Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 180



83 II 180

28. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Mai 1957 i.S. K. gegen H. und
Zürich, Direktion der Justiz. Regeste

    Vom Vormund beantragte Unterbringung des Mündels in einer Anstalt
(Art. 406/421 Ziff. 13 ZGB).

    1.  Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG gegen den
Entscheid der zweitinstanzlichen kantonalen Aufsichtsbehörde. a) Diese
urteilt kraft Bundesrechtes (Art. 361 ZGB)als letzte kantonale Instanz
(Erw. 1, a). b) Es handelt sich um eine nicht der Berufung nach Art. 43
ff. OG unterliegende Zivilsache (Erw. 1, b).

    2.  Legitimation des Vormundes zur Anfechtung des Entscheides, der
die von ihm beantragte Massnahme ablehnt (Erw. 2).

    3.  Gründe zur Unterbringung eines Bevormundeten in eine Anstalt.

    a)  Gründe der vormundschaftlichen Fürsorge (Art. 406 ZGB);

    b)  Gründe des öffentlichen Wohls (nach kantonalem öffentlichem Recht).

    Ist die Massnahme nach Art. 406 ZGB gerechtfertigt, so darf
sie nicht deshalb abgelehnt werden, weil nicht ausserdem Gründe des
öffentlichen Wohles sie gebieten. Ferner dürfen die Vorschriften kantonaler
Versorgungsgesetze nicht als verbindliche Regeln für die Auslegung von
Art. 406 ZGB erachtet werden (Erw. 3).

    4.  Der mit der Beschwerde unterliegende Vormund ist nicht kosten-
und entschädigungspflichtig. Analoge Anwendung von Art. 156 Abs. 2 und
Art. 159 Abs. 5 OG (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- H., geboren 1914, ist der Sohn eines Rechtsanwalts, der das
Leben eines angesehenen und wohlhabenden Mannes führte, aber 1952 schwer
überschuldet aus dem Leben schied. Aus dem Nachlasskonkurs konnte für die
Witwe nur ein Betrag von rund Fr. 53'000.-- als Frauengutsersatz gerettet
werden, der innert zwei Jahren auf Fr. 15'000.-- zusammenschmolz, da die
Familie es nicht verstand, sich den plötzlich veränderten Verhältnissen
anzupassen. Der Sohn hatte sich auf Verlangen des Vaters dem Rechtsstudium
widmen müssen, für das er sich nicht eignete, und dem er während voller
dreizehn Jahre oblag, ohne das Doktorexamen bestehen zu können. Er hatte
sich dann keine befriedigende Stellung zu erringen vermocht. Nach des
Vaters Tode lebte die Familie aus weiterer Belastung der väterlichen
Liegenschaft, Pfandbelehnung von Teppichen, Schmuck, Silbergeschirr
usw. und geriet schliesslich in missliche Verhältnisse. Die Witwe stellte
dann selber das Gesuch um Errichtung einer vom Bezirksrat W. am 11. Februar
1955 beschlossenen Vormundschaft im Sinne von Art. 372 ZGB über sie. Der
Sohn wollte nach Bekleidung von Stellen mit einem andern zusammen die
Fabrikation von Fleischkonserven aufnehmen und gründete die "Neue Konserven
G.m.b.H.", für die er, nachdem die Mittel der Mutter aufgebraucht waren,
weitere Geldgeber suchte. Indessen griff die Waisenkommission W. ein
und stellte beim Bezirksrate den Antrag, H. in Anwendung von Art. 370
ZGB wegen Misswirtschaft und Liederlichkeit zu entmündigen, da er
seit Jahren ein denkbar müssiges und arbeitsscheues Leben führe und
an der Verschleuderung des mütterlichen Vermögens in erheblichem Masse
mitbeteiligt sei. Der Bezirksrat W. beschloss am 16. September 1955 in dem
von der Waisenkommission beantragten Sinne. Zum Vormunde war K. ernannt
worden. Die Beschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.

    B.- Am 24. Mai 1956 beantragte der Vormund beim Waisenamt
W. (Vormundschaftsbehörde) die unverzügliche Einweisung seines Mündels
für die Dauer von drei Jahren in die Arbeitsanstalt Realta. Die
Waisenkommission entsprach dem Antrage mit Beschluss vom 7. Juni 1956,
und zwei Tage später wurde H. in die Anstalt verbracht.

    C.- Ein Rekurs H's an den Bezirksrat W. hatte keinen Erfolg. Er
zog dessen Entscheid an die kantonale Direktion der Justiz weiter, die
eine bedingte Einweisung als ausreichende Massnahme bezeichnete und
am 22. Oktober 1956 die Entlassung aus der Anstalt auf den Zeitpunkt
verfügte, an dem für H. eine geeignete Anstellung und eine geeignete
Unterkunft gefunden sein werde. Am 13. November 1956 wurde H. auf Weisung
der Rekursbehörde auf freien Fuss gesetzt. Er arbeitet seither in der
Neuen Konserven AG in W. Mit Verfügung vom 23. Februar 1957 entschied die
Justizdirektion sodann über den Rekurs selbst, in dem Sinne, dass sie
die vom Waisenamt angeordnete und vom Bezirksrat bestätigte Versorgung
aufhob. Die Erwägungen stützen sich sowohl auf Art. 406 ZGB wie auch auf
die Vorschriften des zürcherischen Versorgungsgesetzes vom 24. Mai 1925.

    D.- Gegen die Verfügung der Justizdirektion hat K. als Vormund H's
Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. a OG erhoben. Der
Antrag geht auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und auf Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zur Beurteilung nach eidgenössischem statt nach
kantonalem Recht, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Zur Begründung
der Beschwerde wird angebracht, die Justizdirektion habe die Zulässigkeit
der Versorgung seines Mündels nicht, wie es richtig gewesen wäre, nur
nach Art. 406 ZGB, sondern sozusagen ausschliesslich nach dem kantonalen
Versorgungsgesetze geprüft; die eigentlichen Erwägungen des kantonalen
Entscheides befassten sich mit diesem Gesetze, und der am Schluss
beigefügte Satz: "Es fehlt ebenfalls an den Voraussetzungen für die
Anwendung von Art. 406 und 421 Ziff. 13 ZGB" erscheine als blosse Floskel.

    E.- H. beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventuell
sei sie abzuweisen; "unter K.u.E.F. zu lasten des Beschwerdeführers".

    Die Direktion der Justiz trägt ihrerseits auf Abweisung der Beschwerde
an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nichtigkeitsbeschwerde ist nach Art. 68 OG zulässig gegen
letztinstanzliche Entscheide kantonaler Behörden in Zivilsachen, die
nicht nach Art. 44-46 OG der Berufung unterliegen.

    a) Nach § 75 des zürcherischen EG zum ZGB ist gegen
Direktionsverfügungen allgemein der Rekurs an den Regierungsrat
zulässig. Die angefochtene Verfügung der Direktion der Justiz wäre
danach nicht als letztinstanzliche, mit keinem ordentlichen Rechtsmittel
weiterziehbare (vgl. Art. 48 OG) zu betrachten. Indessen entschied die
erwähnte Direktion bereits als Aufsichtsbehörde zweiter Instanz nach
dem Bezirksrat. Und mehr als zwei Instanzen der vormundschaftlichen
Aufsichtsbehörde darf es nach Bundesrecht (Art. 361 ZGB) nicht geben, wie
das Bundesgericht, an BGE 47 II 17, 74 II 336 und 67 II 205 anknüpfend,
in BGE 82 II 206 entschieden hat. Somit widerspricht die Einführung einer
dritten Instanz dem Bundesrecht, ist also unzulässig, und es kann ohne
Rücksicht auf eine solche vom kantonalen Recht vorgesehene Erweiterung des
Instanzenzuges bereits der Entscheid der zweiten Instanz (mit Berufung bzw.
Nichtigkeitbeschwerde) an das Bundesgericht weitergezogen werden. Freilich
gilt dies nur für Angelegenheiten, die kraft Bundesrechtes in die
Zuständigkeit der vormundschaftlichen Behörden fallen, was im Fall der
zuletzt angeführten Entscheidung nicht zutraf. Im vorliegenden Fall aber
waren die vormundschaftlichen Behörden von Bundesrechts wegen zuständig,
über die vom Vormund im Sinne von Art. 406 ZGB beantragte Massnahme zu
entscheiden. Denn dafür war nach Art. 421 Ziff. 13 ZGB die Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde erforderlich, deren Verfügung der Beschwerde an die
Aufsichtsbehörde nach Art. 420 Abs. 2 ZGB (mit allfälligem Vorbehalt der
Weiterziehung an eine Aufsichtsbehörde zweiter Instanz nach kantonalem
Recht gemäss Art. 361 Abs. 2 ZGB) unterlag. Mit dem Entscheid der
Justizdirektion war somit der bundesrechtlich zulässige Instanzenzug
erschöpft.

    b) Es handelt sich nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit, d.h. einen
Zivilprozess zwischen zwei gleichgestellten Rechtssubjekten. Vielmehr
sind Vormund und vormundschaftliche Behörden kraft ihrer Amtsgewalt
eingeschritten. Wohl aber gehört die Entscheidung über eine nach Art. 406
ZGB zu treffende vormundschaftsrechtliche Massnahme zu den Zivilsachen
in dem für die Anwendung von Art. 68 OG massgebenden weitern Sinne. Dafür
genügt es, dass die Vormundschaft eine Einrichtung des Zivilrechtes ist,
und dass sich nach den Vorschriften des Zivilgesetzbuches bestimmt, was
für Massnahmen die vormundschaftlichen Organe in bezug auf ein Mündel zu
treffen haben (BGE 72 II 309 Erw. 2 und 334 Erw. 1; BIRCHMEIER, Handbuch,
N. 2a zu Art. 68 OG; KAUFMANN, N. 41 zu Art. 420 ZGB). Es steht nicht
entgegen, dass sich das Verfahren vor kantonalen Verwaltungsbehörden
abspielt (BGE 79 II 248/9).

    Andere Zivilsachen als Zivilrechtsstreitigkeiten unterliegen nur in den
vom Gesetze vorgesehenen Fällen dem umfassenden Rechtsmittel der Berufung.
Vormundschaftliche Massnahmen im Sinne von Art. 405 oder 406 ZGB gehören
nicht zu den in Art. 44 OG der Berufung unterstellten Fällen. Somit ist
Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG zulässig, womit die Anwendung
kantonalen statt eidgenössischen Rechtes, wie es in der vorliegenden
Beschwerdeschrift geschieht, gerügt werden kann.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdegegner verneint die Beschwerdelegitimation des
Vormundes, die übrigens von Amtes wegen zu prüfen ist. Sie erscheint als
zweifelhaft, wenn man die Vormundschaft lediglich als Amt betrachtet,
bei dessen Ausübung der Vormund den vormundschaftlichen Behörden
untersteht. Denn grundsätzlich ist ein Beamter oder eine Behörde nicht
befugt, gegen Entscheidungen übergeordneter Behörden zu rekurrieren
(vgl. FLEINER, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 5. Aufl.,
S. 224). Der Vormund hat jedoch, auch wenn er nicht als gesetzlicher
Vertreter des Mündels auftritt, dessen Interessen zu wahren, und
insbesondere darf die Unterbringung eines Mündels in einer Anstalt
als vormundschaftliche Massnahme nach Art. 406 ZGB, im Gegensatz zu
einer Versorgung auf behördlichen Befehl aus (armen-, gesundheits- oder
sicherheits-) polizeilichen Gründen, nur zu Zwecken der Fürsorge, um des
Mündels selbst willen, verfügt werden. Wird eine vom Vormund in diesem
Sinn beantragte Massnahme von den vormundschaftlichen Behörden abgelehnt,
so liegt es nahe, jenem ein Rekursrecht zur Geltendmachung der Interessen
des Mündels zuzugestehen (und zwar auch eines urteilsfähigen Mündels,
der selber rekurrieren könnte, jedoch in den meisten Fällen eine noch so
sehr in seinem Interesse liegende Unterbringung in einer Anstalt mangels
Einsicht oder guten Willens nicht wünscht und es daher bei einem sie
ablehnenden Entscheide bewenden lassen möchte). In der Literatur wird denn
auch die Beschwerdelegitimation des Vormundes durchwegs bejaht (vgl. EGGER,
N. 18, und KAUFMANN, N. 16 zu Art. 420 ZGB; HESS, Die Vormundschaft nach
Schweizer Recht, S. 114; BENZ in Das Vormundschaftsrecht, S. 95/96). Auch
wenn man dem für die Beschwerde nach Art. 420 ZGB beistimmt, folgt daraus
allerdings nicht ohne weiteres auch die Befugnis des Vormundes zur Anrufung
des Bundesgerichts mit einem ausserordentlichen Rechtsmittel. Indessen mag
dahingestellt bleiben, wie es sich mit der in Art. 88 OG eng umschriebenen
Legitimation zu einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen die hier
angefochtene Verfügung verhalten würde. Die Nichtigkeitsbeschwerde in
Zivilsachen (Art. 68 OG) lässt sich hinsichtlich der Legitimation der
Berufung an die Seite stellen, und zur Ergreifung dieses Rechtsmittels ist
in den ihm nach Art. 44 OG unterstehenden Zivilsachen auch die Behörde
legitimiert, die am kantonalen Verfahren als Gegenpartei des Bürgers
beteiligt war (vgl. die Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Beschwerde nach
Art. 86 des alten OG: BGE 50 II 95, 56 II 345; ferner die von derselben
Betrachtungsweise ausgehenden Entscheidungen zu Art. 44 des neuen OG:
BGE 82 II 205 und 216 oben). Gleichermassen ist nun auch der Vormund
als mit der Fürsorge für das Mündel betrautes vormundschaftliches Organ
befugt, gegen die auf kantonales Recht gestützte Ablehnung einer von ihm
im Sinne von Art. 406 ZGB beantragten Versorgung Nichtigkeitsbeschwerde
nach Art. 68 Abs. 1 lit. a OG zu erheben.

Erwägung 3

    3.- Als Massnahme der vormundschaftlichen Fürsorge ist die
Unterbringung einer mündigen Person in einer Anstalt von Art. 406 ZGB,
also vom Bundesrecht, beherrscht. Dem kantonalen öffentlichen Recht bleibt
aber die Internierung aus Gründen des öffentlichen Wohls, insbesondere der
Armen-, der Gesundheits- und der Sicherheitspolizei, vorbehalten (Art. 6
ZGB). Es ist nicht Aufgabe des Vormundschaftsrechtes, diese öffentlichen
Interesse zu wahren. Auch sind die vormundschaftlichen, um des Mündels
willen, zu seinem Schutz und zu seiner Förderung (Nacherziehung usw.) zu
treffenden Massnahmen nicht etwa geeignet, ein Einschreiten um der
Öffentlichkeit willen von vornherein entbehrlich zu machen. Bereits
in BGE 46 II 212 und 344 wurde erklärt, eine dauernde Internierung,
wie sie unter Umständen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und
Moral geboten ist, könne nicht kraft Vormundschaftsrechts, sondern nur
allenfalls nach kantonalem Verwaltungsrecht angeordnet werden, dem die
Sorge für jene öffentlichen Interessen obliege. Ebenso anerkennen spätere
Entscheidungen, dass die in mehreren Kantonen erlassenen Versorgungsgesetze
gültig bestehen können; sie treten neben die Bestimmungen des ZGB über die
Anstaltsversorgung als vormundschaftliche Massnahme. Denn eine Internierung
auf Grund jener Gesetze beruht grossenteils auf andern, vom kantonalen
Recht beherrschten Voraussetzungen und dient andern Zwecken; demgemäss kann
sie auch nach Art und Dauer verschieden ausgestaltet sein (BGE 73 I 42).

    Es bedeutet daher grundsätzlich keine unzulässige Anwendung kantonalen
Rechtes, dass die kantonale Direktion der Justiz die Frage, ob H. in
einer Arbeitsanstalt versorgt werden müsse, nicht nur nach eidgenössischem
Vormundschaftsrecht, sondern auch nach kantonalem Verwaltungsrecht (nämlich
nach dem zürcherischen Gesetz vom 24. Mai 1925 über die Versorgung von
Jugendlichen, Verwahrlosten und Gewohnheitstrinkern) beurteilt hat. Ob dies
im selben Verfahrensgang geschehen durfte und auch der Instanzenzug der
nämliche war, muss als Frage des kantonalen Rechtes dahingestellt bleiben.
Freilich läge der vom Vormund geltend gemachte Beschwerdegrund vor, wenn
die kantonale Behörde die Voraussetzungen der Anstaltsverbringung nach
Art. 406 ZGB bejaht, diese Massnahme dann aber dennoch abgelehnt hätte,
weil sie nicht auch nach dem kantonalen Versorgungsgesetz geboten sei. Das
wäre ein Übergriff des kantonalen Rechtes in das eidgenössische Recht, das
die nach Art. 406 ZGB zu schützenden Privatinteressen des Mündels gewahrt
wissen will, gleichgültig ob überdies öffentliche Interessen ein ähnliches
Einschreiten gebieten oder nicht. Der kantonale Entscheid verneint jedoch
sowohl die (private) Versorgungsbedürftigkeit H's ausdrücklich (am Ende
von Erw. 1)

    wie auch das Vorliegen öffentlichrechtlicher Gründe zu seiner
Internierung nach dem kantonalen Gesetz. Dass die Direktion der Justiz
den Zweck der in Art. 406 ZGB vorgesehenen Massnahmen, einem mündigen
Bevormundeten Schutz und Beistand zu gewähren, richtig erkennt, geht
aus dem Anfang der Erwägungen hervor, wo es heisst, der Vormund dürfe
das Mündel mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde in einer Anstalt
unterbringen, wenn diese Massnahme "fürsorgerisch notwendig" sei. Bereits
der Bezirksrat hatte die "im Rahmen der vormundschaftlichen Fürsorge" dem
Vormunde mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zustehende Versorgung
des Mündels "gemäss Art. 406 und 421 Ziff. 13 ZGB in Verbindung mit §
14 lit. b des kantonalen Versorgungsgesetzes" erwogen und ausgeführt:

    "Erfolgt die Anstaltsunterbringung in erster Linie im Interesse des
Bevormundeten und im Interesse Dritter nur insoweit, als dieses sich
mit dem eigenen Interesse des Mündels deckt, so ist für die Einweisung
Art. 406 ZGB massgeblich. Erfordert hingegen das öffentliche Interesse,
dass der Bevormundete in einer Anstalt untergebracht wird, so ergeben
sich die Voraussetzungen der Einweisung aus dem Versorgungsgesetz,
wobei im Falle einer Einweisung in eine Arbeitsanstalt die §§ 5 ff. des
Versorgungsgesetzes zur Anwendung gelangen (vgl. BGE 73 I 45 ff.). Im
vorliegenden Fall liegt die Anstaltsversorgung sowohl im Interesse des
Bevormundeten selber als auch im öffentlichen Interesse, sodass sowohl
die Voraussetzungen des Art. 406 ZGB als auch die Voraussetzungen der §§
5 ff. des Versorgungsgesetzes erfüllt sein müssen."

    Schon hier waren somit die beiden in Betracht fallenden
Rechtsgrundlagen einer Anstaltsversorgung berücksichtigt worden. Unrichtig
ist nur die im letzten Satz ausgesprochene Ansicht, wonach sowohl die
vormundschafts- wie auch die öffentlichrechtlichen Voraussetzungen
erfüllüllt sein müssten, um eine Versorgung zu rechtfertigen,
während, wie bereits dargetan, eine nach dem eidgenössischen Zivilrecht
(Vormundschaftsrecht) gebotene Massnahme auch dann zu treffen ist, wenn
ihr nicht zugleich ein öffentliches Interesse und eine kantonalrechtliche
Grundlage zur Seite steht. Doch ist nicht ersichtlich, dass die Direktion
der Justiz sich darüber geirrt oder den Art. 406 ZGB nur als leere
Floskel miterwähnt hätte. Beim Beschluss vom 22. Oktober 1956 über die
vorläufige Entlassung aus der Anstalt hatte die Justizdirektion übrigens
das Vormundschaftsrecht ebenfalls mitberücksichtigt, in folgender Weise:
"Die Entlassung aus der Anstalt kann gemäss Art. 406 ZGB erst erfolgen,
wenn dem Rekurrenten ein geeigneter Arbeitsplatz und eine geeignete
Unterkunft beschafft sein werden. In Anwendung von § 46 EG zum ZGB, §
26 des Versorgungsgesetzes und Art. 406 ZGB verfügt. .."

    Unter diesen Umständen ist die Begründung des angefochtenen
Entscheides, was die Vernehmlassung der kantonalen Behörde zur
Beschwerde vollends bestätigt, dahin zu verstehen, dass bei Prüfung
der Voraussetzungen der vom Vormund beantragten Versorgung die beiden
verschiedenen Rechtsgrundlagen jede für sich ins Auge gefasst worden
sind, wiewohl sich die Erwägungen hauptsächlich über das kantonale
Versorgungsgesetz aussprechen. Die kantonale Behörde war offenbar der
Auffassung, mit der Verneinung von Arbeitsscheu und Liederlichkeit
im Sinne des Versorgungsgesetzes sei festgestellt, dass es auch an der
"Notwendigkeit" einer Versorgung zu Fürsorgezwecken gemäss Art. 406 ZGB,
d.h. zu den Zwecken der nach Art. 370 ZGB errichteten Vormundschaft,
fehle. Diese Entscheidung lässt sich unter dem Gesichtspunkt von
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG nicht beanstanden. Sie würdigt die gegebenen
tatsächlichen Verhältnisse dahin, im vorliegenden Fall käme als
Grund zu einer Versorgung aus Gründen des Vormundschaftsrechtes
nur Arbeitsscheu oder Liederlichkeit des Mündels in Frage, und
diese Begriffe seien im kantonalen Versorgungsrecht so ausgeprägt
worden, wie auch das Vormundschaftsrecht sie verstehe. Somit wurde
das kantonale Versorgungsrecht bei Anwendung von Art. 406 ZGB nur
wie irgendwelche Rechtsliteratur zur Auslegung herangezogen. Wäre
dem übrigens anders, hätte also die Justizdirektion ebenso wie der
Vertreter des Beschwerdegegners (S. 7 der Beschwerdebeantwortung)
angenommen, das kantonale Versorgungsgesetz könne die nach Art. 406 ZGB
zu berücksichtigenden Versorgungstatbestände verbindlich festlegen
("Sofern ein kantonales Versorgungsgesetz besteht, hat dieses
im administrativen Versorgungsverfahren selbständige Stellung und
erfüllt im vormundschaftlichen Verfahren gleichzeitig die Aufgabe der
Konkretisierung der Tatbestände, bei denen eine Versorgung überhaupt
in Frage kommen kann"), so wäre zwar die Rüge begründet, das kantonale
Versorgungsgesetz sei unzulässigerweise als eine die allgemein gefasste
Norm des Art. 406 ZGB verbindlich "konkretisierende" und daher die
vom Bundesrecht gewollte freie Auslegung ausschliessende kantonale
Ordnung angewendet worden. Dennoch wäre auch in diesem Falle von einer
Aufhebung des angefochtenen Entscheids abzusehen. Die kantonale Behörde
stellt fest, nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens lasse sich weder
der ernsthafte Charakter der Tätigkeit H's noch seine Bereitschaft zu
regelmässiger Arbeitsleistung verneinen; ferner habe er sich nicht, wie
ihm vorgeworfen wurde, von seiner Mutter aushalten lassen, sondern sie
monatlich mit etwa Fr. 100.-- unterstützt. Der Entscheid sieht auch in
H's Widerspenstigkeit und in seinem Trotz gegen behördliche Anordnungen
keinen Grund zu einschneidenden Massnahmen, da sich dieses Verhalten
daraus erkläre, dass er sich nur schwer mit der Tatsache des verlorenen
Familienglanzes abfinden könne. Unter diesen Umständen würde die kantonale
Behörde, zur Entscheidung unter dem alleinigen Gesichtspunkt des Art. 406
ZGB veranlasst, zweifellos die vom Vormund beantragte Unterbringung des
Mündels in einer Anstalt neuerdings ablehnen, und dabei müsste es sein
Bewenden haben, da ein ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben wäre. Dem
Beschwerdeantrag könnte somit selbst dann nicht entsprochen werden, wenn
der gerügte Beschwerdegrund vorläge, was nach dem Gesagten nicht zutrifft.

Erwägung 4

    4.- Dem mit der Beschwerde unterliegenden Vormund sind für das
bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten aufzuerlegen, und
er ist auch zu keiner Prozessentschädigung an den Beschwerdegegner zu
verpflichten. Es rechtfertigt sich, Art. 156 Abs. 2 und in Verbindung
damit auch Art. 159 Abs. 5 OG analog anzuwenden, da der Vormund bei
Verfechtung eines von ihm gemäss Art. 406 ZGB gestellten Antrages
zwar nicht namens oder im unmittelbaren Interesse des Gemeinwesens
(Gemeinde oder Kanton), aber doch in Ausübung eines ihm von Gemeinde-
oder Kantonsbehörden verliehenen Amtes, also nicht in eigener Sache,
handelt. Es kommt auch nicht in Frage, mit Gerichtskosten das Mündel zu
belasten, in dessen Interesse die Beschwerde geführt wurde. Denn prozessual
erscheint das Mündel als obsiegende Gegenpartei des Vormundes; unter diesen
Umständen besteht keine gesetzliche Grundlage zu einer solchen Belastung
des Mündelvermögens. In gleicher Weise wurde denn auch die Kostenfrage
schon in mehreren Entscheidungen betreffend ungerechtfertigte Verweigerung
des Ehekonsenses durch den Vormund (Art. 99 ZGB) gelöst (vgl. die nicht
veröffentlichten Urteile der II. Zivilabteilung vom 22. September 1920
i.S. Herzog, vom 14. Mai 1924 i.S. Schraner und vom 20. Juni 1940 i.S.
Lehmann).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Beschwerde wird abgewiesen.

    2.- Die Gerichtskosten fallen ausser Ansatz, und es wird keine
aussergerichtliche Entschädigung zugesprochen.