Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 IV 23



84 IV 23

10. Urteil des Kassationshofes vom 28. Februar 1958 i.S. Röthele gegen
Polizeirichteramt der Stadt Zürich. Regeste

    Art. 3 MFG.

    1.  Gestützt auf diese Bestimmung erlassene Verkehrsverbote
oder Verkehrsbeschränkungen sind an Ort und Stelle durch die in den
bundesrätlichen Signalverordnungen vorgesehenen Zeichen kenntlich zu machen
(Erw. 2).

    2.  Darf auf einem Platz mit durch weisse Linien abgegrenzten und mit
dem P-Signal Nr. 21 bezeichneten Parkplätzen ausserhalb dieser Flächen
stationiert werden? P-Signal als Hinweis- und Verbotssignal (Erw. 3).

    3.  Die Übertretung eines auf Grund von Art. 3 MFG erlassenen Verbotes
ist eine Verletzung kantonalen Rechtes (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Art. 2 Ziff. 3 der von der Stadt Zürich am 20. April 1949
erlassenen Verordnung über die Verkehrsregelung (Verkehrsordnung)
verbietet, auf Strassen und Plätzen mit signalisierten Parkierungs- und
Stationierungsflächen Fahrzeuge ausserhalb dieser Flächen stehen zu lassen.

    Wegen Übertretung dieser Vorschrift verfällte das Polizeirichteramt der
Stadt Zürich mit Strafverfügung vom 14. Dezember 1956 den Fahrzeugführer
Röthele in eine Busse von Fr. 10.-, weil er am 28. November 1956 seinen
Personenwagen am Hirschengraben in Zürich ausserhalb der signalisierten
Parkflächen hatte stehen lassen.

    Röthele verlangte gerichtliche Beurteilung.

    Am 26. April 1957 sprach ihn der Einzelrichter in Strafsachen
des Bezirksgerichtes Zürich frei mit der Begründung, Art. 2 Ziff. 3
der Verkehrsordnung sei nicht geeignet, die Norm des Art. 49 MFV in
rechtsgenügender Weise einzuschränken oder zu ergänzen.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 9.  Dezember 1957 das
Urteil des Einzelrichters auf und büsste Röthele wegen Übertretung des
Art. 2 Ziff. 3 der städtischen Verkehrsordnung mit Fr. 10.-. Es nahm an,
die genannte Vorschrift sei als örtliche Regelung des Verkehrs zulässig und
verbindlich. Art. 49 MFV habe entgegen der Auffassung des Einzelrichters
nicht den Sinn, dass das Parkieren unter Ausschluss polizeilicher
Beschränkungen überall da gestattet sei, wo es den Verkehr nicht störe.

    C.- Röthele führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat Art. 2 Ziff. 3 der städtischen Verkehrsordnung
zutreffend Art. 3 Abs. 3 MFG unterstellt. Da die Vorschrift nicht
vom Kanton Zürich für bestimmte Strassenstrecken, sondern von der
Gemeindebehörde der Stadt Zürich zur Regelung der besonderen örtlichen
Verkehrsverhältnisse erlassen wurde, fällt sie nicht unter Abs. 2,
sondern unter Abs. 3 des Art. 3 MFG. Die fragliche Verkehrsordnung wurde
am 13. Juni 1949 durch die hieführ nach dem kantonalen Recht zuständige
Polizeidirektion des Kantons Zürich genehmigt, womit die für ihre
Gültigkeit in Art. 3 Abs. 3 MFG aufgestellte Voraussetzung erfüllt ist.

    Auch bestreitet der Beschwerdeführer mit Recht nicht, dass die
Ortsbehörden im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 MFG mit kantonaler Genehmigung
derartige Vorschriften für das Aufstellen der Motorfahrzeuge erlassen
können. Hätte er das tun wollen, so hätte er nach der Rechtsprechung (BGE
64 I 125, 66 I 126) die Verkehrsordnung mit staatsrechtlicher Beschwerde
anfechten müssen.

Erwägung 2

    2.- Zur Begründung seiner Anträge macht Röthele dagegen geltend, das
Verbot des Art. 3 Ziff. 3 der Verkehrsordnung sei an der Stelle, wo er
sein Fahrzeug habe stehen lassen, nicht entsprechend den bundesrechtlichen
Vorschriften signalisiert gewesen.

    In der Tat haben sich die Kantone bei Erlass von Verkehrsverboten
und Verkehrsbeschränkungen im Sinne des Art. 3 MFG an die allgemeinen
Regeln des Gesetzes zu halten, zu denen auch diejenige des Art. 4 gehört,
wonach die Strassen mit den vom Bundesrat zu bestimmenden einheitlichen
Signalen zu versehen sind (BGE 80 IV 46 mit Zitaten). Die genannten
Verbote und Beschränkungen müssen daher an Ort und Stelle durch die in den
bundesrätlichen Signalverordnungen vorgesehenen Zeichen kenntlich gemacht
werden. In vereinzelten Entscheidungen (BGE 62 I 190, 66 I 126) erklärte
der Kassationshof diese Signalisierung sogar als unerlässliche Bedingung
für ihre Gültigkeit. Diese Auffassung wurde seither dahin verdeutlicht,
dass der Fahrzeugführer nicht wegen Übertretung von Verboten oder
Beschränkungen bestraft werden kann, die er mangels vorschriftsgemässer
Signalisation nicht gekannt hat (BGE 80 IV 46).

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer hatte seinen Wagen in der platzartigen
Erweiterung des Hirschengrabens, wo die Winkelwiese einmündet,
aufgestellt. Nach seinen Angaben benutzte er dazu die einzig noch
vorhandene Lücke in einer Reihe bereits stationierter Fahrzeuge.

    Dass das Stehenlassen des Wagens an dieser Stelle schon wegen
Störung des Verkehrs nach Art. 49 Abs. 2 MFV oder wegen der Einmündung der
Winkelwiese nach Abs. 3 unzulässig gewesen wäre, wird dem Beschwerdeführer
nicht vorgeworfen, letzteres offenbar deswegen nicht, weil für die
Einfahrt in die Winkelwiese wenn auch unter Umfahrung der auf dem Platze
aufgestellten Fahrzeuge, immer noch Raum genug war. Anderseits ist an
dieser Stelle ein Stationierungsverbot, wie es die Signalverordnung
vom 17. Oktober 1932 mit der Signaltafel Nr. 18 vorsieht, nicht
angebracht. Dagegen finden sich auf beiden Seiten der Fläche, auf der
Röthele seinen Wagen aufstellte, den Häusern entlang mit dem P-Signal
Nr. 21 bezeichnete und durch weisse Linien abgegrenzte Parkplätze für
eine grössere Anzahl von Fahrzeugen. Ebensolche Parkflächen sind schräg
gegenüber bei der Einmündung der Kirchgasse und der Obern Zäune in das
Knie des Hirschengrabens eingerichtet, die eine dem Trottoir entlang,
die andere dieser vorgelagert auf dem Platz selber, neben dem dort
befindlichen Brunnen. Daraus hat die Vorinstanz mit Recht geschlossen,
dass ausserhalb der so vorbehaltenen Parkflächen Fahrzeuge auf dem Platz
nicht aufgestellt werden dürfen.

    Zwar ist das Signal Nr. 21 nach der eigenen Bezeichnung in der
genannten Signalverordnung (IV. Abschnitt, Art. 13) ein Hinweissignal. Es
zeigt an, wo stationiert werden darf. Die gleiche Aufgabe erfüllen
gegebenenfalls die auf dem Boden angebrachten weissen Linien, indem
sie die Parkfläche als Ganzes umgrenzen und jedem einzelnen Wagen
ein abgemessenes Feld zuweisen. Ist aber die zur Verfügung stehende
Parkfläche solcherweise kenntlich gemacht, so heisst das gleichzeitig,
dass das Aufstellen von Fahrzeugen auf diese Fläche beschränkt ist und
ausserhalb der bezeichneten Stellen nicht stationiert werden darf. Damit
wird das Hinweissignal Nr. 21 insoweit zugleich zum Verbotssignal. Hierauf
deutet übrigens auch der Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 der Signalverordnung
vom 17. Oktober 1932 hin, wonach das Parkplatzsignal die für das Parken
der Fahrzeuge bestimmten Plätze und Strassen bezeichnet.

    Das Aufstellen von Motorfahrzeugen ausserhalb der vorschriftsgemäss
signalisierten Parkflächen erweist sich demnach auch ohne Zuhilfenahme
des von der Vorinstanz in erster Linie herangezogenen Urteils BGE 63 I
129 als unzulässig. In diesem Entscheide wurde erklärt, dass örtliche
Verkehrsbeschränkungen, die in Ortschaften allgemein unentbehrlich sind,
aus praktischen Gründen aber nicht überall an Ort und Stelle kenntlich
gemacht werden können, den bundesrechtlichen Regeln, Geboten und Verboten
gleichzustellen seien und daher auch ohne Signalisation gelten. Dass es
im vorliegenden Fall praktisch unmöglich wäre, neben den angewiesenen
Parkflächen überall noch das Verbotssignal Nr. 18 anzubringen, liegt auf
der Hand. Eine solche unzumutbare und nach den angeführten Gründen auch
unnötige Anforderung müsste die ohnehin schon schwer übersichtliche Zahl
der Verkehrssignale in den Ortschaften nur noch vermehren und wäre unter
Umständen dem Verkehr geradezu hinderlich.

    Zuzugeben ist dem Beschwerdeführer, dass ein Fahrzeugführer bei
der allgemein herrschenden Platznot namentlich in den Städten dann,
wenn er alle Felder eines Parkplatzes besetzt findet, leicht in die
Versuchung kommen kann, irgendwo am Rande der Parkflächen oder nebenan
zu stationieren, wo vielleicht noch irgendein Streifen Boden verfügbar
erscheint. Das geschieht indessen regelmässig im Bewusstsein des Risikos,
dafür zur Verantwortung gezogen zu werden, und macht auf jeden Fall dieses
Vorgehen nicht zu einem zulässigen.

Erwägung 4

    4.- Das angefochtene Urteil verstösst somit nicht gegen
die bundesrechtliche Vorschrift, dass Verkehrsverbote und
Verkehrsbeschränkungen im Sinne des Art. 3 MFG mit den in den
bundesrätlichen Signalverordnungen vorgesehenen Signaltafeln kenntlich
gemacht sein müssen (Art. 4 MFG), um für diejenigen Fahrzeugführer,
die sie nicht ohnehin kennen, verbindlich zu sein. Ob die Annahme der
Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe vom Verbot Kenntnis gehabt, auf
einem offensichtlichen Versehen beruht, kann unter diesen Umständen
dahingestellt bleiben.

    Im übrigen hat der Kassationshof das angefochtene Urteil nicht zu
überprüfen. Das in Art. 2 Ziff. 3 der Verkehrsordnung enthaltene Verbot,
auf Strassen und Plätzen mit signalisierten Parkflächen Fahrzeuge
ausserhalb dieser Flächen aufzustellen, ist kantonales Recht, ebenso
die auf die Übertretung gesetzte Strafe. Wenn die Vorinstanz die Frage
des Rechtsirrtums auf Grund von Art. 20 StGB geprüft hat, hat sie damit
eidgenössisches Recht als subsidiäres kantonales Recht angewendet (vgl. BGE
78 IV 187).

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.