Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 II 114



84 II 114

15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1958 i.S. Burgergemeinde
Burgdorf und Ramseier gegen Einwohnergemeinde Eriz. Regeste

    Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG).

    1.  Art. 17: Vorkaufsrecht (nach kantonalem Recht) an
Alpweiden. Begriff derselben. Subsumtion des Grenzfalles einer Alpweide,
auf welcher die frühere Sennhütte zu einem ganzjährig bewirtschafteten
und bewohnten Heimwesen ausgebaut wurde.

    2.  Art. 10 lit. b: Rechtsgeschäfte zum Ersatz von Liegenschaften,
die für öffentliche usw. Aufgaben verkauft worden sind: Eine Alpweide
kommt nicht als Ersatz für verkauftes städtisches Bauland in Betracht.

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 27. September 1954 verkaufte Fritz Ramseier der
Burgergemeinde Burgdorf seine Liegenschaften in der Gemeinde Eriz, nämlich
die Grundstücke Nr. 233 "oberer und unterer Scheidzaun" mit Wohnhaus,
Scheune und Ställen (6183 Aren) und Nr. 246, hälftiger Anteil an der
Besitzung Rotmoos (0,50 Aren), zum Preise von Fr. 220'000.--.

    In der Folge machte die Einwohnergemeinde Eriz gegenüber den
Kaufvertragsparteien das Vorkaufsrecht geltend, das gestützt auf Art. 17
des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes
(EGG) Art. 6 Ziff. 2 des bernischen Einführungsgesetzes dazu mit Bezug
auf Alpweiden zugunsten der Gemeinde der gelegenen Sache vorsieht. Da die
Kaufsparteien das Vorkaufsrecht bestritten, erhob die Einwohnergemeinde
Eriz binnen der ihr hiefür gesetzten Frist beim Amtsgericht Thun Klage
mit dem Antrag, das von ihr geltend gemachte Vorkaufsrecht sei als zu
Recht bestehend anzuerkennen, der Verkäufer Ramseier zu verurteilen,
der Klägerin das Eigentum an den Liegenschaften zu den Bedingungen des
Kaufvertrags zu übertragen, und die Klägerin zu ermächtigen, das Eigentum
im Grundbuch auf ihren Namen eintragen zu lassen.

    Die beklagten Vertragsparteien beantragten Abweisung der Klage. Sie
wenden ein, die Scheidzaunbesitzung sei keine Alpweide im Sinne von
Art. 17 EGG/Art. 6 EG, vielmehr ein landwirtschaftliches Bergheimwesen
mit Alpweide, das einer Bauernfamilie ganzjährigen Wohnsitz und
Existenz biete. Selbst wenn es sich aber um eine Alpweide handelte,
könnte die Gemeinde Eriz ihr Vorkaufsrecht zufolge Art. 10 lit. b EGG
nicht ausüben, weil die Burgergemeinde Burgdorf den Landerwerb zum Ersatz
von Liegenschaften tätige, die sie seit 1931 in Erfüllung öffentlicher,
gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben abgegeben habe.

    B.- Sowohl das Amtsgericht Thun als der Appellationshof des Kantons
Bern haben die Klage gutgeheissen und das Vorkaufsrecht der Gemeinde Eriz
geschützt. Gestützt auf das durchgeführte Beweisverfahren mit Augenschein,
namentlich in Würdigung dreier Gutachten (vom Amtsgericht eingeholtes
Gutachten von Karrl Wyss, von der Klägerin eingelegtes privates Gutachten
eines Viererkollegiums Dr. Tschumi/Kunz/Lanz/Rubin, Gegengutachten der
Beklagten von Ing. agr. E. Lauener) sind die Vorinstanzen dazu gelangt,
den Charakter der Scheidzaunliegenschaft als einer Alpweide zu bejahen. In
tatsächlicher Hinsicht stellen sie darüber fest:

    Das Hauptgrundstück von 61 ha, wovon ca. 54 ha Weideland, liegt
im Alpgebiet der Gemeinde Eriz in mehreren Höhenlagen gestaffelt. Der
"untere Scheidzaun" auf 1200 m ü.M. weist das aus der ursprünglichen
Sennhütte allmählich ausgebaute Hauptgebäude auf, bestehend aus Küche (mit
Plättliboden, Holzkochherd und Boiler), einer Wohnstube, fünf Schlafräumen,
einem Stall und einer Heubühne; in der Nähe befinden sich noch ein
Materialschopf (mit Garage und Waschküche) sowie ein Schattstall. Etwa 100
m höher stehen eine Sennhütte und ein Stall. Bis 1930 war der Scheidzaun
als Alpweide (Vor- und Sömmerungsweide) zusammen mit dem Ramseierschen
Talheimwesen in Thun bewirtschaftet worden. Bei der Erbteilung war das
letztere vom Bruder, der Scheidzaun von Fritz Ramseier übernommen worden,
der nun mangels eines andern Wohnsitzes mit der Familie das ganze Jahr
auf dem Scheidzaun zu wohnen begann und zu diesem Zwecke die Sennhütte
allmählich zum heutigen Stande ausbaute. Er hat in den letzten Jahren
dort oben 15 bis 16 Stück eigenes Vieh überwintert und im Sommer neben
diesem durchschnittlich 70 fremde Rinder gesömmert; daneben hielt er ein
Pferd, Schafe, Schweine und Hühner. Im Lauf der Jahre hat Ramseier in der
günstigsten Lage seiner Besitzung die Graseinschläge, wie sie regelmässig
auf Alpbetrieben bestehen, bis auf ca. 20 Jucharten vergrössert, um Heu
für die Überwinterung des eigenen Viehs zu gewinnen. Ausserdem baute er
für die Selbstversorgung Kartoffeln und zeitweise auch etwas Getreide
an. Die Scheidzaunbesitzung bildet eine Einheit.

    Zur Entscheidung der Rechtsfrage, ob der Scheidzaun "im heutigen
Zustand als Ganzes eine zweiteilige Alpweide oder ein selbständig
existenzfähiger Ganzjahresbetrieb mit Alpweide" sei, ging die Vorinstanz
angesichts des gemischten Charakters der Besitzung davon aus, was
gesamthaft betrachtet überwiege. Gerade im Gebiet des Oberemmentals und
der Voralpen seien die Übergänge zwischen Bergheimwesen und Alpbetrieben
häufig verschwommen.

    Bei der Beantwortung der Frage stellte der gerichtliche
Experte Wyss auf Erfolgsberechnungen für den Ganzjahres- und den
Sömmerungsbetrieb ab, mit dem Ergebnis, dass die Besitzung in Ansehung
der Ertragsverhältnisse, der Höhenlage, der Oberflächengestaltung, der
Absatz- und Verkehrsverhältnisse auch heute noch die typischen Merkmale
eines Alpbetriebes aufweise; wenigstens sei er vorwiegend ein solcher.

    In der Methode hievon abweichend ging das Gutachten Tschumi
und Mitexperten von der Ermittlung der Möglichkeiten für den Besatz
des Scheidzaunes nach Grossvieheinheiten aus, indem es eine ideelle
Teilung nach Sömmerung und Winterung vornahm und feststellte, dass
auf den Sömmerungsanteil (Alpbetrieb und Vorweide) wirtschaftlich
betrachtet 2/3 bis 3/4 des Betriebserfolges entfallen. Nach Höhenlage,
Oberflächengestaltung, Boden- und Klimabedingungen, Absatz- und
Verkehrsverhältnissen zeige die Besitzung die typischen Merkmale einer
Alpweide mit Vorweide.

    Demgegenüber war der private Experte der Beklagten - aber, wie die
Vorinstanz feststellt, ohne eingehendere Begründung - der Ansicht, der
Scheidzaun habe den Charakter eines Heimwesens, das einer Bauernfamilie
eine Jahresexistenz biete.

    Die Vorinstanz hat sich den Schlussfolgerungen der beiden nach
verschiedenen Methoden zum gleichen Resultat gelangenden Gutachten Tschumi
und Wyss angeschlossen, den Scheidzaun als Alpweide betrachtet und das
Vorkaufsrecht der Klägerin geschützt. Im weitern spricht die Vorinstanz
dem Landerwerb der Burgergemeinde Burgdorf die Eigenschaft ab, als Ersatz
für Landveräusserungen zu öffentlichen, gemeinnützigen oder kulturellen
Zwecken zu dienen.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung beantragen die beklagten Kaufparteien
Aufhebung dieses Urteils und Abweisung der Klage der Gemeinde Eriz. Sie
machen geltend, die Vorinstanz habe in zwei Punkten Bundesrecht verletzt,
nämlich

    a) Art. 17 Abs. 1 EGG durch Misskennung des Begriffes "Alpweiden",

    b) Art. 10 lit. b EGG durch Misskennung des Begriffes der
Rechtsgeschäfte, die dem Ersatz von zu den dort genannten Zwecken
veräusserten Liegenschaften dienen.

    Zum Hauptpunkte wird in der Berufung ausgeführt, der Begriff "Alpweide"
im bernischen EG sei identisch mit dem gleichen bundesrechtlichen Begriff
in Art. 17 EGG. Die unrichtige Subsumtion des Scheidzauns unter denselben
bedeute daher eine Bundesrechtsverletzung. Mangels einer sicheren
Begriffsumschreibung müsse man von der feststehenden Definition des
"landwirtschaftlichen Heimwesens" und eines "Bergbauernbetriebes im
Berner Oberland" (BGE 81 I 107 ff., 255) ausgehen; was hierunter falle,
könne e contrario keine Alpweide sein. Nun habe der gerichtliche Experte
Wyss die Frage, ob der Scheidzaun ohne die Alpweiden einer Bauernfamilie
eine genügende Existenzgrundlage biete, entschieden bejaht. Sei aber der
Scheidzaun ohne Alpweiden ein landwirtschaftliches Heimwesen, so sei er
es mit diesen erst recht, also könne er selber keine Alpweide sein. Der
Experte habe offensichtlich, aber zu Unrecht Alpbetrieb mit Alpweide
gleichgesetzt. Die Detailergebnisse des Beweisverfahrens bestätigten
den Schluss auf ein landwirtschaftliches Heimwesen. Der Verkäufer
Ramseier habe in 25jähriger Pionierarbeit und Überwindung der Natur
aus einer früheren Alpweide einen Bauernhof geschaffen. Das Institut
des Vorkaufsrechts an Alpweiden bilde eine Ausnahme vom Regelfall
des Freiverkaufs und einen schweren Einbruch in die nach unserer
Rechtsordnung grundsätzlich herrschende Vertrags- und Eigentumsfreiheit,
weshalb von dem Recht sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen sei. Nur bei
klaren Verhältnissen, wenn es sich zweifellos um eine Alpweide handle,
solle das Vorkaufsrecht beansprucht werden können. Der Scheidzaun
stelle nun auch nach Auffassung der Vorinstanz einen Grenzfall dar. Das
Hauptziel des EGG sei die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe; dieser
agrarpolitischen ratio legis hätten sich allfällige andere Bestrebungen
einzelner Nebenbestimmungen unterzuordnen. Die Zielsetzung des Art. 17,
die Schaffung öffentlich-rechtlicher Alpweiden, müsse ihre Grenze finden
an dem kategorischen Gebot, dass ohne zwingenden Grund kein Bauernbetrieb
untergehen dürfe. Dieses Los aber wäre dem Scheidzaun beschieden, wenn
die Gemeinde Eriz ihn bekäme, denn sie würde ihn wieder zu einer Alpweide
degenerieren lassen, sodass die jahrzehntelange Aufbauarbeit Ramseiers
zunichte gemacht würde, welcher Schildbürgerstreich allen Massnahmen für
Bauernhilfe Hohn spräche.

    D.- Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Frage, ob der Scheidzaun eine Alpweide im Sinne des Art. 17
EGG und des Art. 6 des bernischen EG zu diesem sei, ist eine Rechtsfrage,
da es sich um die Auslegung eines gesetzlichen Begriffes handelt; und
zwar ist sie eine Rechtsfrage des Bundesrechts, da Art. 17 EGG, der die
Rechtsgrundlage für den Erlass des Art. 6 EG bildet, den Begriff enthält,
der im kantonalen Recht der gleiche sein muss. Insoweit das kantonale
Recht über den ihm durch Art. 17 EGG gezogenen Rahmen hinausginge, wäre
es durch diesen nicht gedeckt und könnte keine Geltung beanspruchen. Das
EGG definiert den Begriff "Alpweide" nicht, und dieser lässt sich auch
nicht aus andern Bundesgesetzen ableiten. Der Hauptbestandteil der
Wortverbindung, das Wort "Weide", bedeutet zum Weiden des Viehs - im
Gegensatz zur Heugewinnung für die Winterfütterung - bestimmtes Land,
während das Bestimmungswort "Alp" voraussetzt, dass die Weide auf
einer gewissen Meereshöhe liege (über den Begriff Alp vgl. A. STRÜBY,
Die Alp- und Weidewirtschaft in der Schweiz, Solothurn 1914, S. 23 ff.;
F. SCHNEITER, Alpwirtschaft, Graz 1948, S. 231 ff.). Zum Begriff "Weide"
gehört an sich nur das Land, Gebäude sind nicht nötig. Dagegen wird man
für den Begriff "Alp, Alpweide" im wirtschaftlichen Sinne die für den
Alpbetrieb erforderlichen Baulichkeiten miterfordern, wozu die Alp- oder
Sennhütte gehört. Auf jeden Fall aber gehört zur Alp oder Alpweide, da
sie regelmässig nur im Sommer bewirtschaftet wird, nicht ein eigentliches
Wohnhaus. Nun aber weist das Hauptgebäude des Scheidzaunes, namentlich
auch angesichts seiner innern Einrichtung, zweifellos den Charakter eines
Wohnhauses, nicht mehr den einer blossen Sennhütte auf, und Ramseier
führte dort einen Ganzjahresbetrieb mit erheblichem eigenen Viehstand
und entsprechender Heugewinnung, mit Kartoffel- und sogar Getreidebau,
und wohnte mit seiner Familie das ganze Jahr dort. Es kann kaum einem
Zweifel unterliegen, dass der untere Scheidzaun mit dem Hauptgebäude,
dem eigenen Viehstand und den Nebenbetrieben (Getreide- und Kartoffelbau,
Schaf-, Schweine- und Hühnerhaltung) für sich allein betrachtet, trotz
der Berglage als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG
angesprochen werden müsste, während dem obern Teil, wäre er abgetrennt,
der Charakter einer Alpweide nicht bestritten werden könnte. Es handelt
sich mithin, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, um einen
ausgesprochenen Grenzfall.

    Wenn das Bundesgesetz solche Fälle gemischten Charakters nicht auch
noch mit besonderen Bestimmungen berücksichtigt hat, so liegt darin
keine Lücke des Gesetzes. Im Rahmen des bundesrechtlichen Begriffes der
"Alpweide" können die besonderen regionalen Verhältnisse hinsichtlich
der Besiedelungs- und Bewirtschaftungsformen der Berggebiete eine Rolle
spielen und bei der Subsumtion eines Grenzfalles berücksichtigt werden. Der
einheitliche Begriff schliesst nicht aus, dass in einem Kanton ein in
eine von jeher als Alpweide betriebene Bergliegenschaft im Laufe der Jahre
gleichsam hineingewachsenes Bergheimwesen die vorherrschende Eigenschaft
des Ganzen als einer Alpweide unverändert lässt, ohne dass damit für einen
andern Fall in einem andern Bergkanton mit vielleicht ganz anderen Formen
der alpinen Siedlung und Landwirtschaft ein Präjudiz geschaffen würde.

    Für die Beantwortung der Frage, unter welche der beiden in Betracht
fallenden Kategorien, Alpweide oder landwirtschaftliches Gewerbe,
der Grenzfall "Scheidzaun" zu subsumieren sei, hat die Vorinstanz
darauf abgestellt, was nach der Meinung der Experten von Merkmalen
der einen oder der andern Kategorie überwiege, und ist zum Ergebnis
des Überwiegens der Alpweide-Komponente gelangt. Die Beklagten wenden
demgegenüber ein, das Streitobjekt weise die typischen Merkmale eines
landwirtschaftlichen Heimwesens bzw. eines bäuerlichen Gewerbes auf,
wie sie in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umschrieben wurden;
was aber ein solches sei, könne keine Alpweide sein. Es erscheint
indessen nicht ausser jedem Zweifel, ob diese Abgrenzung so exklusiv
ist und ob sich nicht vielmehr Fälle denken lassen, wo sich die beiden
Kategorien überschneiden. Art. 6 Abs. 2 des bernischen EG bestimmt,
dass das Vorkaufsrecht (an Alpweiden) dahinfällt, wenn ein Verwandter
sein Vorkaufsrecht ausübt. Da nach Art. 6 mit Bezug auf Alpweiden nur
Körperschaften, keine natürlichen Personen vorkaufsberechtigt sind,
kann es sich bei dem konkurrierenden Vorkaufsrecht des Verwandten
nur um dasjenige gemäss Art. 6 EGG/Art. 3 EG an landwirtschaftlichen
Gewerben handeln; es ist offenbar an den Fall gedacht, wo eine Alpweide
einen wesentlichen Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes bildet und
vermöge dieses Zusammenhanges in der Konkurrenz der beiden Vorkaufsrechte
demjenigen des Verwandten am Heimwesen vor dem der Körperschaft an der
Alpweide der Vorzug zukommt. Ähnlich ist aber auch denkbar, dass beim
Verkauf eines gemischten Besitzes wie des Scheidzauns ein Verwandter
das Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG gestützt auf die tatsächlich ja auch
gegebene Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Betriebes, anderseits eine
Körperschaft dasjenige gemäss Art. 17 im Hinblick auf den vorwiegenden
Alpweidecharakter des ganzen Besitzes geltend machen würden, sodass die
beiden Vorkaufsrechte in Konkurrenz ständen. In diesem Falle kann sich
fragen, ob das Überwiegen des Alpcharakters des Ganzen die Bevorzugung des
Vorkaufsrechts an Alpweiden und die Verdrängung desjenigen am Heimwesen
zu rechtfertigen vermöchte, oder ob nicht das letztere in Ansehung der
ratio legis als das qualitativ stärkere geschützt werden müsste, wie es
Art. 6 Abs. 2 des bern. EG tut.

    So aber liegt die Sache hier nicht; es macht kein Verwandter das
Vorkaufsrecht auf das Heimwesen geltend, und die Gemeinde Eriz steht
mit ihrem Anspruch aus dem Titel der Alpweide allein den Kaufparteien
gegenüber. Wenn bei dieser Situation die Vorinstanz gestützt auf die
Gutachten auf den wirtschaftlich überwiegenden Betriebstypus abgestellt,
den Alpweidecharakter bejaht und das Vorkaufsrecht der klagenden Gemeinde
geschützt hat, kann von einer Verletzung von Bundesrecht nicht gesprochen
werden. Bei der Auslegung eines aus dem praktischen Leben herausgewachsenen
Rechtsbegriffes wird der Tatsachenrichter mit Recht nicht ohne Not von
der Auffassung der Fachleute abweichen, ebensowenig die Berufungsinstanz
vom Beweiswürdigungs- und Ermessensentscheid des kantonalen Gerichts. Bei
dieser Subsumtion kommt es übrigens weniger auf die Ertragsberechnungen in
Zahlen an, als auf den allgemeinen Charakter der ganzen Liegenschaft. Bis
1930 war der Scheidzaun zweifellos ein reiner Alpbetrieb. Seither ist
er in seinem oberen Teil ein solcher geblieben, während im untern Teil
ein Jahresbetrieb geschaffen wurde. Würden der obere und der untere
Scheidzaun voneinander getrennt, so ist klar, dass der obere als Alpweide,
der untere als Bergheimwesen betrachtet würden und bezüglich des obern
das Vorkaufsrecht nach Art. 17, bezüglich des untern das - hier nicht
geltend gemachte - nach Art. 6 EGG anwendbar wäre. Verkauft wurde aber
in casu das ganze Besitztum, und mit Bezug auf dieses Ganze wird das
Vorkaufsrecht geltend gemacht. Mit Bezug auf das ganze Besitztum aber ist
der Charakter als Alp durch die seit 1930 im untern Teil eingetretene
Änderung der Bewirtschaftung nicht geändert worden. Nach dem Gutachten
Tschumi entspricht die ursprüngliche und die gegenwärtige Nutzungsart
und Bewirtschaftungsweise derjenigen vieler hochgelegener Objekte
des Oberemmentals, wo auf zahlreichen Alpweiden das ganze Jahr ein
Hirt haust, der den Sommer über die fremden Sömmerungsrinder besorgt,
daneben eigenes Vieh halten kann, für dessen Überwinterung Dürrfutter
gewinnt und zur Selbstversorgung etwas Ackerbau betreibt. Auch wenn im
Eriz und im angrenzenden Emmental hinsichtlich der Betriebsformen alle
Übergänge vom eigentlichen Heimwesen zum Alpbetrieb vorkommen, so darf
nach den Experten mit Fug angenommen werden, dass es sich beim Scheidzaun
entsprechend den natürrlichen und betriebswirtschaftlichen Bedingungen
um eine solche Alpweide mit Hirtsystem handelt.

    Der Einwand der Beklagten, dass durch die Anwendung des Vorkaufsrechts
nach Art. 17 EGG dem Hauptgedanken des Gesetzes, nämlich der Erhaltung
bäuerlicher Betriebe, zuwidergehandelt würde, trifft auf den vorliegenden
Fall nicht zu. Die klagende Gemeinde Eriz macht ihr Vorkaufsrecht nicht
gegenüber einem bäuerlichen, sondern gegenüber einem ebenfalls kommunalen
Käufer, nämlich der Burgergemeinde Burgdorf geltend; und da kann keinem
Zweifel unterliegen, dass die Bejahung des Vorkaufsrechts im Sinne
der Landwirtschaftsgesetzgebung liegt, welche die Überführung privater
Alpweiden in das Eigentum der Gemeinden fördern will (Art. 17 Abs. 1
EGG), aber - nach Art. 6 des bern. EG - nicht auswärtiger Gemeinden,
sondern laut Ziff. 2 "der Gemeinde der gelegenen Sache" und gegenüber
"ausserhalb des Berggebietes" wohnenden Käufern. Art. 17 bezweckt, den
Bergbauern die für ihre Existenz unentbehrlichen Sömmerungsalpen dauernd
zu erhalten, da ohne Alpbestossung ein Kleinbetrieb im Tal meist nicht
wirtschaftlich existenzfähig wäre (JOST, Handkommentar zum EGG, Art. 17
N. 1). Die Schaffung von Gemeindealpen zur Nutzung der ortsansässigen
kleinen Bergbauern, die sich nicht eigene private Alpweiden leisten,
anderseits ihr Vieh nicht in die Ferne zur Sömmerung schicken könnten,
verfolgt zweifellos auch ethische, die Erhaltung landwirtschaftlicher
Heimwesen fördernde Zwecke. Die Gemeinde, in deren Gebiet die Alpweide
liegt und die ihrer in diesem Sinne für ihre eigenen selbständigen Bauern
bedarf, verdient nach Sinn und Geist des Gesetzes den Vorzug vor einer
auswärtigen Stadt, die in erster Linie eine Kapitalanlage sucht.

    Der Hinweis darauf, mit dem Schutz des Vorkaufsrechts der Gemeinde Eriz
werde das Pionierwerk des Verkäufers Ramseier dem Untergang geweiht, ist
unbehelflich. Die Frage, ob das Alpheimwesen auf dem untern Scheidzaun als
solches weiter ganzjährig betrieben werde, ist durchaus offen; die Gemeinde
Eriz kann es so gut wie die Gemeinde Burgdorf an einen Landwirt verpachten,
der das Heimwesen in der bisherigen Weise betreibt und daneben das Vieh
seiner Erizer Gemeindegenossen sömmert. Es steht keineswegs fest, dass
der Scheidzaun in der Hand der Klägerin wieder zu einer ausschliesslichen
Alpweide und das Wohnhaus zu einer Alphütte absinke.

    Noch weniger ist der Einwand am Platze, der Beklagte Ramseier
persönlich habe dieses Schicksal seines Werkes nicht verdient. Der
Verkäufer wird durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in seiner Freiheit
und seinen Interessen nicht berührt. Er war frei zu entscheiden, ob
er den Scheidzaun ungeteilt als Ganzes oder nur einen Teil oder beide
Teile getrennt verkaufen wollte. Er hat nicht an eine ihm nahestehende
Person verkauft, und keine solche macht ein Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG
geltend. Er erhält von der Klägerin den Preis, den er von der Käuferin
erhielte.

    Es muss mithin bei der Subsumtion der Vorinstanz sein Bewenden haben.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 10 lit. b EGG unterliegen dem Vorkaufsrecht nicht
"Rechtsgeschäfte, die zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger
oder kultureller Aufgaben abgeschlossen werden oder dem Ersatz von
Liegenschaften dienen, die für solche Zwecke verkauft worden sind". Die
Burgergemeinde Burgdorf ruft diese Bestimmung an mit dem Hinweis darauf,
sie habe seit 1931 für die Erfüllung solcher Aufgaben 19,77 ha Land
veräussert, ohne dafür Ersatz gefunden zu haben.

    Die Vorinstanz hat die - unter den Parteien ebenfalls streitige -
grundsätzliche Frage offen gelassen, ob diese Bestimmung des Art. 10
EGG in Ansehung ihrer Stellung im Gesetze - vor dem Art. 17 betreffend
Alpweiden - und der Verweisung darauf in Art. 6 Abs. 3 lit. b überhaupt
auf das Vorkaufsrecht gemäss Art. 17 anwendbar sei, weil selbst im
Falle der Anwendbarkeit die Voraussetzung des Ersatzerwerbes hier fehle.
Dieser Auffassung ist beizupflichten. Bei der Auslegung der gleichlautenden
Voraussetzungen in Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG betreffend Nichtanwendbarkeit
des Einspruchsverfahrens hat das Bundesgericht entschieden, es genüge
nicht, dass der Erwerb der öffentlichen Hand lediglich im Hinblick
auf noch unbestimmte öffentliche Bedürfnisse, wie Schaffung einer
Landreserve, getätigt werde, vielmehr sei eine Widmung für konkrete,
bestimmte Zwecke gemeint (BGE 80 I 413 E. 4, 83 I 70 E. 2). Ein solcher
enger, konkreter Zusammenhang muss auch beim Ersatzerwerb im Sinne von
Art. 10 verlangt werden. In der Tat liegt - unter Berücksichtigung des
Zweckes des Gesetzes - im Sinn des Wortes Ersatz das Erfordernis, dass
das Ersatzgrundstück seiner Natur nach gleiche oder mindestens ähnliche
Eigenschaften aufweise und zu einem analogen kommunalen Zwecke verwendbar
sei wie das zu ersetzende Land. Es leuchtet nun nicht ein, inwiefern
die Erwerbung des Scheidzauns im Eriz im Bezirke Thun, in mehr als 40
km Entfernung von Burgdorf, dieser Burgergemeinde als Ersatz dienen
könnte für Land, das sie im Laufe der letzten 25 Jahre für städtische
Zwecke abgegeben haben mag, in der Hauptsache an die Einwohnergemeinde
Burgdorf und an Burgdorfer Baugenossenschaften, also im Stadtgebiet
gelegene Baugrundstücke. Die Exemptionsbestimmung des Art. 10 EGG kann
keinesfalls den Sinn haben, dass den Gemeinden ein Privileg für die
blosse Wiederinvestierung freigewordener Kapitalien in Liegenschaften
verschafft werden soll. Als "Ersatz" für abgegebene Grundstücke können nur
solche in Betracht kommen, die nach Lage und Beschaffenheit gerade das,
was weggegeben werden musste, hinsichtlich der speziellen Funktionen
desselben im Gemeindehaushalt zu ersetzen geeignet sind. Veräussertes
Bauland im Stadtgebiet von Burgdorf kann in diesem funktionellen Sinne
nicht durch eine Alpweide mit Bergheimwesen im hintersten Emmental auf
1200-1400 m ü.M. ersetzt werden. Und so weit die Burgergemeinde Burgdorf
den Scheidzaun selber zu Weidzwecken zu verwenden beabsichtigen sollte,
hat eben die Gemeinde der gelegenen Sache nach Art. 6 bern. EG das Vorrecht
vor der Stadt im Unterland.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern vom 3. Juli 1957 bestätigt.