Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 50



84 II 50

7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1958
i.S. Sedleger gegen Schnyder. Regeste

    Elektrizitätshaftpflicht. Tödlicher Unfall an einer fahrbaren, an der
Freileitung auf der Strasse angeschlossenen elektrischen Dreschmaschine:

    die Haftpflicht beurteilt sich nach dem ElG (Art. 16, 27 ff., 41 ElG;
die Ausnahmebestimmung Art. 118 StarkstromVo ist nicht anwendbar).

Auszug aus den Erwägungen:

    Auf dem Landwirtschaftsgut des M. Schnyder in Müllheim war am
5. Oktober 1953 in einem offenen Schopfe die fahrbare, elektrisch
betriebene 12-PS-Dreschmaschine der Beklagten aufgestellt. Die Stromzufuhr
erfolgte durch das auf der Kabelrolle der Maschine befindliche 3 cm
dicke Kabel, das durch ein Verlängerungskabel am Freileitungsnetz auf
der Strasse angeschlossen war. Im Verlauf der Drescharbeit geriet das
am Boden liegende Kabel unter den an der Hinterseite des Wagenkastens
befindlichen Sackheber und wurde an der Isolation beschädigt, so dass
die Eisenteile des Sackhebers unter Strom gerieten und der den Heber
bedienende Sohn Schnyder getötet wurde.

    Über das für die Haftpflicht anwendbare Recht führt das Bundesgericht
aus:

    Die Parteien sind heute darüber einig, dass die Vorinstanzen die
Frage der Haftbarkeit mit Recht nach dem Elektrizitätsgesetz beurteilt
haben. Dieser Ausgangspunkt des anwendbaren Rechts ist vom Bundesgericht
von Amtes wegen zu prüfen; es ist an die von den Parteien vorgebrachte
rechtliche Begründung nicht gebunden und in Bezug auf die rechtliche
Würdigung der Tatsachen frei (Art. 63 Abs. 1 und 3 OG; BGE 81 II 561). Die
Anwendbarkeit der Haftpflichtbestimmungen des ElG kann jedoch keinem
Zweifel unterliegen. Nach Art. 41 ElG finden diese keine Anwendung auf
elektrische Hausinstallationen. Solche sind nach Art. 16 ElG elektrische
Einrichtungen "in Häusern, Nebengebäuden und andern zugehörigen Räumen"
mit den zulässigen Spannungen, sowie, nach Art. 118 Abs. 1 lit. c der
Starkstromverordnung, ortsveränderliche und provisorische Anlagen,
die an Anlagen gemäss lit. a und b angeschlossen werden. Die fahrbare
Dreschmaschine der Beklagten ist zwar eine ortsveränderliche Anlage,
aber sie war nicht an eine Hausinstallation gemäss lit. a und b,
sondern direkt an die Freileitung angeschlossen. Weiter stellt
Art. 118 Abs. 2 Starkstrom-VO den Hausinstallationen gleich "an
Niederspannungsnetze angeschlossene Stromverbrauchsanlagen im Freien, in
landwirtschaftlichen Betrieben, auf Bau- und Werkplätzen, in Bergwerken,
Schaubuden und dergleichen". Hierunter würde die Wanderdreschmaschine
trotz Anschluss an die öffentliche Freileitung offenbar fallen. Mit Bezug
auf die Haftpflicht hat jedoch das Bundesgericht dieser den Begriff der
Hausinstallation im Sinne des ElG (Art. 13 Abs. 2, 16, 41) erweiternden
Bestimmung die Anwendung versagt (BGE 63 II 114 ff.). Wie dort ausgeführt
wurde, trifft die ratio legis der Exemption der Hausinstallationen
im engern Sinne (Art. 16 ElG) von der Kausalhaftung auf die ihnen
gleichgestellten Einzelanlagen auf eigenem Grund und Boden zu, nicht
aber auf Stromverbrauchsanlagen im Freien und in landwirtschaftlichen
Betrieben schlechthin, selbst wenn eine solche nicht stationäre Anlage
gerade auf dem eigenen Boden des Verunfallten aufgestellt ist. Die Anlage
der Beklagten untersteht mithin der Kausalhaftpflicht gemäss ElG.