Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 I 311



83 I 311

43. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1957 i.S. Erben Siegenthaler
gegen Regierungsrat des Kantons Bern. Regeste

    Einspruch gegen Liegenschaftskäufe: Begriffe der Spekulation und
des Güteraufkaufs (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG). Kauf zum Zwecke der
Kapitalanlage.

Sachverhalt

    A.- Am 17. Mai 1956 verkauften die Erben des Landwirts Ernst
Siegenthaler dessen Heimwesen in Münsingen, umfassend 691 a Acker- und
Wiesland und 231 a Wald, für Fr. 245 000.-- an Armin Marti, Ingenieur
und Teilhaber mehrerer Baufirmen in Bern. Gegen diesen Kaufvertrag erhob
der Grundbuchverwalter von Konolfingen Einspruch auf Grund von Art. 19
Abs. 1 lit. a des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom
12. Juni 1951 (EGG). Der Regierungsstatthalter von Konolfingen bestätigte
den Einspruch, ebenso auf Beschwerde beider Vertragsparteien hin der
Regierungsrat des Kantons Bern durch Entscheid vom 26. März 1957.

    Der Regierungsrat führt aus, es sei nicht nachgewiesen,
dass eine eigentliche Spekulation vorliege, ein Erwerb in der
Absicht, das Kaufsobjekt möglichst bald mit grösstem Gewinn wieder
zu veräussern. Es gehe dem Käufer vielmehr um eine Kapitalanlage, wie
er offen zugestehe. Auch der Erwerb zu diesem Zwecke falle jedoch unter
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG, "nenne man nun ein solches Vorgehen Spekulation
im weitern Sinne oder Güteraufkauf". Wenn hier auch das Bestreben, durch
Umsatz einen Gewinn zu erzielen, nicht im Vordergrund stehe, so dürfte
es doch ebenfalls vorhanden sein. Wie bei der eigentlichen Spekulation
liege auch hier das Ziel nicht im Aufbau einer bäuerlichen Existenz,
sondern auf einer "geldmässig orientierten Ebene". Wer eine Mangelware zum
Zwecke der Kapitalanlage erwerbe, obwohl er sie nicht eigentlich benötige,
sei ein Güteraufkäufer. Ob er dies zum erstenmal tue oder nicht, spiele
keine Rolle; es komme einzig auf den Beweggrund an.

    B.- Mit verwaltungsgerichtlicher Beschwerde gegen den Entscheid
des Regierungsrates beantragen die Erben Siegenthaler die Aufhebung des
Einspruches. Sie machen geltend, die Auffassung des Regierungsrates sei
gesetzwidrig; sie sei mit dem Ergebnis der Beratung des Gesetzes in der
Bundesversammlung nicht vereinbar.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Bern schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

    D.- Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement enthält sich eines
Antrages. Es weist darauf hin, dass der Erwerb landwirtschaftlicher
Heimwesen durch Nichtlandwirte das bereits ungenügende Angebot noch
verknappe; je kleiner das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage sei, desto
eher müsse ein Kauf als Aufkauf bezeichnet werden; in Betracht falle auch,
ob und inwieweit der Käufer das Heimwesen brauche.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- .....

Erwägung 2

    2.- Da das EGG weder die Spekulation noch den Güteraufkauf näher
umschreibt, sind die beiden Begriffe, die dem Wirtschaftsleben angehören,
nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auszulegen.

    Unter Spekulation versteht man landläufig den Erwerb eines
Wirtschaftsgutes in der Absicht, es bei sich bietender Gelegenheit,
möglichst bald, mit Gewinn wieder zu veräussern. Der gleichen Auffassung
sind auch die vom Regierungsrat angerufenen Autoren, namentlich JOST
(Handkommentar zum EGG, N. 4 zu Art. 19) und JENNY (Die Grundzüge des
bäuerlichen Bodenrechts, in Schweiz. Zeitschrift für Beurkundungs- und
Grundbuchrecht, Jg. 30, S. 306). Dieser stellt freilich der von ihm so
umschriebenen "Bodenspekulation im engern Sinne" die Kapitalanlage in
Grund und Boden als "Bodenspekulation im weitern Sinne" gegenüber und
fordert deren Einbeziehung in die Einsprachegründe, aaO de lege ferenda,
an anderer Stelle (SJZ Jg. 30, S. 57/58) de lege lata, in Auslegung von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG. Dass diese Bestimmung nicht den ihr von ihm
beigelegten weitern, über den gewöhnlichen Sprachgebrauch hinausgehenden
Sinn haben kann, ergibt sich jedoch schon aus ihrem Wortlaut, wonach
der Spekulationszweck "offensichtlich" sein muss, und namentlich aus
den Beratungen der Bundesversammlung. Ein Antrag, die Kapitalanlage
neben der Spekulation zu nennen, wurde zuerst im Nationalrat gestellt
und mit 54 gegen 48 Stimmen verworfen (StenBull 1948 NR S. 667-672).
Nachdem der Ständerat den Güteraufkauf eingefügt hatte, beschloss der
Nationalrat bei der Differenzenbereinigung zunächst, diesen durch die
Kapitalanlage zu ersetzen (StenBull 1949 StR S. 343-345, NR S. 886-888);
als aber der Ständerat ohne Gegenstimme an seiner Fassung festhielt,
stimmte ihm der Nationalrat mit 59 gegen 42 Stimmen zu (Sten Bull 1950
StR S. 27, NR S. 690/691). Dabei handelt es sich nicht um Äusserungen
einzelner Ratsmitglieder, die für den wirklichen Sinn des Gesetzes
nicht massgebend sind, sondern um bewusste Stellungnahmen der Behörde
als solcher; der Zusatz betreffend die Kapitalanlage wurde nicht etwa
als überflüssig abgelehnt, weil diese mit unter die Spekulation falle,
sondern in allen diesen Beratungen war man sich darüber einig, dass er
eine Verschärfung darstelle (sowohl gegenüber der Spekulation als auch
gegenüber dem Güteraufkauf), und diese wurde schliesslich verworfen. Der
vom Gesetzgeber gewollte Entscheid darf nicht hinterher durch Umdeutung des
von ihm angenommenen Textes umgangen werden. Davon, dass dessen Sinn durch
die seitherige Entwicklung verändert worden sei, kann angesichts der Kürze
der verflossenen Zeit keine Rede sein. Die Schwierigkeit für die Praxis,
zwischen Spekulation und Kapitalanlage zuverlässig zu unterscheiden,
ist nicht erst von den im Entscheid des Regierungsrates zitierten Autoren
hervorgehoben worden (meist als Argument de lege ferenda, so von LIVER in
ZSR 1949 S. 66); sie wurde schon in der ersten Diskussion im Nationalrat
ausdrücklich erwähnt und in Kauf genommen. Sie darf nicht dazu führen,
das Gesetz entgegen dem klaren Willen des Gesetzgebers auszulegen (ebenso
KAUFMANN, Das neue landwirtschaftliche Bodenrecht der Schweiz, S. 84).

    Mit der Überlegung, dass nicht geschützt werden solle, wer ein
landwirtschaftliches Heimwesen nicht zum Aufbau einer bäuerlichen Existenz,
sondern aus rein geldmässigen Erwägungen erwerben wolle, vertritt der
Regierungsrat die Tendenz, den Erwerb solcher Heimwesen nur Landwirten zu
ermöglichen. Diese Tendenz lag den Anregungen zugrunde, die zum Erlass des
EGG geführt haben, wurde aber im Gesetz nicht verwirklicht. Mit ihr wurde
auch der Einbezug der Absicht der Kapitalanlage in die Einsprachegründe
abgelehnt; es wurde ein Unterschied gemacht zwischen der Erhaltung des
Realwertes des Vermögens und der auf Gewinn gerichteten Spekulation.
Demgemäss hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Praxis Spekulation im
Sinne des EGG nur angenommen, wenn Zweck des Erwerbes ein gewinnbringender
Wiederverkauf ist, dagegen nicht, wenn eine dauernde Kapitalanlage
beabsichtigt ist (Urteile vom 17. Februar 1956 i.S. Gasser und Mundwiler,
vom 21. Dezember 1956 i.S. Werdenberg und i.S. Kellerhals und Koelz,
nicht veröffentlicht). Hieran ist festzuhalten.

    Da der Käufer Marti unbestrittenermassen keinen Gewinn durch
Wiederverkauf, sondern eine dauernde Vermögensanlage beabsichtigt, liegt
keine offensichtliche Spekulation vor.

Erwägung 3

    3.- Der Einsprachegrund des Güteraufkaufs wurde von der ständerätlichen
Kommission in das Gesetz eingefügt und im Ständerat oppositionslos
angenommen. Im Nationalrat wurde, wie bereits erwähnt, nur noch darüber
diskutiert, ob er durch die Kapitalanlage zu ersetzen sei.

    Mit dem Worte "Güteraufkauf" wird deutlich gesagt, dass es sich nicht
einen einzelnen Kauf, sondern um den Erwerb einer Mehrheit von Gütern durch
die gleiche Person handeln muss. Noch klarer kommt das in den romanischen
Texten "accaparement", "accapparramento" zum Ausdruck, denen umso grössere
Bedeutung zukommt, als die Anregung aus der romanischen Schweiz stammte
(Sten-Bull 1949 StR S. 344, Votum des Bundesrates von Steiger). Der Kauf
eines einzigen landwirtschaftlichen Heimwesens oder einer einzigen zu
einem solchen gehörenden Liegenschaft fällt grundsätzlich nicht darunter,
gleichviel ob er von einem Landwirt oder von einem Nichtlandwirt getätigt
wird. Immerhin kann schon beim Erwerb eines ersten Objektes der in Frage
stehenden Art Güteraufkauf angenommen werden, wenn sich aus den Umständen
mit genügender Sicherheit ("offensichtlich") ergibt, dass der Erwerber
weitere derartige Geschäfte beabsichtigt im Bestreben, über seinen
Bedarf hinaus möglichst viele solche Güter zusammenzukaufen. Dagegen
vermag der blosse Umstand, dass ein einzelner Kauf eine Kapitalanlage
bezweckt, noch keinen Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a
EGG zu begründen (zit. Urteil Kellerhals und Koelz). Dass das Gesetz
zwischen diesen beiden Begriffen unterscheidet, ergibt sich klar aus dem
Kampf zwischen den beiden Räten um die vom Nationalrat vorgeschlagene
Ersetzung des Wortes "Güteraufkauf" durch "Kapitalanlage", wobei diese
Verschärfung schliesslich abgelehnt wurde. Hieran ändert es nichts,
dass durch den Erwerb auch einzelner landwirtschaftlicher Heimwesen oder
einzelner zu einem solchen gehörender Liegenschaften durch Nichtlandwirte
zur Kapitalanlage der bestehende Mangel an derartigen Objekten und die
Tendenz zur Überzahlung noch verschärft werden. Der Versuch, auch hiegegen
die Einsprache zu eröffnen, ist vom Gesetzgeber abgelehnt worden, und
es geht nicht an, das nun doch zu tun durch eine ausdehnende, sowohl
dem Wortlaut des Gesetzes als auch dem klaren Willen des Gesetzgebers
widersprechende Auslegung des Begriffes des Güteraufkaufs.

    Es steht fest, dass der Käufer Marti bisher kein landwirtschaftliches
Heimwesen und auch keine zu einem solchen gehörende Liegenschaft erworben
hat. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er entgegen seiner
Versicherung ausser dem Bauerngut der Beschwerdeführer noch weitere
solche Objekte zu erwerben beabsichtige; der Regierungsrat macht das auch
nicht geltend. Unter diesen Umständen muss auch der Einsprachegrund des
offensichtlichen Güteraufkaufs verneint werden. Der erhobene Einspruch
erweist sich daher als unbegründet.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und der Einspruch für unbegründet erklärt.