Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 84 III 21



84 III 21

7. Entscheid vom 29. Januar 1958 i.S. O. Regeste

    Unpfändbarkeit eines Genossenschaftsanteils? Der statutarische
Ausschluss der Übertragung und Verpfändung hindert die Pfändung nicht.

Sachverhalt

    Am 23. August 1957 pfändete das Betreibungsamt Winterthur I in einer
Betreibung gegen O. dessen Anteil am Vermögen einer Wohngenossenschaft
"bezw." dessen Rechte aus sechs Anteilscheinen und forderte ihn auf,
diese dem Amte abzugeben. Am 4. September 1957 wiederholte es seine
Aufforderung. Gegen diese Verfügung wie auch gegen die Pfändung
selber führte der Schuldner Beschwerde mit der Begründung, Art. 11 der
Genossenschaftsstatuten schliesse die Übertragung und Verpfändung der
Anteilscheine aus, so dass diese auch nicht pfändbar seien. Von der untern
und am 10. Januar 1958 auch von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde
abgewiesen, beantragt er mit seinem Rekurs an das Bundesgericht wie im
kantonalen Verfahren die Freigabe der gepfändeten Anteilscheine.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass die Pfändbarkeit eines
Vermögensgegenstandes, vom besondern Falle der unentgeltlichen Bestellung
einer Leibrente zugunsten eines Dritten abgesehen (Art. 519 Abs. 2 OR
und Art. 92 Ziff. 7 SchKG), nicht durch privatrechtliche Abmachungen
ausgeschlossen werden kann, insbesondere auch nicht dadurch, dass ein
Anspruch durch einen Vertrag oder die Statuten einer juristischen Person
als unübertragbar und unverpfändbar erklärt wird (vgl. BGE 64 III 9). In
den vom Rekurrenten angerufenen Entscheiden BGE 39 I 261 und 60 III 225/26
wurde freilich gesagt, die Pfändung von Rechten, die nach Zivilrecht nicht
veräusserlich, also nicht auf Dritte übertragbar sind, sei unzulässig,
bzw. ein Recht sei nur insoweit pfändbar, als es übertragbar sei. Allein
abgesehen davon, dass dieser Grundsatz durch BGE 64 III 3 Erw. 2 und 64 III
9 Erw. 2 eine wesentliche Einschränkung erfahren hat, wurden in BGE 39
I 261 und 60 III 225/26, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, nur solche
Rechte als unpfändbar betrachtet, deren Übertragung durch das Gesetz oder
die Natur des Rechtsverhältnisses in klarer Weise ausgeschlossen wird. Im
ersten Entscheid wurde der Anspruch des Ehemanns auf Beiträge der Frau
an die ehelichen Lasten (Art. 246 ZGB) als unpfändbar erklärt, weil er
seiner Natur nach unzweifelhaft nur dem Ehemann selber zustehen kann,
wogegen im zweiten Entscheide die Pfändung eines Kaufsrechts zugelassen
wurde, von dem nicht ausser allem Zweifel stand, dass es im Hinblick
auf die Person des Berechtigten eingeräumt worden und daher seiner
Natur nach unübertragbar war. Dass ein Anspruch deshalb nicht gepfändet
werden dürfe, weil er vertraglich oder statutarisch als unübertragbar
und unverpfändbar bezeichnet wurde, lässt sich den erwähnten Entscheiden
keineswegs entnehmen.

    Der gepfändete Genossenschaftsanteil ist weder von Gesetzes wegen
noch der Natur der Sache nach unübertragbar, sondern wird bloss durch
die Genossenschaftsstatuten, also durch privaten Akt, als unübertragbar
bezeichnet, was nach dem Gesagten seine Pfändung nicht ausschliesst. Aus
dem Zivilrecht lässt sich seine Unpfändbarkeit um so weniger ableiten,
als Art. 845 OR vorschreibt, falls die Statuten dem ausscheidenden
Mitglied einen Anteil am Vermögen der Genossenschaft gewähren, könne
ein dem Genossenschafter zustehendes Austrittsrecht, wenn dieser Anteil
gepfändet werde, vom Betreibungsamt geltend gemacht werden. Diese zwingende
Vorschrift bestätigt die Pfändbarkeit des Genossenschaftsanteils für den
hier gegebenen Fall, dass die Mitglieder nach den Statuten den Austritt
erklären und die Rückzahlung der Anteilscheine verlangen können (vgl. BGE
76 III 98, Abs. 1 der Begründung).

    Dass der streitige Anteil aus Gründen des Betreibungsrechts, d.h. nach
Art. 92 oder 93 SchKG, unpfändbar sei, macht der Rekurrent mit Recht
nicht geltend (vgl. BGE 76 III 98, Abs. 2 der Begründung).

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.