Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 I 237



83 I 237

31. Urteil vom 18. September 1957 i.S. X. gegen Y. und Regierungsrat
des Kantons Aargau. Regeste

    Namensänderung, rechtliches Gehör.

    Dem Gesuch um Änderung des Namens eines bei der Ehescheidung der
Mutter zugesprochenen Kindes darf nicht entsprochen werden, ohne dass
dem Vater Gelegenheit gegeben wird, dazu Stellung zu nehmen.

Sachverhalt

    A.- Der in Würenlos (AG) heimatberechtigte und in Ennetbaden
(AG) wohnhafte Beschwerdeführer Rudolf X. hatte sich im Jahre 1950
verheiratet. Durch Urteil vom 4. Oktober 1955 wurde die Ehe geschieden
und das einzige, am 20. Dezember 1950 geborene Kind Rudolf Josef der
Mutter zugeteilt. Diese ging in der Folge mit dem ebenfalls in Würenlos
heimatberechtigten Jakob Y. eine neue Ehe ein.

    Am 16. März 1957 ersuchten die in Neuenhof (AG) wohnhaften Eheleute
Y. den Regierungsrat des Kantons Aargau, dem Knaben Rudolf Josef X. die
Führung des Familiennamens Y. zu gestatten. Da der Knabe in der Familie
Y. lebe und demnächst schulpflichtig werde, liege es in seinem Interesse,
den Namen seiner Mutter und seines Stiefvaters und nicht denjenigen seines
übrigens mehrfach vorbestraften Vaters zu führen.

    Der Regierungsrat holte Berichte der Gemeinderäte von Würenlos
und Neuenhof ein und entsprach hierauf mit Beschluss vom 15. Juni 1957
dem Gesuch.

    B.- Rudolf X. hat gegen diesen Entscheid rechtzeitig staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. Er macht geltend: Der Regierungsrat habe die
Namensänderung ohne Wissen und Anhörung des Beschwerdeführers bewilligt.
Hierin liege eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs und damit eine
Verletzung von Art. 4 BV.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der
Beschwerde und führt aus: In Namensänderungsfällen wie dem vorliegenden
seien die Interessen des leiblichen Vaters und des Kindes gegeneinander
abzuwägen. Wenn der Vater, wie hier, wegen Vermögensdelikten wiederholt
mit schweren Freiheitsstrafen, insbesondere auch mit Zuchthaus bestraft
worden sei, überwiege das Interesse des Kindes so eindeutig, dass sich
eine Vernehmlassung des leiblichen Vaters erübrige. Eine Aufforderung
an ihn zur Stellungnahme hätte, da auf seinen Einspruch keine Rücksicht
genommen werden könnte, nur eine rein formale Tragweite und könnte nur
zu unerwünschten, dem Wohl des Kindes abträglichen Interventionen des
Vaters führen.

    Frau Y. beantragt gleichfalls Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    In BGE 76 II 342 Erw. 2 hat die zweite Zivilabteilung des
Bundesgerichts ausgeführt, es sei nicht nur ein Recht des Kindes, den Namen
des Vaters zu führen, sondern auch ein Recht des Vaters, dass seine Kinder
keinen andern Namen als den seinigen erhalten; daher sei, wenn für ein
Kind ein Gesuch um Namensänderung gestellt werde, auch das Interesse des
Vaters in Berücksichtigung zu ziehen und diesem Gelegenheit zu geben, zum
Gesuch Stellung zu nehmen. Die staatsrechtliche Abteilung hat sich dieser
Auffassung angeschlossen und wiederholt festgestellt, der Vater müsse
zu einem für sein Kind gestellten Namensänderungsgesuch angehört werden
(nicht veröffentlichte Urteile vom 11. November 1953 i.S. Luisier c. Wallis
und vom 6. März 1957 i.S. Nideröst c. Schwyz). Irgendwelche Gründe,
die es gestattet hätten, wie in einem kürzlich beurteilten Falle (nicht
veröffentl. Urteil vom 2. Mai 1956 i.S. Vogel c. Luzern) ausnahmsweise
von diesem Grundsatz abzuweichen, liegen nicht vor; der Aufenthaltsort
des Beschwerdeführers, der seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind
regelmässig nachkommt und auch sein Besuchsrecht ausübt, war bekannt
und die Behandlung des Namensänderungsgesuchs nicht dringlich. Indem der
Regierungsrat dem Gesuch entsprach, ohne den Beschwerdeführer anzuhören,
hat er dessen Anspruch auf rechtliches Gehör und damit den Art. 4 BV
verletzt.

    Der Einwand des Regierungsrates, die Interessenlage sei so eindeutig,
dass der Einspruch des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden
könnte und nur eine "für das Wohl des Kindes abträgliche Intervention"
bedeuten würde, ist unbehelflich. Der Anspruch auf rechtliches Gehör
ist nach feststehender Rechtsprechung formeller Natur. Seine Verletzung
hat die Aufhebung des angefochtenen Entscheids auch dann zur Folge, wenn
der Beschwerdeführer ein materielles Interesse hieran nicht nachzuweisen
vermag, weshalb nichts darauf ankommt, ob irgendwelche Aussicht besteht,
dass der Regierungsrat nach Anhörung des Beschwerdeführers zu einer
Änderung seines Entscheids gelangt (BGE 64 I 148/9 und dortige Zitate,
75 I 227, 76 I 182/3, 82 I 71/2). Inwiefern diese Anhörung dem Kind zum
Nachteil gereichen könnte, wird vom Regierungsrat nicht näher ausgeführt
und ist unerfindlich.

    Der angefochtene Entscheid ist somit wegen Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör aufzuheben.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Regierungsrates
des Kantons Aargau vom 15. Juni 1957 aufgehoben.