Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 211



83 II 211

32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juni 1957
i.S. Confluentia A.-G. gegen Keller. Regeste

    Wechselbürgschaft; Aberkennungsklage.

    Begriff der Angabe, für wen die Bürgschaft geleistet werde, Art. 1021
Abs. 4 OR (Erw. 3 a).

    Bedeutung des Umstandes, dass die Indossierung des Wechsels erst nach
Erlass des Zahlungsbefehls erfolgte (Erw. 3 b).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    Der Autohändler Bosshard verkaufte an Ganter ein Auto auf
Abzahlung. Für den Kaufpreis zog der Verkäufer Bosshard einen Wechsel
an eigene Order auf Ganter, den dieser akzeptierte. Unter das Akzept des
Ganter, quer über die Vorderseite des Wechsels, setzte auch Frau Keller
ihre Unterschrift ohne jeglichen Zusatz.

    Bosshard trat alle Rechte aus dem Kaufvertrag an das
Finanzierungsinstitut Confluentia A.-G. ab. Da Ganter seiner
Abzahlungspflicht nicht nachkam, betrieb die Confluentia A.-G. die Frau
Keller für die ausstehende Restforderung auf dem Wege der gewöhnlichen
Betreibung.

    In dem von der Betriebenen angehobenen Aberkennungsprozess berief
sich die Beklagte zur Begründung ihres Anspruches auf den Wechsel, den ihr
Bosshard ohne Indossament übergeben hatte, und machte geltend, Frau Keller
hafte ihr aus diesem Wechsel als Wechselbürgin. Auf den Einwand der Frau
Keller hin, die Beklagte könne sich nicht auf den Wechsel berufen, weil
ein Indossament des Bosshard fehle, indossierte ihn Bosshard nachträglich
an die Confluentia A.-G.

    Das Obergericht Zürich schützte die Aberkennungsklage.

    Das Bundesgericht weist auf Berufung der Beklagten hin die Sache an
die Vorinstanz zurück auf Grund der folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                            Erwägung:

    3. ... a) Die Vorinstanz hat eine Haftung der Klägerin verneint,
weil sich ihre Wechselbürgschaft nicht auf die Schuld des Bezogenen
Ganter, für welche die Beklagte nach ihrer ganzen Prozessführung die
Klägerin in Anspruch nehme, sondern auf die Wechselverpflichtung des
Ausstellers Bosshard beziehe. Das ergebe sich aus Art. 1021 Abs. 4 OR,
wonach die (nicht vom Aussteller oder vom Bezogenen stammende) blosse
Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels als für den Aussteller
geleistete Bürgschaft gelte.

    Dabei hat die Vorinstanz jedoch übersehen, dass nach der Rechtsprechung
(BGE 77 II 250 ff.) die Angabe, für wen die Wechselbürgschaft geleistet
werde, keine ausdrückliche zu sein braucht, sondern sich auch aus
dem Wechsel ergeben kann. Das bezieht sich, wie aus den damaligen
Urteilserwägungen hervorgeht und heute ergänzend zu entscheiden ist,
namentlich auch auf die bisherige Übung, die Angabe des Avalierten
schon in der räumlichen Verbindung des Avals mit seiner Unterschrift
zu sehen (BGE 77 II 253). So wurde der genannte Entscheid denn auch in
der Doktrin verstanden (CARRY, Problèmes relatifs à l'aval, in Mélanges
Sauser-Hall 1952 S. 197, MOSSA, Trattato della Cambiale, 3. Aufl. 1956
S. 437 N. 32). Diese Auffassung wird sodann auch in der deutschen Literatur
vertreten (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz, 4. Aufl. 1953, S. 126 N. 3
lit. B zu Art. 31).

    Da im vorliegenden Fall die Klägerin ihr Aval unter die Unterschrift
des Akzeptanten Ganter gesetzt hat, kann sie daher entgegen der Auffassung
der Vorinstanz nicht in Abrede stellen, dass sie Wechselbürgin für den
Akzeptanten geworden ist. Das entspricht auch der vom kantonalen Richter
festgehaltenen Interessenlage, indem Ganter dem Verkäufer nicht genügende
finanzielle Gewähr bot.

    Die Klägerin wendet ein, sie könne aus ihrer Wechselbürgschaft nicht
belangt werden, weil eine unzulässige Umgehung der Formvorschriften über
die Bürgschaft vorliege. Dieser Einwand ist jedoch gemäss BGE 79 II 79
ff. nicht stichhaltig. Ein Spezialtatbestand, der besonderer Prüfung
hinsichtlich der Umgehungsfrage bedürfte, liegt hier nicht vor.

    b) Damit bleibt lediglich noch zu prüfen, ob der Umstand, dass die
Indossierung des Wechsels durch Bosshard erst im Laufe des Prozesses, also
nach Erlass des Zahlungsbefehls erfolgt ist, der Belangung der Klägerin
aus der Wechselbürgschaft entgegenstehe und welche Folgen sich daraus in
Bezug auf die Einreden der Klägerin gegenüber der Beklagten ergeben.

    Bei der Entscheidung dieser Frage ist davon auszugehen, dass
grundsätzlich auch eine in Betreibung gesetzte Forderung abgetreten werden
kann, mit der Folge, dass der Erwerber in die betreibungsrechtliche
Stellung des Gläubigers eintritt, mithin auch in dessen Beklagtenrolle
im Aberkennungsprozess. Hiegegen bestehen keine Bedenken, weil bei der
gewöhnlichen zivilrechtlichen Abtretung dem Schuldner der abgetretenen
Forderung sämtliche Einreden aus dem Verhältnis zum ursprünglichen
Gläubiger gewahrt bleiben (Art. 169 OR), so dass die rechtliche Stellung
des Schuldners keine Verschlechterung erfährt. Auch die Rechtsnatur
der Aberkennungsklage, wie sie in BGE 57 II 326 und präzisierend in BGE
68 III 85 ff. umschrieben wurde, steht der Berücksichtigung einer erst
während der Betreibung erfolgten Abtretung nicht entgegen.

    Beim Wechselindossament, das im Grunde genommen eine Sonderform der
Abtretung ist, verhält es sich grundsätzlich nicht anders. Auch hier
gilt, dass der Gläubiger, der bereits gegen einen Wechselschuldner auf
dem Wege der gewöhnlichen Betreibung (also nicht mit Wechselbetreibung)
vorgegangen ist, den Wechsel indossieren kann, mit der Folge, dass
nun im Betreibungsverfahren der Indossatar die Stellung des Gläubigers
einnimmt. Kommt es hernach zur Rechtsöffnung und zur Aberkennungsklage, so
darf sich der aus dem Indossament Berechtigte grundsätzlich auf den Wechsel
berufen. Es steht ihm auf Grund des Indossaments ein wechselrechtlicher
Anspruch gegen alle aus dem Wechsel Verpflichteten zu. Jedoch vermag
das erst nach der Anhebung der Betreibung auf den Wechsel gesetzte
Indossament insofern nur beschränkte Rechtswirkungen zu entfalten,
als die Rechtsstellung des Betriebenen dadurch nicht verschlechtert
werden darf. Es können gegen ihn nicht weiterreichende Rechte geltend
gemacht werden, als dies vor der Indossierung möglich gewesen wäre. Denn
bezüglich solcher Mehrberechtigungen fehlt es am Bestand, bezw. an der
Fälligkeit im massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Zahlungsbefehls. Das
führt aber nicht dazu, dass eine erst während laufender Betreibung
vorgenommene Indossierung überhaupt nicht zu berücksichtigen wäre. Die
Folge ist vielmehr lediglich, dass der Indossatar nur diejenigen Rechte
geltend machen darf, die schon seinem Vormann, d.h. dem Indossanten,
zustanden. Er kann daher für sich nicht die Vorzugsstellung aus dem
Art. 1007 OR in Anspruch nehmen, wonach der aus einem Wechsel Belangte
dem Inhaber keine Einwendungen entgegenhalten kann, die sich auf seine
unmittelbaren Beziehungen zu dem Aussteller oder zu einem früheren Inhaber
gründen. Denn der Ausschluss dieser Einreden bestand im massgebenden
Zeitpunkt der Anhebung der Betreibung noch nicht; er konnte erst später,
auf Grund des Indossaments, zur Entstehung gelangen.

    Ist danach im vorliegenden Falle der Wechselinhaberin die Berufung auf
Art. 1007 OR verwehrt, so muss sie sich Einreden der Klägerin ohne die dort
vorgesehenen Beschränkungen entgegenhalten lassen. Die Sache ist deshalb
zur Prüfung nach dieser Richtung hin an die Vorinstanz zurückzuweisen.