Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 1



83 IV 1

1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1957 i.S. Wüst
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art.21 Abs.2 StGB. Wann tritt der Täter "aus eigenem Antrieb" vom
Versuch zurück?

Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin, welche am 5. Januar der Suva einen
Unfall anmelden liess und am 19. Januar das Begehren um Ausrichtung
des Krankengeldes bis 14. Januar stellte, verheimlichte arglistig,
dass sie zwei Tage nach dem Unfall die Arbeit an einer neuen Stelle
aufgenommen hatte. Nachdem am Morgen des 20. Januar der Suvavertreter
beim neuen Arbeitgeber vorgesprochen hatte, gab die Beschwerdeführerin
am Mittag des gleichen Tages, ohne dazu aufgefordert worden zu sein,
der Suva schriftlich bekannt, dass sie auf jede Versicherungsleistung
verzichte. Die Unfallkarte, ohne deren Vorweisung kein Krankengeld
ausbezahlt worden wäre, hatte sie noch nicht eingeschickt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Nach Art. 21 Abs. 2 StGB kann von Bestrafung Umgang genommen werden,
wenn der Täter "aus eigenem Antrieb" die strafbare Tätigkeit nicht zu
Ende führt. Aus eigenem Antrieb tritt er zurück, wenn sein Entschluss,
von der Vollendung der Tat abzustehen, auf freiem Willen beruht, er
nicht zum Ziel kommen will, obschon er es könnte. Nicht freiwillig ist
dagegen der Rücktritt, wenn für den Entschluss äussere, von seinem Willen
unabhängige Umstände, die sich tatsächlich oder vermeintlich der Vollendung
entgegenstellen, bestimmend sind. Ob die Beweggründe, die dem Rücktritt
zugrunde liegen, sittlich wertvoll sind oder nicht, ist für die Frage,
ob er aus eigenem Antrieb erfolgte, unerheblich. Der sittliche Wert des
Beweggrundes kann aber eine Rolle spielen, wenn darüber zu entscheiden ist,
ob von einer Bestrafung abzusehen sei.

    Die Beschwerdeführerin ist nicht aus eigenem Antrieb zurückgetreten,
da der Beendigung der strafbaren Tätigkeit der begründete Verdacht im Wege
stand, die Suva traue ihren Angaben nicht. Denn wenn auf Seiten der Suva
Misstrauen bestand, so lag die Möglichkeit der Entdeckung derart nahe, dass
die Beschwerdeführerin ernsthaft damit rechnete und sich sagte, sie werde
zum beabsichtigten Ziel nicht mehr kommen, selbst wenn sie es wollte. Die
Möglichkeit, von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, scheidet damit aus.