Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 445



83 II 445

61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1957 i.S. Internationale
Industrie- und Handelsbeteiligungen AG gegen Carlebach und Mitkläger.
Regeste

    Klage auf Ausstellung von Ersatztiteln für vernichtete Inhaberaktien.

    1.  Art. 971 OR. Wer ein Wertpapier kraftlos erklären lassen will,
muss es durch Angabe besonderer Merkmale des Stückes so genau bezeichnen,
dass es von Wertpapieren gleicher Gattung unterschieden werden kann
(Erw. 1 und 2). Ein Entscheid, der ein nur der Gattung nach bezeichnetes
Wertpapier kraftlos erklärt, ist nichtig (Erw. 3).

    2.  Art. 660 ff., 965 f. OR, Art. 2 ZGB. Bestehen die
Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs weiter, wenn seine Inhaberaktien
vernichtet worden sind? (Erw. 4). Missbraucht die Aktiengesellschaft das
Recht, wenn sie dem Aktionär, dessen Aktien vernichtet sind, aber wegen
Unmöglichkeit der Angabe ihrer Nummern nicht kraftlos erklärt werden
können, keine Ersatztitel ausstellt? (Erw. 5).

    3.  Auslegung eines auf Ausstellung von Ersatztiteln lautenden
Rechtsbegehrens als Eventualantrag auf Feststellung der sich aus der
Aktionäreigenschaft ergebenden Rechte (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Eheleute Carlebach und die acht Mitkläger hinterlegten vor 1940
bei deutschen Banken je eine bestimmte Zahl, insgesamt 33 Stück, auf den
Inhaber lautende Stammaktien der I.G. Chemie, Basel, im Nennwert von je
Fr. 500.--. Die Banken lieferten sie einer Stelle der Deutschen Reichsbank
in Frankfurt a.M. ab, die sie in ein Sammeldepot (Effektengirodepot)
nahm. Dort liess im März 1945 ein Direktor der Reichsbank sie zusammen
mit einem grossen Bestand anderer Wertpapiere vernichten, damit sie nicht
den heranrückenden feindlichen Armeen in die Hände fielen.

    Am 19. Dezember 1945 beschloss die I.G. Chemie, ihre auf den Inhaber
lautenden Stammaktien in Namenaktien umzuwandeln und ihre Firma in
"Internationale Industrieund Handelsbeteiligungen AG" (Interhandel)
abzuändern.

    Am 31. Dezember 1954 ersuchte die Deutsche Reichsbank das Zivilgericht
des Kantons Basel-Stadt, die 33 vernichteten Inhaberaktien kraftlos zu
erklären. Sie vermochte die Vollmacht der zehn Hinterleger beizubringen,
nicht aber die Nummern der Papiere zu nennen, da sie die Verzeichnisse,
die sie seinerzeit in Berlin geführt hatte, nicht mehr auffinden
konnte. Das Zivilgericht sah von einer öffentlichen Aufforderung im Sinne
der Art. 983 und 984 OR ab, gab dagegen der Interhandel Gelegenheit,
sich zu äussern. Die Interhandel widersetzte sich dem Gesuch. Das
Zivilgericht hiess es am 8. Juli 1955 gut, indem es "die 33 auf den
Inhaber lautenden, voll einbezahlten Stammaktien der I.G. Chemie, Basel,
zu Fr. 500. - nominal, welche seinerzeit bei der Reichsbankhauptstelle
Reichsbankgirokonto Wertpapiersammelstelle, Frankfurt a.M., deponiert und
vorher im Besitze folgender Personen waren. ..", kraftlos erklärte. Es
führte die Namen der Hinterleger der Aktien an und fügte bei, wie manches
Stück jeder hinterlegt hatte. Die durch Art. 986 Abs. 2 OR vorgeschriebene
Veröffentlichung des Entscheides unterblieb.

    B.- Am 8. September 1955 klagten die zehn Hinterleger beim
Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt mit dem Begehren, die Interhandel
sei zu verurteilen, ihnen gleichviele neue Aktien auszufertigen, wie
kraftlos erklärt worden waren.

    Entgegen dem Antrage der Beklagten hiessen das Zivilgericht und
das Appellationsgericht, letzteres mit Urteil vom 8. Februar 1957, die
Klage gut.

    C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt mit den Anträgen, das Urteil
des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie macht
geltend, sie könne nicht verpflichtet werden, den Klägern neue Aktien
auszustellen, denn sonst liefe sie Gefahr, doppelt leisten zu müssen, weil
das Zivilgericht die Nummern der kraftlos erklärten Aktien im Entscheid
vom 8. Juli 1955 nicht genannt und die zwingenden Normen der Art. 983 und
986 Abs. 1 und 2 OR nicht beachtet habe. Da die angeblich vernichteten
Aktien nicht individualisiert seien, habe es diesen Bestimmungen gar nicht
nachleben können und seien die Voraussetzungen der Kraftloserklärung nicht
erfüllt. Die Beklagte sei in jenem Verfahren nicht Partei gewesen und könne
daher diese Einwendungen heute erheben. Ob es sehr wahrscheinlich sei, dass
die 33 Aktien vernichtet wurden, sei unerheblich. Das Appellationsgericht
lasse sich übrigens nur von unbestimmten Vermutungen leiten. Es habe
an den Beweis der Vernichtung nicht den richtigen Massstab angelegt. Es
könne gar nicht wissen und auch die Beklagte könne nicht feststellen, ob
nicht etwa die angeblich vernichteten Aktien schon gegen neue eingetauscht
worden seien. Dass die Beklagte noch mehrere hundert Inhaberaktien nicht
zurückerhalten habe, beweise die Vernichtung der Aktien der Kläger
nicht. Wenn die Kläger um ihre Aktien gekommen seien, stünden ihnen
Ansprüche gegen die Deutsche Reichsbank zu, die sie ohne Aufnahme der
Nummern vernichtet haben wolle. Hätte die Beklagte den Klägern neue Aktien
auszustellen, so müssten sie entweder unter Hinweis auf den Entscheid
über die Kraftloserklärung Nummern erhalten, die über der statutarischen
Zahl ausgegebener Aktien lägen, oder es müsste auf Numerierung verzichtet
werden, womit die Aktien für die Kläger wenig Wert hätten. Jedenfalls sei
die Beklagte nicht verpflichtet, den Klägern Couponsbogen zu übergeben,
da keine solchen kraftlos erklärt worden seien. Diese Bogen seien heute
von den Aktien getrennt und schon mit den Inhaberaktien nicht in ein und
demselben Papier vereinigt gewesen. Die Kläger behaupteten auch gar nicht,
dass die Couponsbogen vernichtet worden seien, und sie sagten nicht, ob
der Coupon Nr. 13, der mit der Inhaberaktie in Tausch gegen die Namenaktie
gegeben werden müsse, vorhanden gewesen sei.

    D.- Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sei zu
bestätigen. Sie machen geltend, der Entscheid über die Kraftloserklärung
sei rechtskräftig und daher verbindlich; jedenfalls könne den Klägern
nicht zugemutet werden, zu überprüfen, ob das Verfahren ordnungsgemäss
durchgeführt wurde. Die Kraftloserklärung wirke rechtsgestaltend und
sei auch gegenüber dem wirksam, der nicht Gelegenheit hatte, seine
Interessen wahrzunehmen. Die Beklagte habe sich aber in jenem Verfahren
äussern können. Sie habe nicht versucht, den Entscheid vom 8. Juli
1955 anzufechten. Der Einwand, das Aufgebot sei unterblieben und der
Entscheid nicht veröffentlicht worden, könne nicht mehr berücksichtigt
werden. Übrigens sei das Aufgebot nicht mangels Individualisierung der
Titel unterblieben, sondern weil diese vernichtet worden seien. Die
Vernichtung, weil Tatsache, sei für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt. Das schweizerische Recht habe auf die Numerierung der
Inhaberaktien verzichtet. Daher könne nicht verlangt werden, dass
sie durch Nummern zu individualisieren seien. Die Aktien der Kläger
seien durch Bezeichnung des Depots, in dem sie gelegen haben, genügend
individualisiert worden. Die Angabe von Nummern wäre sogar irreführend,
da die Aktien zusammen mit andern gleichartigen Papieren in einem
Sammeldepot gelegen hätten und aus einem solchen irgendwelche Stücke
herausgegeben werden könnten, so dass andere Aktien der betreffenden
Art im Miteigentum der übrigen Berechtigten verblieben. Auch auf den
Einwand, die Beklagte sei der Gefahr doppelter Leistung ausgesetzt,
sei nicht einzutreten. Das Gesetz wolle nicht davor schützen, dass der
Schuldner doppelt in Anspruch genommen werde; es verlange nicht einmal,
dass Besitz und Verlust des Papiers nachzuweisen, sondern nur, dass sie
glaubhaft zu machen seien. Im vorliegenden Fall seien Eigentum und Verlust
sogar bewiesen und sei daher die Gefahr doppelter Leistung viel geringer,
als das Gesetz in Kauf genommen habe. Das Fehlen der Nummern möge der
Beklagten buchhalterische Schwierigkeiten verursachen, sei aber kein
Grund, den Klägern das Recht zu verweigern; sie hätten Anspruch auf voll
handelsfähige Papiere. Auch getrennte Couponsbogen seien Bestandteil der
Aktien. Die Kraftloserklärung der Aktien mache auch die dazu gehörenden
Coupons hinfällig. Die Beklagte sei daher verpflichtet, den Klägern neue
Titel mit Couponsbogen zu übergeben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wer ein Wertpapier vermisst, an dem er berechtigt ist, kann es
durch den Richter kraftlos erklären lassen (Art. 971 OR). Der Gesuchsteller
hat den Besitz und den Verlust des Papiers glaubhaft zu machen (Art. 981
Abs. 3 OR). Er muss es so genau bezeichnen, dass es von allen anderen
Urkunden, insbesondere von Wertpapieren der gleichen Art, zuverlässig
unterschieden werden kann. Das ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt,
ergibt sich aber aus der Natur der Sache. Gemäss Art. 983 und 984 OR
hat der Richter, wenn er die Darstellung des Gesuchstellers über seinen
früheren Besitz und den Verlust der Urkunde als glaubhaft erachtet, den
unbekannten Inhaber durch öffentliche Bekanntmachung aufzuforden, das
Papier innerhalb bestimmter Frist vorzulegen, widrigenfalls es kraftlos
erklärt werde. Diese Aufforderung will den, der die Urkunde allenfalls
inne hat und daran ein Recht beansprucht, auf die drohende Entkräftung
und auf die Möglichkeit, sie durch Vorlegung des Papiers abzuwenden
(Art. 985 OR), aufmerksam machen. Diesen Zweck kann sie nur erreichen,
wenn das Papier genau bezeichnet wird, und zwar nicht nur durch Angabe der
Gattung, der es angehört, sondern durch Nennung eines Merkmals, das nur ihm
allein eigen ist. Nur wenn das geschieht, können die Inhaber von Papieren
gleicher Art wissen, ob sie das gesuchte Papier besitzen. Es kann ihnen
nicht zugemutet werden, alle Papiere der Gattung vorzulegen, mit der in
Art. 985 OR vorgesehenen Folge, vom Gesuchsteller allenfalls auf Herausgabe
verklagt zu werden. Würden sie diese Papiere dennoch vorzeigen, so wäre dem
Gesuchsteller übrigens nicht geholfen, denn er müsste nun entweder gegen
einen ganz bestimmten Gegner auf Herausgabe klagen und dabei beweisen,
dass das von ihm angesprochene Papier das verlorene sei, oder er hätte,
um es gemäss Art. 986 kraftlos erklären zu lassen, dem Richter darzutun,
dass keines der vorgelegten Papiere das abhanden gekommene sei. Das
vermisste Stück wäre also spätestens in diesem Stadium des Verfahrens
nun doch so genau zu beschreiben, dass der Richter es von den andern
unterscheiden und es im Entscheide über die Kraftloserklärung und in der
durch Art. 986 Abs. 2 OR vorgeschriebenen Veröffentlichung des Entscheides
genau bezeichnen könnte. Denn es geht nicht an, ein unbestimmtes Stück der
betreffenden Gattung kraftlos zu erklären. Der Öffentlichkeit ist zu sagen,
aus welchem Papiere keine Rechte mehr geltend gemacht werden können. Würde
es nur der Gattung nach bezeichnet, so könnte niemand wissen, welches
davon kraftlos sei. Auch wüsste der Schuldner nicht, welchem der mehreren
Inhaber von Papieren dieser Gattung er die Leistung zu verweigern hat.

    Der Entwurf des alten Obligationenrechts sah denn auch vor, dass das
Gesuch um Kraftloserklärung "eine die Identität des zu amortisierenden
Papiers ausser Zweifel stellende Beschreibung" zu enthalten habe
(Art. 870). Diese Bestimmung verstand sich von selbst. Nichts spricht
dafür, dass sie aus einem andern Grunde nicht in das Gesetz aufgenommen
worden sei. In der Literatur wird von jeher angenommen, dass ein Wertpapier
nur kraftlos erklärt werden kann, wenn der Gesuchsteller es so genau
bezeichnet, dass das betreffende Stück bestimmt werden kann (GOETZINGER
N. 4 zu Art. 850 aoR; ZIMMERLI, Die gerichtliche Kraftloserklärung,
Berner Diss. 1919 S. 16 f.; CUDKOWICZ, Wertpapierverlust, Zürich 1941
S. 94; STROHMEIER, Die gerichtliche Kraftloserklärung der Wertpapiere
im schweizerischen Recht, Zürcher Diss. 1952 S. 58 f.; JÄGGI,
Komm. Art. 971/2 N. 14, 61, 135 f.; zum deutschen Recht s. JACOBI, Die
Wertpapiere, in Ehrenberg, Handbuch des Handelsrechts IV 1 S. 391, und
ZPO § 1007; zum österreichischen Recht: Kraftloserklärungsgesetz 1951 §
3 Abs. 2 Ziff. 1, § 5 Abs. 2 Ziff. 2, § 12 Abs. 2). In gleichem Sinne ist
in BGE 40 II 37 hinsichtlich eines Wechselblankettes entschieden worden.

    Das zu entkräftende Stück muss selbst dann genau bezeichnet werden,
wenn Gesuchsteller und Richter überzeugt sind, dass es nicht mehr
besteht. Die Bezeichnung lässt sich nicht mit der Begründung umgehen,
ein Aufgebot sei in diesem Falle sinnlos und daher überflüssig. Sie ist
auch hier nötig, und zwar auch dann, wenn der Gesuchsteller Besitz und
Untergang der Urkunde, statt sie nur glaubhaft zu machen, beweist und
der Richter ausserdem überzeugt ist, dass der Gesuchsteller am Papier im
Zeitpunkt seines Unterganges berechtigt war. Denn die Überzeugung des
Richters kommt auf einen einseitig vom Gesuchsteller geführten Beweis
hin zustande. Dritten muss unter allen Umständen das Recht gewahrt
bleiben, die angeblich vernichtete Urkunde vorzulegen und auf die Klage
des Gesuchstellers hin (Art. 985 Abs. 1 OR) den von diesem angetretenen
Beweis seines Rechtes zu entkräften. Legt auf das Aufgebot hin niemand die
Urkunde vor, so bleibt dennoch möglich, dass die einseitige Darstellung
des Gesuchstellers den Tatsachen nicht entspricht. Für den Fall, dass sie
falsch sei, hat die Öffentlichkeit ein Interesse, zu wissen, welches Papier
kraftlos erklärt worden ist. Auch die Veröffentlichung des Entscheides,
unter Bezeichnung des betroffenen Stückes, lässt sich daher nicht umgehen.

Erwägung 2

    2.- Genau bezeichnet ist das Papier nur dann, wenn die besonderen
Merkmale des Stückes hervorgehoben sind. Es müssen Merkmale sein, die nur
ihm allein eigen sind und überall, wo es sich befinden mag, es zu erkennen
erlauben. Hinweise auf den Ort, an dem es vor seinem Verluste gelegen,
oder auf die Person, die es aufbewahrt, weggenommen oder vernichtet hat,
und dergleichen genügen nicht. Sie kennzeichnen das Papier nicht für
jedermann, sondern sagen höchstens dem Eingeweihten, dass es dem Richter
vorzulegen oder dass es kraftlos erklärt sei. Auch der gutgläubige und
über die Herkunft des Papiers nicht unterrichtete Erwerber muss indes
dem Aufgebot und dem veröffentlichten Entscheide entnehmen können,
dass seine Urkunde davon betroffen wird. Sind mehrere gleichartige
Papiere ausgegeben worden, so ist daher die Angabe der Serie und der
Nummer unerlässlich. Dass das Gesetz die Numerierung nicht vorschreibt,
ändert nichts. Wer aus einer Gattung Papiere ohne Nummer erwirbt, trägt
die Gefahr, sie im Falle des Verlustes nicht kraftlos erklären lassen
zu können, es wäre denn, er vermöge sie durch Angabe anderer besonderer
Merkmale genügend zu kennzeichnen.

Erwägung 3

    3.- Der Entscheid des Zivilgerichtes vom 8. Juli 1955 nennt keinerlei
Merkmale, die den Papieren der Kläger und nur gerade ihnen eigen gewesen
wären, so dass sie von anderen "Stammaktien der I.G. Chemie, Basel,
zu Fr. 500.-- nominal" unterschieden werden könnten. Der Hinweis darauf,
dass sie "seinerzeit bei der Reichsbankhauptstelle Reichsbankgirokonto
Wertpapiersammelstelle, Frankfurt a.M." hinterlegt waren, genügt
sowenig wie die Nennung ihrer Besitzer. Der Entscheid, der einen Akt der
freiwilligen Gerichtsbarkeit darstellt, ist somit ein Schlag ins Leere,
weil ihm nicht entnommen werden kann, welche Stücke aus der Gattung der
Inhaberaktien der Beklagten fortan kraftlos sein sollen. Schon deshalb
geht ihm jede Wirkung ab. Es fehlt ihm auch jede rechtliche Grundlage, da
das Gesetz die Kraftloserklärung von Teilen einer Gattung ohne Bezeichnung
der betroffenen Stücke anhand unterscheidender Merkmale nicht kennt. Das
Kraftloserklärungsurteil ist auch aus diesem Grunde nicht zu beachten.
Amtshandlungen, die ins Leere fallen und folglich sinnlos sind, wie
auch solche, die jeder rechtlichen Grundlage entbehren, weil das Gesetz
sie nach Sinn und Auslegung gar nicht kennt, sind nach bewährter Lehre
nichtig (GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz,
Zürich 1954 S. 78 f.). Es verhält sich nicht anders, als wenn der Richter
z.B. aus dem Kreise aller fünfzig- bis sechzigjährigen Männer einer
Stadt zwei ohne Nennung ihrer Personalien als verschollen erklären würde,
weil ihm gemeldet wurde, zwei Unbekannte dieser Altersstufe seien in den
Strom gefallen und ertrunken. Solchen oder ähnlichen Entscheiden vermag
der Umstand, dass materielle Mängel die Amtshandlungen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit im allgemeinen sonst nicht unwirksam machen (GULDENER
S. 77), nicht Sinn und Kraft zu verleihen.

    Die Frage, ob der Entscheid des Zivilgerichtes auch deshalb nichtig
sei, weil das Aufgebot nach Art. 983 f. OR unterblieben und weil der
Entscheid nicht im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden
ist (Art. 986 Abs. 2 OR), stellt sich bei dieser Sachlage nicht.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 965 OR kann das in einem Wertpapier verurkundete Recht
ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden.
Ferner bestimmt Art. 966 Abs. 1 OR, dass der Schuldner aus einem Wertpapier
nur gegen Aushändigung der Urkunde zu leisten verpflichtet ist.

    Daraus folgt nicht, dass das Recht untergeht, wenn das Papier
vernichtet wird. Ob es stets ohne das Papier weiterbesteht (vgl. hiezu
JÄGGI Art. 971/2 N. 61 ff.), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls
hangen die Mitgliedschaftsrechte in der Aktiengesellschaft nicht
notwendigerweise vom Bestand des Papiers ab. Das Bundesgericht hat unter
der Herrschaft des alten Obligationenrechts z.B. entschieden, dass sie
schon vor der Ausgabe der Aktien übertragen werden können (BGE 48 II 402
f.). Wie zutreffend gelehrt wird, verhält es sich unter dem geltenden
Obligationenrecht gleich (BÜRGI Vorbem. zu Art. 683 ff. N. 35 ff.). Die
Lehre geht einen Schritt weiter, indem sie in dieser Hinsicht den Fall
der zerstörten Urkunde dem Falle des noch nicht verurkundeten Rechtes
gleichsetzt (JÄGGI Art. 967 N. 30), in der Erkenntnis, dass die Urkunde
nur Hilfsmittel des Rechtsverkehrs ist und daher die materielle Rechtslage
nicht nur nach der Kraftloserklärung des Papiers, sondern auch sonst
womöglich den Vorrang vor dem Schicksal der Urkunde verdient (vgl. JÄGGI
Art. 971/2 N. 1-4). Dieser Auffassung ist in dem Sinne beizupflichten,
dass Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) jedenfalls unter den Verhältnissen
des vorliegenden Falles den Fortbestand der Mitgliedschaftsrechte des
Aktionärs erfordern. Für das Bundesgericht ist verbindlich festgestellt
(Art. 63 Abs. 2 OG), dass 33 den Klägern gehörende Inhaberaktien
der Beklagten absichtlich vernichtet worden sind, um sie dem Zugriff
Unberechtigter zu entziehen. Ihre Kraftloserklärung scheitert nur daran,
dass die Nummernverzeichnisse in den Wirren des Krieges untergegangen oder
abhanden gekommen sind. Da die Schweiz keine Bestimmungen erlassen hat,
wie sie die durch die ungewöhnlichen Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse
veranlasste deutsche Gesetzgebung über die Bereinigung der Wertpapiere
(Gesetze vom 19. August 1949 mit Ergänzungsgesetzen vom 26. August
1953 und 16. November 1956) und die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten
aus Aktien während der Bereinigung (Gesetz vom 9. Oktober 1950) kennt,
wäre es für die Kläger unvernünftig hart, wenn sie nicht weiterhin als
Aktionäre der Beklagten auftreten könnten. Der Fortbestand ihrer Rechte
verletzt keine berechtigten Interessen der Beklagten. Da die Vernichtung
der Papiere sicher ist und zweifelsfrei feststeht, wer im Zeitpunkt
der Zerstörung aus ihnen berechtigt war, hat die Beklagte nicht damit
zu rechnen, mangels Kraftloserklärung der Urkunden jemals von Dritten
nach Wertpapierrecht belangt zu werden. Sie wäre ohne Grund bereichert,
wenn die Rechte der Kläger mit den Papieren untergegangen wären. Aus
der Bestimmung, wonach die Nationalbank für vernichtete Banknoten keinen
Ersatz zu leisten hat (Art. 23 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember
1953 über die Schweizerische Nationalbank), lässt sich nichts zu Gunsten
der Beklagten ableiten. Das ist eine Sondernorm für ein Zahlungsmittel,
das an Stelle von Geld sich in grosser Menge in Umlauf befindet und auch
durch Ausschluss der Kraftloserklärung (Art. 988 OR) anders behandelt
wird als die übrigen Wertpapiere.

Erwägung 5

    5.- Sind demnach den Klägern die Rechte aus den vernichteten Aktien
erhalten geblieben, so bedeutet das jedoch nicht, dass ihnen die Beklagte
Ersatztitel auszustellen und auszuhändigen habe. Die Beklagte ist ihrer
Pflicht zur Verurkundung dieser Rechte dadurch nachgekommen, dass sie
den Klägern oder deren Rechtsvorgängern seinerzeit die nunmehr zerstörten
Inhaberaktien ausgefertigt und übergeben hat. Einen Anspruch auf erneute
Verurkundung hätten die Kläger nur, wenn diese Aktien wirksam kraftlos
erklärt wären (Art. 986 Abs. 3 OR). Der Richter würde die Bestimmungen über
die Kraftloserklärung missachten, wenn er anders entschiede. Daran ändert
der Umstand nichts, dass die Beklagte am 19. Dezember 1945 beschlossen hat,
ihre auf den Inhaber lautenden Stammaktien in Namenaktien umzuwandeln. Die
Eigenschaft als Stammaktionär gibt nicht Anspruch auf Übergabe von
Namenaktien schlechthin, sondern nur Anspruch auf Austausch solcher
Aktien gegen die entsprechende Anzahl Inhaberaktien. Da die Kläger
solche nicht zurückgeben können, ist die Beklagte nicht verpflichtet,
ihnen Namenaktien auszustellen und auszuhändigen. Wenn sie das nicht
freiwillig tut, missbraucht sie auch nicht das Recht (Art. 2 Abs. 2
ZGB). Sie macht geltend, die von den Klägern begehrten Titel müssten
Nummern tragen, die über der statutarischen Zahl der ausgegebenen Aktien
lägen. Dieser Einwand hat etwas für sich und schliesst den Vorwurf aus,
die Beklagte habe kein schützenswertes Interesse, sich dem Wunsche der
Kläger auf Neuverurkundung ihrer Rechte zu widersetzen. Das Klagebegehren
kann daher in der Form, die es hat, nicht gutgeheissen werden.

Erwägung 6

    6.- Indem die Kläger die Ausfertigung neuer Aktien verlangen, wollen
sie sich nicht nur ein Legitimationspapier verschaffen, d.h. nicht
nur den Schein beanspruchen, Aktionäre zu sein. Obwohl sie, wenn die
behauptete Kraftloserklärung gültig wäre, die Ausfertigung neuer Urkunden
verlangen könnten, ohne das Recht am vernichteten Papier nachweisen
zu müssen (Art. 986 Abs. 3 OR), ist ihr Begehren dahin zu verstehen,
dass sie, weil schon an den vernichteten Aktien berechtigt, weiterhin
als Aktionäre anzuerkennen und dass ihnen daher neue Aktien auszustellen
und zu übergeben seien. Dem letzteren Teil dieser Schlussfolgerung kann
jedoch, wie in Erw. 5 dargelegt, nicht entsprochen werden. Dagegen ist
unter den Umständen des vorliegenden Falles das Klagebegehren im übrigen
sinngemäss auch zu verstehen als Antrag auf Feststellung der sich aus
der Aktionäreigenschaft ergebenden Rechte. Die Klage ist daher in diesem
Sinne teilweise gutgeheissen.

Erwägung 7

    7.- Die Feststellung darf jedoch nur die sich aus den vernichteten
Aktien ergebenden Rechte betreffen, nicht auch die Rechte aus den
Coupons; denn noch in der Berufungsbegründung stellt die Beklagte sich
auf den Standpunkt, die Couponsbogen, die sie getrennt ausgegeben habe,
seien nicht vernichtet worden, und die Kläger bestreiten das in der
Berufungsantwort nicht.

    Welche Rechte sich aus den vernichteten Aktien ergeben, ist nicht
abgeklärt. Insbesondere steht nicht fest, ob die Kläger auf Grund dieser
Aktien inzwischen neue Couponsbogen hätten beziehen können und ob nicht
möglicherweise die Beklagte die mit den vernichteten Aktien ausgegebenen
Couponsbogen schon ersetzt hat, z.B. auf Grund eines mit den alten
Bogen verbundenen Erneuerungsscheines. Ohne diese Abklärung wäre die
Feststellung, dass die Kläger die in den vernichteten Aktien verbrieften
Rechte ausüben können, nicht bestimmt genug. Das Appellationsgericht hat
daher den Sachverhalt zu ermitteln und neu zu urteilen.

    Falls sich ergibt, dass in den vernichteten Papieren alle Rechte
der Aktionäre verbrieft waren - mindestens mittelbar, indem neue
Couponsbogen nur auf Grund der Aktien erhältlich sind -, so kann auch
festgestellt werden, dass die Beklagte die Kläger in das Aktienbuch
einzutragen hat. Andernfalls sind die in den Aktien verurkundeten Rechte
im Feststellungsurteil aufzuzählen.

    Für beide Fälle ist festzuhalten, dass die Rechte der Kläger als
Aktionäre trotz der mangelnden Verurkundung vererbt und durch gewöhnliche
Abtretung übertragen werden können. Statutarische Beschränkung der
Übertragung bleibt vorbehalten.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 8. Februar 1957 aufgehoben und die Sache zu
neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.