Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 636



84 II 636

85. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1958 i.S. Solco Basel
AG gegen Müller. Regeste

    Art. 2 ZBG, Art. 216 Abs. 2 OR. Handelt gegen Treu und Glauben,
wer sich der Schadenersatzklage wegen Nichterfüllung eines Vorvertrages
zu einem Grundstückkauf mit der Begründung widersetzt, die öffentliche
Beurkundung sei nicht vorschriftsgemäss vor sich gegangen?

Sachverhalt

    A.- Am 16. Juli 1955 unterzeichneten Dr. W. als
Verwaltungsratspräsident der Solco Basel A. G. einerseits und Werner
Müller anderseits im Bureau W.s ein als "Vorvertrag zu einem Kaufvertrag"
überschriebenes Schriftstück. Darin versprach Müller der Solco Basel
A. G., ihr die Liegenschaften Zürcherstrasse Nr. 11 und 13 in Basel,
die zusammen 1397,5 m2 messen, zum Preise von Fr. 395.-- je m2
abzukaufen und den endgültigen Kaufvertrag spätestens am 1. Oktober
1955 abzuschliessen. Das Schriftstück war nach Art eines öffentlich
beurkundeten Vertrages abgefasst. Es begann mit den Worten: "Vor mir,
dem unterzeichneten öffentlichen Notar zu Basel sind erschienen die
mir persönlich bekannten Herr Dr. W.... und Herr Werner Müller... und
haben mir erklärt...". Der Schlussatz lautete: "Geschehen zu Basel den
16. Juli 1955, nachdem urkundlich dessen dieser Vorvertrag von den
Parteien nach geschehener Lesung und Genehmigung, sowie von mir dem
Notar unter Beisetzung meines amtlichen Siegels hienach unterzeichnet
worden ist". W. sandte diese Urkunde nach der Unterzeichnung dem Notar
Dr. Sch. in Basel, und dieser setzte in Abwesenheit der Parteien seine
Unterschrift und sein Siegel darunter.

    Im gleichen Verfahren kam am 28. September 1955 ein "Nachtrag"
zu diesem Vorvertrag zustande. Er ging im wesentlichen dahin, dass die
Frist zum Abschluss des endgültigen Kaufvertrages bis 15. Oktober 1955
erstreckt werde und der Käufer der Verkäuferin spätestens an diesem Tage
Fr. 100 000 anzahle.

    Am 3. Oktober 1955 schrieb Dr. W. dem Müller, wenn diese Frist nicht
eingehalten werden sollte, würde die Solco Basel AG die sich aus dem
Verzug ergebenden Folgen eintreten lassen. Mit Briefvom 17. Oktober 1955
teilte er Müller mit, sie werde auf nachträgliche Erfüllung verzichten
und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn Müller den Vertrag
nicht spätestens am 26. Oktober 1955 erfüllen werde. Müller antwortete
am 18. Oktober 1955, sein Kaufsinteressent werde am 20. Oktober 1955
nach Basel kommen und wahrscheinlich versuchen, den Kaufpreis noch
einmal herunterzudrücken. Er bat Dr. W., zur Erzielung eines Erlöses von
mindestens Fr. 415.-- je m2 mitzuwirken, so dass ihm, Müller, für seine
Bemühungen ein gewisser Betrag übrig bleibe. Müller begab sich jedoch
am 20. Oktober nicht zu Dr. W. Da er auch bis 26. Oktober 1955 nicht
erfüllte, schrieb W. ihm am 28. Oktober 1955, die Solco Basel AG verzichte
auf nachträgliche Leistung und verlange Ersatz des aus der Nichterfüllung
des Vertrages entstehenden Schadens.

    Am 1. August 1956 schrieb Dr. W. dem Müller, die Solco Basel AG
könne nun die beiden Liegenschaften zu einem Preise, der erheblich
unter Fr. 395.-- je m2 liege, anderweitig verkaufen; sie werde das tun
und Müller für den Preisunterschied belangen, wenn er nicht ein neues
und annehmbares Angebot mache. Müller erhielt den Brief nicht, da er
abwesend war. Am 7. August 1956 verkaufte die Solco Basel AG die beiden
Liegenschaften zum Preise von Fr. 320.-- je m2 anderweitig. Dr. W. gab
Müller am 9. August 1955 vom Mindererlös Kenntnis und ersuchte ihn um
einen Vergleichsvorschlag. Am 22. August 1956 antwortete Müller, die Solco
Basel AG habe ihn durch Verschweigen bestimmter Tatsachen zum Abschluss
des Vorvertrages verleitet und habe darin einen bedeutend übersetzten
Kaufpreis ausbedungen. Zudem habe Müller den Vorvertrag in der Meinung
unterzeichnet, er falle dahin, wenn er nicht erfüllt werde. Man hätte ihn
bei der Unterzeichnung des Vertrages auf die Folgen der Nichterfüllung
aufmerksam machen sollen.

    B.- Am 22. September 1956 reichte die Solco Basel AG gegen Müller
Klage ein. Sie beantragte, er sei zu verurteilen, ihr den Mindererlös
von Fr. 104'812.50, die Mäklerprovision von Fr. 6700.-- und die
Insertionskosten von Fr. 322.50, zusammen Fr. 111'835.--, zu ersetzen
und die Schuld vom Tage der Einreichung der Klage an zu 5% zu verzinsen.

    Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er machte unter
anderem geltend, der Vorvertrag sei ungültig, weil er nicht in dem vom
Basler Notariatsgesetz vorgeschriebenen Verfahren verurkundet worden sei,
und zudem habe der Beklagte geglaubt, Gegenstand des Vertrages sei ein
zugunsten des Beklagten vereinbartes Kaufsrecht.

    Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt hiess die Klage gut, das
vom Beklagten angerufene Appellationsgericht wies sie dagegen im Urteil
vom 10. Juli 1958 ab. Das Appellationsgericht kam zum Schluss, die im
kantonalen Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch und im baselstädtischen
Notariatsgesetz geregelte Form der öffentlichen Beurkundung sei insofern
erfüllt, als alle erforderlichen Unterschriften vorhanden seien, doch sei
der verurkundende Notar Dr. Sch. mit den Parteien nicht zusammengetroffen
und habe sich nicht vergewissert, ob der Beklagte vom Inhalte der Urkunde
Kenntnis genommen und ihn genehmigt habe. Diese Verstösse gegen § 237
EG und § 3 des Notariatsgesetzes machten den Vertrag nicht ungültig,
aber gemäss § 237 Abs. 4 und 233 letzter Absatz anfechtbar. Das
Anfechtungsrecht sei nicht dahingefallen und es sei rechtzeitig und
gültig ausgeübt worden. "Überwiegende Gründe" im Sinne des § 233 letzter
Abs. EG, aus denen der Richter die Beurkundung trotz des Formmangels
aufrecht halten könnte, lägen nicht vor. Indem das Gesetz dem Richter
diese Möglichkeit gebe, wolle es den Rechtsmissbrauch verbieten. Der
Beklagte fechte jedoch die Beurkundung nicht rechtsmissbräuchlich an. Die
missachteten Formvorschriften wollten verhindern, dass die Beteiligten
die Urkunde unterzeichneten, ohne ihren Inhalt genau zu kennen und sich
frei entschlossen zu haben. Da der Beklagte der Meinung gewesen sein
wolle, er sei zum Kaufe nicht verpflichtet, sondern erwerbe nur ein
Kaufsrecht, missbrauche er das Anfechtungsrecht nicht zu einem Zwecke,
der diesem fremd sei. Die Klägerin behaupte zwar, der Beklagte habe den
Inhalt des Vertrages genau gekannt und ausdrücklich gewollt. Die Klägerin
vermöge jedoch den ihr obliegenden Beweis hiefür nicht zu erbringen.
Auch kenne das kantonale Prozessrecht keine Regel, wonach der Beklagte
die Behauptung der Klägerin gegen sich gelten lassen müsste, weil er
seinen früheren Rechtsberater Dr. B., den Bureaukollegen Dr. W.s, von
der beruflichen Schweigepflicht über das Beweisthema nicht entbinde. Es
bestehe ein gewisser Verdacht, dass der Beklagte die Unkenntnis seiner
Kaufsverpflichtung nur vorschütze, um sich den Folgen einer missglückten
Spekulation zu entziehen, aber einen schlüssigen Beweis hiefür habe die
Klägerin nicht erbracht. Ob die Anfechtung rechtsmissbräuchlich wäre, wenn
der Beklagte die Kaufsverpflichtung erwiesenermassen mit Wissen und Willen
eingegangen wäre, könne somit dahingestellt bleiben. Im übrigen stehe
fest, dass der Beklagte den Formfehler nicht kannte, als er die Urkunde
unterzeichnete. Er habe auch nicht nachträglich in Kenntnis des Fehlers
am Vertrage festgehalten. In dieser Hinsicht liege also Rechtsmissbrauch
nicht vor. Es beständen auch keine Billigkeitsgründe, den Vertrag aufrecht
zu halten. Es sei nicht mit Sicherheit bekannt, ob der Beklagte den
Vertrag auch unterzeichnet hätte, wenn ihn der Notar darüber belehrt
hätte, dass er eine Kaufsverpflichtung eingehe. Anderseits habe der
Verwaltungsratspräsident der Klägerin die Gesetzwidrigkeit der Beurkundung
gekannt und gewollt. Auch habe die Klägerin ihre Liegenschaften immerhin
noch mit Gewinn anderweitig verkaufen können. Dass sie in finanzielle
Schwierigkeiten geraten sei, sei nicht dargetan. Mit der Schadenersatzklage
bezwecke sie im wesentlichen nur, weiteren Gewinn zu ziehen. Gutheissung
der Klage hätte anderseits den Konkurs des Beklagten zur Folge oder würde
diesen zum mindesten finanziell ausserordentlich hart treffen. Freilich
habe der Beklagte nur eine Liegenschaftsspekulation verfolgt, die an sich
keinen besonderen Schutz verdiene; aber seine Verkaufsbemühungen hätten
auch der Klägerin gedient, die einen entsprechend hohen Preis nirgends
zu erzielen vermocht habe. Verschiedene Umstände sprächen im übrigen
dafür, dass der Beklagte beim ganzen Geschäft der Gegenpartei nicht
ebenbürtig gewesen sei. Dazu komme, dass sein Rechtsberater Dr. B. als
jüngerer Bureaukollege Dr. W.s sich in einem gewissen Interessenkonflikt
befunden habe. Überhaupt handelten Advokaten des gleichen Bureaus nicht
pflichtgemäss, wenn sie Parteien mit gegensätzlichen Interessen verträten.

    C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts die
Berufung erklärt mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.

    Der Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, sie
allenfalls abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Vorverträge zum Kauf eines Grundstückes bedürfen der öffentlichen
Beurkundung (Art. 216 Abs. 2 OR). Was unter dieser zu verstehen ist
und welchen Mindestanforderungen sie zu genügen hat, sind Fragen des
eidgenössischen Rechts. Dagegen bestimmen die Kantone, in welcher Weise
auf ihrem Gebiete die öffentliche Beurkundung hergestellt wird (Art. 55
SchlT ZGB).

    Die Schriftstücke über den Vorvertrag vom 16. Juli und den Nachtrag
vom 28. September 1955 weisen alle Merkmale auf, die eine öffentliche
Urkunde von Bundesrechts wegen haben muss. Das ist auch die Auffassung
des Appellationsgerichts und wird von keiner Partei bestritten. Der
Beklagte und das Appellationsgericht beanstanden nur das Verfahren, in
dem die beiden Urkunden zustande gekommen sind. Sie setzen daran aus,
der verurkundende Notar Dr. Sch. sei entgegen § 237 EG ZGB und § 3 des
baselstädtischen Notariatsgesetzes mit den Parteien nicht zusammengetroffen
und habe sich nicht vergewissert, ob der Beklagte vom Inhalt der Urkunden
Kenntnis genommen und ihn genehmigt habe. Ob dieser Vorwurf begründet
sei und er den Richter berechtige, die beiden Urkunden auf Anfechtung
hin ungültig zu erklären, sind Fragen des kantonalen Rechts. Indem die
Klägerin vorbringt, das Appellationsgericht messe dem Verfahrensmangel zu
grosse Bedeutung bei, die Gegenwart des Notars bei der Unterzeichnung der
Schriftstücke durch die Parteien wäre nur eine reine Formalität gewesen,
beanstandet sie somit die Auslegung des kantonalen Rechts. Das ist im
Berufungsverfahren nicht zulässig (Art. 43, 55 Abs. 1 lit. c OG).

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er verstosse gegen Art. 2
ZGB, indem er sich auf die Ungültigkeit des Vertrages berufe.

    Wer einen Vertrag wegen Formmangels nicht gelten lassen will,
missbraucht das Recht nur, wenn seine Einwendung wegen besonderer
Umstände gegen Treu und Glauben verstösst (BGE 68 II 236 f., 72 II 41,
78 II 227, 84 II 375). Die Klägerin sieht einen solchen Umstand darin,
dass der Beklagte durch Dr. B. vor der Unterzeichnung des Vertrages
jede wünschbare Aufklärung erhalten habe, sich bewusst gewesen sei,
dass er sich vorbehaltlos zum Kaufe verpflichte, und diese Verpflichtung
gewollt habe. Soweit sie damit sagen will, das in § 237 EG ZGB und §
3 des Notariatsgesetzes vorgeschriebene Beurkundungsverfahren habe
nicht eingehalten zu werden brauchen, um den Beklagten vor unüberlegtem
Handeln zu schützen, ist sie nicht zu hören. Das Bundesgericht hat davon
auszugehen, dass die Nichtbeachtung dieser Bestimmungen den Beklagten
zur Anfechtung der Verträge berechtigte und den Richter angesichts der
Umstände des Falles verpflichtete, sie ungültig zu erklären. Daran ändert
die Berufung auf Art. 2 ZGB nichts. Diese Norm schränkt an sich nur die
Anwendung von Sätzen des eidgenössischen Rechtes ein, steht dagegen der
Anwendung von kantonalen Vorschriften, soweit solche massgebend sind,
nicht im Wege. Fragen kann sich daher nur, ob die Berufung einen Mangel
im Beurkundungsverfahren an sich, gleichgültig worin er bestanden habe,
rechtsmissbräuchlich sei, wenn die Partei der Form zu ihrem Schutze nicht
bedarf. Das trifft nicht zu. Die öffentliche Beurkundung im Verkehr mit
Grundstücken soll in erster Linie auch der Sicherung des Beweises und
der Rechtssichercheit dienen (BGE 68 II 234 f., 78 II 224). Wer geltend
macht, ein Vertrag sei gemäss Art. 216 Abs. 2 OR ungültig, obschon er
sich beim Abschluss seines Inhaltes und seiner Tragweite bewusst war,
missbraucht daher sein Recht nicht zu einem dieser Bestimmung fremden
Zwecke. Dem Beklagten gereicht es nicht von Bundesrechts wegen zum
Vorwurf, dass er sich auf den Formfehler beruft, gleichgültig, ob er
durch Dr. B. aufgeklärt worden ist und den Inhalt der unterschriebenen
Verträge gekannt und gewollt hat oder nicht. Alle Ausführungen, mit
denen die Klägerin darzutun versucht, dass der Beweis für dieses Wissen
und Wollen vom Appellationsgericht unrichtig gewürdigt worden und zudem
nicht von der Klägerin zu erbringen gewesen sei, sind somit gegenstandslos.

    Gegen Treu und Glauben kann verstossen, wer sich auf einen Formfehler
beruft, obschon er ihn beim Abschluss des Vertrages bewusst in Kauf
genommen oder ihn zum eigenen Vorteil sogar gewollt hat (BGE 53 II 166,
78 II 228). Dem Beklagten kann dieser Vorwurf nicht gemacht werden, denn
das Appellationsgericht stellt verbindlich fest, dass er den Formmangel bei
der Unterzeichnung der Urkunde nicht kannte. Die Klägerin vermag ihm auch
nicht vorzuwerfen, er habe sich erst anderthalb Jahre nach Abschluss des
Vertrages auf dessen Ungültigkeit berufen, weil er eine ihm später unbequem
gewordene Bindung habe lösen wollen. Das Appellationsgericht erachtet als
nicht bewiesen, ja sogar als sehr unwahrscheinlich, dass der Beklagte den
Formmangel vor dem 7. September 1956 gekannt habe. An diese Beweiswürdigung
ist das Bundesgericht gebunden. Erfuhr der Beklagte erst am 7. September
1956, dass der Vertrag nicht richtig beurkundet worden war, so verstösst
es nicht gegen Treu und Glauben, wenn er sich nicht schon früher auf den
Mangel berief. Es kann bei dieser Sachlage keine Rede davon sein, dass er
diesen genehmigt habe, wie die Klägerin sagt. Sein Schweigen beruhte auch
nicht auf einer Spekulation. Die Klägerin hatte ihm schon am 28. Oktober
1955 geschrieben, dass sie auf nachträgliche Erfüllung des Vertrages
verzichte und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlange. Von da an kam
somit, wie beide Parteien wussten, ein Begehren um Erfüllung seitens der
einen oder anderen nicht mehr in Frage. Insbesondere wusste die Klägerin,
dass sie die Liegenschaften anderweitig verkaufen könne, ohne Gefahr zu
laufen, den Beklagten entschädigen zu müssen. Der Beklagte hat denn auch
nach Empfang der erwähnten Mitteilung nie auf Erfüllung beharrt oder die
Klägerin auch nur veranlasst, vom anderweitigen Verkaufe der Liegenschaften
abzusehen. Dass sie ihm diese bis zum 26. Oktober 1955 zur Verfügung
hielt, wodurch ihr angeblich die Gelegenheit entgangen sein soll, mit
einem Dritten, der annähernd gleichviel geboten habe, weiterzuverhandeln,
gereicht dem Beklagten nicht zum Vorwurf. Das war die Folge der Verträge
vom 16. Juli und 28. September 1955, die von der Klägerin gewollt waren und
deren ungenügende Verurkundung der Beklagte nicht kannte. Die Berufung auf
den Formmangel seitens des Beklagten widerspricht um so weniger Treu und
Glauben, als der Verwaltungsratspräsident der Klägerin wusste, dass der
einleitende Satz und der Schlussatz der beiden Urkunden unwahr waren. Die
Klägerin ist nicht hinters Licht geführt worden, sondern hat, wie das
Appellationsgericht feststellt, die Gesetzwidrigkeit der Beurkundung
gekannt und gewollt.

    Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Berufung auf einen
Formmangel rechtsmissbräuchlich sein könne, wenn der Vertrag erfüllt worden
ist (BGE 50 II 148, 53 II 165 f., 72 II 43). Auch dieser Sachverhalt
liegt nicht vor. Der Beklagte verlangt nicht eine erbrachte Leistung
unter Berufung auf einen Formmangel zurück, sondern widersetzt sich
der Schadenersatzforderung der Klägerin aus dem mangelhaft beurkundeten
Geschäft. Er hat ein schützenswertes Interesse, dies zu tun. Er hätte es
selbst dann, wenn ihn die Forderung der Klägerin nicht ausserordentlich
hart treffen würde, wie das Appellationsgericht feststellt. Auch kommt
nichts darauf an, dass er die Liegenschaften erwerben wollte, um sie
mit Gewinn weiterzuverkaufen. Dieser Zweck war der Klägerin bekannt und
hat übrigens mit dem Formmangel und der Haltung des Beklagten nichts zu
tun. Der Beklagte handelt nicht gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf
den nachträglich entdeckten Formmangel beruft, nachdem sich herausgestellt
hat, dass der vereinbarte Preis weit übersetzt war, und ihm die Klägerin
die Liegenschaften gar nicht mehr übertragen kann, sondern nur noch darauf
ausgeht, erhofften Gewinn einzuziehen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 10. Juli 1958 wird bestätigt.