Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 IV 17



84 IV 17

8. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 24. Februar 1958
i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Staatsanwaltschaft des
Kantons St. Gallen. Regeste

    Ist das Vergehen des Art. 216 StGB ein Dauerdelikt?

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Straftat des Art. 216 StGB besteht in der Unterdrückung oder
Fälschung des Personenstandes. Schutzobjekt dieser Bestimmung ist die durch
Abstammung, Kindesannahme, Eheschliessung usw. begründete Zugehörigkeit
einer Person zu einer bestimmten Familie. Durch die Unterdrückung wird
die öffentliche Kenntnis des Personen- oder Familienstandes erschwert
oder verunmöglicht, durch die Fälschung wird darüber hinaus anstelle
des wahren Personenstandes ein falscher gesetzt, so dass für die Mitwelt
nur der letztere erkennbar ist. In beiden Fällen führt der Täter einen
Zustand herbei, der den Personenstand anders erscjeinen lässt, als er in
Wirklichkeit ist.

    Dass dieser verbrecherische Erfolg seinem Wesen nach von gewisser
Dauer ist, berechtigt keineswegs, das Vergehen des Art. 216 StGB
als Dauerdelikt anzusprechen. Ein solches liegt nur vor, wenn die
Begründung des rechtswidrigen Zustandes mit den Handlungen, die zu seiner
Aufrechterhaltung vorgenommen werden, bzw. mit der Unterlassung seiner
Aufhebung eine Einheit bildet und das auf Perpetuierung des deliktischen
Erfolges gerichtete Verhalten vom betreffenden Straftatbestand ausdrücklich
(vgl. Art. 182 StGB) oder sinngemäss (vgl. BGE 75 IV 40) mitumfasst
wird. Hiefür bietet Art. 216 StGB keinen Anhaltspunkt. Vielmehr ist die
Unterdrückung oder Fälschung des Personenstandes vollendet, sobald der
Zustand herbeigeführt ist, der den Personenstand anders erscheinen
lässt, als er in Wirklichkeit ist. Wird die Verletzung des durch
Art. 216 StGB geschützten Rechtsgutes im Wege einer falschen Anmeldung
beim Zivilstandsamt, insbesondere - wie hier - durch Ehelicherklärung
(Art. 258 ZGB) eines Kindes, das durch einen andern als den der Kindsmutter
angetrauten Mann gezeugt wurde, begangen, so ist die Tat mit der Bewirkung
des falschen Eintrages in das Zivilstandregister abgeschlossen.

Erwägung 3

    3.- Die Verletzung des Personenstandes im Sinne von Art. 216 StGB kann
indessen durch fortgesetzte Handlung verübt werden und in diesem Falle
die Form eines fortgesetzten Vergehens mit allen sich daraus ergebenden
rechtlichen Folgen (vgl. Art. 71 StGB) annehmen. Auch wiederholte
Tatbegehung ist nicht ausgeschlossen.

    Im vorliegenden Fall ist weder geltend gemacht noch durch die Akten
erstellt, dass die Verzeigte nach der Ehelicherklärung ihres Sohnes die
Unterdrückung oder Fälschung des Personenstandes durch irgendwelche
Handlungen fortgesetzt oder wiederholt habe. Es wird ihr lediglich
vorgeworfen, sie habe die Legitimation des Kindes rechtswidrig aufrecht
erhalten, indem sie nichts unternommen habe, um den von ihr verschuldeten
widerrechtlichen Erfolg zu beseitigen. Allein diese behauptete Passivität
der Beschuldigten stellt weder eine Fortsetzungshandlung noch eine neue
Verletzung des Personenstandes dar.