Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 304



84 II 304

41. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Mai 1958 i.S. "Zürich" Allgemeine
Unfall- und Haftpflicht-Versicherungs A.-G. gegen Ganahl. Regeste

    Haftung zwischen Haltern, Art. 39, 37 MFG.

    Bewertung der Betriebsgefahr (Erw. 2).

    Frage der Ersatzpflicht bei gleicher Betriebsgefahr, Schuldlosigkeit
des Schädigers und leichtem Verschulden des Geschädigten (Erw. 3).

    Verschulden; Anforderungen an Sorgfalt bei Passfahrt im Winter
(Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 25. Dezember 1953, ca. 15.15 Uhr, kam es auf der Julierstrasse
zwischen Bivio und Marmorera zu einem Zusammenstoss zwischen den
Personenwagen des Kaufmanns Otto Ganahl aus Bologna und des Prof.
Placidus Plattner aus Riehen (BS).

    Über den Unfallhergang ist den Akten folgendes zu entnehmen:
Ganahl fuhr in Begleitung eines Mitfahrers von Bivio gegen
Marmorera hinunter. Sein Personenwagen "Lancia-Appia" war weder mit
Schneeketten, noch mit Winterpneus ausgerüstet; dagegen hatte er fast neue
Sommerpneus. Beim Ausgang der ebenen Strecke von Stalveder, wo die Strasse
(in der Fahrtrichtung Ganahls gesehen) eine leichte Linkskurve beschreibt,
kam aus der Gegenrichtung Prof. Plattner mit seinem Personenwagen
"Oldsmobile", in welchem sich auch die Ehefrau Plattners, seine drei Kinder
im Alter von 11-16 Jahren und eine Hausangestellte befanden. Die Strasse,
die an der betreffenden Stelle eine Breite von 5,6 m hat und mit einer
11/2 cm dicken, harten Schneeschicht bedeckt war, ist in einen steilen
Hang eingebaut. Links (in der Fahrtrichtung Ganahls gesehen) befindet
sich eine Stützmauer, rechts fällt der Hang in das eingeschnittene Tal
der Julia ab. Das Querprofil der Strasse weist eine leichte Neigung
gegen die Bergseite auf. Ganahl fuhr mit einer Geschwindigkeit von
30-40 km ungefähr in der Strassenmitte. Als er auf eine Entfernung von
ca. 50 m den Wagen Plattners aus der Kurve auftauchen sah, bremste er
und versuchte, seinen Wagen nach rechts zu steuern. Er kam jedoch ins
Rutschen und geriet auf der nach links geneigten Strasse in die Fahrbahn
des entgegenkommenden Wagens, der ebenfalls eine Geschwindigkeit von etwa
30-40 km hatte. Als Prof. Plattner sah, dass der andere Wagen gegen ihn
zu rutschte, steuerte er seinen Wagen hart an den rechten Strassenrand,
konnte aber nicht mehr verhüten, dass die beiden Fahrzeuge vorn links
frontal zusammenprallten. Der Wagen Ganahls wurde etwas zurückgeschleudert
und quer zur Strasse abgedreht. Der Wagen Plattners fuhr noch einige
Meter weiter und kam dann am rechten Strassenrand zum Stehen. Durch
den Zusammenstoss erlitt Ganahl einen Bruch des linken Unterschenkels,
der einen bleibenden Nachteil zur Folge hatte. Im Wagen Prof. Plattners
trugen mehrere der Mitfahrer leichtere Verletzungen davon. Beide Fahrzeuge
wurden erheb11ch beschädigt.

    B.- Mit Klage vom 12. April 1955 forderte Ganahl von der "Zürich"
Allgemeine Unfall- und Haftpflichtversicherungs-A.-G., bei der Prof.
Plattner für seine Halterhaftpflicht versichert ist, Fr. 35'000.-- nebst 5%
Zins seit 1. Juli 1954 als Schadenersatz und Genugtuung.

    Zur Begründung machte er geltend, das Auto Plattners habe wegen seines
bedeutend grösseren Gewichts die wesentliche Unfallursache gesetzt;
zudem müsse Prof. Plattner ein Verschulden zur Last gelegt werden. Um
alle Einreden der Gegenpartei zum voraus zu entkräften, mache der Kläger
nicht seinen vollen Schaden, der rund Fr. 50'000.-- betrage, geltend,
sondern nur Fr. 35'000.--.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, da der Unfall auf das
alleinige grobe Verschulden des Klägers zurückzuführen sei, während Prof.
Plattner kein Verschulden treffe.

    Widerklageweise forderte die Beklagte vom Kläger die Bezahlung von
Fr. 4205. 70 nebst 5% Zins seit 4. Juli 1955 als Ersatz des Betrages,
den sie nach den Vorschriften über die Deckung der von ausländischen
Motorfahrzeugen verursachten Schäden für den Sachschaden am Wagen
Prof. Plattners und den Körperschaden seiner verletzten Hausangestellten
vergütet habe.

    C.- Das Zivilgericht von Basel-Stadt kam zum Schlusse, Prof. Plattner
treffe am Unfall kein Verschulden, während dem Kläger ein zwar nicht
sehr leichtes, aber doch nicht grobes Verschulden zur Last gelegt werden
müsse. Es entschied daher gestützt auf Art. 39 MFG, dass der Kläger für
seinen eigenen Sachschaden keinen Ersatzanspruch habe und der Beklagten
den vollen Sachschaden Prof. Plattners ersetzen müsse. Hinsichtlich
des Körperschadens rechtfertige es sich in Würdigung aller Umstände
(Art. 37 MFG), den Kläger mit 3/4 und die Beklagte mit 1/4 des
Schadens zu belasten. Demgemäss billigte das Gericht dem Kläger einen
Anspruch auf Ersatz von einem Viertel seines Körperschadens, den es
auf insgesamt Fr. 12'000.-- veranschlagte, d.h. auf Fr. 3000.-- zu;
auf der andern Seite belastete es den Kläger mit Fr. 400.-- für ca.
3/4 der Entschädigung, welche die Beklagte für den Körperschaden der
Hausangestellten Prof. Plattners ausgerichtet hatte, sowie mit dem
an Prof. Plattner für seinen Schaden vergüteten Betrag von rund Fr.
3600.--. Auf Grund dieser Abrechnung kam das Gericht mit Urteil vom 21.
Dezember 1956 zur Abweisung der Klage und Gutheissung der Widerklage für
den Betrag von Fr. 1000.--.

    D.- Auf Berufung beider Parteien hin wies das Appellationsgericht
Basel-Stadt mit Urteil vom 20. August 1957 Klage und Widerklage ab. Es
pflichtete der ersten Instanz in der Beurteilung der Verschuldensfrage bei
und nahm ebenfalls einen Ersatzanspruch des Klägers für einen Viertel
seines Körperschadens an. Dagegen schätzte es diesen auf insgesamt
Fr. 16'000.-- ein und kam so zu einem Anspruch des Klägers von Fr. 4000.--,
der durch den ungefähr gleich hohen Gegenanspruch der Beklagten aufgewogen
werde.

    E.- Gegen das Urteil des Appellationsgerichts erklärte die Beklagte die
Berufung an das Bundesgericht mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der
Klage und Gutheissung der Widerklage im Betrage von Fr. 4205.70 nebst 5%
Zins seit 4. Juli 1955.

    Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Kläger fordert Ersatz des Körper- und Sachschadens, der ihm
aus dem Zusammenstoss seines Wagens mit dem von Prof. Plattner gesteuerten
Auto erwachsen ist. Es liegt somit der Fall vor, den Art. 39 MFG im Auge
hat. Nach dieser Vorschrift richtet sich im Verhältnis zwischen Haltern
die Ersatzpflicht für Körperschaden nach dem MFG, während für Sachschaden
das OR gilt. Die Verweisung auf das MFG ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts dahin zu verstehen, dass die durch Art. 37 MFG getroffene
Regelung der Haftpflicht Anwendung findet (BGE 68 II 118 ff., 76 II 230,
78 II 461, 82 II 538).

Erwägung 2

    2.- a) Danach haftet grundsätzlich - von der Frage des Verschuldens
abgesehen - jeder Halter für den körperlichen Schaden, der durch den
Betrieb seines Fahrzeuges dem andern Halter zugefügt worden ist. Da
aber anderseits jeder Halter die seinem eigenen Fahrzeug innewohnende
Betriebsgefahr für sich in Kauf zu nehmen hat, ist die beidseitige
Ersatzpflicht nach der Grösse der beteiligten Betriebsgefahren abzustufen.
Der Halter, auf dessen Fahrzeug die grössere Betriebsgefahr entfällt,
hat auch einen entsprechend höheren Anteil am Schaden zu übernehmen;
bei gleichwertigen Betriebsgefahren ergibt sich die hälftige Teilung des
Schadens (BGE 68 II 121).

    b) Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall angenommen, die beiden
am Unfall beteiligten Fahrzeuge hätten eine ungefähr gleich grosse
Betriebsgefahr aufgewiesen, auch wenn der Wagen Prof. Plattners etwas
stärker und schwerer gewesen sei als derjenige des Klägers.

    Der Kläger rügt in der Berufungsantwort diese Gleichsetzung der
Betriebsgefahr. Er macht geltend, sein Wagen sei samt Insassen ca. 1000
kg schwer gewesen, derjenige von Prof. Plattner dagegen ca. 2100 kg und
habe somit die grössere Betriebsgefahr in sich geschlossen.

    c) Verschiedenheit der Betriebsgefahr liegt vor allem bei Fahrzeugen
vor, die verschiedenen Kategorien angehören, wie z.B. bei einem schweren
Lastwagen einerseits und einem Personenwagen anderseits; hier springt
in die Augen, dass der schwere Lastwagen wegen der ihm eigenen Wucht
eine ungleich grössere Betriebsgefahr verkörpern kann als der leichtere
Personenwagen. Bei Fahrzeugen derselben Kategorie darf dagegen in
der Regel von ungefähr gleichbedeutenden Betriebsgefahren ausgegangen
werden (BGE 68 II 121). Wenn nicht Verhältnisse vorliegen, die es als
offensichtlich erscheinen lassen, dass die Gefahren der beteiligten
Personenwagen verschieden zu bewerten sind, darf daher ihre ungefähre
Gleichwertigkeit angenommen werden. Der vom Kläger geltend gemachte
Gewichtsunterschied ist nicht derart, dass er eine offensichtliche
Verschiedenheit der Betriebsgefahren darzutun vermöchte, die beim Unfall
eine Rolle spielte, und die daher bei der Aufteilung der Ersatzpflicht
von vorneherein in Rechnung gestellt werden müsste. Andere Umstände, die
für eine solche Verschiedenheit sprechen würden, sind nicht ersichtlich.

    Im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Betriebsgefahren ist
somit zunächst davon auszugehen, dass der Kläger für die Hälfte seines
Körperschadens selber aufzukommen hat, sofern im übrigen keinen der beiden
beteiligten Halter ein kausales Verschulden am Unfall trifft.

Erwägung 3

    3.- a) Hat neben den Betriebsgefahren noch ein schuldhaftes Verhalten
nur des geschädigten Halters bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt,
so hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (BGE 68 II
122) entschieden, dass grobes Verschulden des geschädigten Halters eine
Mitberücksichtigung der beteiligten Betriebsgefahren ausschliesse, weil
Art. 37 Abs. 2 Satz 1 MFG bei grobem Verschulden des Geschädigten den
schuldlosen Schädiger von der Ersatzpflicht befreie. Bei bloss leichtem
Verschulden des geschädigten Halters sei (in sinngemässer Anwendung
von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 MFG auf das Verhältnis zwischen Haltern) der
Schaden in der Regel ebenfalls vom geschädigten Halter selber zu tragen,
weil neben seinem Verschulden die von ihm zu vertretende Betriebsgefahr
in Rechnung gestellt werden müsse. Eine Abweichung ergebe sich nur, wenn
die vom schuldlosen Schädiger zu vertretende Betriebsgefahr diejenige des
leichtschuldigen Geschädigten offensichtlich überwiege. Bei Verschulden
beider Halter sei die Ersatzpflicht gemäss Art. 37 Abs. 3 MFG unter
Würdigung aller Umstände zu bestimmen.

    b) Nach diesen Grundsätzen hätte die Vorinstanz, da sie Schuldlosigkeit
Prof. Plattners und leichtes Verschulden des Klägers angenommen hat,
zur Verneinung eines Ersatzanspruches des Klägers kommen müssen.

    Die Vorinstanz hat jedoch anders entschieden. Sie ist der Auffassung,
eine feste Regel im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lasse
sich aus dem Gesetz nicht ableiten; vielmehr müsse bei einseitigem
leichtem Verschulden des geschädigten Halters die Ersatzpflicht gemäss
Art. 37 Abs. 2 Satz 2 MFG unter Würdigung aller Umstände festgesetzt
werden. Ziehe man in Betracht, dass nach der genannten Vorschrift auch
ein nicht ganz leichtes Verschulden des geschädigten Nichthalters nur
zu einer Herabsetzung der Ersatzpflicht des Schädigers führe, so könne
ein entsprechendes Verschulden des geschädigten Halters, der auf Grund
beidseitiger (blosser) Kausalhaftung vom Schädiger hälftigen Ersatz
zu fordern hätte, nicht einfach die Berücksichtigung der vom Schädiger
gesetzten Betriebsgefahr als adäquate Schadensursache verbieten. Eine
völlige Befreiung sei auf jeden Fall nur dann am Platze, wenn das - im
Sinne des Gesetzes leichte - Verschulden des Geschädigten immerhin als so
erheblich zu bewerten sei, dass daneben die vom Schädiger zu vertretende
Betriebsgefahr nicht mehr als adäquate Unfallursache erscheine; bei
geringerem Gewicht des Selbstverschuldens werde dagegen stets eine -
freilich stark reduzierte - Ersatzpflicht des schuldlosen Schädigers
verbleiben.

    c) Diese Kritik der Vorinstanz an der bisherigen bundesgerichtlichen
Rechtsprechung erweist sich indessen zur Hauptsache als unbegründet. Gewiss
wird, rein logisch betrachtet, durch ein leichtes Verschulden des
geschädigten Halters die durch das Fahrzeug des Schädigers gesetzte
Betriebsgefahr nicht schlechthin ausgeschaltet. Es ist aber in Betracht zu
ziehen, dass verantwortungsmässig ein Verschulden immer schwerer wiegt als
eine blosse Betriebsgefahr. Einer schuldhaft gesetzten Schadensursache
kommt im Gesamtzusammenhang des Kausalverlaufs regelmässig grössere
Bedeutung zu als einer Betriebsgefahr; sie erscheint daher gewöhnlich als
Hauptursache des Unfalls und steht daher als solche für die Beurteilung
der Ersatzpflicht im Vordergrund. Die Erfahrung lehrt, dass trotz der
Betriebsgefahr, die dem Fahrzeug des schuldlosen Schädigers innewohnt,
ein Unfall ohne das schuldhafte Verhalten des geschädigten Halters, auch
wenn dieses nicht geradezu als grobfahrlässig zu bewerten ist, überhaupt
nicht eingetreten wäre oder doch mindestens weit weniger schwere Folgen
gehabt hätte. Es wäre daher stossend, einen schuldlosen Halter wegen der
von ihm gesetzten Betriebsgefahr auch nur teilweise ersatzpflichtig zu
erklären gegenüber einem andern Halter, der eine ungefähr gleichwertige
Betriebsgefahr zu vertreten hat wie der Schädiger, und darüber hinaus
durch ein schuldhaftes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen
hat. Am Grundsatz, dass der geschädigte Halter bei auch nur leichtem
Verschulden den Schaden allein zu tragen habe, ist daher festzuhalten.

    Richtig ist dann allerdings, dass die Voraussetzungen, unter denen
sich ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigt, in BGE 68 II 122 zu eng
gefasst sind und daher einer Ergänzung bedürfen. Dem geschädigten Halter
ist ein herabgesetzter Ersatzanspruch nicht nur bei offensichtlichem
Überwiegen der Betriebsgefahr auf Seiten des schuldlosen Schädigers
zuzubilligen, sondern ausserdem auch dann, wenn das Verschulden des
Geschädigten als ganz geringfügig erscheint und ihm daher im Rahmen des
Kausalablaufs nur eine äusserst untergeordnete Bedeutung beigemessen werden
kann. In einem solchen Falle wäre es in der Tat unbillig, den geschädigten
Halter, der bei völliger Schuldlosigkeit Anspruch auf Ersatz der Hälfte
seines Körperschadens erheben könnte, völlig leer ausgehen zu lassen. Von
diesen beiden Ausnahmefällen abgesehen hat es aber bei der mit BGE 68 II
122 begründeten Rechtsprechung zu bleiben.

Erwägung 4

    4.- a) Eine gänzliche Abweisung der Klage fällt nach der Meinung
des Klägers schon deswegen ausser Betracht, weil entgegen der Ansicht
der Vorinstanzen auch dem Halter und Lenker des am Unfall mitbeteiligten
Wagens ein Verschulden am Unfall zur Last gelegt werden müsse.

    Diese Rüge ist unbegründet. Prof. Plattner kann weder hinsichtlich
seiner Geschwindigkeit noch bezüglich seines sonstigen Verhaltens ein
Vorwurf gemacht werden. Er hielt sich nach den verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz auf jeden Fall vom Ansichtigwerden des Klägers an
vorschriftsgemäss auf seiner rechten Strassenseite. Seine ohnehin geringe
Geschwindigkeit von 30-40 km noch weiter herabzusetzen, hatte er zunächst
keinen Anlass, da die Strassenbreite von 5,6 m ein gefahrrloses Kreuzen
zweier Personenwagen an sich ohne weiteres zuliess. Dass der Kläger auf
die linke Strassenseite geraten werde, konnte und musste Prof. Plattner
nicht voraussehen. Als er sah, dass der Wagen des Klägers ins Rutschen
geriet, war es gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz zu
spät, durch sofortiges Anhalten den Zusammenstoss zu verhüten oder zu
mildern. Indem er seinen Wagen hart an den rechten Strassenrand steuerte,
hat Prof. Plattner alles getan, was er in der gegebenen Situation zur
Vermeidung eines Zusammenstosses noch vorkehren konnte. Ein Verschulden
Prof. Plattners ist daher mit den Vorinstanzen zu vernemen.

    b) Dass den Kläger ein Verschulden trifft, stellt dieser in der
Berufungsantwort mit Recht nicht mehr in Abrede. Da er talwärts und
talseits fuhr, war für ihn auf der mit einer harten Schneeschicht bedeckten
Strasse besondere Vorsicht geboten, zumal er mit den Schwierigkeiten einer
winterlichen Passfahrt offenbar wenig vertraut war. Ob die Tatsache, dass
er Ende Dezember ohne Schneeketten oder Winterpneus eine Fahrt unternahm,
die ihn auf eine Höhe von gegen 2300 m führte, als Verschulden zu werten
sei, wie die Beklagte geltend macht, mag dahingestellt bleiben; denn
nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz war dieser Umstand für
den Unfall nicht kausal, da die neuwertigen Sommerpneus des klägerischen
Wagens genügende Sicherheit boten. Die von der Beklagten gegen diese
Feststellung erhobenen Einwendungen sind als unzulässige Kritik an der
vorinstanzlichen Tatbestandsermittlung nicht zu hören.

    Zum Vorwurf muss dem Kläger dagegen gemacht wer den, dass er sich
nicht genügend weit rechts hielt, obwohl er gegen eine Kurve zu fuhr, aus
der jederzeit ein entgegenkommendes Fahrzeug auftauchen konnte. Als dieser
Fall dann tatsächlich eintrat, reagierte der Kläger darauf in der Weise,
dass er brüsk bremste. Das war, wie schon die Vorinstanzen zutreffend
erklärt haben, angesichts der nach der Beschaffenheit der Fahrbahn
offenkundigen Rutschgefahr fehlerhaft. Dass im allgemeinen sofortiges
Bremsen beim Auftauchen einer Gefahr eine in fast allen Situationen
richtige Reaktion des Fahrzeuglenkers darstellt, vermag den Kläger nicht
zu entlasten. Er hatte sich bei der Fahrt auf der schneebedeckten Strasse
stets zu vergegenwärtigen, dass die üblicherweise normale und gebotene
Reaktion sofortigen Bremsens unter den gegebenen Verhältnissen die
Gefährlichkeit der durch das Auftauchen eines Hindernisses geschaffenen
Situation nicht zu bannen vermöge, sondern sie gegenteils erhöhe.

    c) Ob das Verschulden des Klägers als grob zu bewerten sei, wie
die Beklagte behauptet, kann offen gelassen werden. Auf jeden Fall war
es erheblich und stellte die Hauptursache des Unfalles dar. Das genügt
gemäss den oben dargelegten Grundsätzen, den Kläger den eigenen Schaden
allein tragen zu lassen. Seine Klage ist somit abzuweisen.

    Damit erübrigt sich eine Prüfung der auch im Berufungsverfahren noch
umstrittenen Frage nach der Höhe des vom Kläger erlittenen Schadens.

Erwägung 5

    5.- Mit Rücksicht auf sein ausschliessliches Verschulden haftet
der Kläger gemäss den nach Art. 39 MFG anwendbaren Grundsätzen von OR
Art. 41 ff. für den vollen Sachschaden, den der Halter des am Unfall
mitbeteiligten Wagens erlitten hat. Für eine Herabsetzung der Ersatzpflicht
sind keine Gründe ersichtlich. Die Höhe dieses Schadens ist mit Fr. 3663.70
nicht bestritten. Diesen Betrag hat der Kläger der Beklagten, auf welche
der Anspruch Prof. Plattners infolge der von ihr geleisteten Zahlung
übergegangen ist, zu ersetzen.

    Ebenso ist der Kläger gemäss Art. 37 Abs. 1 MFG haftbar für den
Körperschaden, den die Hausangestellte Prof. Plattners als Insassin von
dessen Auto erlitten hat. Die Beklagte hat daher auch für den hierfür
geleisteten, unbestrittenen Betrag von Fr. 538.-- einen Rückgriffsanspruch
auf den Kläger. Das führt zum Schutz der Widerklage im vollen Umfang.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des
Appellationsgerichts von Basel-Stadt vom 20. August 1957 aufgehoben.

    2. Die Klage wird abgewiesen und der Kläger in Gutheissung der
Widerklage verpflichtet, an die Beklagte Fr. 4205.70 nebst 5% Zins seit
4. Juli 1955 zu bezahlen.