Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 529



84 II 529

73. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. November 1958
i.S. Dresel gegen Hartmann. Regeste

    Art. 418 u Abs. 2 OR. Nach welchen Gesichtspunkten ist die Vergütung zu
bemessen, die dem Agenten nach Auflösung des Vertrages für die Erweiterung
des Kundenkreises des Auftraggebers zusteht?

    Art. 8 ZGB bestimmt nicht, mit welchen Mitteln Beweis zu führen sei
und wie dieser gewürdigt werden müsse (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Der Verleger Hartmann liess ab 1. März 1949 die Verträge auf
Insertion in der Fachzeitschrift "Nellys Kalender" in der Schweiz und
im Fürstentum Liechtenstein ausschliesslich durch den Agenten Dresel
abschliessen. Als Entgelt versprach er ihm 35% der Nettopreise der
Inserate. Am 19. November 1952 kam er mit Dresel überein, dass dieser
auch die Inserenten für die ab 1. Januar 1953 erscheinende französische
Ausgabe der Zeitschrift gewinne, wobei die Provision im Jahre 1953 22 1/2%
und später 35% betrage.

    Auf 28. Februar 1955 kündete Hartmann das Agenturverhältnis. Er schloss
von da an die Insertionsverträge selber ab. Die mit dem Druck der Inserate
zusammenhängende Arbeit verrichtete er fortan ausschliesslich selber,
während sie bisher teilweise von Dresel besorgt worden war. Hartmann
kürzte daher die Provision für die von Dresel eingebrachten, aber erst
nach dem 1. April 1955 vollzogenen Geschäfte. Die französische Ausgabe
der Zeitschrift liess er auf 31. Dezember 1955 eingehen.

    B.- Dresel forderte von Hartmann in einem beim Handelsgericht des
Kantons Zürich eingeleiteten Prozesse Fr. 99'220.94 nebst Zins. Davon
anerkannte und bezahlte der Beklagte bis zum 30. April 1956 Fr.
35'887.47. Am 26. Juni 1956 schützte das Handelsgericht die Restforderung
von Fr. 63'333.47 im Teilbetrage von Fr. 6584.49 nebst Zins. Abgewiesen
wurde unter anderem eine Forderung von Fr. 45'868.--, die der Kläger unter
Berufung auf Art. 418 u OR als Entschädigung für geworbene Kundschaft
geltend machte. Für die während der Vertragsdauer eingebrachten, aber
erst ab 1. April 1955 erschienenen Inserate erklärte das Handelsgericht
eine Provision von 30% als angemessen.

    Auf Berufung des Klägers hin entschied das Bundesgericht am 12. Februar
1957, dass das Verhältnis der Parteien entgegen der Auffassung des
Handelsgerichts nicht den Bestimmungen des Pachtvertrages, sondern denen
des Agenturvertrages unterstehe und daher geprüft werden müsse, ob die
Voraussetzungen der "Entschädigung" nach Art. 418 u OR erfüllt seien. Zu
diesem Zwecke wies es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
an das Handelsgericht zurück.

    Mit Urteil vom 5. Juni 1958 bejahte das Handelsgericht die
Voraussetzungen des Anspruches aus Art. 418 u OR. In Übereinstimmung
mit dem Gutachten eines Sachverständigen hielt es die unter diesem Titel
gestellte Forderung des Klägers bis zum Teilbetrag von Fr. 6000.-- für
begründet. Es verurteilte den Beklagten, dem Kläger soviel zu bezahlen
und die Schuld ab 3. März 1955 zu 5% zu verzmsen.

    C.- Der Kläger hat gegen das Urteil vom 5. Juni 1958 die Berufung
erklärt. Er beantragt, es sei hin ichtlich der Forderung aus Art. 418 u
OR dahin abzuändern, dass ihm Fr. 45'868.-- nebst Zins zu 5% seit 3.
März 1955 zuzusprechen seien, eventuell sei die Sache zur Durchführung
eines Beweisverfahrens und zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht
zurückzuweisen.

    Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Agent hat Anspruch auf "Entschädigung" gemäss Art. 418 u
OR, wenn seine Tätigkeit den Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich
erweitert hat, dem Auftraggeber aus der Geschäftsverbindung mit der
geworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses
erhebliche Vorteile erwachsen, der Agent die Auflösung nicht zu vertreten
hat und der Anspruch auch sonst nicht unbillig ist.

    Das Handelsgericht hat diese Voraussetzungen bejaht. Der Beklagte
bestreitet sie nicht mehr, sondern macht nur geltend, die Forderung
dürfe nicht über den zugesprochenen Betrag von Fr. 6000.-- hinaus erhöht
werden. Zu prüfen ist daher nur, ob die Voraussetzungen der Erhöhung
erfüllt sind.

Erwägung 2

    2.- Art. 418 u OR gibt dem Agenten Anspruch auf eine "angemessene
Entschädigung" (Abs. 1) und bestimmt, dass der Anspruch höchstens
einen Nettojahresverdienst aus dem Vertragsverhältnis, berechnet nach
dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre oder, wenn das Verhältnis
nicht so lange gedauert hat, nach demjenigen der ganzen Vertragsdauer,
betrage (Abs. 2). Innerhalb dieser Grenze hat der Richter die Höhe des
Anspruches nach Ermessen, d.h. nach Recht und Billigkeit zu bestimmen
(Art. 4 ZGB). Das ergibt sich auch daraus, dass Art. 418 u OR den Anspruch
nur gibt, "soweit es nicht unbillig ist".

    Art. 418 u OR spricht von einer "Entschädigung". Das ist ungenau. Es
geht nicht darum, den Agenten zu entschädigen, d.h. für erlittene Nachteile
schadlos zu halten, sondern ihm eine Gegenleistung zu erbringen für den
Vorteil, den der Auftraggeber auch nach Beendigung des Agenturverhältnisses
zieht, weil sein Kundenkreis durch die Tätigkeit des Agenten erweitert
worden ist. Das folgt daraus, dass der Anspruch nur besteht, wenn der
Agent durch seine Tätigkeit den Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich
erweitert hat und diesem aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen
Kundschaft auch nach Auflösung erhebliche Vorteile erwachsen. Der Kläger
geht also fehl, den Verlust in den Vordergrund zu stellen, den der Agent
dadurch erleide, dass er durch die Auflösung des Vertrages um einen
Kundenstamm komme und die Aussicht verliere, mit diesem ohne neue grosse
Arbeit Geld zu verdienen. Der Kundenstamm gehört nicht ihm, sondern dem
Auftraggeber, für den der Agent die Kunden wirbt und in dessen Namen und
für dessen Rechnung er mit ihnen die Geschäfte abschliesst. Einen Anspruch
darauf, mit diesen Kunden für den Auftraggeber Geschäfte abzuschliessen und
"auf leichtere Weise Geld zu verdienen", hat der Agent nur so lange, als
der Vertrag dauert. Für das, was ihm durch die vertragsgemässe Auflösung
des Verhältnisses entgeht, hat ihn der Auftraggeber nicht schadlos zu
halten; der entgangene Gewinn hat für die Bestimmung der Vergütung nach
Art. 418 u OR ausser Betracht zu bleiben. Es kommt deshalb auch nichts
darauf an, ob der Agent nach der Auflösung des Vertrages anderen und
gleichwertigen Verdienst gefunden hat.

    Der Kläger verkennt den Sinn des Art. 418 u OR auch, wenn er dem
wirtschaftlichen Wert, den der vom Agenten geschaffene oder erweiterte
Kundenstamm für den Auftraggeber hat, nicht entscheidende Bedeutung
beilegt. Wäre dieser Wert nicht zu berücksichtigen, so würde das Gesetz
die Vergütung nicht davon abhangen lassen, dass der Kundenkreis wesentlich
erweitert worden sei und dem Auftraggeber aus der Geschäftsverbindung mit
der geworbenen Kundschaft erhebliche Vorteile erwachsen. Fehlen solche
Vorteile oder sind sie nicht erheblich, so hat der Agent nicht Anspruch
auf Vergütung. Es ist folgerichtig, dass auch deren Höhe vom Ausmass der
Vorteile abhange, die der Auftraggeber daraus zieht, dass der Agent den
Kundenkreis wesentlich erweitert hat.

    Da das Gesetz verlangt, dass der Kundenkreis durch die Tätigkeit
des Agenten wesentlich erweitert worden sei, ist für die Höhe der
Vergütung ferner entscheidend, in welchem Ausmass die Erweiterung mit der
Tätigkeit des Agenten ursächlich zusammenhängt und inwieweit sie anderen
Umständen, z.B. den Bemühungen des Auftraggebers oder der Entwicklung
der Wirtschaftslage zuzuschreiben ist.

    Indem das Gesetz bestimmt, die Vergütung dürfe nicht höher sein
als der Nettojahresverdienst, will es ferner auch diesen in Betracht
gezogen wissen. Es zieht der Vergütung damit nicht nur eine obere
Grenze, sondern will sie zum Jahresverdienst auch in ein angemessenes
Verhältnis setzen. Im Verdienst kommt im allgemeinen zum Ausdruck,
wie die Parteien die Leistungen des Agenten bewertet haben, und dieser
Massstab gibt normalerweise auch die Richtlinie für die Bewertung der
Leistung, die dem Auftraggeber am Ende des Agenturverhältnisses in der
Form eines erweiterten Kundenkreises verbleibt. Die Vergütung nach
Art. 418 u OR erreicht also nicht notwendigerweise den Wert, den der vom
Agenten geschaffene Kundenkreis für den Auftraggeber hat. Sie soll auf den
Verdienst abgestimmt sein, den der Agent aus dem Agenturverhältnis zog. Hat
der Agent mehr eingenommen, so wird im allgemeinen auch die Vergütung
höher sein als der Anspruch eines Agenten mit geringem Jahresverdienst. Es
kann unter Umständen aber auch billig sein, die Vergütung für den hoch
entlöhnten Agenten niedriger zu bestimmen als für den Agenten mit geringem
Einkommen. Sie soll zusätzliches Entgelt für die Leistungen des Agenten
sein, wie sie im erweiterten Kundenkreis zum Ausdruck kommen. Ist der Agent
für seine Leistungen schon durch Provisionen überdurchschnittlich entlöhnt
worden, so kann es unbillig sein, den Auftraggeber bei verhältnismässig
geringer (wenn auch im Sinne des Gesetzes erheblicher) Erweiterung des
Kundenkreises noch mit einer hohen Vergütung zu belasten. Das entspricht
auch der Lehre zum deutschen Recht, das in § 89 b HGB dem Handelsvertreter
Anspruch auf einen angemessenen, die Jahresprovision nicht übersteigenden
Ausgleich gibt, wenn dem Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit
den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden Vorteile erwachsen und der
Anspruch der Billigkeit entspricht (SCHLEGELBERGER/SCHRÖDER § 89 b N. 18;
HERSCHEL/BEINE, Handbuch zum Recht des Handelsvertreters 195). Umgekehrt
kann die Billigkeit erfordern, dass der schlecht entlöhnte Agent den
Ausgleich für seine Leistungen durch eine verhältnismässig höhere, wenn
auch absolut durch den Jahresverdienst begrenzte Vergütung erhalte.

    Für die Höhe der Vergütung kann auch die Dauer des Agenturverhältnisses
entscheidend sein. Der Anspruch aus Art. 418 u OR beruht wie jener aus §
89 b des deutschen HGB auf dem Gedanken, dass der Agent, der erhebliche
Vorarbeiten leisten musste oder zu Beginn seiner Tätigkeit bedeutende
Unkosten hatte, dann aber die Früchte seiner Aufwendungen und Bemühungen
nur kurze Zeit ernten konnte, ein zusätzliches Entgelt erhalten soll, wenn
die Vorteile, die der Auftraggeber aus dem erweiterten Kundenkreis zieht,
es rechtfertigen. Hat er die Vorteile aus dem Vertrag und folglich auch
aus dem von ihm selbst geschaffenen oder erweiterten Kundenkreis schon
lange genossen, so drängt sich das zusätzliche Entgelt weniger auf und
ist es daher niedriger zu bestimmen.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger will für die in der deutschen Ausgabe von "Nellys
Kalender" erschienenen Inserate in den Jahren 1950 bis 1954 Fr. 235'970.69
oder jährlich durchschnittlich Fr. 47'194.-- an Provisionen eingenommen
haben. Die Provisionen für die Inserate der französischen Ausgabe
beziffert er für 1953 und 1954 auf zusammen Fr. 27'926.90, d.h. auf
jährlich durchschnittlich Fr. 13'963.--. Die beiden Durchschnitte zählt
er zusammen, und von der Summe von Fr. 61'157.-- zieht er 25% für Unkosten
ab, womit er auf einen jährlichen Reinverdienst von Fr. 45'868.-- kommt.

    Diese Berechnung widerspricht dem Art. 418 u Abs. 2 OR. Indem der
Kläger den Jahresdurchschnitt aus der Tätigkeit für die französische
Ausgabe besonders berechnet und zum Jahresdurchschnitt der Provisionen aus
der deutschen Ausgabe zählt, gelangt er zu einem Ergebnis, das berechtigt
sein möchte, wenn er die Inserenten für die französische Ausgabe im vollen
Zeitraum von 1950 bis 1954 und mit gleichem Erfolge wie 1953 und 1954
geworben hätte. Diese Aufwertung des tatsächlichen Verdienstes ist nicht
zulässig. Die Einnahmen während der fünf massgebenden Jahre sind ohne
Unterschied, ob sie aus Abschlüssen für die deutsche oder aus solchen
für die französische Ausgabe erzielt wurden, zusammenzurechnen, um die
Unkosten zu vermindern und durch fünf zu teilen. Wenn man so rechnet,
gelangt man mit den vom Kläger eingesetzten Zahlen zu einem jährlichen
Nettoverdienst von nur Fr. 39'584.83.

    Anderseits ist der Jahresdurchschnitt von Fr. 21'640.--, den
der Beklagte auf Grund der Steuererklärungen des Klägers berechnet,
zu niedrig. Veranlagungsperiode und Bemessungsperiode stimmen im
Steuerverfahren nicht überein. Der Beklagte nimmt also zu Unrecht an,
der Kläger habe im Jahre 1950 kein Einkommen gehabt; die Steuererklärung
für dieses Jahr bezieht sich auf das Einkommen von 1949. Zur Bestimmung
des Verdienstes der Jahre 1950 bis 1954 müsste auf die Steuerschatzungen
für 1951 bis 1955 abgestellt werden. Wenn die Zahlen der Jahre 1951
bis 1954 durch die Steuerschatzung für 1955 ergänzt werden, die nach den
Angaben des Klägers Fr. 41'700.-- beträgt, so ergibt sich ein versteuertes
durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 29'980.--. Einkommensteile,
die nicht besteuert werden und die je nach der Grösse der Familie des
Steuerpflichtigen jährlich einige tausend Franken erreichen können, wären
noch hinzuzurechnen. Auch müsste berücksichtigt werden, dass die wirklichen
Unkosten geringer zu sein pflegen als jene, die nach Steuerrecht vom rohen
Einkommen abgezogen werden dürfen. So liesse sich ein Jahreseinkommen
ermitteln, das Fr. 30'000.-- wesentlich überstiege, ohne wahrscheinlich
die Zahl von Fr. 39'584.83 zu erreichen, die sich ergibt, wenn aus den vom
Kläger behaupteten Einkommensteilen der Jahresdurchschnitt nach richtiger
Methode berechnet wird.

    Es erübrigt sich indessen, die Sache zur genaueren Abklärung des
durchschnittlichen Jahresverdienstes, den der Kläger vom 1. März 1950 bis
28. Februar 1955 erzielt hat und der vom Handelsgericht nicht festgestellt
worden ist, an dieses zurückzuweisen. Es genügt, zu wissen, dass der
Kläger jährlich rein etwa Fr. 35'000.-- bis 40'000.-- verdient hat.

Erwägung 4

    4.- Die Vorteile würdigend, die dem Beklagten aus der Erweiterung
des Kundenkreises erwachsen, hat der Sachverständige darauf hingewiesen,
dass man Inserate in einer Zeitschrift wie "Nellys Kalender" nicht
wie eine Ware nachbestelle, die man normalerweise brauche und deren
Preis gleich bleibe, sondern dass man immer wieder überlege, ob man
inserieren wolle und die Zeitschrift sich noch dazu eigne. In Anlehnung
an diese Ausführungen wirft das Handelsgericht in die Waagschale, dass
der Inseratenumsatz für den Wert des Unternehmens des Beklagten nicht die
ausschlaggebende Bedeutung habe wie der Umsatz von Verbrauchsgütern für den
Inhaber eines Handelsgeschäftes, der in hohem Masse damit rechnen könne,
dass die einmal gewonnenen Kunden ihren sich stets erneuernden Bedarf am
alten Orte decken werden.

    Der Kläger bezeichnet diese Überlegungen als unzulässig, weil sie nicht
auf den Akten beruhten. Er rügt, das Handelsgericht habe es abgelehnt,
Untersuchungen über die tatsächlichen Verhältnisse vorzunehmen, wie sie
bei "Nellys Kalender" und dessen Inserenten beständen. Er beanstandet
insbesondere, dass es die von ihm vorgelegten Jahrgänge 1956 und 1957
der Zeitschrift, mit denen er beweisen wollte, wieviele der von ihm
geworbenen Kunden dem Beklagten treu geblieben seien, nicht zu den Akten
genommen und auch nicht darüber Beweis erhoben hat, welche Kunden der
Beklagte bearbeitet habe. Er macht geltend, durch Nichtabnahme der von
ihm angebotenen Beweise habe das Handelsgericht Art. 8 ZGB verletzt.

    Diese Norm verteilt nur die Beweislast, d.h. nach ihr bestimmt sich, zu
Ungunsten welcher Partei entschieden werden muss, wenn rechtlich erhebliche
Tatsachen zweifelhaft bleiben. Art. 8 ZGB sagt dagegen nicht, mit welchen
Mitteln Beweis geführt werden müsse (BGE 71 II 127). Er schreibt dem
Richter auch nicht vor, alle von der beweispflichtigen Partei beantragten
Beweise abzunehmen, wenn er den behaupteten Sachverhalt durch andere Mittel
schon als widerlegt erachtet. Ob der Richter seine Überzeugung auf Grund
erhobener Beweise bilden durfte oder weitere Beweise hätte abnehmen sollen,
ist Frage der Beweiswürdigung, über die Art. 8 ZGB nichts bestimmt. Mit
welchen Mitteln Beweis zu führen sei und wie er gewürdigt werden müsse,
sagt das kantonale Prozessrecht.

    Das Handelsgericht war daher nicht von Bundesrechts wegen verpflichtet,
die tatsächlichen Verhältnisse auf die vom Kläger beantragte Weise
abzuklären. Weder Art. 8 ZGB noch ein anderer Satz des Bundesrechtes verbot
ihm, seine Überzeugung, dass es sich für "Nellys Kalender" so verhalte,
wie der Sachverständige auf Grund seines Fachwissens für Zeitschriften
dieser Art ausführte, aus dem Gutachten zu schöpfen. Ob es sich von den
vom Kläger beantragten Gegenbeweisen hätte erschüttern lassen müssen, ist
ausschliesslich Frage vorweggenommener Beweiswürdigung. Diese Frage kann
nicht zum Gegenstand der Berufung gemacht werden, da das Bundesgericht an
tatsächliche Feststellungen gebunden ist, wenn sie nicht in Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind oder - was
der Kläger nicht behauptet und auch nicht zutrifft - offensichtlich
auf Versehen beruhen (Art. 43 Abs. 3, Art. 55 Abs. 1 lit. c, Art. 63
Abs. 2 OG). Die Ausführungen des Handelsgerichts über den Wert, den die
Erweiterung des Kundenkreises für den Beklagten hatte, bleiben daher für
das Bundesgericht massgebend.

Erwägung 5

    5.- Das Handelsgericht hat die Vergütung unter anderem deshalb nicht
auf ein volles Jahreseinkommen des Klägers bemessen, weil die Erweiterung
des Kundenkreises des Beklagten nicht allein das Verdienst des Klägers sei,
sondern zu einem nicht geringen Teil auf die Anstrengungen des Beklagten
und seiner Mitarbeiter in Redaktion und Verlag zurückgehe. Es führt aus,
die Eignung einer Zeitschrift wie "Nellys Kalender" als Werbemittel hange
in ausserordentlich hohem Masse von ihrer Ausgestaltung durch den Verlag
ab. Da der Beklagte durch seine in dieser Richtung gehenden Bemühungen
die Zahl der Abonnenten vervielfachte, habe er auch einen beachtlichen
Beitrag zum Inseratengeschäft geleistet, denn Auflage und Verbreitung einer
Zeitschrift seien für ihre Beliebtheit als Werbemittel entscheidend. Auch
die günstige Entwicklung der Wirtschaftslage habe ohne Zutun des Klägers
das Inseratengeschäft belebt.

    Die in diesen Ausführungen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen
binden das Bundesgericht, denn sie sind nicht in Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen, noch beruhen
sie offensichtlich auf Versehen. Dass ihnen ein Gutachten zugrunde
liegt, ändert nichts. Der Kläger irrt sich, wenn er die Kenntnisse des
Sachverständigen und der fachkundigen Mitglieder des Handelsgerichtes
beanstandet und geltend macht, das Bundesgericht müsse "willkürliche,
durch nichts belegte und der Logik widersprechende Behauptungen des
Sachverständigen und der Vorinstanz" zurückweisen. Ob das Gutachten
überzeugt und die getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigt,
ist eine Frage der Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren nicht
überprüft werden darf.

Erwägung 6

    6.- Das Handelsgericht sieht einen Grund zu wesentlicher Herabsetzung
der Vergütung auch darin, dass die vom Kläger bezogenen Provisionen von
35% bzw. 30% eher über der Norm lägen, weil er weder das Delcredere zu
übernehmen noch das Inkasso zu besorgen gehabt habe.

    Der Kläger macht geltend, es widerspreche den Akten, seine
Provisionen als übernormal zu bewerten, denn der Sachverständige habe
einen Provisionssatz von 35% als an sich nicht überdurchschnittlich
bezeichnet. Ob der Kläger damit sagen will, dem Handelsgerichte sei im
Sinne der Art. 55 Abs. 1 lit. d und 63 Abs. 2 OG ein offensichtliches
Versehen unterlaufen, kann dahingestellt bleiben. Ein solches Versehen
liegt nicht vor. Der Sachverständige zieht den Vergleich zu den
Annoncenpachtverträgen, bei denen die Provision oft sogar 40% erreiche,
der Pächter aber das Delcredere übernehme, mit dem Inkasso eine zusätzliche
Arbeit leiste und oft sogar eine Mindestsumme garantieren müsse. Eine etwas
höhere Provision mit diesen zusätzlichen Verpflichtungen und Leistungen des
Annoncenpächters lässt sich mit den tieferen Ansätzen im Agenturverhältnis
nicht vergleichen. Die vom Handelsgericht getroffene Feststellung bindet
daher das Bundesgericht.

Erwägung 7

    7.- Das Handelsgericht berücksichtigt zu Ungunsten des Klägers, dass
der Vertrag in einem für ihn günstigen Zeitpunkt zu Ende gegangen sei,
nämlich Ende Februar, so dass er die für die Werbung von Inserenten für
das Jahr 1955 erfolgreichste Zeit noch habe ausnützen können.

    Auch diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und ist
daher verbindlich. Der Kläger ist nicht zu hören, wenn er bestreitet, dass
der Grossteil der Jahresaufträge bis Ende Februar 1955 erteilt worden sei,
und zur Begründung vorbringt, es komme nicht darauf an, was sich allgemein
ereigne, sondern was im Februar 1955 geschehen sei. Damit beanstandet er
die Beweiswürdigung. Denn solche liegt vor, wenn das Handelsgericht aus
allgemeinen Erfahrungen schliesst, dass die meisten Geschäfte des Jahres
1955 vom Kläger schon vor Ende Februar abgeschlossen worden seien.

Erwägung 8

    8.- Der Kläger macht geltend, ein Betrag von Fr. 6000.-- erreiche
die ihm zustehende Vergütung bei weitem nicht.

    Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Vergütung ist nicht
der verhältnismässig hohe Jahresverdienst des Klägers, sondern der Wert,
den der erweiterte Kundenkreis für den Beklagten hat. Diesbezüglich
steht einmal fest, dass der erzielte Umsatz des Inseratengeschäftes für
den Wert des Unternehmens des Beklagten nicht so grosse Bedeutung hat wie
z.B. der Warenumsatz für einen Händler, denn im Gegensatz zum Käufer eines
eingeführten Verbrauchsgutes muss der Inserent dauernd umworben werden,
weil er die Zweckmässigkeit der Insertion stets neu prüft. Sodann
erscheint die französische Ausgabe der Zeitschrift seit Ende 1955
nicht mehr; aus der Kundschaft, die der Beklagte für sie geworben hat,
erwachsen somit dem Beklagten seit diesem Zeitpunkt keinerlei Vorteile
mehr. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kundenkreis des Beklagten
nur zum Teil durch die Tätigkeit des Klägers erweitert worden ist, zum
Teil sich dagegen wegen der Bemühungen des Beklagten und der günstigen
Wirtschaftslage ausgedehnt hat. Während anfänglich "Nellys Kalender" nur
in 1500 bis 2000 Exemplaren erschien, steigerte der Beklagte die Auflage
nach und nach auf über 17'000 Exemplare. Dadurch wurde die Erweiterung
des Inserentenkreises erheblich gefördert. Bleibt es auch dabei, dass der
Kläger die Inserenten gewinnen musste, so hat er doch keinen Anspruch auf
Vergütung für einen Erfolg, der den Anstrengungen des Beklagten um den
Ausbau und die Verbreitung der Zeitschrift zu verdanken ist. Inwieweit
die Zunahme der Inserenten das Verdienst des Klägers, inwieweit dagegen
das Verdienst des Beklagten ist und wieviel schliesslich auch die
günstige Wirtschaftslage zu ihr beigetragen hat, kann nach der Natur
der Sache zahlenmässig nicht ermittelt werden. Der Vorwurf des Klägers,
das Handelsgericht bleibe in diesem Punkte die Antwort schuldig, ist daher
nicht berechtigt. Der Richter hat wie den nicht ziffermässig nachweisbaren
Schaden (Art. 42 Abs. 2 OR) auch einen nicht ziffermässig zu ermittelnden
Erfolg einer Handlung mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge
und auf die von den Parteien getroffenen Massnahmen abzuschätzen.

    Mit Recht hat sodann das Handelsgericht in der Tatsache, dass der
Kläger sich im Agenturvertrag einen übernormal hohen Provisionssatz
ausbedungen habe, einen Grund gesehen, die Vergütung nach Art. 418 u OR
verhältnismässig niedrig zu bemessen. Ist der Kläger für seine Leistungen
schon während der Dauer des Vertrages zu überdurchschnittlichem Satze
entlöhnt worden, so ist billig, dass der Beklagte den Vorteil, den
ihm der Kläger durch Erweiterung des Kundenkreises verschafft hat,
entsprechend geringer vergüte. In gleichem Sinne wirkt sich der Umstand
aus, dass der Kläger die Vorteile des Vertrages während sechs Jahren,
also verhältnismässig lange genossen hat. Der Beklagte hat ihn durch
die Kündigung des Vertrages nicht zur Unzeit um die weiteren Früchte
seiner Arbeit gebracht. Der Kläger behauptet nicht, er habe ungewöhnliche
Vorbereitungen treffen oder Aufwendungen machen müssen, für die er wegen
zu kurzer Vertragsdauer noch kein angemessenes Entgelt erhalten habe. Die
verhältnismässig lange Dauer des Vertrages wirkte sich für den Kläger um
so vorteilhafter aus, als sein Nettoverdienst mit jährlich Fr. 35'000.--
bis 40'000.-- recht hoch war. Der Kläger ist, insgesamt betrachtet, für
seine Bemühungen reichlich entlöhnt worden. Von Bedeutung ist auch, dass
der Vertrag auf einen für den Kläger günstigen Zeitpunkt aufgelöst worden
ist, da die Inserate für 1955 vorwiegend vor Ende Februar bestellt wurden.
Gewiss sind dem Kläger, wie er geltend macht, die auf diesen Geschäften
berechneten Provisionen als vereinbarter Lohn, nicht unter dem Titel
der Vergütung für Erweiterung des Kundenkreises zugefallen. Das hindert
aber nicht, diese Vergütung zu kürzen, weil der Kläger schon dadurch
günstig weggekommen ist, dass er vor Beendigung des Vertrages noch
Gelegenheit hatte, die meisten der für 1955 eingehenden Insertionsaufträge
entgegenzunehmen und auf ihnen die Provision zu verdienen.

    Da das Handelsgericht sich im wesentlichen von den gleichen rechtlichen
Überlegungen hat leiten lassen, besteht kein Anlass, die Vergütung zu
erhöhen, die es dem Kläger zugesprochen hat. Der Kläger beanstandet zu
Unrecht, dass es der Auffassung des Sachverständigen folgte, ohne die
Rechnungsgrundlagen anzugeben. Eine zahlenmässige Berechnung ist nicht
möglich; an ihre Stelle tritt die Schätzung. Indem das Handelsgericht in
diesem Punkte dem Begutachter gefolgt ist, hat es weder das richterliche
Ermessen überschritten noch sonstwie gegen Bundesrecht verstossen. Sein
Vorgehen ist um so weniger zu beanstanden, als der dem Handelsgericht
angehörende Leiter eines bedeutenden Verlages das Gutachten mit Sachkunde
zu würdigen vermochte.

Erwägung 9

    9.- .....

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 5. Juni 1958 wird bestätigt.