Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 84



83 IV 84

23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1957 i.S. Studer
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art.25Abs. 1 MFG. Voraussetzungen, unter denen es entschuldbar ist,
wenn von verschiedenen möglichen Notmassnahmen nicht die zweckmässigste
ergriffen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

    Gewiss hat das Bundesgericht wiederholt entschieden, dass es
entschuldbar sei, wenn der Führer, der sich durch vorschriftswidriges
Verhalten eines andern plötzlich in eine gefährliche Lage versetzt sieht,
von verschiedenen möglichen Massnahmen nicht diejenige ergreift, welche
bei nachträglicher Überlegung als die objektiv zweckmässigste erscheint
(BGE 61 I 432, 63 I 59, 66 I 320). Auf diese Rechtsprechung kann sich der
Beschwerdeführer aber nicht berufen. Fraglich erscheint schon, ob seine
Lage den in diesen Entscheiden vorausgesetzten aussergewöhnlichen Grad
von Gefährlichkeit erreicht habe, wenn sie zum vornherein durch blosses
Bremsen gemeistert werden konnte, und zweifelhaft ist auch, ob die
drohende Gefahr auf eine vorschriftswidrige Fahrweise des Vespalenkers
zurückzuführen gewesen sei. Aber auch dort, wo diese Voraussetzungen
zutreffen, wird damit nicht jede unzweckmässige Reaktion entschuldbar. Die
erwähnte Rechtsprechung geht davon aus, dass die ergriffene Massnahme
und diejenige, welche bei nachträglicher längerer Überlegung als die
zweckmässigere erscheint, annähernd gleichwertig seien und dass der Führer
deren unterschiedliche Wirksamkeit nur deshalb nicht erkannt habe, weil die
plötzlich eingetretene Gefahrsituation eine augenblickliche Entschliessung
erforderte. Wo eine Vorkehr im Vergleich zu andern sich aber derart
aufdrängt, dass sie auch im Falle der Notwendigkeit sehr rascher Reaktion
als die näherliegende und zweckmässigere erkannt werden kann, ist es als
Fehler anzurechnen, wenn trotzdem eine weniger geeignete getroffen wird.

    Im vorliegenden Fall lag sofortiges Bremsen als natürliche Reaktion
auf eine Gefahr, die in einer Entfernung von 100 m drohte, sehr nahe,
denn es war offensichtlich, dass Anhalten hinter einem mit grösserem
Abstand vorausfahrenden Motorfahrzeug das zweckmässigste Mittel zur
Verhütung eines Zusammenstosses mit diesem war. Statt dessen den Wagen
über das Trottoir neben die Strasse zu steuern, drängte sich keineswegs
auf, sondern erschien zum vornherein gefährlich.