Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 IV 50



84 IV 50

17. Urteil des Kassationshofes vom 2. Juli 1958 i.S. Fischer gegen
Statthalteramt Zürich. Regeste

    1.  Art. 3 MFG. Wann ist die Verurteilung wegen Verletzung kantonaler
Verkehrsvorschriften bundesrechtswidrig?

    2.  BRB vom 3. März 1953 über die Einführung neuer Strassensignale. Das
Anbringen des in Art. 16 dieses BRB beschriebenen Signals ist nicht
Bedingung für die Gültigkeit des Signals Nr. 17 der Verordnung über
die Strassensignalisation.

Sachverhalt

    A.- Fischer steuerte am 23. September 1957 gegen 14.50 Uhr ein
Personenauto auf der Seestrasse durch Zollikon Richtung Zürich. Am Ende
der Rechtskurve beim Traubenberg geriet der Wagen auf der nassen Strasse
ins Schleudern. Er prallte gegen einen Beleuchtungskandelaber, dann gegen
eine Gartenmauer und kam schliesslich, nachdem er sich um 180 Grad gedreht
hatte, ca. 32 m von der ersten Kollisionsstelle entfernt zum Stehen. Vor
der Rechtskurve waren das Signal "Schleudergefahr" (Art. 6 des BRB über
die Einführung neuer Strassensignale vom 3. März 1953) und ein Signal,
das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/Std beschränkte (Nr. 17
SigV), aufgestellt.

    B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich
verurteilte am 20. Februar 1958 Fischer in Anwendung des Art. 25 MFG
und § 15 der kantonalen Signalisationsverordnung vom 30. April 1953 zu
einer Busse von Fr. 30.-. Der Einzelrichter stellte fest, dass Fischer
im Zeitpunkt des Unfalles mit mehr als 50 km/Std gefahren ist.

    Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die der Gebüsste gegen dieses
Urteil einreichte, wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 12. Juni
1958 abgewiesen.

    C.- Fischer führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit
dem Antrag, er sei freizusprechen. Er macht geltend, die Signalisierung
habe den eidgenössischen Vorschriften nicht entsprochen. Weder habe eine
unter dem Signal "Schleudergefahr" angebrachte Zusatztafel im Sinne des
Art. 15 Abs. 3 des BRB vom 3. März 1953 die Länge der Strecke angegeben,
auf der die angezeigte Gefahr auftrete, noch sei das Ende der Strecke,
auf der die Geschwindigkeitsbeschränkung zu beachten gewesen sei, durch
das in Art. 16 des erwähnten BRB vorgeschriebene Signal (weisse Tafel mit
schwarzem Querbalken) angezeigt worden. Er habe daher annehmen dürfen,
die beiden Signale bezögen sich nur gerade auf die Rechtskurve, und es
könne ihm infolgedessen nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er nach
der Kurve die Geschwindigkeit gesteigert habe.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer hat die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 MFG
verletzt, weil er sein Fahrzeug nicht beherrschte. Dass der Wagen auf
das Trottoir geriet und nacheinander an einen Kandelaber und an eine
Gartenmauer prallte, beweist, dass Fischer die Herrschaft über sein
Fahrzeug verloren hat. Aus diesem Grunde hätte er sich bundesrechtlich auch
strafbar gemacht, wenn die Schleudergefahr nicht durch ein entsprechendes
Signal angezeigt worden wäre. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe
das Signal so verstanden, dass es sich nur auf die Kurve selbst beziehe,
und die Schleuderbewegung sei erst ausgangs der Kurve eingetreten, ist
daher unbehelflich. Er hätte, wie die kantonalen Gerichte feststellen,
als erfahrener Automobilist erkennen können, dass die Schleudergefahr
angesichts der spiegelglatten Teerfläche auch nach der Kurve fortbestand.

Erwägung 2

    2.- Das Signal, das die Höchstgeschwindigkeit auf 40 km/Std
beschränkte, hat die Bedeutung einer örtlichen Verkehrsregelung im Sinne
des Art. 3 Abs. 3 MFG. Der Führer, der es missachtet, übertritt nicht
Bundesrecht und ist nicht nach Art. 58 MFG, sondern nach kantonalem
Recht zu bestrafen (BGE 78 IV 186). Nach ständiger Rechtsprechung
setzt die Bestrafung wegen Widerhandlung gegen eine solche kantonale
Vorschrift jedoch voraus, dass die Verkehrsbeschränkung kundgemacht und für
denjenigen, der sie nicht kennt, durch ein den eidgenössischen Bestimmungen
über die Strassensignalisation entsprechendes Signal angezeigt worden
ist. Die Verurteilung wegen Verletzung kantonaler Verkehrsvorschriften kann
daher als bundesrechtswidrig angefochten werden, wenn die Widerhandlung
darauf zurückzuführen ist, dass der Verurteilte wegen Fehlens eines
Signales oder wegen vorschriftswidriger Signalisierung irregeführt worden
ist (BGE 80 IV 46).

    Dass die zur Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit verwendete
Tafel nicht dem Signal Nr. 17 der SigV entsprochen habe, behauptet der
Beschwerdeführer selber nicht. Die Rüge aber, das Ende der Strecke, auf
der die Geschwindigkeitsbeschränkung zu beachten gewesen sei, hätte durch
das in Art. 16 des BRB vom 3. März 1953 beschriebene Signal bezeichnet
werden müssen, ist nicht begründet. Das Anbringen dieses Signals ist
nicht Bedingung für die Gültigkeit des Signals Nr. 17. Art. 16 des BRB vom
3. März 1953 schreibt bloss vor, dass zur Bezeichnung des Endpunktes der
Strecke, auf der die Höchstgeschwindigkeit beschränkt wird, einheitlich
die weisse Tafel mit dem schwarzen Querbalken zu verwenden, d.h. dass
die Verwendung eines andern Zeichens nicht gestattet sei. Die Vorschrift
sagt aber nicht, dass jedes Mal, wenn das Signal Nr. 17 aufgestellt
werde, auch das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung signalisiert
werden müsse. Wo ein solches fehlt, ist es Sache des Fahrzeugführers,
den Ort festzustellen, von dem an die Geschwindigkeitsbeschränkung
vernünftigerweise nicht mehr gelten kann. Im allgemeinen ist der Grund für
die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit aus der Natur der örtlichen
Verhältnisse (Ortschaften, Verengung oder Bodenbeschaffenheit der
Strasse, Baustellen usw.) und damit auch die Stelle, wo er zu bestehen
aufhört, ohne weiteres erkennbar. Im vorliegenden Fall war der Grund
der Geschwindigkeitsbeschränkung durch das am gleichen Ort aufgestellte
Signal "Schleudergefahr" kenntlich gemacht, und dass diese nicht bloss in
der Kurve selber bestand, sondern auch noch im unmittelbar angrenzenden
Strassenstück, war aus der Beschaffenheit der Strasse ersichtlich. Davon
abgesehen hat Fischer nach der Feststellung der kantonalen Gerichte die
vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit schon in der Kurve überschritten.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.