Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 I 199



83 I 199

26. Urteil vom 14. Juni 1957 i.S. Chemigraphisches Institut AG gegen
Eidg. Steuerverwaltung. Regeste

    Warenumsatzsteuer: Die in Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB für "Zeitungen
(einschliesslich Zeitschriften)" angeordnete Steuerbefreiung erstreckt sich
nicht auf gratis abgegebene periodische Druckschriften, die ausschliesslich
oder hauptsächlich der Geschäftsreklame für den Herausgeber oder eine
hinter ihm stehende Gruppe von Unternehmungen dienen.

Sachverhalt

    A.- Die Genossenschaft Silva-Verlag in Zürich ist nach § 2
ihrer Statuten "eine Vereinigung von Fabrikationsunternehmen mit dem
Zweck, in Verbindung mit dem Verkauf der von ihnen produzierten Waren
künstlerisch und erzieherisch wertvolle Bilderwerke herauszugeben und
zu propagieren". Sie gibt eine Anzahl Bilderbücher und die "Silva-Revue"
heraus.

    Die Bücher (ohne Bilder) kann jedermann zum Preise von je Fr. 4.80
beim Verlag beziehen. Die in die Bücher zu klebenden Bilder gibt die
Genossenschaft gegen Einsendung von Gutscheinen ("Silva-Schecks")
ab, die man sich durch Kauf von Produkten der dem "Silva-Bilderdienst"
angeschlossenen Firmen verschafft. Die Gutscheine sind auf die Verpackung
der Waren gedruckt.

    Die Silva-Revue wird in deutscher, französischer und italienischer
Sprache von der Firma Chemigraphisches Institut AG in Glattbrugg
gedruckt, die als Grossist im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses
registriert ist. Die Schrift wird allen Haushaltungen in der Schweiz
gratis zugestellt. Sie erscheint in regelmässigen Abständen mehrmals im
Jahr. Jede Nummer hat 24 Seiten, welche Texte (Artikel und Inserate)
und Abbildungen enthalten. Die meisten Inserate stammen von Firmen,
welche Silva-Schecks abgeben.

    B.- Die eidg. Steuerverwaltung hat die Firma Chemigraphisches Institut
AG pflichtig erklärt, für die Lieferung der Hefte der Silva-Revue die
Warenumsatzsteuer zu entrichten, solange die bisherige Gestaltung der
Publikation beibehalten werde. Mit Einspracheentscheid vom 9. Oktober 1956
hat sie ihren Standpunkt bestätigt. Sie führt aus, die Silva-Revue sei
keine Zeitung oder Zeitschrift im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB
und könne daher nicht steuerfrei geliefert werden. Man habe es mit einer
Druckschrift zu tun, die vorwiegend der Reklame für den Herausgeber und
den an der Herausgabe besonders interessierten Kreis der dem Bilderdienst
angeschlossenen Firmen diene. Diesem Zweck seien 79% des Gesamtumfanges
der Nummern 7-14 der Revue gewidmet, während auf die neutralen Artikel
und Abbildungen des redaktionellen Teils nur 20% und auf die Inserate
von Unternehmungen, die keine Bilderschecks abgeben, 1% entfielen. Eine
andere Beurteilung wäre nur möglich, wenn der neutrale Inhalt und die
Fremdinserate zusammen mindestens die Hälfte des Umfanges ausmachten.

    C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma
Chemigraphisches Institut AG, es sei festzustellen, dass die Silva-Revue
eine Zeitschrift im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB sei und
dass daher die für deren Lieferung unter Vorbehalt entrichteten
Warenumsatzsteuern zurückzuerstatten seien.

    Es wird geltend gemacht, die Silva-Revue vermittle den Lesern
durch Text und Bild in ansprechender und gediegener Form allerlei
Wissenswertes, insbesondere aus dem Gebiete der Naturbeobachtung
und des Heimatschutzes. Sie sei auch ein Informationsblatt für die
Benützer des Silva-Bilderdienstes, der allerdings der Propaganda für
die Produzenten diene, welche Silva-Schecks abgeben. Die Inserate
dieser Firmen bezweckten aber nicht die Förderung des Bilderdienstes
des Verlags, sondern des Warenumsatzes der Inserenten und seien daher
als Fremdinserate zu betrachten. Sie könnten ebensogut in anderen
Zeitschriften erscheinen. Zu beachten sei auch, dass nicht alle dem
Bilderdienst angeschlossenen Firmen Mitglieder der Genossenschaft
Silva-Verlag seien. Da der Anteil jener Inserate am Gesamtumfang der
Revue gemäss Aufstellung der eidg. Steuerverwaltung 52% betrage, müsse
nach deren Praxis die Steuerfreiheit gewährt werden.

    Übrigens könne die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdinseraten
nicht massgebend sein, sondern es komme darauf an, ob nach dem landläufigen
Sprachgebrauch eine Zeitschrift vorliege, was hier zutreffe.

    Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB lasse die Steuerfreiheit für alle
Zeitungen und Zeitschriften zu. Vorzubehalten sei der Fall, wo eine
reine Reklamedruckschrift missbräuchlich als Zeitung oder Zeitschrift
aufgemacht werde. Solange bei einer periodisch erscheinenden Publikation
ein bedeutender Teil des Umfanges auf neutrale Artikel und auf Inserate
ganz verschiedener Unternehmungen entfalle, werde sie landauf, landab
als Zeitung oder Zeitschrift betrachtet. So verhalte es sich hier; mache
doch sogar nach den Berechnungen der eidg. Steuerverwaltung der Anteil
der neutralen Artikel und der sogenannten Fremdinserate mehr als 1/5 des
Inhaltes der Silva-Revue aus.

    Zudem sei die von der eidg. Steuerverwaltung versuchte genaue
prozentuale Aufteilung praktisch nicht durchführbar, abgesehen davon,
dass kein Grund bestehe, lediglich auf das flächenmässige Verhältnis und
nicht auf die Bedeutung des Inhaltes abzustellen. So gehe es nicht an,
Titel- und andere Seiten, welche Abbildungen aus Silva-Bilderbüchern
wiedergeben, oder die zahlreichen belehrenden Artikel mit knappen
Hinweisen auf den Silva-Bilderdienst ausschliesslich als Reklame
für diesen Dienst zu werten. In Wirklichkeit betrage der neutrale
redaktionelle Teil (Titelbilder und dergleichen inbegriffen) etwa 30%
und der auf Fremdinserate entfallende Teil 53%. Unter diesen Umständen
sei die Silva-Revue zweifellos eine Zeitschrift im Sinne des Art. 14 WUStB.

    D.- Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Warenumsatzsteuer unterliegen nach Art. 13 WUStB grundsätzlich
alle Waren. Ausgenommen ist eine beschränkte Anzahl in Art. 14 Abs. 1
lit. b WUStB einzeln aufgeführter Produkte; unter anderm werden genannt
Kochgas, Wasser und Elektrizität, bestimmte Nahrungsmittel sowie "Zeitungen
(einschliesslich Zeitschriften)". Der Sinn der Ordnung ist offenbar,
die Steuerbefreiung auf die aufgezählten Erzeugnisse zu beschränken und
alle anderen davon auszuschliessen. Die Anwendung der Ausnahmebestimmung
hat sich daher genau an deren Wortlaut zu halten.

    Wie die in der Vorschrift aufgeführten Nahrungsmittel und Hilfsmittel
zu deren Zubereitung, so werden auch die Zeitungen und Zeitschriften
als für die Befriedigung allgemeiner täglicher Bedürfnisse kaum
entbehrlich angesehen und deshalb, im Interesse der Konsumenten,
von der Warenumsatzsteuer befreit. Bezeichnungen für Gegenstände
des täglichen Bedarfes sind in Berücksichtigung des landläufigen
Sprachgebrauches auszulegen (BGE 69 I 113, 72 I 229, 73 I 150). Danach
wird von Zeitungen oder Zeitschriften gesprochen werden können, wenn
es sich um Presserzeugnisse handelt, die periodisch erscheinen und dem
Interesse der Leserschaft an einer laufenden Orientierung über mancherlei
Wissenswertes oder an der Unterhaltung dienen.

    Periodischen Druckschriften, die von den Lesern gegen Entgelt,
durch Kauf einzelner Nummern oder im Abonnement, bezogen werden, wird
in der Regel die Steuerfreiheit zuzuerkennen sein. Durch Erlegung
des Preises bekundet der Leser sein Interesse am Inhalt der Schrift,
auf das es für die Steuerbefreiung ankommt. Das gilt insbesondere für
Blätter, deren Charakter durch den redaktionellen Teil bestimmt ist
und deren Inseratenteil in erster Linie lediglich zur Deckung der
Gestehungskosten beitragen soll. Indessen können auch Inserate die
Leserschaft interessieren. Viele Leser erstehen eine Zeitung, weil sie
Annoncen bestimmten Inhaltes suchen, wie amtliche Bekanntmachungen,
Wohnungs- oder Stellenanzeigen, Inserate betreffend Vorträge, Konzerte
oder Theatervorstellungen und dergleichen. Gewisse Blätter werden sogar
hauptsächlich oder ausschliesslich solcher Anzeigen wegen gekauft. Auch sie
dienen dem Interesse an der Befriedigung allgemeiner täglicher (materieller
oder geistiger) Bedürfnisse und kommen daher für die Steuerbefreiung in
Betracht, selbst wenn sie nur einen unbedeutenden oder überhaupt keinen
eigentlichen redaktionellen Teil enthalten. Die Steuerfreiheit wird unter
Umständen auch Anzeigeblättern, die der Herausgeber ausschliesslich
mit den Einnahmen aus Inseraten Dritter finanziert und gratis abgibt,
zuzugestehen sein, jedenfalls dann, wenn das Unternehmen bezweckt, dem
Publikum periodisch Auskünfte und Hinweise zu vermitteln, wie man sie im
Anzeigeteil der Nachrichtenblätter gewöhnlich findet.

    Die Gratisabgabe eines periodischen Presserzeugnisses kann jedoch
mitunter einen anderen Charakter haben, wenn es von einer Unternehmung oder
einer Gruppe von Unternehmungen herausgegeben wird, deren hauptsächlicher
Zweck nicht der Vertrieb einer Druckschrift, sondern eine geschäftliche
Tätigkeit auf anderem Gebiete ist. Die Schrift wird dann in der Regel der
Reklame für diese hauptsächliche Tätigkeit dienen. Für Presserzeugnisse
solchen Inhaltes kann aber die Steuerfreiheit nach Art. 14 Abs. 1
lit. b WUStB nicht beansprucht werden. Immerhin kommt es vor, dass eine
Druckschrift, mit welcher derart Geschäftsreklame für den Herausgeber oder
die hinter ihm stehenden Unternehmungen gemacht wird, zu einem mehr oder
weniger grossen Teil auch Stoff enthält, der an sich, im Interesse der
Leserschaft, die Steuerbefreiung rechtfertigen würde. Ergibt in solchen
Fällen die Würdigung der gesamten Umstände, dass die Geschäftsreklame
für den oder die Herausgeber deutlich überwiegt, so hat man es nach
schweizerischem Sprachgebrauch nicht mit einer Zeitung oder Zeitschrift zu
tun und ist daher die Befreiung von der Warenumsatzsteuer ausgeschlossen.

Erwägung 2

    2.- Als Genossenschaft des Obligationenrechts bezweckt der Silva-Verlag
in der Hauptsache, die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder in
gemeinsamer Selbsthilfe zu fördern (Art. 828 OR). Das tut er, indem er
nach § 2 der Statuten "in Verbindung mit dem Verkauf der von ihnen (den
Mitgliedern) produzierten Waren" Bilderwerke herausgibt und propagiert. Es
ist klar, dass mit der Herausgabe dieser Werke und der Propaganda dafür
der Absatz der Produkte der Mitglieder erleichtert werden soll. Die
Lieferung der Bilder, die man sich nur durch Kauf solcher Produkte
verschaffen kann, und der für die Aufnahme der Bilder bestimmten Bücher
sowie die Herausgabe der an sämtliche Haushaltungen der Schweiz verteilten
Silva-Revue, in welcher Propaganda einerseits für die Bücher, die Bilder
und den Bilderdienst im allgemeinen und anderseits für die Produkte der
Genossenschafter gemacht wird, stellen eine zusammenhängende, einheitliche
Tätigkeit dar, die der Förderung der wirtschaftlichen Interessen der
Genossenschafter dient. Für die Kosten dieser gemeinsamen Selbsthilfe
kommen zum grössten Teil die Genossenschafter auf, indem sie ihre für
die Silva-Revue aufgegebenen Inserate bezahlen und an die dadurch nicht
gedeckten Ausgaben der Genossenschaft durch "Honorierung" der Bilderschecks
oder auf andere Weise beitragen. Die Reklame, die mittels jener Inserate
gemacht wird, ist ein Teil der gemeinsamen Selbsthilfe, die im wesentlichen
von den Genossenschaftern finanziert wird, so dass die erwähnten Annoncen
nicht als Inserate Dritter (Fremdinserate) angesehen werden können.

    Die Beschwerdeführerin behauptet, dass nicht alle am Silva-Bilderdienst
beteiligten Firmen Genossenschafter seien, ohne indessen Namen oder
auch nur Zahlen zu nennen. Aber auch wenn der Einwand für einige
Unternehmungen zutrifft, so hat für sie der Anschluss an den Bilderdienst
doch sozusagen dieselben wirtschaftlichen Vorteile und Lasten wie für
die Mitglieder zur Folge. Sie nehmen an der gemeinsamen Tätigkeit, zu
der die Herausgabe der Silva-Revue gehört, praktisch in gleicher Weise
wie die Genossenschafter teil und können daher so wenig wie diese als
der Genossenschaft fernstehende Dritte betrachtet werden.

    Inserate eigentlicher Dritter erscheinen in der Silva-Revue
nur vereinzelt, was ohne weiteres begreiflich ist; da nämlich die
Unternehmungen, welche Silva-Schecks abgeben, nicht nur ihre Inserate
zu bezahlen, sondern auch die durch die Einnahmen aus Inseraten nicht
gedeckten Kosten der Herausgabe der Revue zu tragen haben, sind sie
bestrebt, den Vorteil, den die allen schweizerischen Haushaltungen
zugestellte Druckschrift als Mittel der Geschäftsreklame bietet, fast
ausschliesslich sich selbst vorzubehalten.

    Die zahlreichen Inserate der am Bilderdienst beteiligten Firmen sind
samt und sonders zu dem Teil der Revue zu rechnen, welcher der gemeinsamen
Selbsthilfe dieser Unternehmungen gewidmet ist. Nach den Erhebungen der
eidg. Steuerverwaltung entfallen aber auf den von jeder Geschäftsreklame
freien redaktionellen Teil nur 20% des Gesamtumfanges der untersuchten
Nummern (durchschnittlich nicht ganz 5 von den insgesamt 24 Seiten, welche
jedes Heft umfasst). Selbst wenn die Abbildungen aus Silva-Büchern und die
belehrenden Artikel, in welche, mehr oder weniger beiläufig, Hinweise auf
den Bilderdienst eingeflochten sind, ebenfalls, und zwar ausschliesslich,
zum neutralen redaktionellen Teil zu rechnen wären, würde dieser, nach der
eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin, höchstens 30% ausmachen. Die
Fremdinserate sind bloss mit 1% beteiligt. Auf jeden Fall dienen also
mehr als 2/3 des Umfangs der Revue den geschäftlichen Interessen der
Firmen, welche als Genossenschafter oder in einem der Mitgliedschaft
gleichzustellenden Verhältnis hinter dem Verlag stehen und ihn finanzieren.

    Der Inhalt, mit dem für diesen Kreis und seinen Bilderdienst geworben
wird, überwiegt gegenüber dem neutralen Teil derart deutlich, dass die
Silva-Revue nach dem landläufigen Sprachgebrauch nicht als Zeitung oder
Zeitschrift gelten kann, obwohl sie äusserlich wie eine solche aufgemacht
ist. Die Lieferung der Druckschrift ist daher von der Warenumsatzsteuer
nicht ausgenommen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.