Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 III 67



84 III 67

18. Entscheid vom 4. September 1958 i.S. D. Regeste

    Betreibungsart. Im Falle eines gesetzlichen Grundpfandrechts,
das auf kantonalem Recht beruht (vgl. Art. 836 ZGB), kann dieses das
Recht des Schuldners, den Gläubiger vorerst auf das Pfand zu verweisen
(Art. 41 Abs. 1 SchKG; beneficium excussionis realis), von vornherein
ausschliessen oder zulassen, dass der Gläubiger dem Dritteigentümer des
Pfandes verspricht, er werde dieses erst nach dem eigenen Vermögen des
Schuldners in Anspruch nehmen.

Sachverhalt

    A.- Am 15. November 1956 trat Frau D. ihren durch Erbgang
erworbenen Anteil an einer Liegenschaft in Zürich 1 an ihre Miterben
ab. Diese verpflichteten sich ihr gegenüber solidarisch zur Zahlung der
Grundstückgewinnsteuer, für die nach § 162 des zürcherischen Gesetzes über
die direkten Steuern vom 8. Juli 1951 (StG) der Veräusserer steuerpflichtig
ist. In der Folge verkauften sie die erwähnte Liegenschaft an S. und
H., die sie an Z. weiterveräusserten. Am 12. September 1957 setzte
die Steuerbehörde die aus diesen drei Handänderungen sich ergebenden
Grundstückgewinnsteuern fest. Frau D. hatte darnach Fr. 7087.50 zu
zahlen. Am 25. September 1957 brachte das Steueramt der Stadt Zürich
das Ergebnis der Steuerveranlagung dem Z. zur Kenntnis, der schon durch
den Notar und ein Schreiben des Steueramts vom 12. März 1957 darauf
aufmerksam gemacht worden war, dass die von ihm erworbene Liegenschaft
gemäss Gesetz (§ 157 StG und § 1941it. e des zürcherischen EG zum ZGB)
für die fraglichen Steuern hafte. Z. antwortete am 30. Oktober 1957,
die Mitteilung über die Steuer von Fr. 7087.-- berühre ihn nicht; diese
könne nur die Erben D. betreffen. Hierauf erklärte ihm das Steueramt am
2. November 1957 erneut, dass die Liegenschaft auch für die Steuer der
Frau D. hafte, fügte jedoch bei: "Selbstverständlich werden wir uns in
erster Linie an die eigentliche Steuerschuldnerin halten."

    B.- Im März 1958 leitete das Steueramt gegen Frau D. für den
Steuerbetrag von Fr. 7087.50 die ordentliche Betreibung auf Pfändung oder
Konkurs ein. Zugleich liess es das gesetzliche Grundpfandrecht für diesen
Betrag gemäss § 195 EG ins Grundbuch eintragen.

    Die Beschwerde, mit der Frau D. unter Berufung auf Art. 41 Abs. 1
SchKG die Aufhebung der gegen sie angehobenen Betreibung verlangte,
ist von der untern Aufsichtsbehörde gutgeheissen, von der kantonalen
Aufsichtsbehörde dagegen mit Entscheid vom 12. Juli 1958 abgewiesen worden.

    C - Mit dem vorliegenden Rekurs an das Bundesgericht erneuert Frau
D. ihr Beschwerdebegehren. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist
den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    Art. 41 Abs. 1 SchKG bestimmt, für pfandgesicherte Forderungen werde
die Betreibung auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden
Schuldner durch Verwertung des Pfandes fortgesetzt. Dies bedeutet,
dass der Schuldner einer pfandgesicherten Forderung (von den hier nicht
gegebenen Ausnahmefällen der Art. 177 und 41 Abs. 2 SchKG abgesehen)
grundsätzlich berechtigt ist, den Gläubiger zunächst auf das Pfand zu
verweisen und sich einer ordentlichen Betreibung, mit welcher dieser
sogleich die Haftung seines gesamten Vermögens geltend machen will, zu
widersetzen. Das beneficium excussionis realis, das dem Schuldner einer
pfandgesicherten Forderung damit gewährt wird, ist jedoch nicht etwa im
öffentlichen Interesse oder zur Wahrung der Interessen von am Schuld-
und Pfandverhältnis nicht beteiligten Dritten geschaffen worden. Ob der
Gläubiger sich in erster Linie an das Pfand halten müsse oder das Recht
oder gar die Pflicht habe, vor der Pfandsicherheit die allgemeine Haftung
des Schuldnervermögens in Anspruch zu nehmen, ist vielmehr eine Frage,
die nur den Gläubiger, den Schuldner und einen allfälligen Dritteigentümer
des Pfandes angeht. Wie die Pfandbestellung im Belieben der Beteiligten
steht, können diese auch frei vereinbaren, in welchem Verhältnis die
Pfandhaftung zur Haftung des Gesamtvermögens des Schuldners stehen
soll. Das in Art. 41 Abs. 1 SchKG vorgesehene beneficium excussionis
realis ist also nicht unabdingbar, sondern der Schuldner kann zum voraus
darauf verzichten, und wenn das Pfand einem Dritten gehört, kann der
Gläubiger mit diesem bei der Pfandbestellung oder auch später mit oder
ohne Zustimmung des Schuldners vereinbaren, dass das Pfand bloss subsidiär
(nach dem Vermögen des Schuldners) haften soll (vgl. zu alledem namentlich
BGE 58 III 59, 68 III 133, 73 III 15/16). Die von der Vorinstanz sehr
einlässlich erörterte Entstehungsgeschichte von Art. 41 SchKG vermag,
wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, diese von der Rechtsprechung
aus den Grundprinzipien und dem Zweck der gesetzlichen Ordnung gezogenen
Schlüsse nicht zu entkräften.

    Handelt es sich wie hier um ein gesetzliches Pfandrecht, das auf
kantonalem Recht beruht, so wird dieses durch das Bundesrecht nicht
gehindert zu bestimmen, dass der Gläubiger vor der Pfandhaftung die
allgemeine Haftung des Vermögens des Schuldners geltend machen könne
oder allenfalls sogar müsse, so wenig wie das Bundesrecht im Falle
des vertraglichen Pfandrechts in diesem Sinne lautende Vereinbarungen
verbietet. Insbesondere kann das kantonale Recht solche Bestimmungen für
den Fall aufstellen, dass das Pfand im Eigentum eines Dritten steht. Sieht
es für derartige Verhältnisse nicht allgemein die bloss subsidiäre
Haftung des Pfandes vor, so kann es doch zulassen, dass der Gläubiger
dem Dritteigentümer des Pfandes im einzelnen Fall verspricht, er werde
dieses erst nach dem eigenen Vermögen des Schuldners in Anspruch nehmen.

    Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Vorinstanz aus Sinn und Zweck
der zürcherischen Vorschriften über die Grundstückgewinnsteuer und das
gesetzliche Pfandrecht hiefür abgeleitet, der Steuerschuldner könne nicht
verlangen, dass der Steuergläubiger sich zuerst an das (der Natur der
Sache nach nie dem steuerpflichtigen Veräusserer, sondern immer einem
Dritten gehörende) Pfand halte; vielmehr habe das Gemeinwesen die Wahl
zwischen der Grundpfandbetreibung und der ordentlichen Betreibung. Diese
Auslegung des kantonalen Rechts ist für das Bundesgericht massgebend. Vom
Gesichtspunkt des Bundesrechts aus, dessen Anwendung das Bundesgericht nach
Art. 81 und 43 OG allein überprüfen kann, ist eine solche Regelung wie
gesagt zulässig. Schon deswegen kann der Rekurs, mit dem die Rekurrentin
die Aufhebung der gegen sie eingeleiteten ordentlichen Betreibung verlangt,
nicht geschützt werden.

    Dazu kommt aber noch, dass das Steueramt dem Dritteigentümer des
Grundpfandes mit Schreiben vom 2. November 1957 zugesichert hat, es werde
sich in erster Linie an die "eigentliche Steuerschuldnerin", d.h. an die
Rekurrentin halten. In dieser vom Steueramt schon in der Vernehmlassung an
die untere Aufsichtsbehörde und im Rekurs an die Vorinstanz erwähnten,
von der Vorinstanz indessen übergangenen Zusicherung liegt die
unzweideutige Erklärung, dass das Steueramt sich mit der subsidiären
Haftung des Grundpfandes begnüge. Dass der Pfandeigentümer mit dieser -
ihm entgegenkommenden - Erklärung einverstanden war, versteht sich von
selber. Dafür, dass das kantonale Recht dem Steuergläubiger die Abgabe
solcher Zusicherungen verbiete, bestehen keine Anhaltspunkte. Indem das
Steueramt dem Dritteigentümer am 21. Februar 1958 - mit einem Formular -
u.a. mitteilte, es werde Betreibung auf Grundpfandbetreibung einleiten,
wenn die Schuldnerin bis zum 8. März 1958 nicht zahle, konnte es das
dem Dritteigentümer am 2. November 1957 abgegebene Versprechen nicht
rückgängig machen. Im Hinblick auf diese rechtsgeschäftliche Zusicherung
wäre also der Rekurs nach der Praxis zu Art. 41 SchKG (insbesondere nach
dem von der Vorinstanz nicht erwähnten Entscheide BGE 68 III 133) selbst
dann abzuweisen, wenn dem in diesem Punkte massgebenden kantonalen Recht
nicht zu entnehmen wäre, dass der Schuldner der Grundstückgewinnsteuer
sich in keinem Falle auf das beneficium excussionis realis berufen
kann. Ausserdem hat die in Frage stehende Zusicherung zur Folge, dass es
dem Steueramt entgegen der Auffassung der Vorinstanz im vorliegenden
Falle nicht mehr freisteht, anstelle der angehobenen ordentlichen
Betreibung jetzt schon eine Grundpfandbetreibung einzuleiten, sondern
dass der Dritteigentümer des Pfandes sich diesem Vorgehen mit Erfolg
widersetzen könnte.

    Die Abmachung zwischen der Rekurrentin und ihren unmittelbaren
Rechtsnachfolgern, dass diese die nach Gesetz sie (die Rekurrentin)
treffende Grundstückgewinnsteuer zu bezahlen haben, kann auf die
Rechtsstellung des Steuergläubigers keinen Einfluss haben.