Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 25



83 IV 25

6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Januar 1957
i.S. Rufener gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art.222Abs. 1StGB.

    Wann ist eine Feuersbrunst fahrlässig

    a)  zum Schaden eines andern (Pächter, Versicherer) (Erw. 2 und 3) oder

    b)  unter Herbeiführung einer Gemeingefahr (Erw. 4) verursacht?

Sachverhalt

    A.- Paul Rufener ist Eigentümer des in Langenthal gelegenen
landwirtschaftlichen Heimwesens Badgut, das seit 1952 von seinem Sohn
Max Rufener als Pächter bewirtschaftet wird.

    Am 26. Oktober 1955 wurden auf Badgut die Kamine gerusst. Die
damit beschäftigten Kaminfeger Glanzmann und Leuenberger warfen den
anfallenden Russ und die Asche in einen aus Holzbrettern errichteten
und mit Blech ausgeschlagenen Behälter, der an die innere Ostwand
des 12 auf 20 m messenden, auf der Südseite offenen Wagenschopfes
angelehnt war. Dabei bemerkten sie, dass der Russ glimmte und die Asche
rauchte. Dasselbe stellte Paul Rufener fest, der am Nachmittag des
26. Oktober 1955 zufällig in Badgut auf Besuch weilte. Er schlug vor,
die Asche mit Wasser zu übergiessen. Glanzmann fand jedoch, es genüge,
den Aschenhaufen mit einem Blech zuzudecken, worauf Rufener in Gegenwart
seines Sohnes Max Rufener die den Rand des Behälters übersteigende Asche
abzutragen begann. Dabei kam, wie beide feststellten, Glut zum Vorschein,
weswegen Paul Rufener seinen Sohn anwies, den Aschenbehälter zu überwachen.

    In der Nacht des 27./28. Oktober 1955 brach im Wagenschopf des Badgutes
ein Brand aus, der von der Feuerwehr von Langenthal gelöscht werden konnte.
Der Brandherd wurde im Bereich des Aschenbehälters festgestellt und
als Brandursache das Ablegen der nicht erkalteten Asche ermittelt. Der
entstandene Schaden belief sich auf über Fr. 10'000.--. Er wurde von der
Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern gedeckt.

    B.- Am 3. Juli 1956 sprach die II. Strafkammer des Obergerichtes des
Kantons Bern Paul Rufener der fahrrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst
schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 60.-.

    C.- Rufener führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Des Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 222 Abs 1 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse
bestraft, wer fahrrlässig zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung
einer Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht.

    Unbestritten ist, dass der dem Beschwerdeführer gehörende Wagenschopf
des in Langenthal gelegenen Badgutes in der Nacht des 27./28. Oktober
1955 Gegenstand einer Feuersbrunst im Sinne der genannten Bestimmung
war. Zur Entscheidung steht daher einzig, ob durch den Brand ein anderer
geschädigt oder eine Gemeingefahr herbeigeführt wurde.

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz stellt fest, Max Rufener, der Sohn des
Beschwerdeführers, sei durch die Feuersbrunst zu Schaden gekommen. Das ist
eine Feststellung tatsächlicher Natur, an die der Kassationshof gebunden
ist (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Damit ist indessen nicht gesagt, dass es
sich um einen Schaden handelt, der dem Beschwerdeführer nach Art. 222
StGB zur Last fällt. Ein solcher Vorwurf wäre nur am Platz, wenn Rufener
gegenüber seinem Sohn rechtlich verpflichtet gewesen wäre, den durch das
Ablegen der nicht erkalteten Asche geschaffenen gefährlichen Zustand
zu beseitigen. Davon kann nicht die Rede sein. Es ist nicht Sache des
Verpächters, sondern des Pächters eines landwirtschaftlichen Heimwesens
dafür zu sorgen, dass die mit dem ordentlichen Unterhalt des Gutes
zusammenhängenden Reinigungsarbeiten, wozu auch das Russen der Kamine
zählt, so ausgeführt werden, dass daraus niemand ein Schaden erwächst. Das
gilt vorliegend umso mehr, als Max Rufener nach der verbindlichen
Feststellung des angefochtenen Urteils selbst gesehen hatte, dass sich
im Aschenbehälter Glut befand, und er vom Vater angewiesen worden war,
den Aschenhaufen im Auge zu behalten und zu kontrollieren. Kannte er aber
die Gefahr, lag es an ihm, das zum Schutz seiner Interessen Erforderliche
vorzukehren. Liess er es daran fehlen, kann der ihm aus seiner eigenen
Unvorsichtigkeit entstandene Schaden nicht zum Anlass genommen werden, um
seinen Vater nach Art. 222 StGB zu bestrafen. Daran ändert nichts, dass
es nach Art. 43 des bernischen Gesetzes über die kantonale Versicherung
der Gebäude gegen Feuersgefahr vom 1. März 1914/30. Oktober 1927 dem
Gebäudeeigentümer als Versicherungsnehmer obliegt, ein ausgebrochenes
Schadenfeuer zu bekämpfen, bei Naturereignissen die zur Schadensabwendung
geeigneten Schutzvorkehren zu treffen und überhaupt zur Schadensminderung
nach Kräften beizutragen. Diese Pflicht betrifft ausschliesslich das
Verhältnis des Beschwerdeführers zur kantonalen Brandversicherungsanstalt,
nicht aber seinen Pflichtenkreis aus dem Pachtverhältnis. Inwiefern sich
aus § 1 des bernischen Dekretes betreffend die Feuerordnung vom 1. Februar
1897, wonach jedermann gehalten ist, mit Feuer und Licht sorgfältig
umzugehen, etwas anderes ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Weder hat
der Beschwerdeführer den gefährlichen Zustand geschaffen, noch gehörte
es nach dem Gesagten zu seinen Obliegenheiten als Verpächter, für die
richtige Ausführung der durch die ordentliche Bewirtschaftung des Gutes
bedingten Reinigungsarbeiten besorgt zu sein.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz hält dafür, der Brandversicherungsanstalt des
Kantons Bern sei dadurch, dass sie den Feuerschaden auf Grund des Gesetzes
über die kantonale Versicherung der Gebäude gegen Feuersgefahr habe decken
müssen, ein nach Art. 222 StGB beachtlicher Schaden entstanden. Zur
Begründung verweist sie auf die herrschende Lehre, die in Fällen wie
dem vorliegenden eine Schädigung des Versicherers annimmt und diesen als
"andern" im Sinne der genannten Bestimmung erachtet (HAFTER, Lehrbuch,
S. 499; THORMANN/v. OVERBECK, Kommentar, N. 8 zu 221; LOGOZ, Kommentar,
N. 2 b zu Art. 221; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch,
Nr. 669). Diese Auffassung hält indessen bei näherer Prüfung nicht stand.

    Durch die Zerstörung oder Beschädigung des versicherten Gegenstandes
wird der Versicherer in seinen Rechten nicht unmittelbar berührt. Erleidet
er mit Eintritt des Schadensfalles eine Vermögenseinbusse, so lediglich
infolge einer ihm obliegenden Entschädigungspflicht. Dass ein solcher
Nachteil als Schaden im Sinne des Art. 222 StGB zu gelten habe, sagt
das Gesetz nicht. Auch wird in der angeführten Literatur nicht näher
begründet, warum dem so sein sollte. Zwar berufen sich HAFTER und
THORMANN/v. OVERBECK auf die Gesetzesmaterialien, indem sie das Votum
des Berichterstatters der ständerätlichen Kommission heranziehen,
der es für selbstverständlich erachtete, dass als "anderer" auch
eine Versicherungsgesellschaft in Betracht kommt (Sten.Bull. StR
1936 S. 350). Darauf kann jedoch deswegen nicht abgestellt werden,
weil nicht nur nichts dafür vorliegt, dass der Nationalrat dem gefolgt
wäre, sondern im Gegenteil die Berichterstatter der nationalrätlichen
Kommission den Standpunkt vertraten, es handle sich hiebei um "eine andere
Frage, die für die strafrechtliche Beurteilung nicht ins Gewicht fällt"
(Sten. Bull. 1934, S. 703/4). Bei diesem Gegensatz der Meinungen lässt sich
aus der Entstehungsgeschichte weder etwas für noch wider die herrschende
Lehre ableiten. Anders verhält es sich dagegen, wenn man von dem der
Leistungspflicht des Versicherers zugrunde liegenden Rechtsverhältnis
ausgeht.

    Im Versicherungsvertrag verspricht der Versicherer dem
Versicherungsnehmer gegen Entgelt für den Fall der Zerstörung, Verletzung
oder Schädigung eines Gegenstandes durch ein ungewisses, zukünftiges
Ereignis eine in Geld bestimmbare Leistung. Tritt der Schadensfall
ein und bezahlt der Versicherer die Versicherungssumme, liegt darin
nichts anderes als die Erfüllung einer Vertragspflicht. Das gilt ohne
Unterschied auch dann, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt des
Schadensereignisses schuldhaft herbeiführt und der Versicherer für
solche Fälle die Schadensdeckung übernommen hat. Erleidet dieser dabei
eine Vermögenseinbusse, kann er sich - betrügerische Schadensstiftung
vorbehalten - nicht darauf berufen, durch den Versicherungsnehmer
geschädigt worden zu sein. Nicht anderes verhält es sich, wenn
der Versicherer kraft kantonalen Gesetzes zum Abschluss des
Versicherungsvertrages verpflichtet ist.

    Steht aber zivilrechtlich ein Schaden gar nicht in Frage, geht es
nicht an, die beim Versicherer infolge Erfüllung einer vertraglichen
Leistungspflicht entstandene Vermögensverminderung dem Versicherungsnehmer
als Schaden nach Art. 222 StGB zur Last zu legen. Einer solchen Ordnung
entspräche nicht nur kein schutzwürdiges Interesse, sondern sie müsste
auch zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Wäre es doch beispielsweise
widersinnig, einerseits den Versicherer kraft zwingender gesetzlicher
Vorschrift (Art. 14 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 98 Abs. 1 VVG) in vollem
Umfang für den Schaden haften zu lassen, den der Versicherungsnehmer
leichtfahrlässig verschuldet hat, und anderseits diesen letzteren
für dieselbe Fahrlässigkeit nach Art. 222 StGB zu bestrafen, weil
der Versicherer in Erfüllung einer von Gesetzes wegen unabdingbaren
Vertragspflicht eine Vermögenseinbusse erlitt. Der Vermögensnachteil,
welcher dem Versicherer durch Bezahlung der Versicherungssumme erwächst,
fällt daher als Schaden nach Art. 222 StGB ausser Betracht.

Erwägung 4

    4.- Ist der Vorwurf der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe "zum
Schaden eines andern" eine Feuersbrunst verursacht, unbegründet, bleibt
lediglich zu prüfen, ob durch den Brand eine Gemeingefahr geschaffen wurde.

    Wie die herrschende Lehre annimmt, muss die Gemeingefahr im
Sinne des Art. 222 StGB eine konkrete sein (HAFTER, aaO, S. 492;
THORMANN/v. OVERBECK, aaO, Vorbemerkung 1 zu Art. 221-230; LOGoz, aaO,
Vorbemerkung 2 zu Art. 221-230; SCHWANDER, aaO, Nr. 666 Ziff. 5). Dem
ist beizupflichten. Würde eine bloss abstrakte Gefährdung genügen, wäre
nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber in Art. 222 StGB, der unter
dem Titel der "Gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen" eingereiht
ist, noch ausdrücklich auf die "Herbeiführung der Gemeingefahr" hätte
hinweisen müssen.

    Die Vorinstanz hat die Frage nach der Gemeingefahr bejaht, weil der
ganze Schopf in Flammen gestanden sei und das Gebäude sich in nächster
Nähe der Scheune befinde. Angesichts des Umstandes, dass Schopf und
Scheune Eigentum des Beschwerdeführers waren, genügt die nahe Möglichkeit
einer Übertragung des Feuers vom einen auf das andere Gebäude nicht, um
eine Gemeingefahr anzunehmen. Anders wäre es nur, wenn ein Übergreifen
des Brandes vom Schopf auf die Scheune zugleich eine konkrete Gefährdung
des von Max Rufener und seiner Familie bewohnten Hauses zur Folge gehabt
hätte. Indessen steht überhaupt nicht fest, dass die Scheune von Flammen
bedroht war. Die Annahme des Obergerichtes, wonach sich dieses Gebäude
in nächster Nähe des Schopfes befindet, ist zu unbestimmt, als dass
sie einen solchen Schluss zuliesse. Das angefochtene Urteil schweigt
sich jedoch nicht bloss über die genaue Entfernung zwischen Schopf und
Scheune aus, sondern es enthält auch keine näheren Angaben über die Distanz
zwischen diesen und dem Wohnhaus. Das Fehlen entsprechender tatsächlicher
Feststellungen fällt vorliegend umso mehr ins Gewicht, als die Behauptung
des Beschwerdeführers, es sei zur Zeit des Brandes windstill gewesen,
von der Vorinstanz nicht widerlegt wurde.

    Ob die von gewissen Autoren vertretene Auffassung, wonach eine
Gemeingefahr immer dann anzunehmen sei, wenn die Feuerwehr eingreife
(vgl. HAFTER, aaO, S. 500), dem Sinn des Gesetzes entspricht, erscheint
zweifelhaft. Ist doch nicht zu verkennen, dass die Feuerwehrleute in
solchen Fällen nicht unverhofft einer Gefahr ausgesetzt werden, sondern
die mit dem Löschen von Bränden verbundenen Risiken als Folge ihrer Dienst-
oder Berufspflicht auf sich nehmen. Indessen kann die Frage offen bleiben,
weil so oder anders nach Art. 222 StGB eine konkrete Gefährdung gegeben
sein müsste und dem angefochtenen Urteil hierüber nichts zu entnehmen ist.