Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 179



84 II 179

27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. April 1958 i.S. Eberle gegen
Brägger. Regeste

    Landwirtschaftliches Bodenrecht. Intertemporalrechtliche Behandlung
des Rückforderungsanspruchs aus Art. 42 Abs. 2 BMB. Verhältnis zum EGG
einerseits und zu Art. 66 OR anderseits.

Sachverhalt

    A.- Der Kläger Brägger kaufte mit öffentlich beurkundetem Vertrag
vom 16. September 1949 vom Beklagten Eberle ein landwirtschaftliches
Heimwesen zum verurkundeten Preise von Fr. 60'000.--. Damals galt noch
der BRB vom 19. Januar 1940/7. November 1946 über Massnahmen gegen die
Bodenspekulation (BMB, BS 9 S. 159 ff.). Die zuständige Behörde erteilte
dem Kaufvertrag die zu seiner Gültigkeit erforderliche Genehmigung,
worauf der Grundbucheintrag im Dezember 1949 erfolgte.

    B.- Am 2. März 1954 erhob Brägger gegen Eberle Klage auf Bezahlung
von Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 16. September 1949. Er behauptete, er
habe beim Kauf der Liegenschaft dem Beklagten über den verurkundeten und
behördlich genehmigten Kaufpreis hinaus weitere Fr. 15'000.-- bezahlen
müssen. Diese Schwarzzahlung sei nach Art. 42 BMB nichtig und könne daher
von ihm zurückverlangt werden.

    Im Zeitpunkt der Klageerhebung war der BMB nicht mehr in Kraft,
sondern durch das BG vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen
Grundbesitzes (EGG, AS 1952 S. 403) ersetzt worden.

    Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt die vom Kläger
behauptete Schwarzzahlung und machte geltend, dass selbst beim Vorliegen
einer solchen die Klage aus rechtlichen Gründen abgewiesen werden müsse.

    C.- Das Bezirksgericht Weinfelden wies die Klage ab, weil eine
Schwarzzahlung nicht nachgewiesen sei.

    Das Obergericht des Kantons Thurgau erachtete dagegen die behauptete
Schwarzzahlung als erwiesen und verpflichtete den Beklagten zur Rückzahlung
des Betrages von Fr. 15'000.-- nebst 3% Zins vom 16. September 1949 bis
zum 1. März 1954 und 5% Zins seit 2. März 1954.

    D.- Gegen das Urteil des Obergerichts vom 28. November 1957 ergriff
der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht mit dem erneuten Antrag
auf Abweisung der Klage.

    Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht hat, wie auch der Beklagte zugibt, von der
vorinstanzlich festgestellten Tatsache auszugehen, dass der Beklagte am 16.
September 1949 eine Schwarzzahlung von Fr. 15'000.-- entgegennahm. Diese
Zahlung war nach Art. 42 Abs. 2 des in jenem Zeitpunkt noch geltenden BMB
nichtig und (in Abweichung von der in Art. 66 OR vorgesehenen Ordnung)
rückforderbar.

    Dagegen hält der Beklagte daran fest, dass die Rückforderung dieser
Schwarzzahlung ausgeschlossen sei, weil die daraufabzielendeKlage erst
in einemZeitpunkt erfolgte, als der BMB ausser Kraft getreten und durch
das EGG ersetzt war.

    Die Vorinstanz hat diese Auffassung des Beklagten mit der
Begründung verworfen, dass die vor dem Inkrafttreten des EGG begründeten
Rechtsverhältnisse auch weiterhin nach dem alten Recht, d.h. nach dem BMB,
beurteilt werden müssten.

Erwägung 2

    2.- a) Das EGG, das an die Stelle des BMB getreten ist, enthält
keine intertemporalrechtlichen Bestimmungen. Es beschränkt sich darauf,
in Art. 48 EGG zu verordnen, dass "alle diesem Gesetz widersprechenden
Bestimmungen" aufgehoben seien, womit vorab der BMB gemeint ist.

    Der BRB vom 25. März über Änderung der Massnahmen zum Schutze der
Pächter (BS 9 S. 169), durch den der BMB abgeändert worden ist, enthielt
dagegen in Art. 5 Abs. 2 die übergangsrechtliche Bestimmung, dass die vor
Inkrafttreten dieses Beschlusses eingetretenen Tatsachen auch fernerhin
gemäss den bisherigen Bestimmungen zu beurteilen seien.

    b) Aus dem Fehlen intertemporalrechtlicher Bestimmungen im EGG glaubt
die Berufung ableiten zu können, der Gesetzgeber habe bewusst und absolut
eine weitere Anwendung des BMB auf vor dem 1. Januar 1953 eingetretene
Tatbestände ausschliessen wollen. Das Bundesgericht hat diese Auffassung
jedoch entgegen der Meinung der Berufung mit den Entscheiden BGE 79 I 270
Erw. 4 und 80 II 157 bereits verworfen. Im zuerst erwähnten Fall wurde das
EGG auf einen vor dem 1. Januar 1953 abgeschlossenen Liegenschaftskauf
als nicht anwendbar erklärt; im zweiten Fall wurde daraus die Folgerung
gezogen, die Aufhebung des BMB könne sich nicht auf die unter dessen
Herrschaft abgeschlossenen Kaufverträge beziehen; es gelte vielmehr der in
Art. 1 SchlT zum ZGB niedergelegte allgemeine Rechtsgrundsatz, dass die
vor dem Inkrafttreten des EGG eingetretenen Tatbestände nach dem Recht
zu beurteilen sind, das zur Zeit ihres Eintrittes gegolten hat. Danach
ist im vorliegenden Fall der noch unter altem Recht (BMB) verwirklichte
Tatbestand der Schwarzzahlung nach wie vor nach den Bestimmungen des BMB
zu beurteilen (so auch JOST, Handkommentar zum EGG, S. 157 Bem. 3).

    Zu Unrecht glaubt die Berufung dem entgegenhalten zu können, dass der
SchlT zum ZGB in erster Linie eine Ordnung für den Übergang vom kantonalen
Recht zum Bundesrecht traf. Denn in dieser Ordnung kommt darüber hinaus
auch die Auffassung des Bundesgesetzgebers über das intertemporale Recht
schlechthin zum Ausdruck; die dort aufgestellten Grundsätze gelten überall,
wo der Gesetzgeber keine Sonderbestimmungen erlassen hat; sie sind denn
auch im Laufe der Jahrzehnte fester Bestandteil der schweizerischen
Rechtsauffassung geworden, und folgerichtig hat sie z.B. auch Art. 1 der
Schluss- und Übergangsbestimmungen zum rev. OR von 1937 als anwendbar
erklärt.

    c) Entgegen der Auffassung der Berufung ist auch rechtlich
bedeutungslos, dass es sich bei der Ersetzung des BMB durch das EGG um
einen Übergang von sog. Notrecht, das auf den dem Bundesrat im August
1939 erteilten ausserordentlichen Vollmachten beruhte, zu ordentlichem,
auf dem normalen Gesetzgebungsweg gesetzten Recht handelt. Auch das
Notrecht ist Bestandteil des schweizerischen Rechtes, und es ist nicht
einzusehen, wieso hier intertemporalrechtlich etwas anderes gelten sollte
als die allgemeinen Grundsätze des SchlT zum ZGB, insbesondere dessen
grundlegende Bestimmungen in Art. 1-3.

    d) Der Beklagte verweist schliesslich darauf, dass der
Rückforderungsanspruch erst in einem Zeitpunkt erhoben wurde, als bereits
das EGG den BMB abgelöst hatte. Allein soweit sich das eidgenössische
intertemporale Recht mit dem Anwendungsbereich zweier sich folgender
materiellrechtlicher Gesetze oder Rechtsordnungen befasst, stellt
es nirgends auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung eines
unter dem alten Recht entstandenen Anspruchs ab. Diese Geltendmachung
ist intertemporalrechtlich eine belanglose, rechtlich unerhebliche
Tatsache. Sie kann höchstens von Bedeutung sein, soweit es sich um
Verfahrensvorschriften handelt. Solche stehen hier nicht in Frage.

Erwägung 3

    3.- a) Nach dem somit grundsätzlich massgebenden BMB ist der
eingeklagte Rückforderungsanspruch tatsächlich entstanden und besteht
immer noch. Denn gemäss Art. 42 BMB ist eine Schwarzzahlung nichtig und
kann innert 10 Jahren seit ihrer Vornahme zurückverlangt werden. Diese
Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht verstrichen.

    b) Der streitige Rückforderungsanspruch ist wegen Widerrechtlichkeit
der Schwarzzahlung gemäss BMB, also ex lege entstanden. Er ist rechtlich
ein Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und daher
gleich wie hinsichtlich seiner Entstehung auch in Bezug auf seinen Inhalt
dem alten Recht unterworfen (MUTZNER, SchlT zum ZGB, Art. 1 N. 43, 61 f.;
HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, S.
242 f.). Der Geltendmachung dieses Anspruchs stünde nur etwas im Wege,
wenn er mit Bestimmungen des neuen Rechts, die um der öffentlichen Ordnung
und Sittlichkeit willen aufgestellt sind, unvereinbar wäre.

    Der Beklagte behauptet, das sei hier der Fall. Er macht geltend,
Art. 42 Abs. 2 BMB habe für den Liegenschaftshandel die Anwendung von
Art. 66 OR ausgeschlossen. Seit der Ausserkraftsetzung des BMB, also seit
1. Januar 1953, gelte Art. 66 OR auch im Bereich des Liegenschaftshandels
wieder. Art. 66 OR sei aber eine Vorschrift, die um der öffentlichen
Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sei; der Rückforderung
stehe also die Einrede aus Art. 66 OR entgegen, weil die Schwarzzahlung
natürlich in der Absicht erfolgt sei, einen rechtswidrigen Erfolg
herbeizuführen. Auch würde die Rückforderung heute gegen Art. 2 ZGB
verstossen.

    c) Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Gewiss
ist Art. 66 OR eine zwingende Bestimmung. Sie bezweckt, einer bestimmten
Gruppe von Geschäften, die aus rechtswidriger oder unsittlicher Absicht
heraus vorgenommen werden, durch Verweigerung der Rückforderung des
unredlichen Gebers zu begegnen. Sie will verhindern, dass der Richter
für Ansprüche aus gewissen unsauberen Geschäften Rechtsschutz gewähren
muss. Ob man Art. 66 OR deswegen nicht nur als zwingende Vorschrift
betrachten muss, sondern sogar als Vorschrift um der öffentlichen
Ordnung und Sittlichkeit willen, mag offen bleiben. Selbst wenn dies
angenommen würde, so folgt daraus keineswegs, dass die weitere Anwendung
von Art. 42 BMB auf altrechtliche Tatbestände mit der öffentlichen Ordnung
oder Sittlichkeit unvereinbar wäre; nur unter dieser Voraussetzung könnte
aber die Vorbehaltsklausel des Art. 2 SchlT zum ZGB eingreifen.

    Der Ausschluss der Rückforderung gemäss Art. 66 OR ist nicht der
einzige, sondern bloss einer von verschiedenen denkbaren Wegen zur
Verpönung gewisser verwerflicher Geschäfte. Die vom Gesetz getroffene
Ordnung erscheint sogar als eine gesetzgeberisch fragwürdige Lösung,
da sie je nach den Umständen zu moralisch unbefriedigenden Ergebnissen
führen kann. Die Vorschrift ist denn auch in der Rechtsprechung
bald einschränkend (BGE 53 II 41), bald ausdehnend (BGE 74 II 27,
82 II 75) ausgelegt und das Ergebnis der Auslegung oft an Hand von
Art. 2 ZGB berichtigt worden (BGE 75 II 294 f., 76 II 369 f.). Die
vom Allgemeinen Preussischen Landrecht getroffene Ordnung, nämlich die
Einziehung zu Handen des Staates, ist befriedigender als die Lösung des
Art. 66 OR. Die von dieser Vorschrift abweichende Ordnung gemäss Art. 42
Abs. 2 BMB war durch den Zweck des BMB bedingt; es handelte sich darum,
die Leistung übersetzter Preise für landwirtschaftliche Grundstücke zu
verhindern, weil übersetzte Bodenpreise erfahrungsgemäss für den Landwirt
existenzgefährdend sind (BGE 80 II 158). Aus diesem Grunde musste der
Ausschluss der Rückforderung einer Schwarzzahlung, wie er bei der Anwendung
von Art. 66 OR Platz gegriffen hätte, beseitigt und gerade das Gegenteil
von Art. 66 OR verordnet werden. Das erheischte das Allgemeininteresse an
der Erhaltung des Bauernstandes. Eine Ordnung, die vom Gesetzgeber als um
des Gemeinwohls willen notwendig und gerecht betrachtet und darum zwingend
vorgeschrieben wurde, kann aber nicht von einem Tag auf den andern vom
gleichen Gesetzgeber oder vom Richter als mit der öffentlichen Ordnung
und Sittlichkeit unverträglich beurteilt werden, selbst wenn die neue
gesetzliche Regelung von der früheren erheblich abweicht. Auch wird keine
Bestimmung des EGG verletzt oder auch nur gefährdet, wenn man Art. 42
Abs. 2 BMB noch auf einige übriggebliebene altrechtliche Tatbestände
(Schwarzzahlungen) anwendet. Ebensowenig erfährt die in Art. 66 OR zum
Ausdruck gebrachte Missbilligung gewisser Leistungen eine Beeinträchtigung;
denn diese Missbilligung liegt ja unverkennbar auch der Ordnung von
Art. 42 Abs. 2 BMB zu Grunde. Weder das Rechtsbewusstsein, noch der Staat,
noch die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit erscheinen als gefährdet,
wenn entsprechend der allgemeinen Regel das frühere Recht auf die unter
seiner Herrschaft abgeschlossenen Geschäfte weiterhin angewendet wird.

    Es wäre im Gegenteil stossend, wenn im vorliegenden Fall der Beklagte
sowohl den Folgen nach altem Recht, wie jenen nach dem neuen Recht
(Vorkaufsrecht der Verwandten) entgehen könnte. Es ist nicht einzusehen,
warum der Beklagte, der den Käufer dermassen überfordert und die mit
der Durchführung des BMB beauftragten Behörden hintergangen hat, besser
gestellt sein sollte als andere Verkäufer, die dem BMB zuwidergehandelt
hatten. Das wäre hier um so stossender als der Kläger im wesentlichen
durch die Nachlässigkeit der Strafuntersuchungsbehörden daran verhindert
wurde, seine Rückforderungsklage noch unter der Herrschaft des alten
Rechtes einzureichen. Er hat nämlich schon im Frühjahr 1950 im Sinne
eines ersten Schrittes zur Wiedererlangung der Überzahlung gegen den
Beklagten Strafanzeige erstattet; diese Strafuntersuchung wurde jedoch
erst im Herbst 1956 abgeschlossen und musste wegen Verjährung eingestellt
werden. Angesichts aller dieser Umstände kann in der Rückforderung der
beträchtlichen Schwarzzahlung durch den Kläger kein Rechtsmissbrauch
erblickt werden.

    Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur
Rückerstattung des Kapitalbetrages von Fr. 15'000.-- wendet, ist sie
deshalb unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz hat dem Kläger neben 5% Verzugszins seit der
Klageeinreichung vom 2. März 1954 für die Zeit von der Schwarzzahlung
(16. September 1949) bis zur Klageeinreichung 3% Zins zugesprochen, weil
dem Kläger dieser Kapitalertrag entgangen sei. Der Beklagte beantragt,
diese zusätzliche Zinsverpflichtung sei aufzuheben. Der Entscheid der
Vorinstanz ist indessen, wenn auch aus andern als den im angefochtenen
Entscheid angeführten Gründen, zu bestätigen. Der Beklagte hat die ganze
Bereicherung herauszugeben. Hiezu gehört neben dem Kapital auch der Zins,
den der Beklagte in der Zwischenzeit erfahrungsgemäss ziehen konnte und
natürlich auch gezogen hat. Diesen Vergütungszins hat die Vorinstanz auf
3% bemessen. Darin liegt eine tatsächliche Feststellung, die sich auf
die örtlichen Verhältnisse stützt und mit der Lebenserfahrung nicht im
Widerspruch steht. Dass Art. 42 Abs. 2 BMB die Rückforderung im Gegensatz
zu den allgemeinen Bereicherungsgrundsätzen des Art. 62 OR unter Ausschluss
jeglichen Zinses auf die seinerzeit erbrachte Leistung habe beschränken
wollen, wie der Beklagte behauptet, trifft nicht zu.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 28. November 1957 bestätigt.