Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 IV 11



84 IV 11

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Februar 1958
i.S. Bachmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 68 Ziff. 1 StGB schreibt nicht vor, dass mehrere Handlungen
eines Beschuldigten vom Richter gleichzeitig zu beurteilen seien, sondern
überlässt es dem kantonalen Prozessrecht, darüber zu bestimmen, ob mehrere
Strafverfahren getrennt durchzuführen oder zu vereinigen sind.

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Art. 365 StGB wird das Verfahren vor den kantonalen
Behörden, soweit es nicht durch Vorschriften des Strafgesetzbuches
und des Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege geregelt ist, von
den Kantonen bestimmt. Dass der kantonale Richter verpflichtet sei,
sämtliche gleichzeitig verfolgten Handlungen eines Beschuldigten in ein
und demselben Verfahren zu beurteilen, lässt sich den Bestimmungen der
erwähnten Bundesgesetze nicht entnehmen, auch nicht Art. 68 Ziff. 1
StGB. Diese Norm ist nicht eine solche des Verfahrens, sondern der
Strafzumessung, indem sie bestimmt, wie die Strafe zu bemessen ist, wenn
jemand in ein und demselben Urteil für mehrere Handlungen oder wegen
Verletzung mehrerer Strafbestimmungen verurteilt wird. Müsste nach der
Auslegung des Beschwerdeführers immer eine Gesamtstrafe ausgefällt werden,
sobald mehrere Handlungen eines Beschuldigten durch den gleichen Richter zu
beurteilen sind, so hätte das zur Folge, dass der Richter gehalten wäre,
nach Entdeckung jeder neuen Tat, und sei es erst durch ein Geständnis des
Beschuldigten in der Gerichtsverhandlung, die Beurteilung einer früheren
Handlung bis zum Abschluss der neuen Untersuchung auszusetzen, ungeachtet
der Art des neuen Deliktes und der Dauer des neuen Strafverfahrens. Das
würde zu Unzukömmlichkeiten führen, die mit den Zwecken einer geordneten
Strafrechtspflege unvereinbar wären. Das Bundesgericht hat daher wiederholt
entschieden, dass Art. 68 Ziff. 1 StGB das kantonale Prozessrecht nicht
berührt und es diesem überlässt, darüber zu bestimmen, ob zwei oder
mehrere Strafverfahren getrennt durchzuführen oder zu vereinigen sind
(unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 5. Oktober 1956 i.S.
Hächler und dort aufgeführte frühere Entscheidungen).