Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 43



83 IV 43

11. Urteil des Kassationshofes vom 15. Februar 1957 i.S. Polizeirichteramt
der Stadt Zürich gegen Mettler. Regeste

    Art. 36 Abs.2Satz 3 MFG.

    Wann hat der an einem Unfall beteiligte Fahrzeugführer den entstandenen
Sachschaden dem Geschädigten oder der nächsten Polizeistelle zu melden?

Sachverhalt

    A.- Am 18. Oktober 1955, ca. um 10 Uhr, führte Arthur Mettler seinen
Personenwagen in Zürich vom Bellevue-Platz her durch den Limmatquai. In
der Absicht, vor dem Haus Limmatquai 80 anzuhalten, bog er kurz nach
der Häusernummer 82 nach rechts ein, wobei er einen dort parkierten
Personenwagen streifte und dessen vordere Stossstange nach vorne
riss. Nachdem er die beschädigte Stossstange zurückgebogen, einige Zeit auf
den Lenker des fremden Fahrzeuges gewartet und sich dessen Polizeinummer
notiert hatte, fuhr er davon. Er will die Absicht gehabt haben, sich
im Verlaufe des Nachmittags mit dem Halter des beschädigten Wagens in
Verbindung zu setzen. Der Führer dieses Fahrzeuges stellte indessen
bereits um 10.20 Uhr auf der Hauptwache der Stadtpolizei gegen Mettler
Strafanzeige. Die Polizei schätzte den Schaden auf ungefähr Fr. 80.-.

    B.- Mit Verfügung vom 15. März 1956 verfällte das Polizeirichteramt
der Stadt Zürich Mettler wegen Übertretung der Art. 25 und 36 MFG in eine
Busse von Fr. 40.-. Mettler verlangte gerichtliche Beurteilung.

    Am 14. September 1956 büsste ihn der Einzelrichter in Strafsachen
des Bezirksgerichtes Zürich wegen Widerhandlung gegen Art. 25 MFG mit
Fr. 20.-. Von der Anschuldigung der Übertretung des Art. 36 Abs. 2 MFG
sprach er ihn frei.

    C.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil sei insoweit aufzuheben, als es Mettler
freispreche, und es sei die Sache zu dessen Bestrafung wegen Verletzung
der Meldepflicht (Art. 36 Abs. 2 MFG) an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Mettler hat sich zur Beschwerde nicht vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 36 Abs. 2 Satz 3 MFG hat der Führer eines
Motorfahrzeuges, das an einem Unfall beteiligt ist, bei dem nur Sachschaden
entstand, dem Geschädigten oder der nächsten Polizeistelle sofort Anzeige
zu machen sowie seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort anzugeben. Daraus
erhellt ohne weiteres, dass es nicht ins Belieben des Fahrzeugführers
gestellt ist, wann er einen Unfallschaden melden will. Vielmehr ist er von
Gesetzes wegen gehalten, diesen ohne Verzug, d.h. so rasch zur Anzeige
zu bringen, als ihm nach den Umständen zuzumuten ist.

    Vorliegend kann dem Beschwerdegegner nicht zum Vorwurf gereichen, dass
er nicht unbestimmt lange Zeit an der Unfallstelle auf den Geschädigten
wartete, um ihm die Beschädigung des Fahrzeuges anzuzeigen und die
erforderlichen Angaben zu machen. Konnte er doch nicht wissen, wann
dieser zu seinem Wagen zurückkehren werde. Dagegen wäre es ihm zuzumuten
gewesen, bevor er weiterfuhr, irgendwelche Vorkehren zu treffen, damit
der Geschädigte spätestens nach der Rückkehr zu seinem Wagen über den
Unfallschaden und die Person des Schädigers zuverlässig unterrichtet
werde. Davon durfte er nur absehen, wenn er statt dessen die nächste
Polizeistelle aufsuchte und dort den Schaden anzeigte. Da Mettler
weder das eine noch das andere tat und dem angefochtenen Urteil nichts
dafür zu entnehmen ist, dass er triftige Gründe hatte, mit der Meldung
zuzuwarten, kann er sich nicht darauf berufen, die Unfallstelle in der
Absicht verlassen zu haben, sich nachmittags mit dem Geschädigten in
Verbindung zu setzen. Wie gesagt, steht es dem an einem Unfall beteiligten
Fahrzeuglenker nicht zu, den Zeitpunkt der Schadensanzeige nach Belieben
zu wählen, sondern hat er diese entsprechend den Umständen sofort zu
erstatten. Dieser Pflicht hat der Beschwerdegegner nicht genügt.

Erwägung 2

    2.- Entgegen der Annahme der Vorinstanz vermag ihn nicht zu entlasten,
dass der Schaden am parkierten Personenwagen von der Polizei "auf nur etwa
Fr. 80.-" geschätzt wurde. Das Gesetz spricht allgemein von Sachschaden
und beschränkt die Meldepflicht nicht auf Fälle von Schäden grösseren
Ausmasses. Ob besonders geringfügige Kollisionen hievon auszunehmen seien,
ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann ein Schaden in der vorliegend
festgestellten Höhe nicht als geringfügig bezeichnet werden.

Erwägung 3

    3.- Hat Mettler die ihm obliegende Meldepflicht verletzt, ist die
Rüge des Polizeirichteramtes begründet. Das Urteil ist daher aufzuheben
und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners auch wegen Übertretung
von Art. 36 Abs. 2 MFG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird dabei
gemäss Art. 68 Ziff. 1 Abs. 2 StGB eine Gesamtbusse auszufällen haben,
die sowohl der Übertretung des Art. 25 als auch der Widerhandlung gegen
Art. 36 Abs. 2 MFG Rechnung trägt.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 14. September
1956 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen
an die Vorinstanz zurückgewiesen.