Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 142



83 IV 142

38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Mai 1957
i.S. Wickihalder gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. Regeste

    1.  Art.21'139 StGB. Beginn der Ausführung des Verbrechens bei
Raubversuch (Erw. 1).

    2.  Art. 137 Ziff.2Abs.2'139 Ziff.2Abs. 3 StGB. Wann hat der Dieb
bzw. der Räuber die Tat als Mitglied einer Bande ausgeführt? (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- In der Zeit von August 1954 bis Februar 1955 beging Josef
Wickihalder teils allein, teils zusammen mit Karl Rogenmoser und teils
mit diesem und seiner Ehefrau Maria Wickihalder-Thoma eine grosse
Zahl verschiedener Delikte, insbesondere Diebstahlshandlungen und
Raubtaten. Unter anderem vereinbarte er kurz nach dem 21. Januar 1955
mit Rogenmoser, Passanten auf der Strasse zu berauben. In Begleitung von
Frau Wickihalder begaben sie sich von Baar auf der nach Neuheim führenden
Kantonsstrasse bis an den Rand des Baarburgwaldes, wo sie sich auf die
Lauer legten. Wickihalder trug dabei einen Revolver auf sich. Nachdem
sie ca. eine Viertelstunde vergeblich auf ein Opfer gewartet hatten,
wandten sie sich der Kantonsstrasse Baar-Sihlbrugg zu. Dort angelangt
sahen sie einen Radfahrer in die nach Neuheim führende Kantonsstrasse
einbiegen, worauf sie auf einer Abkürzung zu der letztgenannten Strasse
zurückeilten in der Hoffnung, diese frühzeitig genug zu erreichen, um
den Überfall ausführen zu können. Da der unbekannte Radfahrer entgegen
ihrer Erwartung nicht an ihnen vorbeikam, begaben sie sich nach einiger
Zeit auf den Rückweg. Dabei glaubten sie, jemanden herannahen zu hören,
worauf sie sich erneut bei der Kantonsstrasse auf die Lauer legten,
ohne indessen ihr Vorhaben verwirklichen zu können.

    B.- Das Strafobergericht des Kantons Zug verurteilte Wickihalder
am 26. Februar 1957 unter anderem wegen versuchten und vollendeten
bandenmässigen Diebstahls und versuchten und vollendeten bandenmässigen
Raubes zu fünf Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Einstellung in der
bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Es nahm abweichend von der ersten Instanz
an, Wickihalder und Rogenmoser hätten sich schon am 21. und nicht erst
am 31. Januar 1955 zur fortgesetzten Verübung von Diebstahl und Raub
zusammengefunden. Auch setze Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB keine besondere
Verabredung auf Raub voraus. Es genüge, dass die fortgesetzte Verübung
von Diebstählen vereinbart sei, die Täter es aber nicht beim Stehlen
bewenden liessen, sondern auch raubten.

    C.- Wickihalder führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend,
das Strafobergericht habe Bundesrecht verletzt, indem es ihn im Fall des
unbekannten Radfahrers wegen versuchten Raubes bestraft und hinsichtlich
der nach dem 21. Januar 1955 begangenen Raubtaten und Diebstahlshandlungen
bandenmässige Begehung angenommen habe.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz legt dem Beschwerdeführer zur Last, sich
des Raubversuches schuldig gemacht zu haben, indem er kurz nach dem
21. Januar 1955 bei Baar an der nach Neuheim führenden Kantonsstrasse
einem unbekannten Radfahrer auflauerte, um ihn zu überfallen und zu
berauben. Wickihalder hält dem entgegen, das Warten an der Strasse
könne nicht als letzter entscheidender Schritt ins Verbrechen angesehen
werden. Selbst wenn der Radfahrer an ihm vorbeigekommen wäre, was nicht
der Fall gewesen sei, wäre es ihm völlig frei gestanden, ihn zu berauben
oder unbehelligt weiterziehen zu lassen. Zudem sei seine Absicht weder
für das Opfer noch für allfällige Zeugen erkennbar geworden. Von einem
Beginn der Deliktsausführung könne daher nicht die Rede sein.

    a) Versuch setzt nach Art. 21 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter mit
der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen habe. Dabei zählt
zur Ausführung schon jede Tätigkeit, welche nach dem Plan, den sich der
Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden
Schritt darstellt, von dem in der Regel nicht mehr zurückgetreten
wird, es sei denn wegen äusserer Umstände, die die Weiterverfolgung der
Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 80 IV 178 und dort zitierte
Urteile). Ob die Schwelle der straflosen Vorbereitung nach der Vorstellung
des Täters überschritten ist oder nicht, entscheidet der Richter nach
der Persönlichkeit des Delinquenten und den Umständen des einzelnen
Falles. Das hat - entgegen anderslautender Kritik (vgl. WAIBLINGER in
ZStR 72 S. 131) - auch die bisherige Rechtsprechung getan. Wo nach der
Lebenserfahrung, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entschieden wurde,
geschah es deswegen, weil nichts dafür vorlag, dass sich der konkrete
Täter anders verhalten hätte. Sind aber nach dem Gesagten Vorbereitung
und Ausführung des Deliktes massgeblich nach subjektiven Gesichtspunkten
abzugrenzen, kann nichts darauf ankommen, ob die verbrecherische Absicht
für das Opfer oder für allfällige Zeugen erkennbar wurde oder nicht.

    b) Vorliegend steht ausser Zweifel, dass der Beschwerdeführer nur
unter dem Einfluss äusserer Umstände auf die Verwirklichung seines
verbrecherischen Vorhabens verzichtete. Die Unwiderruflichkeit seines
Tatentschlusses erhellt schon aus der Hartnäckigkeit, mit welcher er
seinen Plan verfolgte. Nicht nur eilte er, als er einen unbekannten
Radfahrer in die nach Neuheim führende Kantonsstrasse einbiegen sah,
auf einer Abkürzung zu der Stelle, an welcher er jenen überfallen wollte,
sondern er kehrte, bereits auf dem Rückweg begriffen, erneut dahin zurück,
als er jemanden zu hören glaubte. Dass er fest entschlossen war, sein
verbrecherisches Vorhaben auszuführen, zeigt ferner die Tatsache, dass
er einen Revolver auf sich trug. Ob die Waffe geladen war oder nicht,
ist nicht von Bedeutung; in jedem Fall war sie geeignet, als Mittel
zur Einschüchterung des Opfers zu dienen. Dazu kommt, dass Wickihalder
nicht allein, sondern in Mittäterschaft mit seiner Ehefrau und Rogenmoser
handelte. Wie die Erfahrung lehrt, vermindert das Zusammenwirken mehrerer
die Möglichkeit, dass einer von ihnen im letzten Augenblick von der
Verwirklichung des geplanten Vorhabens absteht. Dafür, dass sich der
Beschwerdeführer anders verhalten hätte, liegt nichts vor. Der Umstand
schliesslich, dass es Wickihalder nicht bei einem einmaligen Versuch
bewenden liess, sondern innert kurzer Zeit eine ganze Reihe ähnlicher
Raubtaten beging, lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er den
unbekannten Radfahrer auf der nach Baar führenden Strasse überfallen
und beraubt hätte, wenn dieser an der Stelle vorbeigekommen wäre, wo
Wickihalder sich auf die Lauer gelegt hatte. Ist es aber ausschliesslich
äussern Umständen zuzuschreiben, dass es nicht soweit kam, nahm die
Vorinstanz zu Recht an, Wickihalder habe den entscheidenden Schritt ins
Verbrechen getan und sich des Raubversuches schuldig gemacht.

Erwägung 5

    5.- Der Dieb ist mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis
nicht unter drei Monaten zu bestrafen, wenn er den Diebstahl als Mitglied
einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder
Diebstahl zusammengefunden hat (Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Unter
derselben Voraussetzung bedroht Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB den Räuber
mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren.

    Dass eine Bande im Sinne dieser Bestimmungen schon aus zwei Beteiligten
bestehen kann (BGE 78 IV 233), bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Er
beruft sich mit Recht auch nicht auf die von der ersten Instanz vertretene,
dem klaren Gesetzeswortlaut widersprechende Auffassung, wonach Art. 139
Ziff. 2 Abs. 3 StGB nur auf Mitglieder einer Bande Anwendung finde,
die sich zur Verübung von Raub und nicht nur zur Begehung von Diebstählen
zusammengefunden habe. Dagegen macht er geltend, nicht als Mitglied einer
Bande gehandelt zu haben. An den Begriff der Bandenmässigkeit seien
umso höhere Anforderungen zu stellen, je geringer die Zahl der Mitglieder
sei. Bei bloss zwei Beteiligten könne von einer Bande nur die Rede sein,
wenn sie planmässig gehandelt, ihre Rollen verteilt und die einzelnen Taten
zuvor miteinander besprochen hätten. Diese Voraussetzungen fehlten hier.

    Einzuräumen ist, dass Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2 und Art. 139 Ziff. 2
Abs. 3 StGB mehr verlangen als blosse Zugehörigkeit des Täters zu einer
Bande. Aus den Vorbereitungen oder der Ausführung der Tat oder aus dem
Verhalten nach der Tat, soweit es mit dieser zusammenhängt, muss sich
ergeben, dass er den Raub oder Diebstahl in Erfüllung der ihm in der
Bande zustehenden Aufgabe begangen hat. Deutlich trifft das zu, wenn
sämtliche Bandengenossen bei der Ausführung mitwirken. Es genügt aber
auch, dass bloss einzelne von ihnen den Täter unterstützen, ja sogar,
dass sie ihm das Verbrechen bloss physisch oder psychisch vorbereiten
helfen, ihm auf der Flucht beistehen, an der Beute teilhaben usw. (BGE
78 IV 234). Das setzt keine in alle Einzelheiten gehende Organisation
voraus. Wer sich zur fortgesetzten Verübung von Diebstahl oder Raub
zusammenfindet, bildet eine Bande, ohne Rücksicht darauf, ob die künftigen
Unternehmen allgemein oder von Fall zu Fall geplant oder die einzelne
Aktion aus der zufälligen Lage heraus improvisiert wird. Dabei macht
es keinen Unterschied aus, ob zwei oder mehr Täter vorhanden sind.
Entscheidend ist einzig der ausdrücklich oder konkludent manifestierte
Wille, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger, im einzelnen
noch unbestimmter Diebstähle oder Raubtaten zusammenzuwirken. Dieser
Zusammenschluss ist es, der den einzelnen stark und gefährlich macht,
die fortgesetzte Begehung von weiteren solchen Verbrechen voraussehen
lässt und eine besonders schwere Strafe rechtfertigt.

    Wie die Vorinstanz in für den Kassationshof verbindlicher Weise
feststellt, waren Wickihalder und Rogenmoser spätestens zu dem Zeitpunkt,
als sie sich zum Raubunternehmen gegen den unbekannten Radfahrer
(vgl. Erw. 1) aufmachten, übereingekommen, inskünftig gemeinsam und
fortgesetzt zu stehlen und zu rauben. Tatsächlich lassen die rasche
zeitliche Folge ihrer nach dem 21. Januar 1955 gemeinsam verübten
Verbrechen sowie ihr jeweiliges Verhalten vor, während und nach den
einzelnen Taten keine andere Erklärung zu. Bildeten sie aber nach dem
Gesagten eine Bande im Sinne des Gesetzes, wurde Wickihalder zu Recht
nach Art. 137 Ziff. 2 Abs. 2 und Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB bestraft.