Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 245



83 II 245

37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1957 i.S. Aeberli gegen
Scholl. Regeste

    Berufungsverfahren, Erfordernis der Streitwertangabe nach Art. 55
Abs. 1 lit. a OG.

    1.  Lastenbereinigung bei der Grundpfandverwertung. Gegenstand eines
solchen Streites, Elemente der Bewertung.

    2.  Die Einholung einer nachträglichen Streitwertbestimmung bei der
kantonalen Behörde nach Art. 52 OG, wegen Nichtbeachtung von Art. 51
Abs. 1 lit. a OG, steht im freien Ermessen des Bundesgerichts. Wird davon
abgesehen, so ist auf eine der erforderlichen Streitwertangabe ermangelnde
Berufung nicht einzutreten, es wäre denn, dass sich ein Streitwert von
mindestens Fr. 4000.-- und allenfalls mindestens Fr. 8000.-- sonstwie
ohne weiteres sicher ergibt.

Sachverhalt

    A.- In einer Betreibung auf Grundpfandverwertung gegen Scholl hat an
dem in dessen Eigentum stehenden, im 3. Range lastenden Inhaberschuldbrief
von Fr. 30'000.-- der derzeitige Inhaber Aeberli ein Faustpfandrecht
für eine Forderung an Dritte von Fr. 32'735.10 geltend gemacht und ist
damit im Lastenverzeichnis anerkannt worden. Scholl bestritt Bestand
und Umfang dieses Pfandrechts und klagte binnen der ihm angesetzten
Frist auf dessen Aberkennung. Mit Urteil vom 27. November 1956 hiess
das Obergericht des Kantons Zürich die Klage teilweise gut, indem es das
bestrittene Pfandrecht nur für eine Forderung von Fr. 13'000.-- als zu
Recht bestehend gelten liess.

    B.- Gegen dieses Urteil hat Aeberli Berufung eingelegt mit dem Antrag
auf "endgültige Abweisung" der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an
das Obergericht zu neuer Beurteilung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1. - Die Berufungsschrift ermangelt der in Art. 55 Abs. 1 lit. a
OG vorgeschriebenen Streitwertangabe. Diese war nicht etwa deshalb
überflüssig, weil die auf Fr. 32'735.10 bezifferte Forderung des
Beklagten den Streitwert ohne weiteres erkennen liesse. Denn Gegenstand
des Streites ist nicht diese (nicht gegen Scholl, sondern gegen einen
Dritten gerichtete) Forderung als solche, sondern lediglich das dafür in
Anspruch genommene Pfandrecht an einem Vermögensstück des Klägers, einem
im 3. Rang auf dessen Grundstück lastenden Schuldbrief. Und zwar fällt
bei der Grundpfandverwertung, auf die sich die Lastenbereinigung bezieht,
nur der Wert der dem Schuldbrief zukommenden grundpfändlichen Sicherheit,
nicht auch die daneben bestehende persönliche Haftung des Ausstellers
(Schuldbriefschuldners) in Betracht, da in dieser Betreibung nur das
Grundstück zu verwerten ist und es im vorliegenden Prozesse darum geht,
ob ein Teil des Grundstückerlöses, eventuell welcher Betrag, auf diesen
Schuldbrief entfallen und dem Beklagten als Faustpfandgläubiger zufallen
werde. Somit hätte in der Berufungsschrift nach der eingangs angeführten
Vorschrift angegeben werden müssen: a) der mutmassliche Grundstückerlös
gemäss amtlicher Schätzung oder das allfällig schon vorliegende Ergebnis
der Verwertung, b) der Betrag der Pfandvorgänge und c) der allenfalls für
den 3. Rang zu erwartende Überschuss. Ob der Streitwert ausserdem maximal
begrenzt sei durch den Betrag der in Betreibung stehenden (Kapital-
oder allenfalls blossen Zins-) Forderung (vgl. BGE 56 III 38), kann
dahingestellt bleiben, da über diese Forderung weder der Berufungsschrift
noch den Urteilen der Vorinstanz (dem angefochtenen und dem frühern,
auf Rückweisung an die erste Instanz lautenden) etwas zu entnehmen ist.

    2. - Das Fehlen der erforderlichen Streitwertangabe macht die
Berufung unwirksam (BGE 71 II 254, 76 II 112 am Ende), es sei denn,
der Streitwert sei im angefochtenen Entscheid angegeben oder sonst
ohne weiteres mit Sicherheit erkennbar (BGE 79 III 173, 81 II 309, 82 II
592). Im vorliegenden Falle vermisst man die Streitwertangabe sowohl in der
Berufungsschrift wie auch in den Urteilen der Vorinstanz, und es lässt sich
auch nicht sonst (etwa mittelbar aus tatsächlichen Feststellungen) ohne
weiteres erkennen, ob das Grundpfand für den Schuldbrief des 3. Ranges
vermutlich mindestens in einem Betrag von Fr. 4000.-- Deckung biete,
und, wenn ja, ob die Deckung immerhin auf weniger als Fr. 8000.-- zu
werten sei oder ob sie diesen Betrag erreiche (was nach Art. 55 Abs. 1
hit. a OG im Hinblick auf Art. 62 OG noch speziell klarzustellen ist,
vgl. BGE 81 II 312). Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, in den Akten
nach allfälligen Wertangaben zu forschen (BGE 81 III 75).

    Die Unterlassung des Obergerichts, den Streitwert (soweit es ohne
erhebliche Weiterung möglich war) gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a OG in seinem
Entscheide festzustellen, bildet keinen Grund, über die Nichtbeachtung von
Art. 55 Abs. 1 lit. a OG durch den Berufungskläger hinwegzusehen. Dieser
hat auch keinen Anspruch auf eine in der Berufungsinstanz, vom
Präsidenten oder vom Gericht, nach Art. 52 OG anzuordnende Verbesserung,
d.h. Ergänzung des angefochtenen Entscheides. Die Anwendung des Art. 52
OG liegt im Ermessen der Berufungsinstanz. Insbesondere das Fehlen einer
Streitwertfeststellung im angefochtenen Entscheid ist kein Mangel, der
in allen Fällen behoben werden müsste. Vielmehr ist der Streitwert in
erster Linie in der Berufungsschrift anzugeben, und es muss daher, wenn
die Berufungsinstanz keine weitern Massnahmen für angezeigt erachtet,
bei den Folgen des vom Berufungskläger zu vertretenden Formmangels sein
Bewenden haben.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.