Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 253



84 II 253

36. Urteil der II. Zlvilabteilung vom 9. Mai 1958 i.S. X. gegen E.
Regeste

    Schadenersatzpflicht des bösgläubigen Besitzers (Art. 940 ZGB). Klage
gegen denjenigen, der Inhaberpapiere in bösem Glauben von einem
Nichtberechtigten erworben und an gutgläubige Dritte weiterveräussert hat,
auf Ersatz des Wertes dieser Titel. Aktivlegitimation. Die Vermutung des
Eigentums (Art. 930 ZGB) entfällt bei zweideutigem Besitz. Eigentum eines
Börsenagenten an von ihm gekauften Wertpapieren?

Sachverhalt

    A.- X, der früher bei der Genfer Börsenfirma Y & Cie angestellt
war und in der Folge nach seiner Darstellung zwar sein Büro bei dieser
Firma beibehielt, aber nicht mehr in deren Dienst stand, sondern den
Kauf und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung berufsmässig
betrieb, liess durch Y & Cie an der Genfer Börse in der Zeit vom März
bis Juni 1953 insgesamt 1350 Aktien Svenska Tändsticks Serie B ohne
Erklärung kaufen, die ihm geliefert wurden. Im Juli 1953 übergab er
diese Titel nach seiner Darstellung in der Klageschrift dem Lyoner
Börsenagenten S. zum Verkauf in Frankreich (an der Börse von Lyon oder
Paris), wo ihr Kurs damals höher war als in der Schweiz. Über dieses
Geschäft, das den französischen Devisenvorschriften zuwiderlief, wurde
keine schriftliche Abmachung getroffen. Bald darauf liess S. (der wenig
später wegen Schmuggels von Goldbarren verhaftet wurde) dem X mitteilen,
das Auto, worin er die Titel transportiert habe, sei ihm samt diesen
in Frankreich gestohlen worden. Auf Ersuchen des Genfer Anwalts von X
machte die Schweizerische Bankiervereinigung das Verschwinden der Titel
(die auch bei ausländischen Stellen als vermisst gemeldet wurden) durch
ein Zirkular an die Mitgliedbanken vom 4. August 1953 bekannt.

    B.- Im Herbst 1954 gelangte das Aktienpaket in die Hände von B. in
Zürich, der es von seinem französischen Freunde D. mit dem Recht zur
Belehnung erhalten haben will. D. erklärte gegenüber der französischen
Polizei, nachdem er den frühern Besitz dieser Aktien zunächst abgestritten
hatte, er habe sie im Zusammenhang mit einem Geschäft über eine Bar in
Tanger von S. erhalten. Von B., der sich damit Geld zu beschaffen suchte,
gelangte der grösste Teil dieser Aktien über eine Reihe von Mittelsmännern
schliesslich an E. in Kilchberg, der am 7. Dezember 1954 im eigenen
Namen 1078 Stück für einen Kredit von Fr. 35'000.-- bei einer Grossbank
in Zürich verpfändete und am gleichen Tage mit seinem Vormann Sp.,
der sich als verfügungsberechtigt ausgab, einen Kaufvertrag abschloss,
wonach dieser ihm die 1078 Aktien zu Fr. 35'000 verkaufte und sich ein
auf 14 Tage befristetes Rückkaufsrecht zu Fr. 35'400.-- vorbehielt. Einen
Titel über 25 Aktien (den er in der Folge vernichtet haben will) und Fr.
3000.-- von dem mit Sp. vereinbarten Kaufpreis behielt E. für sich. In den
Rest von Fr. 32'000.-- teilten sich B. und die verschiedenen Mittelsmänner.

    C.- Einige Tage später stellte die Bank fest, dass die belehnten
Titel als vermisst gemeldet waren. Sie teilte dies E. mit und drängte
auf Ablösung des Kredites. E., der die dazu nötigen Mittel nicht besass
(- er ist seit Jahren ausgepfändet -), ersuchte hierauf Sp. vergeblich
um Rücknahme der Titel.

    Am 20. Dezember 1954 teilte die Bankiervereinigung dem Genfer
Anwalt des X mit, eine Bank habe ihr eine Liste über den grössten Teil
der vermissten Titel eingereicht, und am 9. März 1955 gab sie ihm
im Einverständnis von E. bekannt, dass dieser die fraglichen Titel
innehabe. Die Vertreter von X und E. setzten sich hierauf miteinander in
Verbindung. Der Genfer Anwalt des X behielt sich gegenüber der Behauptung,
dass E. die Titel von Sp. in gutem Glauben erworben habe, alle Einwendungen
vor, zögerte aber mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen E., obwohl
die Bankiervereinigung ihn auf die Notwendigkeit einer Klage hingewiesen
und ihm angekündigt hatte, dass sie die Vermisstmeldung bezüglich der zum
Vorschein gekommenen Titel widerrufen müsse. Dieser Widerruf erfolgte am
28. April 1955.

    Am folgenden Tag wurden die 1078 Aktien bei der Bank, die sie belehnt
hatte, im Auftrag des E. von einer andern Bank mit einer Zahlung von Fr.
35'624.-- (bezogener Kredit einschliesslich Zinsen, Kommission und
Spesen) ausgelöst. In der Zeit vom 30. April bis 7. Mai 1955 wurden sie
von dieser andern Bank für Rechnung des E. verkauft. Den Überschuss
des reinenVerkaufserlöses von Fr.62'548.25 über den abgelösten Kredit
von Fr. 35'624.--, d.h. den Betrag von rund Fr. 26'900.-- verwendete
E. namentlich zur Bezahlung von Schulden und zum Kauf eines Autos.

    D.- Am 10. Mai 1955 liess X (der im März 1955 in Paris Strafanzeige
gegen Unbekannt erstattet und einen Vergleich mit dem französischen
Fmanzministerium über die Folgen des Devisenvergehens angebahnt hatte)
beim Bezirksgericht Horgen das Begehren stellen, dem E. sei im Sinn
einer vorsorglichen Massnahme jede Verfügung über die 1078 Aktien zu
verbieten. Er musste dieses Begehren aber im Hinblick auf den bereits
erfolgten Verkauf als gegenstandslos geworden zurückziehen.

    E.- Mit der vorliegenden, am 1./15. Juni 1955 eingeleiteten Klage
verlangt X von E. Schadenersatz in Höhe des Betrages von Fr. 67'914.--,
auf den sich der Wert der 1078 Aktien um die Zeit ihrer Übernahme durch
den Beklagten belaufen habe. Er machte geltend, die Aktien hätten ihm
gehört und sich "treuhänderisch für ihn im Besitz eines Dritten" (des
S.) befunden und seien ihm gestohlen worden bzw. widerrechtlich und wider
seinen Willen abhanden gekommen; der Beklagte habe sie in bösem Glauben
erworben und veräussert; sie den (gutgläubigen) Käufern abzufordern, sei
nicht möglich; der Beklagte sei deshalb gemäss Art. 940 ZGB und Art. 41
OR verpflichtet, ihm dafür Ersatz zu leisten. Der Beklagte bestritt die
Aktivlegitimation und eine Schädigung des Klägers und berief sich im
übrigen auf seinen guten Glauben.

    Das Bezirksgericht schützte die Klage. Das Obergericht des Kantons
Zürich (II. Zivilkammer) hat sie dagegen mit Urteil vom 22. November 1957
mangels Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen. Ob dieser die Aktien
dem S. auf Grund eines Verkaufsauftrags übergeben oder sie ihm (wie er
bei seiner persönlichen Befragung vor Obergericht zunächst erklärte)
auf Kredit verkauft habe oder ob die Abmachung (entsprechend einer
weitern Version der Sachdarstellung des Klägers) dahin gegangen sei,
dass S. die Aktien entweder zu bezahlen oder zurückzugeben habe, liess
die Vorinstanz unentschieden. Das Verhalten des Beklagten bezeichnete sie
bei Beurteilung der Frage der Prozessentschädigung als bösgläubig oder
wenigstens "leichtfertig und teilweise verwerflich". (Die Strafuntersuchung
gegen B. und seine Nachmänner betr. Hehlerei ist unter Belastung der
Angeschuldigten mit den Kosten eingestellt worden.)

    F.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger,
der Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 67'914.-- zu verpflichten; eventuell
sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte schliesst
auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Auch wenn die streitigen Aktien (Inhaberpapiere) seinerzeit
dem Kläger gehört haben sollten, wäre ihm das Recht, von einem spätern
Erwerber die Herausgabe oder den Ersatz des Wertes dieser Titel zu
verlangen, von vornherein abzusprechen, falls er sie dem S. auf Grund
eines mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrags übergeben hätte. Er hätte
dann nur eine Kaufpreisforderung gegen S. Ähnlich verhielte es sich,
wenn S. die Titel als Kommissionsgut zum Verkauf für Rechnung des
Klägers erhalten und vereinbarungsgemäss verkauft und den Erlös für
sich behalten hätte. Auch in diesem Falle könnte der Kläger sich nur an
S. halten, der ihm den Erlös herauszugeben hätte. Hätte S. die Titel als
Verkaufskommissonär entgegengenommen und wären sie von ihm veruntreut
oder ihm gestohlen worden, so wäre die Klage ebenfalls ohne weiteres zum
Scheitern verurteilt, wenn der Beklagte (oder einer der Zwischenbesitzer,
dessen Rechte auf ihn übergegangen wären) die wieder in die Schweiz
gelangten Titel in gutem Glauben zu Eigentum übertragen erhalten hätte. Der
Beklagte könnte dann gemäss Art. 933 ZGB, der den gutgläubigen Erwerb von
dem Veräusserer anvertrauten und durch diesen veruntreuten Sachen schützt,
bzw. gemäss Art. 935 ZGB, wonach Inhaberpapiere dem gutgläubigen Empfänger
nicht abgefordert werden können, auch wenn sie dem frühern Besitzer
gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, nicht auf Herausgabe der
Titel belangt werden, wenn er sie noch besässe, sondern wäre Eigentümer
geworden und könnte, nachdem er sie veräussert hat, nicht zum Ersatz ihres
Wertes verpflichtet werden. (Solange die Titel in Frankreich lagen, was
längstens während 15 Monaten seit ihrem Verschwinden der Fall war, war ein
gutgläubiger Eigentumserwerb, wenn sie gestohlen worden waren, nach der
im wesentlichen mit Art. 934 Abs. 1 ZGB übereinstimmenden Vorschrift von
Art. 2279 Abs. 2 CC, die mangels einer dem Art. 935 ZGB entsprechenden
Bestimmung grundsätzlich auch für Inhaberpapiere gilt, nicht möglich,
sondern bot der gute Glaube einem Erwerber nur den Vorteil, dass er gemäss
dem mit Art. 934 Abs. 2 ZGB übereinstimmenden Art. 2280 CC bei Kauf auf dem
Markt usw. die Herausgabe von der Vergütung des von ihm bezahlten Preises
abhängig machen konnte; wären die Titel in Frankreich unter Beobachtung
der vorgeschriebenen Formalitäten mit Opposition belegt worden, so hätten
sie dort nach dem einschlägigen Sondergesetz jedem Dritten, der sie nach
der Veröffentlichung der Opposition erworben hätte, ohne Entschädigung
abverlangt werden können, und zwar auch im Falle der Veruntreuung, es
wäre denn, dass ein Vormann des Belangten sie vor der Veröffentlichung
gutgläubig erworben hätte; vgl. hiezu statt vieler PLANIOL/RIPERT/PICARD,
Traité pratique, 2. Aufl. 1952, Bd. III N. 389 ff., 399 ff.).

    Auf Grund welcher Abmachung der Kläger die Aktien dem S. übergeben
hat und was unmittelbar nachher mit diesen Titeln geschehen ist, weiss
man jedoch bis heute nicht genau, und die im Falle der Veruntreuung
oder des Diebstahls sich stellende Frage, ob der Beklagte oder einer
seiner Vormänner die Titel in der Schweiz gutgläubig erworben habe,
könnte anhand der vorliegenden Akten jedenfalls nicht im Sinne der
Bejahung entschieden werden. Eine nähere Abklärung dieser Fragen erübrigt
sich indes, wenn die Klage, wie vom Beklagten geltend gemacht, mangels
Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen werden muss, selbst wenn man
zu seinen Gunsten annimmt, er habe die Aktien dem S. nicht verkauft,
sondern als Kommissionsgut übergeben, sie seien dann bei S. gestohlen
worden und dem Beklagten sowie seinen Vormännern könne der gute Glaube
beim Erwerb nicht zugebilligt werden.

Erwägung 2

    2.- Wer den Besitz einer beweglichen Sache nicht in gutem Glauben
erworben hat, kann nach Art. 936 Abs. 1 ZGB von dem frühern Besitzer
jederzeit auf Herausgabe belangt werden. Es ist umstritten, ob der
bösgläubige Erwerber gegenüber einer auf diese Bestimmung gestützten
Klage des frühern Besitzers nur die Einrede erheben könne, er habe an der
Sache im Sinne von Art. 932 ZGB ein besseres Recht als der Kläger oder
auch dieser habe die Sache nicht in gutem Glauben erworben und könne
sie ihm daher gemäss Art. 936 Abs. 2 ZGB nicht abfordern, oder ob er
darüber hinaus ganz allgemein befugt sei, dem Kläger entgegenzuhalten,
dieser habe trotz seinem frühern Besitz überhaupt nie ein Recht an der
Sache gehabt (so HOMBERGER, N. 2 zu Art. 936 in Verbindung mit N. 4-6 zu
Art. 932, im Gegensatz zu WIELAND, Bem. 4 zu Art. 936 in Verbindung mit
Bem. 1 und 10 zu Art. 933/4 und Abs. 2 der Bem. zu Art. 932, OSTERTAG,
N. 7 und 11 zu Art. 936, N. 22 der Vorbem. zum 24. Titel, N. 6-8 zu
Art. 932, vgl. auch N. 14 zu Art. 934, und TUOR, Das schweiz. ZGB,
6. Aufl., S. 436 ff. und 443). Welche dieser beiden Auffassungen den
Vorzug verdiene, kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, obwohl
der Beklagte nicht behauptet, er hätte an den streitigen Aktien heute,
wenn er sie noch besässe, ein besseres Recht als der Kläger, selbst wenn
er und seine Vormänner bösgläubig gewesen wären, und auch nicht geltend
macht, der Kläger habe die Titel seinerzeit selber bösgläubig erworben,
sondern die Aktivlegitimation des Klägers (vom Einwand abgesehen, dass
dieser infolge der Übergabe der Titel an S. nicht mehr unmittelbarer
Besitzer gewesen sei und den Besitz nicht wider seinen Willen verloren
habe) nur mit der Begründung bestreitet, der Kläger habe nicht dargetan,
dass er die Titel auf eigene Rechnung gekauft und damit das Eigentum
daran erworben habe. Nachdem der Beklagte die Aktien veräussert hat,
steht eben heute nicht mehr ein Herausgabeanspruch des Klägers gegen ihn
zur Diskussion, sondern kann sich nur noch fragen, ob der Kläger ihn auf
Ersatz des Wertes dieser Titel (und allfälligen weitern Schadens) belangen
könne. Diese Frage beurteilt sich nach der Bestimmung von Art. 940 ZGB über
die Verantwortlichkeit des bösgläubigen Besitzers (die nur hinsichtlich
der Ersatzpflicht selbständige Bedeutung hat, während sich die darin
ebenfalls erwähnte Herausgabepflicht schon aus andern Vorschriften ergibt;
vgl. HOMBERGER N. 1 zu Art. 940). Nach der Rechtsprechung zu Art. 940 ZGB
ist der bösgläubige Besitzer (also z.B. derjenige, der eine Sache in bösem
Glauben von einem Nichtberechtigten erworben hat) zum Ersatz des Wertes
der Sache verpflichtet, wenn er sie an einen Dritten veräussert hat, dem
sie nicht oder nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises (Art. 934
Abs. 2 ZGB) abgefordert werden kann (BGE 79 II 61, Urteile vom 12. November
1953 i.S. Rothschild gegen Carpentier und vom 20. Oktober 1954 i.S. Pfister
gegen Buri). Die Legitimation zu einer solchen Schadenersatzklage lässt
sich nun aber keinesfalls aus der blossen Tatsache ableiten, dass der
Kläger die Sache, deren Wert er ersetzt verlangt, früher besessen hat,
selbst wenn man mit WIELAND, OSTERTAG und TUOR (vgl. die angeführten
Belegstellen) annehmen will, dass schon der frühere Besitz als solcher
(also nicht erst das gestützt darauf zu vermutende Recht des frühern
Besitzers) die Legitimation zur Klage gegen den bösgläubigen Erwerber
auf Herausgabe der Sache begründe. Infolge der Weiterveräusserung der
Sache durch den bösgläubigen Erwerber ist der frühere Besitzer nur unter
der Voraussetzung um den Wert der Sache geschädigt, dass sie ihm gehörte
oder dass er einem andern gegenüber dafür verantwortlich war. Zur Erhebung
einer Schadensatzklage wie der vorliegenden ist also der frühere Besitzer
nur dann legitimiert, wenn er das Vorliegen dieser Voraussetzung darzutun
vermag. Nur dann ist er der "Berechtigte" im Sinne von Art. 940 ZGB. In
den Fällen, wo das Bundesgericht den Anspruch eines frühern Besitzers
auf Ersatz des Werts von nicht mehr vindizierbaren Sachen geschützt hat,
stand denn auch ausser Frage, dass der Kläger (oder derjenige, der ihm
den Schadenersatzanspruch abgetreten hatte) Eigentümer der betreffenden
Sachen gewesen war.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch auf den Verlust
seines Eigentums an den streitigen Aktien. Dass er einem Dritten gegenüber
für diese Titel verantwortlich sei, hat er nicht behauptet. Seine
Klagelegitimation hängt also davon ab, ob er wirklich Eigentümer dieser
Titel war. Nach Art. 8 ZGB hat er dies zu beweisen.

    Gemäss Art. 930 ZGB wird vom Besitzer einer beweglichen Sache
vermutet, dass er ihr Eigentümer sei (Abs. 1), und besteht für jeden
frühern Besitzer die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes
Eigentümer der Sache gewesen sei (Abs. 2). Diese Vermutung rechtfertigt
sich jedoch nach der Praxis nur, wenn der Besitz so beschaffen ist, dass
sich daraus wirklich vorläufig auf ein Recht an der Sache schliessen lässt;
sie entfällt namentlich, wenn der Besitz bloss auf einem "zweideutigen"
Gewaltverhältnis über die Sache beruht (possession équivoque; vgl. BGE
41 II 31/32, 50 II 241/42, 68 II 28, 71 II 255, 76 II 345, 81 II 205).

    Im vorliegenden Falle lässt sich der frühere Besitz des Klägers nicht
etwa deshalb als zweideutig bezeichnen, weil Zweifel daran bestünden, ob es
beim Erwerb des Besitzes durch ihn mit rechten Dingen zugegangen sei. Die
Titel sind ihm vielmehr auf Grund eines an sich ganz unverdächtigen Kaufs
geliefert worden, was normalerweise genügt, um dem Empfänger das Eigentum
zu verschaffen (vgl. z.B. BGE 72 II 282 Erw. 2). Dagegen werden, wie die
Vorinstanz zutreffend angenommen hat, durch die berufliche Tätigkeit des
Klägers Zweifel darüber geweckt, ob er die Titel wirklich als Eigentümer
und nicht bloss als Beauftragter besessen habe.

    Der Kläger war und ist unbestrittenermassen Börsenmakler oder (um der
Ausdrucksweise des Bankengesetzes, Art. 1 lit. c, zu folgen) Börsenagent.
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kauft und verkauft er
als solcher Wertpapiere nicht nur für sich selber, sondern auch im Auftrag
und für Rechnung von Kunden. Letzteres dürfte, dem Wesen des Gewerbes
entsprechend, sogar die Regel sein. Wenn ein Börsenagent Titel im Auftrag
und für Rechnung von Kunden einkauft, so folgt daraus allerdings noch
nicht notwendig, dass die Titel nicht ihm, sondern den Kunden gehören. Der
Börsenagent handelt in derartigen Fällen als Einkaufskommissionär. Dass
die Sachen, die ein solcher für Rechnung eines Kunden erwirbt, unmittelbar
in dessen Eigentum übergehen, trifft entgegen der den Erwägungen der
Vorinstanz offenbar zugrunde liegenden Auffassung kaum allgemein zu,
ist aber kraft stiller Stellvertretung (Art. 32 Abs. 2 OR) auf jeden
Fall sehr wohl möglich und nach herrschender Ansicht sogar zu vermuten
(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu Art. 401 OR, v. TUHR/SIEGWART, OR § 44 I
S. 334 f.; vgl. auch BECKER, N. 2 zu Art. 434 OR). Unter diesen Umständen
ist der frühere Besitz des Klägers an den streitigen Titeln nicht geeignet,
die Vermutung zu begründen, dass diese Titel wirklich ihm gehörten, auch
wenn er sie auf seinen eigenen Namen gekauft hat. Sein Besitz war in dem
Sinne zweideutig, dass die Titel mindestens ebensogut Eigentum von Dritten
(eventuell sogar von S.) sein konnten.

Erwägung 4

    4.- Entfällt die Vermutung aus Art. 930 ZGB, so kann sich nur noch
fragen, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis seines Eigentums auch
ohne die Hilfe dieser Vermutung zu erbringen vermöge. Diese Frage konnte
von der Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht verneint werden. Die
eigenen Aussagen des Klägers vermögen nach dem angefochtenen Urteil aus
Gründen des kantonalen Prozessrechts, dessen Anwendung das Bundesgericht
im Berufungsverfahren nicht überprüfen kann, keinen Beweis zu seinen
Gunsten zu schaffen. Die Aussagen des Y, der bestätigte, dass der Kläger
die streitigen Aktien für seine eigene Rechnung gekauft habe, und die
Aufzeichnungen in der Kontoblättern der Firma Y & Cie sind nach der
für das Bundesgericht verbindlichen Beweiswürdigung der Vorinstanz vor
allem deswegen nicht beweiskräftig, weil sie sich im entscheidenden Punkt
lediglich auf Angaben des Klägers stützen. Eigene Geschäftsbücher, aus
denen sich allenfalls hätte ergeben können, dass der Kläger die Aktien
wie von ihm behauptet auf eigene Rechnung gekauft habe, vermochte der
Kläger (der sich zunächst mit der Durchführung einer Buchexpertise bei
ihm einverstanden erklärt hatte) für die in Frage stehende Zeit nicht
vorzulegen. (Ob er damals schon zur Eintragung ins Handelsregister und zur
Buchführung verpflichtet gewesen wäre und ob in seinen Geschäftsbüchern
ein auf eigene Rechnung erfolgter Kauf hätte verzeichnet sein müssen,
was er bestreitet, kann dahingestellt bleiben, da die Vorinstanz aus der
Nichterfüllung jener von ihr angenommenen Pflichten nicht einen für ihn
nachteiligen rechtlichen Schluss gezogen, sondern einfach festgestellt
hat, er habe es sich selber zuzuschreiben, wenn er sein Eigentum an
den streitigen Aktien nicht durch seine Buchhaltung beweisen könne. Da
die Vorinstanz nicht angenommen hat, sein Eigentum hätte sich überhaupt
nur durch seine Geschäftsbücher beweisen lassen, und da im übrigen die
Einschreibung eines geschäftlichen Vorgangs in die Geschäftsbücher
nicht als Form des ihm zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts angesehen
werden könnte, kann auch keine Rede davon sein, dass das angefochtene
Urteil Art. 10 ZGB verletze, wonach dort, wo das Bundesrecht für die
Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes keine besondere Form vorschreibt, das
kantonale Recht auch für die Beweisbarkeit des Rechtsgeschäftes eine
solche nicht vorschreiben darf). Andere Beweise für sein Eigentum hat
der Kläger nicht angeboten. Dass es sich, falls er die Aktien nicht für
eigene Rechnung, sondern als Beauftragter eines Dritten gekauft hätte,
nur um ein fiduziarisches Geschäft hätte handeln können, bei dem er
das Eigentum erworben hätte, trifft nach dem früher Gesagten nicht zu
(Erw. 3). Die in der Berufungsschrift aufgestellte Behauptung, auch im
Falle des Kaufs für Rechnung eines Dritten wäre der Wille des Klägers
nach seinen Äusserungen gegenüber Y auf den Erwerb des Eigentums für
sich selber gegangen, was einen direkten Übergang des Eigentums auf
den Auftraggeber ausgeschlossen hätte (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu
Art. 401 OR; LEMP, Das Eigentum am Erlös aus Kommissionsware, ZSR neue
Folge Bd. 61 S. 281 ff., insbes. S. 309/310), ist als ein neues Vorbringen
über eine Tatfrage gemäss Art. 55 lit. c OG nicht zu hören. Es muss daher
beim Entscheid der Vorinstanz bleiben, wonach der Kläger schon mangels
Nachweises seines frühern Eigentums zur vorliegenden Schadenersatzklage
nicht legitimiert ist.

Erwägung 5

    5.- Beigefügt werden mag, dass sich im Falle der Bejahung der
Aktivlegitimation ernstlich die Frage gestellt hätte, ob die Klage
an Art. 44 Abs. 1 OR scheitern müsste, weil der Kläger, nachdem die
vermissten Titel in der Schweiz wieder zum Vorschein gekommen waren,
die sich aufdrängenden gerichtlichen Massnahmen zur Wiedererlangung der
Titel gegenüber dem Beklagten und der Bank, die sie ohne Beachtung der
Vermisstmeldung belehnt hatte, in ganz unverständlicher Weise verschleppt
hat, bis die Vermisstmeldung widerrufen war und die Titel infolge Verkaufs
an gutgläubige Dritte nicht mehr beigebracht werden konnten (vgl. BGE 83
II 140 Erw. 6).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des
Obergerichtes des Kantons Zürich vom 22. November 1957 bestätigt.