Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 263



83 II 263

39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1957
i.S. Eheleute V. Regeste

    Alimente für eheliche Kinder. Klagelegitimation der Mutter.

    Materielle Rechtskraft. Voraussetzungen und Funktion.  Identität des
Streitgegenstandes? Erhebt der rechtskräftig zu einer Zahlung verurteilte
Schuldner unter Berufung auf Tatsachen, die seit Erlass des Urteils
eingetreten sind, gegen seine Zahlungspflicht Einreden, so kann der
Gläubiger nicht gehindert werden, neuerdings auf Zahlung zu klagen,
selbst wenn er auf Grund des frühern Urteils definitive Rechtsöffnung
erhalten könnte.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 27. April 1950 ermächtigte der Eheschutzrichter
Frau V. zum Getrenntleben, teilte ihr die Kinder zur Pflege und Erziehung
zu und verpflichtete den Ehemann, "an den Unterhalt seiner Frau und der
drei Kinder ab 1. Mai 1950 monatlich Fr. 550.-- zum voraus zu bezahlen."

    Am 12. Juli 1954 setzte der Eheschutzrichter die Unterhaltsbeiträge
für Frau und Kinder mit Wirkung ab 1. April 1954 auf Fr. 300.-- pro Monat
herab. Die rückständigen Beiträge beliefen sich am 31. März 1954 gemäss
einer Aufstellung der Ehefrau vom 27. Juli 1954 nach Abzug der Leistungen,
welche die Ehefrau von der Gemeinde und den Eltern des Ehemannes erhalten
hatte, auf Fr. 12'438.--.

    B.- Am 1. Dezember 1954 schlossen die Parteien (die Ehefrau auch
im Namen der Kinder) eine Vereinbarung, die u.a. bestimmte, dass der
Ehemann fortan für jedes der drei Kinder monatlich Fr. 150.--, "zur Zeit
also total Fr. 450.--" bezahle und dass die Ehefrau "auf bis dato nicht
bezahlte Unterhaltsbeiträge für sich und die Kinder" verzichte.

    In der Folge zahlte der Ehemann der Ehefrau monatlich Fr. 450.--. Er
fuhr damit auch fort, nachdem die Ehefrau ihm mit Schreiben vom 6. Januar
und 4. Februar 1955 unter Berufung auf Willensmängel eröffnet hatte, dass
sie die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 nicht gelten lasse und allfällige
Zahlungen als solche entgegennehme, die er in Erfüllung seiner gesetzlichen
Unterhaltspflicht leiste. Das Vorliegen von Willensmängeln bestritt er.

    Mit Zahlungsbefehl vom 28. Juni 1955 betrieb die Ehefrau den Ehemann
für den Betrag von Fr. 12'438.--. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag.

    C.- Am 14. Oktober 1955 hob die Ehefrau gegen den Ehemann Klage an
mit dem Begehren, er sei zu verurteilen, an sie zu zahlen:

    "a)  Fr. 12'438.-- per 31. März 1954 rückständige Unterhaltsbeiträge
gemäss Verfügung des Eheschutzrichters vom 27. April 1950, plus 5% Zins
seit 1. April 1954;

    ..."

    Der Beklagte machte geltend, neben der Ehefrau hätten auch die Kinder
als Kläger auftreten müssen. Im übrigen habe die Klägerin am 1. Dezember
1954 auf die rückständigen Beiträge verzichtet, und zwar auch im Namen
der Kinder. Eventuell seien die Beträge, die er ab 1. Dezember 1954 über
die vom Eheschutzrichter am 12. Juli 1954 festgesetzten Beiträge hinaus
bezahlt habe (monatlich Fr. 150.--), mit den rückständigen Alimenten zu
"verrechnen."

    Die Klägerin replizierte, die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954
sei nach Art. 23 ff. OR, insbesondere wegen absichtlicher Täuschung
und Drohung, und auch deswegen ungültig, weil sie zur Zeit des
Vertragsabschlusses verbeiständet gewesen sei und der Beistand nicht
mitgewirkt habe. Die Mehrrleistung von monatlich Fr. 150.-- dürfe nicht
zur Verrechnung gebracht werden, weil es sich dabei um eine freiwillige
Zahlung für den Unterhalt der Familie handle.

    Das Bezirksgericht nahm an, die Klägerin habe auch für die Kinder
geklagt und dies tun können, ohne ausdrücklich in ihrem Namen zu
handeln. Dass die rückständigen Alimente am 31. März 1954 Fr. 12'438.--
ausmachten, sei unbestritten. Die Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 sei
ungültig, weil der Beistand der Klägerin nicht mitgewirkt habe. Dagegen
seien die Beträge von monatlich Fr. 150.-- oder insgesamt Fr. 3300.--,
die ab 1. Dezember 1954 bis und mit September 1956 über die gerichtlich
festgesetzten Alimente hinaus bezahlt wurden, von der Forderung der
Klägerin in Abzug zu bringen. Demgemäss sprach es der Ehefrau Fr. 9138.--
zu.

    D.- Vor Kantonsgericht, an das beide Parteien appellierten, machte
der Beklagte neu geltend, hinsichtlich der Hauptforderung der Klägerin
liege res judicata vor. Der Eheschutzrichter habe bereits entschieden,
was die Klägerin heute wieder verlange. Die Klägerin hätte lediglich
auf Feststellung der Ungültigkeit der Vereinbarung vom 1. Dezember 1954
klagen können, was sie nicht getan habe. Eine Mitwirkung des Beistandes
sei übrigens beim Abschluss dieser Vereinbarung nicht nötig gewesen.

    Das Kantonsgericht fand, die Klägerin besitze für die Hauptforderung in
der längst rechtskräftig gewordenen Verfügung des Eheschutzrichters bereits
einen "definitiven Rechtsöffnungstitel", so dass ihr jedes rechtliche
Interesse und damit auch die Befugnis fehle, die Zahlungspflicht des
Beklagten ein zweites Mal gerichtlich feststellen zu lassen; nach dem
Grundsatze "ne bis in idem", den das Gericht von Amtes wegen anzuwenden
habe, sei daher auf das Rechtsbegehren a) der Klage nicht einzutreten. Über
die Gültigkeit der Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 sei deshalb in
diesem Prozesse nicht mehr zu entscheiden. Ein Begehren auf Feststellung
der Gültigkeit bezw. Ungültigkeit dieser Vereinbarung, das dem Gericht
erlauben würde, sich gesondert mit dieser Frage zu befassen, sei nicht
gestellt worden. Der Rechtsöffnungsrichter werde sich mit dieser Frage
auseinanderzusetzen haben, falls der Beklagte dem Rechtsöffnungsbegehren
der Klägerin wieder den erwähnten Vertrag entgegenhalte. Demgemäss hat
das Kantonsgericht am 19. Februar 1957 erkannt, auf das Klagebegehren a)
werde nicht eingetreten.

    E.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht erneuert die Klägerin
dieses Klagebegehren. Das Bundesgericht hebt das angefochtene Urteil auf
und weist die Sache an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Ehefrau hat nach Art. 160 Abs. 2 ZGB ein eigenes Recht
darauf, dass der Ehemann die Kinder unterhält (LEMP N. 39 zu Art. 160,
N. 18 zu Art. 170 ZGB). Kraft dieses Rechts hat die Klägerin vor
dem Eheschutzrichter Unterhaltsbeiträge nicht nur für sich selber,
sondern auch für die Kinder erstritten. Demgemäss ist sie befugt, die
in der Verfügung dieses Richters festgesetzten Beiträge auch insoweit
in ihrem eigenen Namen einzuklagen, als sie für die Kinder bestimmt
sind. Die eheliche Mutter ist zu solchem Vorgehen so gut berechtigt,
wie die aussereheliche Mutter gemäss Art. 307 Abs. 1 ZGB auf Leistungen
für das Kind klagen kann. Schon aus diesem Grund ist die Einrede, dass
ihr die Klagelegitimation fehle, zu verwerfen. Im übrigen konnte das
Bezirksgericht ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, die Klägerin
habe, nach den Umständen zu schliessen, auch in ihrer Eigenschaft als
gesetzliche Vertreterin der Kinder, d.h. auch in deren Namen geklagt,
obwohl die Klage nur sie selber ausdrücklich als Klägerin nennt.

Erwägung 2

    2.- Die Rechtsprechung des Bundesgerichts nimmt an, den formell
rechtskräftigen Entscheiden der kantonalen Zivilgerichte werde die
materielle Rechtskraft, d.h. die Verbindlichkeit für spätere Prozesse,
durch das kantonale Prozessrecht verliehen, leitet aber aus dem
Bundesprivatrecht den Grundsatz ab, dass in einem Prozess über einen
bundesrechtlichen Anspruch ein früheres Urteil nur dann als materiell
rechtskräftig anerkannt werden darf, wenn dieser Prozess und das
frühere Urteil die gleichen Parteien und den gleichen Streitgegenstand
betreffen. Verstösst ein kantonales Gericht gegen diesen Grundsatz,
so liegt darin eine Verletzung von Bundesrecht, die gemäss Art. 43 OG
mit der Berufung an das Bundesgericht gerügt werden kann (BGE 78 II 401
f. und dortige Hinweise, 80 I 261 f.). Die normale Funktion der materiellen
Rechtskraft besteht darin, dass eine Partei, die in einem frühern Prozess
unterlegen ist, am Versuch gehindert werden kann, in einem neuen Prozess
ein für sie günstigeres Urteil zu erwirken. Es bedeutet aber keine
Verletzung von Bundesrecht, wenn ein kantonales Gericht die materielle
Rechtskraft eines frühern Entscheides auf Einrede hin oder von Amtes
wegen auch gegenüber einer Partei eingreifen lässt, die im frühern Prozess
obgesiegt hat, um sie daran zu hindern, den frühern Gegner und die Gerichte
nochmals mit einem Prozess über den gleichen Gegenstand zu behelligen.

    Im vorliegenden Falle stehen sich heute wieder die gleichen Parteien
gegenüber wie im Eheschutzverfahren von 1950. Das Begehren a) der
heutigen Klage und das seinerzeitige Eheschutzverfahren beziehen sich
insofern auf den gleichen Gegenstand, als es sich heute wie damals um die
Unterhaltsbeiträge für die Zeit nach dem 1. Mai 1950 handelt. Die Klägerin
verlangt ausdrücklich die Bezahlung der Beiträge gemäss Verfügung des
Eheschutzrichters vom 27. April 1950, die am 31. März 1954 ausstanden. Die
Tatsache, dass solche Verfügungen bei Änderung der für die Regelung der
Unterhaltspflicht erheblichen Umstände jederzeit abgeändert werden können,
hindert nicht, dass sie die Beiträge für solange, als eine Abänderung nicht
erfolgt, verbindlich festsetzen (vgl. BGE 78 II 113). Abgeändert wurde die
Verfügung vom 27. April 1950 erst am 12. Juli 1954 mit Wirkung ab 1. April
1954. Die Vorinstanz konnte also ohne Bundesrechtsverletzung annehmen, es
sei bereits rechtskräftig und verbindlich entschieden, dass der Beklagte
der Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 1950 bis zum 31. März 1954 monatlich
Fr. 550.-- schuldig geworden sei. Sie hätte daher, wenn unmittelbar nach
diesem letzten Datum auf Zahlung der im genannten Zeitraum verfallenen
und noch nicht bezahlten Beiträge geklagt worden wäre und über die Höhe
der Rückstände kein Streit bestanden hätte, die materielle Behandlung
der Klage wohl ablehnen dürfen.

    Seit dem 31. März 1954 sind jedoch Tatsachen eingetreten, aus denen
der Beklagte Einreden gegen die Pflicht zur Zahlung der bis zu jenem
Zeitpunkt aufgelaufenen Rückstände herleitet. Unter Berufung auf den
in der Vereinbarung vom 1. Dezember 1954 ausgesprochenen Verzicht der
Klägerin bestreitet er seine Zahlungspflicht grundsätzlich, und unter
Hinweis darauf, dass er vom 1. Dezember 1954 an monatlich Fr. 150.--
über den vom Eheschutzrichter am 12. Juli 1954 festgesetzten Betrag
hinaus bezahlt hat, macht er eventuell geltend, die Klägerin müsse sich
von ihrer Forderung einen entsprechenden Abzug gefallen lassen. Gegen
den ihm am 28. Juni 1955 zugestellten Zahlungsbefehl hat er deswegen
Rechtsvorschlag erhoben. Heute ist also streitig, ob der Beklagte trotz
der Verzichterklärung der Klägerin und den von ihm nach dem 1. Dezember
1954 geleisteten Mehrzahlungen verpflichtet sei, der Klägerin den Betrag
von Fr. 12'438.-- zu bezahlen. Es ist offenkundig, dass die Klägerin mit
der vorliegenden Klage einen Entscheid über diese Streitfrage herbeiführen
will, auch wenn das Klagebegehren a) nur dahin lautet, dass der Beklagte
zur Zahlung der rückständigen Beiträge gemäss Verfügung vom 27. April 1950
im erwähnten Betrage zu verurteilen sei. (Wie in BGE 82 II 178 und 82
III 150 in anderm Zusammenhang ausgeführt, kommt es nicht allein auf den
Wortlaut der Anträge an, sondern ist massgebend, welcher Sinn ihnen nach
den Umständen vernünftigerweise beizulegen ist.) Ferner ist klar, dass
diese Streitfrage im Eheschutzverfahren von 1950 nicht beurteilt wurde
und auch noch gar nicht beurteilt werden konnte. Grundlage der heutigen
Klage ist eben ausser der bereits im Eheschutzverfahren geltend gemachten
und verbindlich festgestellten Beitragspflicht des Beklagten für die Zeit
nach dem 1. Mai 1950 die Behauptung, dass der Verzicht vom 1. Dezember
1954 ungültig und der Abzug der nach diesem letzten Datum geleisteten
Mehrzahlungen unzulässig sei. Aus alledem folgt, dass der dem Begehren
a) zugrundeliegende Rechtsstreit mit dem im Eheschutzverfahren von
1950 beurteilten nicht identisch ist, so dass das Eintreten auf dieses
Begehren nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, es betreffe
eine abgeurteilte Sache. Wenn der Beklagte einerseits behauptet, der
Eheschutzrichter habe bereits entschieden, was die Klägerin heute verlange,
anderseits aber die Pflicht zur Zahlung der rückständigen Beiträge gemäss
der Verfügung dieses Richters bestreitet, so widerspricht er sich selber.

Erwägung 3

    3.- Der Klägerin kann nicht schaden, dass sie nicht versucht hat,
in der von ihr angehobenen, durch den Rechtsvorschlag des Beklagten
gehemmten Betreibung definitive Rechtsöffnung zu verlangen, bevor sie
die vorliegende Klage einleitete. Nach Art. 79 SchKG hat ein Gläubiger,
gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben ist, zur Geltendmachung
seines Anspruchs den ordentlichen Prozessweg zu betreten. Für den Fall,
dass die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil beruht,
sieht Art. 80 Abs. 1 SchKG lediglich vor, der Gläubiger könne Rechtsöffnung
verlangen.

    JAEGER vertritt freilich die Auffassung, der Gläubiger müsse diesen
Weg beschreiten, um das Urteil zur Vollstreckung gelangen zu lassen,
wenn es sich um ein im betreffenden Kanton selber ergangenes Urteil
handle, weil der Schuldner einer nochmaligen Einklagung des Anspruchs im
ordentlichen Verfahren die Einrede der abgeurteilten Sache entgegensetzen
könnte (N. 4 zu Art. 80 SchKG). Diese Einrede steht jedoch dem Schuldner,
wie aus Erwägung 2 hervorgeht, dann nicht zu Gebote, wenn er gegen die im
frühern Urteil festgestellte Zahlungspflicht unter Berufung auf seither
eingetretene Tatsachen Einreden erhebt und der Gläubiger behauptet, er
müsse gleichwohl zahlen; denn in diesem Falle handelt es sich eben nicht
mehr um den gleichen Rechtsstreit. Für Fälle wie den vorliegenden trifft
also die Auffassung JAEGERS nicht zu.

    Dass die Klägerin, wie die Vorinstanz annimmt, kein rechtliches
Interesse daran habe, den Rechtsvorschlag des Beklagten durch ein neues
Urteil des ordentlichen Richters beseitigen zu lassen, könnte selbst dann
nicht anerkannt werden, wenn der Beklagte nicht in der Lage wäre, durch
Urkunden die Tilgung der Schuld seit Erlass des Urteils nachzuweisen,
und die Klägerin daher auf die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung
rechnen könnte (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Sobald der Schuldner gegen die
durch das frühere Urteil festgestellte Zahlungspflicht auf Grund späterer
Tatsachen Einreden erhebt, kann die Frage, ob diese Pflicht noch bestehe
oder nicht, nur durch ein Urteil des ordentlichen Richters verbindlich
entschieden werden. Der Entscheid des Rechtsöffnungsrichters hat nur
betreibungsrechtliche Wirkungen, die sich zudem auf die gerade im Gang
befindliche Betreibung beschränken. Weist der Rechtsöffnungsrichter die
Einreden des Schuldners zurück und gewährt er die definitive Rechtsöffnung,
so bleibt es dem Schuldner, der infolgedessen Zahlung leisten muss,
unbenommen, gemäss Art. 86 SchKG Rückforderungsklage anzustrengen und in
diesem Prozess die vom Rechtsöffnungsrichter verworfenen Einreden wieder
aufzugreifen, wie anderseits die Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens
den Gläubiger nicht hindern kann, sich an den ordentlichen Richter zu
wenden. Indem der Gläubiger, obschon er die definitive Rechtsöffnung
erlangen könnte, die Einreden des Schuldners durch eine neue Klage zu
entkräften sucht, bringt er also einfach eine Streitigkeit, die später den
Gegenstand eines Rückforderungsprozesses bilden könnte, zum sofortigen
Austrag. Die Rechtslage in dieser Weise durch ein neues Sachurteil
klarstellen zu lassen, bevor die Vollstreckung ihren Lauf nimmt, darf ihm
nicht verwehrt werden. Der Schuldner, der seine Zahlungspflicht bestreitet,
hat keinen Grund, sich zu beklagen, wenn er deswegen neuerdings vor den
ordentlichen Richter gezogen wird.

    Die Klägerin konnte im übrigen nicht bestimmt darauf rechnen, dass
sie mit einem Rechtsöffnungsbegehren durchdringen würde. Es ist sehr
wohl möglich, dass der Rechtsöffnungsrichter ihr die Rechtsöffnung mit
der Begründung verweigert hätte, der Beklagte könne ihren Verzicht auf
die streitigen Unterhaltsbeiträge durch eine Urkunde belegen und die
von ihr behauptete Ungültigkeit dieses Verzichtes sei nicht liquid. So
zu entscheiden, hätte der Rechtsöffnungsrichter um so eher geneigt sein
können, als die Klägerin bei Verweigerung der Rechtsöffnung lediglich
gezwungen gewesen wäre, den ordentlichen Prozessweg zu betreten, und daher
von einem solchen Entscheid viel weniger einschneidende Folgen zu erwarten
gehabt hätte als der Beklagte von einem Entscheide, der der Klägerin die
Fortsetzung der Betreibung erlaubt hätte. Musste die Klägerin demnach
darauf gefasst sein, dass ein Rechtsöffnungsbegehren keinen Erfolg haben
würde, so durfte sie erst recht nicht daran gehindert werden, sofort den
ordentlichen Richter anzurufen.

    Dass sie sich nicht damit begnügte, eine Feststellungsklage
einzuleiten, wie sie nach der Auffassung der Vorinstanz allein zulässig
gewesen wäre, sondern auf Zahlung der rückständigen Beiträge klagte,
lässt sich nicht beanstanden. Hätte sie bloss die Feststellung verlangt,
dass ihr Verzicht ungültig und die Anrechnung der nach dem 1. Dezember
1954 erfolgten "Mehrzahlungen" auf die Rückstände unzulässig sei, so wäre
sie wahrscheinlich auf den Einwand gestossen, an einer solchen negativen
Feststellung habe sie kein schutzwürdiges Interesse, weil sie sogleich
auf Zahlung der streitigen Beiträge hätte klagen können.

    Demnach hat die Vorinstanz das Klagebegehren a) materiell zu
beurteilen.