Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 415



84 II 415

55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Oktober 1958
i.S. Vogt gegen Vogt. Regeste

    Ehescheidung; Entschädigungsrente der schuldlosen Ehefrau gemäss
Art. 151 ZGB für Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs. Bewertung
dieses Verlustes: a) Höhe des der Frau in der Ehe zukommenden Anteils am
Einkommen des Mannes; b) Anrechnung des Verdienstes, den die geschiedene
Frau mit ihrer nun freigewordenen Arbeitskraft erzielen kann.

Sachverhalt

    Die Vorinstanz sprach die Scheidung der kinderlosen Ehe der Parteien
nach vierjähriger Dauer auf Begehren der Frau aus, auferlegte dem Manne ein
Eheverbot von einem Jahr und verurteilte ihn zur Leistung einer monatlichen
Rente von Fr. 200.-- gemäss Art. 151 ZGB sowie einer Genugtuungssumme
von Fr. 500.--.

    Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Mann, die
Scheidung sei auf sein Begehren wegen tiefer Zerrüttung aus objektiven
Gründen auszusprechen und die Unterhaltsrente auf die Dauer von zwei
Jahren zu beschränken.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist die Berufungsbeklagte
als schuldlos zu betrachten, sodass sie auf eine Entschädigung nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB Anspruch erheben kann, sofern ihre Vermögensrechte
oder Anwartschaften durch die Scheidung beeinträchtigt werden. Als solche
Beeinträchtigung kommt hier nach den Feststellungen der Vorinstanz nur
der Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs in Betracht. Dieser Verlust
stellt indessen nur insoweit einen nach Art. 151 Abs. 1 ZGB zu ersetzenden
Schaden dar, als er nicht durch die von der Ehefrau infolge der Scheidung
zurückgewonnene Handlungsfreiheit und die damit gegebene Möglichkeit
eigenen Erwerbes ausgeglichen wird. Diesen im Schadenersatzrecht
allgemein geltenden Grundsatz der Vorteilsausgleichung hat das
Bundesgericht als auch bei der Beurteilung von Unterhaltsansprüchen aus
Art. 151 Abs. 1 ZGB anwendbar erklärt (BGE 60 II 396, 79 II 131 f.). Die
Vorinstanz stellt nun fest, dass die Berufungsbeklagte gegenwärtig als
Bureauangestellte Fr. 450.-- verdient, und erklärt, dieser Verdienst
ersetze den Unterhaltsverlust nicht vollständig, es rechtfertige sich
daher, ihr eine Unterhaltsrente von Fr. 200.-- zuzusprechen. Damit wird
implicite der Verlust des ehelichen Unterhaltes auf mindestens Fr. 650.--
bewertet, was offensichtlich unrichtig ist. Die Berufungsbeklagte selbst
geht von einem Monatsverdienst des Mannes von ca. Fr. 1000.-- aus. Davon
sind gewiss nicht 2/3 ihr als Ehefrau zugekommen, sondern erfahrungsgemäss
höchstens etwas mehr als 1/3. In BGE 60 II 396 hat das Bundesgericht den
der Ehefrau entgehenden Unterhalt bei einem Monatseinkommen des Mannes
von Fr. 800.-- auf Fr. 300.-- bewertet. Bei Anwendung dieser Proportion
auf den vorliegenden Fall ergibt sich ein Verlust der Ehefrau in Höhe
von Fr. 375.--, der durch ihr heutiges Einkommen nicht nur gedeckt,
sondern übertroffen wird. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass der
gegenwärtige Verdienst der Berufungsbeklagten sich an der untern Grenze
dessen befindet, was heute einer 26 Jahre alten Büroangestellten bei guter
Leistung bezahlt zu werden pflegt. Die Berufungsbeklagte kann und wird
in nächster Zukunft nach aller Wahrscheinlichkeit noch mehr verdienen
als Fr. 450.-- monatlich. Die Zusprechung einer Entschädigungsrente
auf Lebenszeit widerspricht mithin dem Sinn des Art. 151 Abs. 1 ZGB;
und eine Rente nach Art. 152 fällt von vornherein ausser Betracht, da
die Berufungsbeklagte nicht in grosse Bedürftigkeit gerät. Eine auf zwei
Jahre beschränkte Übergangsrente von monatlich Fr. 200.--, wie sie der
Berufungskläger versprochen hat, erscheint als hinreichende Entschädigung.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In teilweiser Gutheissung der Berufung wird Dispositiv 4 des
angefochtenen Urteils dahin abgeändert, dass der Berufungskläger bei
seiner Erklärung behaftet wird, der Berufungsbeklagten für die Dauer von
zwei Jahren vom heutigen Tage an eine monatliche Rente von Fr. 200.--
zu bezahlen, und das Begehren der Berufungsbeklagten auf weitergehende
Rentenleistungen abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und
das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 27. November 1957,
soweit angefochten, bestätigt.