Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 I 329



83 I 329

45. Urteil vom 23. Oktober 1957 i.S. F. gegen Finanzdirektion des Kantons
Zürich, Kanton Zürich, Stadt Zürich und Kanton Nidwalden. Regeste

    Art. 46 Abs. 2 BV. Der bei der Veräusserung eines Kaufsrechts an
einem Grundstück erzielte Gewinn untersteht grundsätzlich der Steuerhoheit
des Liegenschaftskantons.

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 10. Februar 1955 räumte der damalige Eigentümer
der Liegenschaft Hohlstrasse 608 in Zürich dem in Buochs (Kanton
Nidwalden) wohnhaften Kaufmann F. ein frei übertragbares Kaufsrecht am
genannten Grundstück ein. Der Kaufpreis der Liegenschaft war im Vertrag
auf Fr. 1'600,000.-- festgelegt; er wurde durch Zusatzvereinbarung vom
25. Februar 1955 auf Fr. 1'400,000.-- herabgesetzt. Am 8. März trat F. sein
Kaufsrecht gegen Vergütung von Fr. 120'000.-- einem Zürcher Bauunternehmen
ab. Dieses übte das Kaufsrecht aus und erwarb die Liegenschaft vom
bisherigen Eigentümer.

    Die Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich erblickte in der
Errichtung und der Übertragung des Kaufsrechts zwei Handänderungen, für
die sie F. - das eine Mal als Erwerber, das andere Mal als Veräusserer -
zur Handänderungssteuer heranzog. Ausserdem veranlagte sie ihn unter
Zugrundelegung eines bei der Übertragung des Kaufsrechts erzielten
Reingewinns von Fr. 89'307.-- zu einer Grundstücksgewinnsteuer von Fr.
30'420.--. In teilweiser Gutheissung eines Rekurses des Steuerpflichtigen
erkannte die Finanzdirektion des Kantons Zürich mit Verfügung vom 21.
Dezember 1956, dass F. infolge bisher nicht berücksichtigter Unkosten
lediglich ein Reingewinn von Fr. 38'110.50 verblieben sei. Dementsprechend
setzte sie die Grundstücksgewinnsteuer auf Fr. 10'535.-- herab. Mit Bezug
auf die Handänderungssteuer wies sie den Rekurs dagegen ab.

    B.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
des Art. 46 Abs. 2 BV beantragt F., die angeführte Verfügung sei,
soweit sie sich auf die Grundstücksgewinnsteuer bezieht, aufzuheben,
und es sei festzustellen, dass der Kanton Zürich auf dem in Frage
stehenden Geschäft keine solche Steuer erheben dürfe. Zur Begründung
macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, er bestreite nicht,
dass im Kanton Zürich wohnhafte Steuerpflichtige gestützt auf § 161 Abs. 1
lit. a des Zürcher Steuergesetzes für den Gewinn aus der Veräusserung von
Kaufsrechten zur Grundstücksgewinnsteuer herangezogen werden können. Zu
prüfen sei vielmehr, ob der Kanton Zürich auch ausserhalb des Kantons
wohnhafte Personen für derartige Gewinne seiner Steuerhoheit unterwerfen
dürfe, wenn sich das veräusserte Kaufsrecht auf ein im Kanton gelegenes
Grundstück bezieht. Das sei nach dem Urteil des Bundesgerichts vom 27. März
1957 i.S. H. (abgedruckt in ZStGV 58 S. 501 ff.) zu verneinen; weise
dieser Entscheid doch den Zwischengewinn, der von einem nicht dinglich
am Grundstück Berechtigten erzielt worden ist, dem Wohnsitzkanton zur
Besteuerung zu. Der Beschwerdeführer aber habe den streitigen Gewinn nicht
in Ausübung des Grundeigentums oder eines anderen dinglichen Rechts an der
Sache erzielt. Dass der Gewinn zudem, wirtschaftlich gesehen, auf seine
eigenen Bemühungen zurückzuführen sei, ergebe sich schon daraus, dass die
Liegenschaften auf dem Gebiet der Stadt Zürich während der kurzen Zeit,
da das Grundstück in seiner Verfügung stand, nicht allgemein in ebendem
Masse im Wert gestiegen seien. Es rechtfertige sich daher, die erzielten
Einkünfte als Bestandteil des ordentlichen Einkommens des Beschwerdeführers
durch den Wohnsitzkanton Nidwalden besteuern zu lassen.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Nidwalden schliesst sich der
Betrachtungsweise und den Anträgen des Beschwerdeführers an. Der
Regierungsrat des Kantons Zürich und der Finanzvorstand der Stadt
Zürich beantragen demgegenüber die Abweisung der Beschwerde. Sie
bemerken, der vorliegende Fall unterscheide sich wesentlich von dem,
den das Bundesgericht in dem in der Beschwerde angerufenen Entscheid
zu beurteilen hatte. Während Frau H. auf ihr Kaufsrecht zugunsten
des bisherigen Eigentümers verzichtet habe, habe der Beschwerdeführer
sein Kaufsrecht auf einen Dritten übertragen und diesem so den Erwerb
der Liegenschaft ermöglicht. Wohl habe er den Gewinn, zivilrechtlich
betrachtet, durch die Abtretung eines obligatorischen und nicht eines
dinglichen Rechts erzielt. Auf diesen Umstand dürfe es aber bei der
Bestimmung des Besteuerungsorts nicht ankommen. Massgebend sei allein,
ob die Verfügungsgewalt über das Grundstück die Erzielung des Gewinns
ermöglicht habe. Das sei hier der Fall gewesen: gestützt auf das im
Grundbuch eingetragene Kaufsrecht habe der Beschwerdeführer gegenüber
den Interessenten wie ein Eigentümer auftreten, den Kaufpreis frei
bestimmen und den Zwischengewinn einziehen können. Wirtschaftlich gesehen,
habe er damit das nämliche Ergebnis erzielt, wie wenn er das Eigentum
selbst erworben und auf den Dritten weiterübertragen hätte. Derartigen
sogen. Kettengeschäften komme - insbesondere im gewerbsmässigen
Liegenschaftshandel - eine grosse Bedeutung zu. Würden die auf diese
Art erzielten Grundstücksgewinne grundsätzlich dem Wohnsitzkanton zur
Besteuerung zugewiesen, so wäre damit der Steuerumgehung Tür und Tor
geöffnet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Gewinn, den der Beschwerdeführer bei der Übertragung eines
Kaufsrechts an einem im Kanton Zürich gelegenen Grundstück erzielt hat,
ist vom Wohnsitzkanton Nidwalden nicht besteuert worden. Dies schliesst
jedoch das Vorliegen eines interkantonalen Doppelbesteuerungskonflikts
nicht aus. Die bundesgerichtlichen Kollisionsnormen richten sich nicht
nur gegen die aktuelle, sondern auch gegen die virtuelle Doppelbesteuerung;
sie verbieten den Eingriff in die Steuerhoheit eines andern Kantons selbst
dann, wenn dieser von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht
(BGE 83 I 106 Erw. 2, 262, und dort angeführte Urteile).

Erwägung 2

    2.- Nach § 161 Abs. 1 des Zürcher Steuergesetzes wird die
Grundstücksgewinnsteuer auf den Gewinnen erhoben, die sich bei
Handänderungen an Grundstücken oder Anteilen an solchen ergeben. Den
Handänderungen stellt lit. a der genannten Bestimmung die Rechtsgeschäfte
gleich, "die bezüglich der Verfügungsgewalt über Grundstücke tatsächlich
und wirtschaftlich wie Handänderungen wirken". Als solches Rechtsgeschäft
hat gemäss ständiger Praxis der Zürcher Steuerbehörden auch die Übertragung
eines Kaufsrechts zu gelten (vgl. BGE 79 I 22). Der Beschwerdeführer
ficht diese Betrachtungsweise an sich nicht an; er wendet lediglich ein,
der Kanton Zürich dürfe nicht auf dem Wege der Auslegung des kantonalen
Steuergesetzes in die Steuerhoheit des Kantons Nidwalden übergreifen.

    Bei der Abgrenzung der Steuerhoheit der Kantone ist der
Staatsgerichtshof nicht an die Umschreibung des Grundstücksgewinns und der
Grundstücksgewinnsteuerpflicht in den kantonalen Steuerrechten gebunden. Er
hat hierüber vielmehr eigene Normen aufgestellt.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts steht das Grundeigentum
und sein Ertrag unter der Steuerhoheit des Kantons, in dem es sich
befindet. Das gleiche gilt grundsätzlich für den bei der Veräusserung
einer Liegenschaft erzielten Gewinn, und zwar ohne Rücksicht darauf,
ob er durch die Einkommenssteuer oder eine besondere Wertzuwachs-
oder Grundstücksgewinnsteuer erfasst wird (BGE 45 I 286). Wurde dies
in älteren Entscheiden nur mit Bezug auf Gewinne aus sogen. Wertzuwachs
anerkannt, der ohne Zutun des Verkäufers entstanden ist, so behandelt die
neuere Rechtsprechung den Gewinn, auch soweit er auf die persönlichen
Bemühungen des Veräusserers und namentlich auf die Geschäftstätigkeit
eines berufsmässigen Liegenschaftshändlers zurückzuführen ist, in der
Regel als Liegenschaftsertrag, der im Kanton der gelegenen Sache zu
besteuern ist (BGE 79 I 145 ff., 83 I 187 Erw. 2, 265, sowie zahlreiche
nicht veröffentlichte Urteile). Den Ausschlag dafür gibt die Erwägung,
dass der durch die persönlichen Bemühungen des Verkäufers bewirkte
Gewinn regelmässig so sehr hinter dem durch äussere Ursachen (wie
Konjunktur und Währungslage) sowie durch die örtlichen Verhältnisse
(Anlage von Strassen und Kanalisationen, zunehmende Überbauung, erhöhte
Nachfrage nach Land usw.) bedingten Wertzuwachs zurücktritt, dass
sich eine Sonderbehandlung des (ausserdem meist schwer abzugrenzenden)
Geschäftsgewinns nicht rechtfertigt. Dies trifft entgegen den Einwendungen
des Beschwerdeführers auch dann zu, wenn der Veräusserer für ein kurz
zuvor erworbenes Grundstück einen wesentlich über dem Ankaufspreise
liegenden Verkaufspreis erzielt. Da der Gewinn auch in diesem Falle in
überwiegendem Mass nicht den Anstrengungen des Verkäufers entspringt,
sondern der Marktentwicklung, an der das Grundstück teilhat, erscheint
es als folgerichtig, den ganzen Gewinn durch den Liegenschaftskanton
besteuern zu lassen.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen ist, ob dieser Grundsatz auch gelte, wenn der Gewinn,
wie es hier zutrifft, nicht vom bisherigen Eigentümer beim Verkauf
des Grundstücks, sondern vom Kaufsberechtigten bei der Übertragung
des Kaufsrechts erzielt worden ist. Dass Gewinne der einen wie der
andern Art weitgehend auf die nämlichen äusseren Ursachen und örtlichen
Verhältnisse zurückzuführen sind, ist nicht zu verkennen. Im Gegensatz
zu den Fällen, in denen ein einfaches Mäklerverhältnis vorliegt, ist
somit auch hier in erster Linie die Liegenschaft die Einkommensquelle
und nicht die Handelstätigkeit des Veräusserers. Dass das Grundstück,
das die Erzielung des Gewinns ermöglicht hat, nicht im Eigentum des
Veräusserers steht, sondern dass dieser darüber nur in wirtschaftlichem
Sinne und auf Grund eines bloss obligatorischen Rechtsverhältnisses
verfügen kann, ändert an der engen Verbundenheit des Einkommens mit dem
Grund und Boden nichts. Dieser Zusammenhang aber ist (und insofern kann
an den Erwägungen des angeführten Urteils i.S. H. nicht festgehalten
werden) für die Begründung der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons
entscheidend, kommt es hiefür doch auf die objektive Eigenart des
Einkommens im Hinblick auf das Grundstück und nicht auf die Stellung
der Person an, die dieses Einkommen verwirklicht (vgl. BGE 68 I 72).
Der vom Kaufsberechtigten bei der Übertragung des Kaufsrechts an einem
Grundstück erzielte Gewinn ist deshalb grundsätzlich am Ort der gelegenen
Sache zu versteuern. Allein diese Steuerausscheidung vermag denn auch,
wie der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Recht ausgeführt hat, eine
vollständige steuerliche Erfassung der wirtschaftlich erheblich ins Gewicht
fallenden Zwischengewinne des Liegenschaftshandels zu gewährleisten und
Steuerumgehungen wirksam Einhalt zu gebieten.

    Der Beschwerdeführer hat somit den Gewinn, den er bei der Abtretung
des Kaufsrechts an der Liegenschaft Hohlstrasse 608 in Zürich erzielt hat,
im Kanton Zürich zu versteuern.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.