braucht
nicht geprüft zu werden. Sie stellt jedenfalls keine blosse Kanzleitaxe
dar und darf daher nur erhoben werden, wenn eine gesetzliche Grundlage
dafür besteht. Das wird vom Regierungsrat mit Recht nicht bestritten. Der
Grundsatz, dass ein den Bürger belastender Verwaltungsakt nicht ohne
gesetzliche Grundlage erlassen werden darf (BGE 65 I 300), gilt im
Rechtsstaat allgemein und wird namentlich mit Bezug auf Steuern und andere
öffentliche Abgaben von Bundesgericht in ständiger Praxis gehandhabt
(BGE 33 I 390, 56 I 514, 67 I 26/27, 80 I 327), und zwar nicht nur da,
wo er ausdrücklich in kantonalen Verfassungen aufgestellt wird (BGE 52
I 213/4, 82 I 27/28). Es handelt sich um einen feststehenden allgemeinen
Rechtsgrundsatz, dessen Missachtung einen Verstoss gegen Art. 4 BV bildet.

    Der Regierungsrat behauptet nicht, dass ihm eine selbständige
Rechtsverordnungskompetenz zusehe, die ihn zum Erlass von Art. 16 Abs. 2 VV
berechtigt habe. Er leitet die Befugnis dazu aus der in § 26 des Gesetzes
von 1887 über den Marktverkehr und das Hausieren enthaltenen Ermächtigung
zum Erlass der zum Vollzug notwendigen Verordnung ab und beruft sich
für den Fall, dass dieses Gesetz als Grundlage nicht genügen sollte,
auf Gewohnheitsrecht.

Erwägung 3

    3.- Das Gesetz von 1887 regelt den Marktverkehr und das Hausieren und
umschreibt in Art. 4 (ergänzt durch Art. 7 des Nachtragsgesetzes von 1894)
im einzelnen diejenigen Formen der Gewerbeausübung, die als Hausieren zu
gelten haben und für welche daher die in Art. 16 des Gesetzes festgesetzten
Patenttaxen zu entrichten sind. Da der Warenverkauf durch Automaten dabei
nicht erwähnt wird, kann sich Art. 16 Abs. 2 VV jedenfalls nicht auf den
Wortlaut des Gesetzes stützen. Der Regierungsrat bestreitet das nicht,
glaubt aber, sich auf den Sinn des Gesetzes berufen zu können, der - wie er
behauptet - über den Wortlaut hinaus dahin gehe, die ausserordentlichen,
vom gewöhnlichen Ladenverkauf abweichenden Verkaufsarten einer besondern
Aufsicht und Besteuerung zu unterwerfen. Dieser Standpunkt erweist sich
indessen als unhaltbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist
zwar die ausdehnende Auslegung auch im Steuerrecht anwendbar (BGE 72 I
310, 76 I 210) und darf eine Vollzugsverordnung das Gesetz sinngemäss
ergänzen, wo dieses stillschweigt oder eine Lücke enthält (BGE 64 I 315
und dort zitierte Urteile). Indessen liegt darin, dass ein Steuergesetz
gewisse Tatbestände, die Anlass zur Besteuerung geben können, nicht
erwähnt, keine Lücke, die durch eine Vollzugsverordnung ausgefüllt werden
könnte. Die in Art. 4 des Gesetzes von 1887 enthaltene Aufzählung der als
Hausieren zu betrachtenden Arten der Gewerbeausübung muss, jedenfalls was
die Besteuerung betrifft, als abschliessend gelten und kann nur den Sinn
haben, dass sich die Abgabepflicht auf diese Tatbestände beschränkt. Auch
bei weitester Auslegung gestattet das Gesetz nicht, den Warenverkauf
durch Automaten, der mit den in Art. 4 genannten Tätigkeiten keinerlei
Ähnlichkeit aufweist, zu besteuern. Die Berufung des Regierungsrates
auf das einen Spielapparat betreffende Urteil des Bundesgerichts vom
22. Dezember 1954 i.S. Willimann (BGE 80 I 350 ff.) ist unbehelflich.
Es ging dort nicht um die Besteuerung eines solchen Apparates, sondern um
das Verbot, damit um Geld zu spielen, und die Befugnis des Regierungsrates
zum Erlass dieses Verbotes konnte, wie das Bundesgericht in der (nicht
veröffentlichten) Erwägung 3 a ausgeführt hat, aus verschiedenen,
weit gefassten Gesetzesbestimmungen abgeleitet werden. Art. 16
Abs. 2 VV wäre nur rechtsbeständig, wenn der darin wie schon in den
entsprechenden Bestimmungen der Vollzugsverordnungen von 1903 und 1920
enthaltene Grundsatz der Gebührenpflicht für Warenverkaufsautomaten als
Gewohnheitsrecht gelten könnte.

Erwägung 4

    4.- Wie das Bundesgericht in BGE 83 I 247 unter Hinweis auf frühere
Urteile ausgeführt hat, ist das Gewohnheitsrecht grundsätzlich auch auf
dem Gebiete des öffentlichen Rechts als Rechtsquelle anzuerkennen. Dabei
ist jedoch, wie dort und schon früher (BGE 73 I 345/6) hervorgehoben
wurde, grosse Zurückhaltung geboten, was unter anderm bedeutet, dass an
die Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht, d.h. an
die Regelmässigkeit und lange Dauer der Übung und an die ihr zugrunde
liegende Rechtsüberzeugung, strenge Anforderungen zu stellen sind. Die
Urteile, in denen das Bundesgericht das Bestehen eines Gewohnheitsrechts
im öffentlichen Recht bejaht oder doch in Erwägung gezogen hat,
betreffen sodann vorwiegend andere Teile dieses Rechtsgebietes. Im
Steuerrecht wurden gewohnheitsrechtliche Normen, soweit ersichtlich,
nur in zwei Fällen anerkannt. Einmal hat die staatsrechtliche Kammer im
(amtlich nicht publizierten, aber in MBVR 1 S. 470 ff. abgedruckten)
Urteil vom 6. Februar 1901 i.S. AG Hotels Thunerhof und Bellevue eine
die Vorschrift eines kantonalen Steuergesetzes über die Bemessungsperiode
abändernde, die Steuerpflichtigen aber nicht benachteiligende, mehr als
30-jährige Praxis als gewohnheitsrechtlich gelten lassen, während in
einem ähnlichen Falle (nicht veröffentl. Urteil vom 16. September 1948
i.S. Wild) eine erst 7-jährige Praxis als ungenügend bezeichnet wurde;
sodann hat die verwaltungsrechtliche Kammer in BGE 56 I 37 ff. eine
durch die Praxis eingeführte Ausdehnung des Anspruchs auf Rückerstattung
bezahlter Militärsteuerbeträge als gewohnheitsrechtlichen Bestandteil des
Bundesrechtes anerkannt. Ob auch steuerrechtliche Pflichten des Bürgers
durch Gewohnheitsrecht begründet und neue Steuern durch solches eingeführt
werden können, was BLUMENSTEIN (Steuerrecht S. 23/24 und System S. 13)
mit Nachdruck bestreitet, wurde noch nie entschieden und erscheint als
zweifelhaft. Die Gründe, welche die Zulassung ergänzenden Gewohnheitsrechts
auch im Gebiete des öffentlichen Rechts rechtfertigen, nämlich das
Bestehen einer (echten) Lücke im Gesetz und das unabweisliche Bedürfnis
nach einer Regelung (vgl. BGE 73 I 346, FLEINER, Institutionen S. 87),
dürften, soweit der Bestand oder Umfang von Abgabepflichten in Frage steht,
kaum je gegeben sein und treffen jedenfalls vorliegend nicht zu, da die
gesetzliche Ordnung, wie bereits in Erw. 3 ausgeführt wurde, keine Lücke
enthält. Ob gleichwohl wenigstens ohne Willkür angenommen werden könnte,
eine Abgabe wie die streitige Patentgebühr auf Warenverkaufsautomaten
könne auf Grund eines Gewohnheitsrechts erhoben werden, braucht nicht
entschieden zu werden, da an die Bildung solchen Gewohnheitsrechts
besonders strenge Anforderungen zu stellen wären, die im vorliegenden
Falle nicht erfüllt sind.

    Der Betrieb von Warenverkaufsautomaten wurden im Kanton St. Gallen
erstmals in der VV von 1903 patent- und gebührenpflichtig erklärt. Seither
haben die Behörden die Erfüllung dieser Pflichten in ständiger Praxis
verlangt und auch in allen Fällen durchgesetzt; eine einzige Beschwerde hat
der Regierungsrat im Jahre 1927 abgewiesen (st. gall. Verwaltungspraxis
Bd. II Nr. 701). Eine so lange Übung dürfte, was die Dauer betrifft,
für die Bildung von Gewohnheitsrecht selbst dann genügen, wenn wie hier
die Begründung einer Abgabepflicht in Frage steht. Auch eine noch so
gefestigte und langjährige Übung erzeugt jedoch nur Gewohnheitsrecht,
wenn die Rechtsüberzeugung hinzutritt; auf diese kommt es entscheidend an
(BGE 83 I 248/9 und dort zitiertes Schrifttum; EGGER N. 28 zu Art. 1 ZGB).

    Die Entstehung von Gewohnheitsrecht auf dem Gebiet des öffentlichen
Rechts setzt voraus, dass nicht nur die rechtsanwendenden Behörden,
sondern auch die vom angewandten Grundsatz Betroffenen davon überzeugt
sind, dass dieser auch wirrklich Recht ist (PETERS, Lehrbuch der
Verwaltung S. 80). Für die Bildung von Gewohnheitsrecht als Grundlage
einer Abgabepflicht kann das jedoch nicht genügen, sondern muss verlangt
werden, dass die Rechtsüberzeugung bei der ganzen Rechtsgemeinschaft oder
doch bei einem beträchtlichen Teil derselben besteht (vgl. FORSTHOFF,
Verwaltungsrecht, 6. Auflage S. 132, wo für das Gewohnheitsrecht
im Verwaltungsrecht generell eine "von der Allgemeinheit getragene
Rechtsüberzeugung" verlangt wird). Das ist im vorliegenden Falle
nicht dargetan. Wie sich aus den mit der Beschwerdeantwort vorgelegten
Aufstellungen des st. gall. Patentamtes ergibt, gab es bis vor kurzem
nur einige wenige Abgabepflichtige. So waren in den Jahre 1935-1951
im Durchschnitt zwar jährlich 77 Warenverkaufsautomaten der Patent-
und Gebührenpflicht unterworfen, von denen jedoch 72 der Schweiz.
Automatengesellschaft AG in Bern und nur 5 vereinzelten andern
Firmen gehörten; erst seit 1952 d.h. in einem für die Bildung von
Gewohnheitsrecht ausser Betracht fallenden Zeitraum, hat die Zahl dieser
Firmen starrk zugenommen, bis 1957 auf 200. Waren demnach noch während
der 17-jährigen Periode von 1935-1951 nur 6 Firmen, darunter an erster
Stelle eine nicht im Kanton St. Gallen niedergelassene Unternehmung,
von der Abgabepflicht betroffen, so war, selbst wenn Art. 16 Abs 2 VV
von allen als verbindlich betrachtet wurde, diese Rechtsüberzeugung
zu wenig verbreitet, um ein Gewohnheitsrecht zu begründen. Dafür,
dass die erforderliche Rechtsüberzeugung in weiteren Kreisen bestanden
hätte, fehlen genügende Anhaltspunkte, zumal da ein Entwurf für ein
neues Warenhandelsgesetz, der die Abgabepflicht ausdrücklich vorsah, im
Jahre 1938 von der Mehrheit der Stimmberechtigten verworfen worden ist.
Der Umstand, dass die Vollzugsverordnungen des Regierungsrates jeweils in
der Gesetzessammlung publiziert worden sind, vermag eine Rechtsüberzeugung
der Allgemeinheit ebensowenig darzutun wie die Aufnahme der Patentgebühren
in das jährlich dem Grossen Rat vorgelegte Staatsbudget.

Erwägung 5

    5.- Ist demnach der regierungsrätliche Entscheid, durch den die vom
Beschwerdeführer bestrittene Abgabepflicht bestätigt wurde, mangels
gesetzlicher Grundlage wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben, so
braucht nicht geprüft zu werden, ob die weiteren, vom Beschwerdeführer
erhobenen Rügen begründet wären.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Regierungsrates
des Kantons St. Gallen vom 28. Februar 1958 aufgehoben.