Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 III 29



84 III 29

10. Entscheid vom 25. April 1958 i.S. X. Regeste

    Lohnpfändung zugleich für eine Alimenten- und eine gewöhnliche
Betreibung ohne Berücksichtigung der laufenden, das Existenzminimum voll
in Anspruch nehmenden Alimentenverpflichtung: Aus den Lohneingängen ist
vorab die Ah.mentenbetreibung zu befriedigen.

Sachverhalt

    A.- Der Schuldner A. wurde von Dr. X. für eine Zahnarztrechnung von
Fr. 560.-- und kurz darauf von seiner geschiedenen Frau für Kinderalimente
von Fr. 210.-- pro Monat im rückständigen Totalbetrage von Fr. 630.--
betrieben. Am 28. September 1957 vollzog das Betreibungsamt für die
beiden zu einer Gruppe vereinigten Betreibungen eine Lohnpfändung von Fr.
200.-- im Monat, ausgehend von einem Existenzminimum von Fr. 330.--
(ohne die Alimentenverpflichtung) und einem Lohn von Fr. 530.--. In der
Folge setzte das Betreibungsamt die Lohnpfändung auf Fr. 180.-- herab. In
der Pfändungsurkunde vermerkte es, dass die Lohneingänge vorab für die
Alimentenbetreibung zu verwenden seien. So verfuhr das Betreibungsamt denn
auch, sodass Dr. X. leer ausging. Im Januar 1958 führte dieser deswegen
Beschwerde mit dem Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, die von
jetzt an eingehenden Lohnquoten vollumfänglich ihm zuzuteilen, bzw., laut
Begehren vor der oberen Aufsichtsbehörde, die seit dem Pfändungsvollzug
angesammelten Beträge gemäss Art. 144 SchKG proportional auf die beiden
Betreibungen zu verteilen.

    B.- Beide Aufsichtsbehörden haben die Beschwerde abgewiesen. Die
obere führt aus, Alimentenforderungen für eine höchstens ein Jahr
zurückliegende Zeitspanne gehörten zum Zwangsbedarf des Schuldners.
Hätte das Betreibungsamt anlässlich des Pfändungsvollzugs bei Berechnung
des Zwangsbedarfs die Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 210.--
berücksichtigt, so hätte der Zwangsbedarf das Einkommen überstiegen und
es wäre überhaupt keine Lohnpfändung für den Beschwerdeführer möglich
gewesen. Auf die gepfändete Lohnquote von Fr. 200.-- (bzw. in der Folge
Fr. 180.--) habe somit ausschliesslich die Alimentengläubigerin für
ihre Betreibung Anspruch. Einen Verlustschein habe das Betreibungsamt
dem Beschwerdeführer bei dieser Sachlage beim Pfändungsvollzug nicht
auszustellen gehabt, da die Alimentengläubigerin für ihre damals in
Betreibung gesetzte Forderung von Fr. 630.-- lange vor Ablauf des
Lohnpfändungsjahres befriedigt gewesen, sodass dann - ohne eine neue
Alimentenbetreibung - auch der Beschwerdeführer noch zum Zuge gekommen
wäre.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs hält der Beschwerdeführer an seinem
Begehren fest. Er führt aus, da die Pfändung zugunsten seiner Betreibung
Nr. 3890 bis zu Ende des Pfändungsjahres in Kraft stehe, seien die
Eingänge, nach Deckung der Alimentenbetreibung Nr. 3953, seiner Betreibung
gutzuschreiben und zwar bevor sie später vollzogenen, nachgehenden
Pfändungen zugewiesen würden. Es gehe nicht an, bei Festsetzung des
Existenzminimums bei der Pfändung die Alimentenforderung nicht zu
berücksichtigen, sie dann aber bei der Verteilung einzukalkulieren und
den gewöhnlichen Gläubiger einfach beiseite zu lassen und die Lohneingänge
späteren, nachgehenden Gläubigern zuzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltsbeiträge an
Familienmitglieder bei der Ermittlung des Existenzminimums des
Schuldners als Notbedarfsausgaben mit zu berücksichtigen, soweit der
Alimentengläubiger die Beiträge zur Bestreitung seines Unterhaltes
wirklich benötigt und vorausgesetzt, dass der Schuldner sie auch
tatsächlich bezahlt. Der Privilegierung der Alimentenforderungen vor
gewöhnlichen Forderungen muss jedoch auch in Hinsicht auf den Zeitpunkt
erfolgter Lohnpfändungen Rechnung getragen werden. Grundsätzlich muss
sich allerdings der eine Lohnpfändung verlangende Alimentengläubiger eine
früher vollzogene Lohnpfändung zugunsten eines gewöhnlichen Gläubigers
entgegenhalten lassen. Ist jedoch bei der früheren Lohnpfändung die
Alimentenschuld nicht berücksichtigt worden und wird nun hinterher diese
in Betreibung gesetzt, muss das Betreibungsamt in der neuen Betreibung
den Betrag pfänden, auf den es diese Beitragspflicht bei Festsetzung
der pfändbaren Lohnquote in der ersten Betreibung geschätzt hätte. Diese
Rechtsprechung geht von dem Grundsatze aus, dass dem Alimentengläubiger
immer der für seinen Unterhalt notwendige Betrag vorbehalten werden muss,
sogar trotz den zugunsten gewöhnlicher Gläubiger bestehenden Lohnpfändungen
(BGE 80 III 65 = Praxis Bd. 43 S. 395 f.).

    Im vorliegenden Fall muss dies umso mehr gelten, als zugunsten des
Rekurrenten nicht eine frühere, die Alimentenschuld nicht berücksichtigende
Lohnpfändung besteht, sondern die am 28. September 1957 vollzogene
zugleich für die Alimenten- und die gewöhnliche Betreibung erfolgte. Aus
den eingehenden Lohnquoten war daher, wie es das Betreibungsamt schon in
der Pfändungsurkunde angeordnet hat, vorab die Alimentenbetreibung zu
befriedigen. Diese ging damals nur auf Fr. 630.--. Dieser Betrag wäre
also aus der Lohnpfändung in vier Monaten gedeckt gewesen und nachher
bis zum Ablauf des Pfändungsjahres der Rekurrent mit seiner Forderung
zur Befriedigung an die Reihe gekommen, vorausgesetzt freilich, dass
der Schuldner die weiterhin laufenden Alimente nicht bezahlte und
die Alimentengläubigern die neu auflaufenden Beträge nicht wieder
in Betreibung setzte. Es stand mithin damals noch keineswegs fest,
dass der Rekurrent bis zum Ablauf des Lohnpfändungsjahres für seine
Forderung nicht würde befriedigt werden, weshalb das Betreibungsamt auch
keinen Verlustschein auszustellen hatte. Sobald allerdings entweder der
Schuldner die Unterhaltsbeiträge bezahlt oder von der Gläubigerin dafür
betrieben wird, gehen die Lohnpfändungen hiefür derjenigen für eine
gewöhnliche Forderung vor. Findet infolgedessen der Rekurrent bis zum
Ablauf des Jahres nicht Befriedigung und auch nicht die Möglichkeit, eine
neue, nicht zufolge einer konkurrierenden Alimentenbetreibung erfolglose
Lohnpfändung vornehmen zu lassen, so wird das Betreibungsamt ihm dannzumal
den Verlustschein nicht vorenthalten können.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.