Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 173



83 IV 173

48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Mai 1957 i.S. Rüegg
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 59 Abs.2MFG. Begriff des Rückfalls bei Führen eines
Motorfahrzeuges in angetrunkrunkenem Zustand.

Sachverhalt

    A.- Am 18. Februar 1956 setzte sich Fritz Rüegg, Inhaber einer
Gastwirtschaft in Kempten-Wetzikon, in angetrunkenem Zustand ans Steuer
seines Personenwagens und fuhr von Ettenhausen nach Emmetschloo und von
dort nach einem Wirtshausbesuch über Bäretswil nach Bettswil. Nachdem
er auch in Bettswil Alkohol getrunken hatte, kehrte er über Adetswil
nach Kempten zurück. Insgesamt hatte er bei einer zeitweiligen
Alkoholkonzentration von mehr als 2 é sein Motorfahrzeug über eine Strecke
von mindestens 12 km geführt.

    Rüegg war bereits am 10. Februar 1951 vom Polizeirichteramt der
Stadt Zürich wegen Widerhandlung gegen Art. 59 Abs. 1 MFG mit Fr. 100.--
gebüsst worden.

    B.- Am 25. September 1956 verurteilte das Obergericht des Kantons
Zürich Rüegg unter anderem wegen Führens eines Motorfahrzeuges in
angetrunkenem Zustand im Rückfall zu sechs Monaten Gefängnis.

    C.- Rüegg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes sei aufzuheben und er von der Anklage der Widerhandlung
gegen Art. 59 Abs. 2 MFG freizusprechen. Er anerkennt, in angetrunkenem
Zustand ein Motorfahrzeug geführt zu haben, bestreitet jedoch, dadurch
im Sinne von Art. 59 Abs. 2 MFG rückfällig geworden zu sein.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Der Beschwerdeführer macht geltend, seit seiner Verurteilung vom 10.
Februar 1951 wegen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand
seien mehr als fünf Jahre verflossen. Von Rückfall könne daher nicht mehr
die Rede sein. Die Annahme der Vorinstanz, wonach die Rückfallsverjährung
erst nach zehn Jahren eintrete, halte nicht stand.

    Wie der Kassationshof in BGE 77 IV 109 angedeutet und kürzlich
in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 3. Mai 1957 i.S. Trebic
entschieden hat, enthält Art. 59 Abs. 2 MFG keine zeitliche Beschränkung
des Rückfalls. Rückfall im Sinne dieser Bestimmung bedeutet ein das
Führen in angetrunkenem Zustand auszeichnendes Tatbestandsmerkmal,
während das StGB, welches auf dem Boden des allgemeinen Rückfalls steht
(Art. 67, 108 StGB), jedes beliebige Verbrechen oder Vergehen, das mit
Zuchthaus oder Gefängnis bestraft wird, als Rückfall behandelt. Hier hat
der Gesetzgeber den Rückfall sachlich, dort zeitlich eingeschränkt.
Angesichts der grundsätzlichen Verschiedenheit der in MFG und StGB
verwendeten Begriffe des Rückfalls geht es nicht an, Art. 67 StGB auf Fälle
des Art. 59 MFG anzuwenden. Das liefe darauf hinaus, die Einschränkungen
beider Rückfallssysteme zu kumulieren, was weder der einen noch der
anderen Bestimmung entspräche.

    Art. 67 StGB lässt zudem die fünfjährige Frist von der gänzlichen oder
teilweisen Verbüssung der Freiheitsstrafe an laufen. Dieser Zeitpunkt
tritt vielfach erst längere Zeit nach der Verurteilung, in Fällen, wo
der bedingte Strafvollzug widerrufen wird, unter Umständen erst mehrere
Jahre später ein. Daher kann auch unter der Herrschaft des Art. 67 StGB
zwischen der ersten Verurteilung und der den Rückfall begründenden Tat
ein Zeitraum liegen, der weit mehr als fünf Jahre ausmacht.

    Es besteht überdies keine sachliche Notwendigkeit, die Anwendung der
Rückfallsbestimmung nach Art. 59 Abs. 2 MFG zeitlich zu beschränken. Wer
nach einer ersten Verurteilung ein zweites Mal in angetrunkenem Zustand ein
Motorfahrzeug führt, beweist damit, dass er sich nicht beherrschen kann,
und verdient es, nach Art. 59 Abs. 2 MFG bestraft zu werden, selbst wenn
seit der früheren Verurteilung mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Wo
eine besonders lange Zeit verflossen ist, kann der Richter der Billigkeit
auch im Rahmen des Art. 59 Abs. 2 dadurch Rechnung tragen, dass er bloss
auf Busse erkennt oder die Gefängnisstrafe entsprechend kurz bemisst.