Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 III 62



84 III 62

17. Entscheid vom 4. September 1958 i.S. Sch. Regeste

    Verbot der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten. Art.  1731 ZGB.

    Diesem Verbot untersteht nicht die Betreibung durch einen Zessionar des
Ehegatten des Betriebenen. Vorbehalten bleibt die gerichtliche Beurteilung
zivilrechtlicher Einreden infolge Rechtsvorschlages, insbesondere der
Einrede, die Zession sei unerlaubterweise zur Umgehung jenes Verbotes
vorgenommen worden, oder die Ehefrau sei nach Güterrecht zur Zession
nicht befugt gewesen. "Offenkundige" Ungültigkeit des Rechtserwerbes des
Zessionars in casu verneint (Erw. 2).

    Auslegung des Kostendispositivs des die Scheidungsklage abweisenden
Urteils, wonach der Kläger die Anwaltsrechnung der beklagten Ehefrau zu
bezahlen hat (Erw. 1).

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 30.  September 1957
die Scheidungsklage des Rekurrenten abgewiesen und ihn verpflichtet,
"die Anwaltsrechnung der Beklagten für beide Instanzen zusammen bis
zum Höchstbetrage von Fr. 2'000.-- zu bezahlen". Fr. 800.-- davon waren
schon durch vom Kläger geleistete Vorschüsse gedeckt. Den Rest von Fr.
1'200.-- trat die Ehefrau ihrem Anwalt Dr. S. zahlungshalber zur Tilgung
seiner (höhern) Restforderung ab. Hierauf betrieb Dr. S. den Rekurrenten
in eigenem Namen "gemäss Zession".

    B.- Der Rekurrent verlangte mit Beschwerde die Nichtigerklärung der
Betreibung wegen Verstosses gegen das Verbot der Zwangsvollstreckung
unter Ehegatten (Art. 173 I ZGB), wurde aber von beiden kantonalen
Aufsichtsbehörden abgewiesen.

    Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid vom 25. Juli 1958 in erster
Linie damit, dass der Rekursgegner einer Zession gar nicht bedurft hätte,
sondern ohne weiteres, als Anwalt der obsiegenden Ehefrau, die dieser
zugesprochene Anwaltsentschädigung hätte in eigenem Namen einfordern
können. Die vom Obergericht gewählte Formulierung "... die Anwaltsrechnung
der Beklagten ... zu bezahlen" bedeute sachlich nichts anderes als - wie
es das Bezirksgericht ausgedrückt hatte - "... den Anwalt der Beklagten
... zu entschädigen". Diese Verpflichtung zu direkter Zahlung an den Anwalt
sei, wie in BlZR 50 Nr. 124 eingehend begründet, zulässig und gültig; sie
stelle keine Umgehung der Vorschrift von Art. 173 I ZGB dar. - Im übrigen
bejaht die Vorinstanz die Zulässigkeit der Betreibung auch für den Fall,
dass Dr. S. nur kraft Zession den Anspruch geltend machen könnte. Die der
Ehefrau zugesprochene Prozessentschädigung bilde offenbar einen Bestandteil
ihres Sondergutes. Über dieses könne sie durch Abtretung verfügen. Auch
in solcher Abtretung sei, mit der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung,
eine Umgehung des Vollstreckungsverbotes nicht zu erblicken.

    C.- Mit seinem Rekurs beharrt Sch. auf dem Begehren, die Betreibung
sei nichtig zu erklären. Er bestreitet, unter Hinweis auf BGE 84 III 4,
dass Dr. S. kraft eigenen Rechts hätte betreiben können. Er könne dies
aber auch kraft der Zession nicht tun, da seine Betreibung offensichtlich
auf eine Umgehung des Vollstreckungsverbotes hinauslaufe.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das obergerichtliche Kostendispositiv im Scheidungsprozess gibt,
entgegen der Ansicht der Vorinstanz, dem Anwalt der Ehefrau keinen direkten
Anspruch gegen den Kläger. Aus der diesem auferlegten Verpflichtung, die
Anwaltsrechnung der Beklagten zu bezahlen, erwächst lediglich ihr selbst
ein Recht, die Deckung ihrer Anwaltskosten vom Kläger zu fordern. Auf
diese Forderung könnte die Beklagte - z.B. mit Rücksicht auf die Lage des
Mannes oder im Interesse des Ehefriedens - verzichten und ihren Anwalt
selber bezahlen, sofern ihr dies finanziell möglich wäre. Der Anwalt
hätte kein Recht, ihre Zahlung zurückzuweisen und selbständig den Mann
zu belangen. Auch im Fall BGE 84 III 1 ff., wo die Nichtigkeit der von
einer Ehefrau angehobenen Betreibung festgestellt wurde, enthielt das
Gerichtsurteil übrigens die gleiche Formulierung (vgl. dort S. 2 und
5). Wenn die Vorinstanz das Kostendispositiv anders auffasst, so ist das
nicht die verbindliche Feststellung des Willens des Obergerichts als eines
"innern Tatbestandes" (Art. 43 III, 63 II, 81 OG), sondern, wie sich aus
ihren Erwägungen S. 3 ergibt, eine rechtliche Auslegung. Daran ist das
Bundesgericht nicht gebunden (Art. 43 IV, 63 III OG.).

Erwägung 2

    2.- Fällt somit als Grundlage der Gläubigerstellung des Dr. S. nur
die Zession in Betracht, so besteht aber gleichwohl kein Grund, die von
ihm angehobene Betreibung als nichtig zu erklären.

    a) Das aus Art. 173 I ZGB herzuleitende betreibungsrechtliche Verbot
betrifft nur die Betreibung unter Ehegatten. Stehen einander in einer
Betreibung nicht Ehegatten gegenüber, wie hier, so liegt der verbotene
Sachverhalt nicht vor. Dem Verbot auch die vom Zessionar eines Ehegatten
angehobene Betreibung zu unterstellen, ist weder nach dem Wortlaut jener
Vorschrift gerechtfertigt noch aus ihrem Zweck zu folgern, wie in BGE 49
III 164 dargetan wird. Freilich mag sich die vom forderungsberechtigten
Ehegatten vorgenommene Zession unter Umständen als rechtsmissbräuchlich,
weil auf Umgehung des ihm selbst entgegenstehenden Vollstreckungsverbotes
angelegt, erweisen. Ob die Zession aus diesem Gesichtspunkt als ungültig
zu erachten sei, ist aber eine der gerichtlichen Entscheidung vorbehaltene
Frage des Zivilrechts. Will der Betriebene diese Einwendung erheben, so
hat er Recht vorzuschlagen, um im Forderungsprozess die Gültigkeit des
Rechtserwerbes des Betreibenden bestreiten zu können. - Dem erwähnten
Präjudiz entsprechend, erklärt denn auch ein Entscheid vom 21. Oktober
1938 i.S. Waller die Anrufung des Art. 173 I ZGB gegenüber einem Zessionar
des anfänglich forderungsberechtigten Ehegatten auf dem Beschwerdeweg als
schlechthin unzulässig, indem er ausführt: "Da nicht die Ehefrau selbst,
sondern ein Dritter auf eigenen Namen die Betreibung gegen den Ehemann
angehoben hat, kann das Verbot der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten
nicht angerufen werden. Welche Wirkung der Forderungsabtretung der
Ehefrau zukommt, auf die sich die betreibende Bank beruft, insbesondere
ob es sich hiebei um ein Umgehungsgeschäft handelt, ist eine Frage des
Forderungsrechtes, die nicht auf dem Beschwerdeweg, sondern einzig vom
Richter auf Rechtsvorschlag des Betriebenen hin beurteilt werden kann."

    Der Rekurrent meint freilich, im vorliegenden Falle sei
die Umgehungsabsicht so offenkundig, dass dem Rekursgegner der
Betreibungsweg ohne weiteres von den Aufsichtsbehörden verschlossen
zu werden verdiene. Dem ist jedoch nicht beizustimmen. Einmal ist
fraglich, ob die Zession nicht überhaupt als erlaubtes Mittel zur
Vermeidung der von Art. 173 I ZGB für das Vollstreckungsverfahren
verpönten Parteikonstellation anzuerkennen sei, so dass selbst eine rein
fiduziarische Zession zulässig, die "Umgehung" des Verbotes also gar nicht
zu beanstanden wäre. Aber auch angenommen, der forderungsberechtigte
Ehegatte würde "in fraudem legis agere", wenn er die Forderung einem
Dritten abtritt, nicht um ihm als seinem Gläubiger den Betrag zu
verschaffen, sondern nur, um zu seinem eigenen Vorteil eine Betreibung
möglich zu machen und sich deren Ergebnis auszahlen zu lassen, wäre im
vorliegenden Fall der Vorwurf offenkundigen Rechtsmissbrauches nicht am
Platze. Hat man es doch angesichts der (abgesehen vom Vorschussbetrag von
Fr. 800.--) noch unbeglichenen Anwaltsrechnung und der "zahlungshalber"
ausgestellten Zession nicht mit einer solchen Machenschaft zu tun.

    b) Ob Frau Sch. nach den Regeln der Güterverbindung befugt war,
über die ihr gerichtlich zuerkannte Prozessentschädigung zu verfügen,
muss ebenfalls der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten bleiben.
Übrigens sprechen gewichtige Gründe dafür, eine solche Kostenforderung
als Bestandteil des Sondersgutes zu betrachten, über das die Ehefrau
ohne Zustimmung des Ehemannes verfügen kann (vgl. namentlich F. GUISAN,
Journal des Tribunaux 1931 II S. 166, 1932 II S. 96). In der Tat erscheint
die Prozessentschädigung nicht als ein der darauf berechtigten Ehefrau
"unentgeltlich" zugefallener Vermögenswert, der ihrem eingebrachten Gute
zuzurechnen wäre (Art. 195 I ZGB). Viel eher lässt sie sich analogieweise
einem Arbeitserwerb gleichstellen, der von Gesetzes wegen Sondergut ist
(Art. 191 Ziff. 3 ZGB); denn die Ehefrau hat den Anspruch darauf mit
der Führung des Prozesses, unter Beizug des Anwaltes als einer von ihr zu
bezahlenden Hilfsperson, gewissermassen "erarbeitet". Im übrigen drängt es
sich auf, der Ehefrau als Ausfluss ihrer Prozessfähigkeit nach Art. 168
I ZGB grundsätzlich die Befugnis zu selbständiger Verfügung über eine
ihr zuerkannte Prozessentschädigung zuzugestehen. Nach alldem kann von
"offenkundig" ungültigem Rechtserwerb des Zessionars nicht die Rede sein,
und es fehlt daher an einem zureichenden Grund, ihm im Beschwerdeverfahren
das Recht zur Anhebung der Betreibung "gemäss Zession" abzusprechen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.