Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 74



84 II 74

11. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. März 1958 i.S. Frei und
Mitbeteiligte gegen Mayer. Regeste

    Berufung an das Bundesgericht gegen einen im summarischen Verfahren
ergangenen Entscheid über die Verschiebung der Erbteilung gemäss
Art. 621bis ZGB. Zivilrechtsstreitigkeit nicht vermögensrechtlicher Natur
(Art. 44/46 OG). Endentscheid (Art. 48 OG).

    Bäuerliches Erbrecht.

    1.  Verschiebung der Teilung gemäss Art. 621bis ZGB.  Voraussetzungen,
unter denen das Vorhandensein unmündiger Nachkommen des Erblassers eine
solche Verschiebung nicht rechtfertigt.

    2.  Zuweisung des ganzen Heimwesens zum Ertragswert. Fehlen für die
Übernahme geeignete und zum Selbstbetrieb gewillte Söhne, so haben die
Töchter gegenüber allen andern Erben ein Vorrecht auf Zuweisung, wenn
sie selber oder ihre Ehemänner die eben genannten Bedingungen erfüllen
(Art. 621 Abs. 3 ZGB). Persönliche Verhältnisse (Art. 621 Abs. 1 ZGB).

Sachverhalt

    A.- Am 11. März 1954 starb im Alter von 79 Jahren der Landwirt Johann
August Frei-Angehrn in Häggenschwil. In seiner Erbschaft befindet sich
das Heimwesen Finkenbach, das ungefähr 12 1/2 ha misst und gemäss einer
Schätzung vom 20. September 1955 einen Ertragswert von Fr. 82'400.--
und einen Verkehrswert von Fr. 120'000.-- bis 125'000.-- aufweist. Erben
sind seine Witwe, ein Sohn, fünf Töchter und die drei minderjährigen Söhne
einer vorverstorbenen Tochter. Die Töchter Anna Maria, geb. 1904, und
Rosa Maria, geb. 1912, führen den Landwirtschaftsbetrieb und sorgen für
die heute 81 Jahre alte und kränkliche Mutter Frau Wwe. Maria Barbara
Frei-Angehrn sowie für die Geschwister Ida Maria und Josef August,
die invalid sind und dauernd der Pflege und Fürsorge bedürfen. Die
verheirateten Töchter Maria Berta (Frau Gschwend) und Maria Ida (Frau
Hungerbühler) wohnen auswärts; ebenso die Söhne der vorverstorbenen
Tochter Maria Barbara Mayer: Louis August Mayer, geb. 2. September 1939,
Bruno Franz Philipp Mayer, geb. 19. Mai 1942, und Viktor Moritz Mayer, geb.
20. August 1945.

    B.- Am 6. März 1956 stellten mehrere Erben beim Bezirksamt St. Gallen
das Gesuch um Durchführung der amtlichen Teilung. In diesem Verfahren
beantragte Adolf Mayer als Inhaber der elterlichen Gewalt über die
drei minderjährigen Söhne der vorverstorbenen Tochter des Erblassers,
die Teilung sei gemäss Art. 621bis ZGB zu verschieben, bis einer dieser
Söhne zur Übernahme des Gutes entschlossen sei, und der Betrieb sei bis
dahin in bisheriger Weise weiterzuführen. -Andere Erben befürworteten
einen Verkauf oder eine Verpachtung des Heimwesens. Anna und Rosa Frei
verlangten nach längerm Zögern, dieses sei gemäss Art. 620 und 621 ZGB
ihnen zuzuweisen. Diesem Begehren stimmten an der Erbenversammlung vom
11. Januar 1957 schliesslich alle Beteiligten ausser Adolf Mayer, der
auf seinem Verschiebungsantrag beharrte, zu.

    C.- Daraufhin stellte Adolf Mayer namens seiner drei minderjährigen
Söhne am 13. Februar 1957 beim Präsidium des Bezirksgerichtes St. Gallen
das Gesuch, die "Teilung bzw. Zuweisung" des Heimwesens Finkenbach
sei im Sinne von Art. 621bis ZGB bis zum 19. Mai 1962 (d.h. bis zur
Volljährigkeit des Sohnes Bruno Franz Philipp) zu verschieben. Diesem
Begehren widersetzten sich ausser Frau Gschwend alle Miterben der
Kläger. Die Vormundschaftsbehörde von Egnach (Wohnort der Kläger) stimmte
ihm dagegen zu. Der Bezirksgerichtspräsident hiess es mit Verfügung vom
2. April/2. Mai 1957 gut. Der Appellationsrichter des Kantonsgerichtes
St. Gallen, an den die Beklagten (mit Ausnahme von Frau Gschwend)
appellierten, hat mit Erkenntnis vom 30. Juli 1957 den erstinstanzlichen
Entscheid bestätigt.

    D.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragen die
Beklagten (ausser Frau Gschwend), das streitige Verschiebungsbegehren sei
abzuweisen; eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung. Am 30.
Dezember 1957 ist ihr Vater gestorben. Die Vormundschaftsbehörde Egnach
hat August Mayer in St. Margrethen zu ihrem Vormund ernannt und ihrem
Prozessvertreter mitgeteilt, dass das beim Bundesgericht hängige Verfahren
seinen Fortgang nehmen solle, womit auch der Vormund einverstanden sei.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Zulässigkeit der vorliegenden Berufung hängt in
erster Linie davon ab, ob der angefochtene Entscheid einen in einer
Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 44/46 OG) ergangenen Endentscheid (Art. 48
OG) darstelle. Dies ist zu bejahen.

    a) Das summarische Verfahren gemäss Art. 374 ff. der sankt-gallischen
ZPO, in welchem das Begehren der Kläger beurteilt wurde, ist ein
kontradiktorisches Verfahren zwischen Trägern privater Rechte. Ob
nach Art. 621bis ZGB die Erbteilung verschoben werden soll, ist eine
Frage des Zivilrechts. Der Entscheid darüber bedeutet nicht bloss eine
Massnahme vorsorglicher, einstweiliger Natur. Wird das Verschiebungsgesuch
abgewiesen, so wird den Gesuchstellern die Befugnis, bei sich einstellender
Eignung in einem spätern Zeitpunkt als Bewerber um die Zuweisung des
Heimwesens aufzutreten, praktisch endgültig entzogen. Im umgekehrten Falle
wird den Miterben der Gesuchsteller für eine bestimmte, unter Umständen
viele Jahre umfassende Zeit der gemäss Art. 604 Abs. 1 ZGB normalerweise
jederzeit bestehende Anspruch auf Teilung aberkannt. Für Miterben, die
das Heimwesen auf Grund von Art. 620/621 ZGB für sich beanspruchen, hat
die gemäss Art. 621bis angeordnete Verschiebung überdies die Bedeutung,
dass sie mindestens für eine bestimmte Zeit endgültig von der Übernahme
des Heimwesens ausgeschlossen werden und ihren Anspruch unter Umständen
(da sie nach Ablauf der Aufschubszeit möglicherweise für die Übernahme des
Gutes nicht mehr geeignet oder doch zum Selbstbetrieb nicht mehr fähig sein
werden) für immer einbüssen. Der Entscheid über das Verschiebungsgesuch
greift mithin so nachhaltig in die materielle Rechtsstellung der
Beteiligten ein, dass gesagt werden darf, das Verfahren ziele im Sinne
der Rechtsprechung zu Art. 44/46 OG (BGE 78 II 180/181, 81 II 83) auf
die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse ab.

    b) Der angefochtene Entscheid ist ein Entscheid der obern kantonalen
Gerichtsinstanz, der nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel
angefochten werden kann. Das Verfahren vor den kantonalen Gerichten wird
durch ihn beendigt. Die Tatsache, dass in erster und zweiter Instanz ein
Einzelrichter im summarischen Verfahren geurteilt hat, erlaubt nicht, dem
angefochtenen Entscheid den Charakter eines Endentscheids im Sinne von
Art. 48 OG abzusprechen. Wenn in BGE 81 II 85 (dessen Zusammenfassung,
wie schon aus BGE 82 II 562 Erw. 3 hervorgeht, zu absolut gefasst ist)
das Eintreten auf die Berufung gegen einen im summarischen Verfahren der
zürcherischen ZPO erlassenen Entscheid über die Ausweisung eines Mieters
abgelehnt wurde, so geschah dies auf Grund der Annahme, dass der fragliche
Entscheid nach der zürcherischen ZPO für einen nachfolgenden ordentlichen
Prozess nicht massgebend sei. Dass für den vorliegenden Entscheid des
sankt-gallischen Appellationsrichters Entsprechendes gelte, kann nicht
angenommen werden. Die sanktgallische ZPO verweist den Entscheid über
Gesuche im Sinne von Art. 621bis ZGB vorbehaltlos in das summarische
Verfahren (Art. 49 Ziff. 4 und Überschrift vor Art. 374) und enthält keine
Bestimmung, welche die materielle Rechtskraft der im summarischen Verfahren
ergangenen Entscheide so beschränken würde, wie § 105 der zürcherischen ZPO
es tut, auf den LUTZ (N. 5 zu Art. 379 der st.-gall. ZPO) verweist. Auch
das Bestehen einer dahingehenden Praxis ist nicht dargetan. (Der von LUTZ
angeführte Entscheid des Appellationsrichters vom 27. Dezember 1945,
Entscheidungen 1945 Nr. 25, bezieht sich auf das Befehlsverfahren,
nicht auf das summarische Verfahren im allgemeinen.) Ebensowenig
lässt sich behaupten, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz bestehe,
wonach die im summarischen Verfahren ergehenden Entscheidungen aus dem
Gebiete des Zivilrechts für den ordentlichen Richter unverbindlich wären
(GULDENER, Das schweiz. Zivilprozessrecht, II S. 434 f.). Der Schluss,
dass ein Entscheid des summarischen Richters über die Verschiebung der
Teilung nach Art. 621bis ZGB den ordentlichen Richter nicht binden und
aus diesem Grunde keinen Endentscheid darstellen könne, ergibt sich aber
auch nicht etwa aus dem Wesen dieser Anordnung oder aus bundesrechtlichen
Verfahrensgrundsätzen. Das Bundesrecht regelt die Zuständigkeit für
die Behandlung von Gesuchen im Sinne von Art. 621bis ZGB und das dabei
zu beobachtende Verfahren nicht, sondern lässt den Kantonen in dieser
Hinsicht grundsätzlich freie Hand. Aus der materiellen Ordnung der in Frage
stehenden Rechtseinrichtung lässt sich nur ableiten, dass die Beteiligten
Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt in einem kontradiktorischen
Verfahren zu vertreten, und dass sie zum Beweis der nach Bundesrecht
erheblichen Tatsachen durch an sich taugliche Beweismittel zugelassen
werden müssen. Dadurch wird nicht verboten, die Sache ohne Vorbehalt
eines nachfolgenden ordentlichen Verfahrens ins summarische Verfahren
zu verweisen, sondern höchstens die Anwendung allfälliger Vorschriften
über die Beschränkung der in diesem Verfahren zulässigen Beweismittel
ausgeschlossen. Nach alledem lässt sich nicht in Abrede stellen, dass
die vorliegende Berufung gegen einen Endentscheid im Sinne von Art. 48
OG gerichtet ist.

Erwägung 2

    2.- Der Streit darüber, ob und allenfalls welchem Erben ein
landwirtschaftliches Gewerbe gemäss Art. 620 ZGB ungeteilt zuzuweisen sei,
ist nach der Rechtsprechung wegen der dabei in Betracht kommenden ideellen
Interessen eine Zivilrechtsstreitigkeit nicht vermögensrechtlicher Natur
(BGE 42 II 428 Erw. 1). Für den Streit über die Verschiebung der Teilung
nach Art. 621bis ZGB muss in dieser Hinsicht das gleiche gelten wie für
den Zuweisungsstreit. Auf die vorliegende Berufung ist daher ohne Rücksicht
auf die Höhe des wirtschaftlichen Streitinteresses einzutreten. Im übrigen
würde dieses die Berufungssumme von Fr. 4000.-- unzweifelhaft erreichen.

Erwägung 3

    3.- Hinterlässt ein Erblasser, in dessen Nachlass sich ein
landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB befindet, unmündige
Nachkommen, so sollen die Erben nach Art. 621bis ZGB unter Vorbehalt der
Zustimmung der Vormundschaftsbehörde die Erbengemeinschaft weiterbestehen
lassen oder eine Gemeinderschaft bilden bis zu dem Zeitpunkte, in welchem
nach den Umständen eine Entscheidung über die Zuweisung an einen Nachkommen
getroffen werden kann.

    Aus der Umschreibung des Zeitpunktes, bis zu welchem die Teilung
nach dieser Bestimmung gegebenenfalls zu verschieben ist, ergibt sich
klar, dass das Vorhandensein unmündiger Nachkommen des Erblassers eine
Verschiebung dann nicht rechtfertigt, wenn sich zur Zeit der Beurteilung
des Verschiebungsgesuchs bereits entscheiden lässt, ob das Heimwesen
einem dieser Nachkommen zuzuweisen sei oder nicht. Diese Möglichkeit
besteht unter Umständen schon vor dem Eintritt der Volljährigkeit aller
erbberechtigten Nachkommen. Die Zuweisung gemäss Art. 620 ZGB kann schon
in Frage kommen, bevor der Übernehmer mündig geworden ist (BGE 71 II
24). Anderseits kann sich schon vor dem Mündigwerden aller Nachkommen
zeigen, dass das Heimwesen keinem der zur Zeit noch unmündigen Nachkommen
zugewiesen werden kann. Dies kann sich nicht nur aus den persönlichen
Eigenschaften und Verhältnissen dieser Nachkommen (ihrer körperlichen und
geistigen Verfassung, ihren Fähigkeiten und Neigungen, ihrem Bildungsgang,
ihrer Umgebung und ihrer finanziellen Lage usw.; vgl. den eben angeführten
Entscheid), sondern auch daraus ergeben, dass andere Erben vorhanden sind,
die sich um die Zuweisung bewerben und nach Art. 621 ZGB ihnen gegenüber
den Vorrang geniessen. Ein Erbe, der die Voraussetzungen für die Übernahme
des Heimwesens heute erfüllt und hinter den die noch unmündigen Nachkommen
des Erblassers zurücktreten müssten, selbst wenn sie wie er mündig und zur
Übernahme des Heimwesens gewillt und geeignet wären, kann beanspruchen,
dass ihm das Heimwesen heute schon zugewiesen wird. Eine Verschiebung
der Teilung nach Art. 621bis ZGB muss er sich nicht gefallen lassen, weil
eben in einem solchen Falle der Zeitpunkt, in welchem nach den Umständen
eine Entscheidung über die Zuweisung an einen Nachkommen getroffen werden
kann, bereits da ist und diese Entscheidung zu Ungunsten der unmündigen
Nachkommen ausfallen muss.

    Den jetzt noch unmündigen und für die Übernahme des Heimwesens
noch nicht in Betracht kommenden Nachkommen die spekulative Chance zu
wahren, dass die jetzt für die Übernahme geeigneten und ihnen gegenüber
bevorrechteten Bewerber bis zu dem Zeitpunkte, in welchem sie selber
allenfalls zur Übernahme bereit sein werden, die Eignung im Sinne
von Art. 620 ZGB oder doch den Willen zum Selbstbetrieb im Sinne von
Art. 621 ZGB und die Fähigkeit hiezu (vgl. BGE 81 II 573 Erw. 2) verlieren
könnten, ist entgegen einer nach dieser Richtung gehenden Überlegung der
Vorinstanz nicht der Sinn von Art. 621bis ZGB. Diese Bestimmung will nur
erreichen, dass die unmündigen Nachkommen des Erblassers nicht lediglich
infolge ihres jugendlichen Alters einen Anspruch einbüssen, der ihnen,
wenn sie älter wären, zustehen würde, und gewährleistet ihnen daher
die Möglichkeit, in einem spätern Zeitpunkt als Bewerber aufzutreten,
nur unter der Voraussetzung, dass durch die Verschiebung der Teilung
keine Rechte anderer Erben verletzt werden, denen sie auch bei schon
erreichter Mündigkeit den Vorrang zugestehen müssten, m.a.W. dass kein
besser berechtigter Miterbe da ist, der verlangen würde, dass das Heimwesen
jetzt schon ihm zuzuweisen sei. Im Konflikt zwischen unmündigen Nachkommen,
die vielleicht später einmal als Übernehmer in Frage kommen könnten, und
einem für die sofortige Übernahme geeigneten und auf Grund der heutigen
Sachlage nach Art. 621 ZGB bevorrechteten Miterben muss dagegen das
heute bestehende Vorrecht den Ausschlag zugunsten dieses Miterben geben,
d.h. die Anwendung von Art. 621bis ZGB ausschliessen. Dies ist um so eher
anzunehmen, als Art. 621bis ZGB im Verhältnis zu Art. 604 Abs. 1 ZGB eine
Ausnahmevorschrift darstellt, die nicht ausdehnend ausgelegt werden darf.

    Wo über Verschiebungsgesuche im Sinne von Art. 621bis und über Gesuche
um ungeteilte Zuweisung im Sinne von Art. 620 ZGB nach der kantonalen
Zuständigkeitsordnung wie im vorliegenden Falle nicht die gleiche
Behörde zu entscheiden hat, ist es freilich nicht möglich, in dem durch
das Verschiebungsgesuch eingeleiteten Verfahren zugleich auch über das
Zuweisungsbegehren der Miterben, die gegenüber den unmündigen Nachkommen
ein Vorrecht beanspruchen und sich gestützt darauf der Verschiebung der
Teilung widersetzen, abschliessend zu befinden. Dagegen kann und muss in
diesem Verfahren wenigstens als Vorfrage geprüft werden, ob das von den
Miterben geltend gemachte Vorrecht bestehe oder nicht. Wird diese Vorfrage
bejaht und demgemäss das Verschiebungsgesuch abgewiesen, und stellt sich
dann in einem allfälligen Prozess über das Zuweisungsbegehren heraus,
dass die Miterben die Zuweisung aus irgend einem Grunde doch nicht
verlangen können, so muss den unmündigen Nachkommen erlaubt werden,
ihr Verschiebungsgesuch zu erneuern.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 621 Abs. 3 ZGB sind, wenn keiner der Söhne das Gut
zum Selbstbetrieb übernehmen will, auch Töchter zur Übernahme berechtigt,
sofern sie selbst oder ihre Ehemänner zum Betriebe geeignet erscheinen. Aus
dieser Vorschrift hat die Rechtsprechung des Bundesgerichts abgeleitet,
beim Fehlen von für die Übernahme geeigneten und zum Selbstbetrieb
gewillten Söhnen stehe den Töchtern gegenüber allen andern Erben ein
Vorrecht auf die Zuweisung zu, wenn sie selber oder ihre Ehemänner die
eben genannten Bedingungen erfüllen (BGE 42 II 432, 50 II 462, 76 II
121; zustimmend ESCHER, 2. Aufl., N. 11-13 zu Art. 621 ZGB; BOREL, Das
bäuerliche Erbrecht, 4. Aufl., deutsch S. 96 f., franz. S. 89 f.; anderer
Meinung TUOR N. 20 zu Art. 621 ZGB). Von dieser während vier Jahrzehnten
befolgten Praxis wäre nur dann abzuweichen, wenn triftige sachliche
Gründe eine solche Änderung geböten. So verhält es sich keineswegs. Die
Rechtsentwicklung seit dem Erlass des ZGB spricht vielmehr für die
Beibehaltung der bisherigen Praxis. Wie schon in BGE 76 II 122/123
hervorgehoben, blieben Art. 621 Abs. 3 ZGB und die Rechtsprechung
dazu bei der Revision der Vorschriften über das bäuerliche Erbrecht
durch das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung
landwirtschaftlicher Heimwesen unangetastet; der Gesetzgeber nahm
keine Veranlassung, diese Bestimmung in einem von der Rechtsprechung
abweichenden Sinne neu zu fassen. Man darf also annehmen, er habe diese
Praxis gebilligt. Entscheidend ist aber vor allem, dass beim weitern
Ausbau des landwirtschaftlichen Bodenrechts durch das Bundesgesetz vom
12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG)
die Rangfolge der zur Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts befugten
Verwandten des Verkäufers eindeutig so geregelt wurde, dass die Töchter,
die oder deren Ehemänner das Gut selbst bewirtschaften wollen und hiefür
geeignet sind, zwar den ebenfalls zur Selbstbewirtschaftung gewillten
und geeigneten Söhnen nachgehen, aber gegenüber allen andern Verwandten,
insbesondere auch gegenüber allen Enkeln, den Vorrang geniessen (Art. 11
EGG; dazu KAUFMANN, Die Neuordnung des Landwirtschaftsrechtes, 1952,
S. 44, und JOST, Handkommentar zum EGG, N. 5 zu Art. 11, S. 57/58). Mit
dem Grundgedanken dieser Regelung steht die bisherige Praxis zu Art. 621
Abs. 3 ZGB, wonach solchen Töchtern im Erbfall ein entsprechendes Vorrecht
zusteht, im Einklang, so dass es bei dieser Praxis bleiben muss.

    Die Beklagten Anna und Rosa Frei, die das streitige Heimwesen schon
seit Jahren betreiben und heute gewillt sind, es zum Selbstbetrieb
zu übernehmen, hätten hienach gegenüber den Klägern ein Vorrecht auf
die Zuweisung, selbst wenn diese heute schon als Bewerber im Sinne von
Art. 620 ZGB auftreten könnten. Da Anna und Rosa Frei während vieler Jahre
auf dem Hofe gelebt und gearbeitet und wesentlich dazu beigetragen haben,
dass dieser bis heute der Familie erhalten blieb, und da sie ausserdem
für die gebrechlichen Geschwister und die betagte Mutter gesorgt haben
und noch sorgen, würden sie gegenüber den Klägern im übrigen auch unter
dem Gesichtspunkt der persönlichen Verhältnisse (Art. 621 Abs. 1 ZGB)
den Vorzug verdienen (vgl. BGE 56 II 253/254). Das Gesuch der Kläger um
Verschiebung der Teilung gemäss Art. 621bis ZGB muss daher abgewiesen
werden. Vorbehalten bleibt nach dem letzten Absatz von Erwägung 3 die
Erneuerung dieses Gesuchs im Falle, dass die Übernahme des Heimwesens durch
Anna und Rosa Frei wider Erwarten aus irgend einem Grunde scheitern sollte.

    Den Klägern ist im übrigen soviel zuzugeben, dass es wünschenswert
wäre, wenn der Hof auch dann, wenn Anna und Rosa Frei ihn einmal nicht
mehr bewirtschaften können oder wollen, in der Familie bliebe, d.h. wenn
ihn dann einer ihrer Neffen übernehmen könnte. Hiefür zu sorgen, liegt in
der Hand der Beteiligten. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht steht den Klägern
im Falle eines spätern Verkaufs des Heimwesens durch Anna und Rosa Frei
allerdings nicht zu, weil der Kanton St. Gallen das Vorkaufsrecht nicht
auf die Nachkommen verstorbener Geschwister ausgedehnt hat, wie er es
nach Art. 6 Abs. 2 EGG hätte tun können. Einer vertraglichen Regelung,
die einem Neffen die Nachfolge sichert, steht dagegen nichts im Wege.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsrichters
des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 30. Juli 1957 aufgehoben und das Gesuch
der Kläger um Verschiebung der Teilung bis zum 19. Mai 1962 abgewiesen.