Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 171



83 II 171

27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Mai 1957 i.S. M.-H. und
M. gegen M. Regeste

    Anfechtung der Ehelichkeit.

    1.  Klage nach Ablauf der Anfechtungsfrist des Art. 253 Abs. 1 ZGB. Ist
der Ehemann arglistig zur Unterlassung der Anfechtung bewogen worden und
hat er innert dreier Monate nach Entdeckung der Arglist geklagt (Art. 257
Abs. 1 und 2 ZGB)? Wird die Verspätung mit wichtigen Gründen entschuldigt
(Art. 257 Abs. 3 ZGB)?

    2.  Anfechtung im Falle, dass das Kind vor dem 180. Tage nach Abschluss
der Ehe geboren wurde (Art. 255 ZGB). Vermutung der Ehelichkeit gemäss
Art. 255 Abs. 2 ZGB. Beiwohmmg "um die Zeit der Empfängnis"? Bedeutung
des Reifegrades des Kindes bei der Geburt.

Sachverhalt

    M. und Frl. H. lernten sich anfangs März 1954 kennen und hatten am
6./7. März 1954 erstmals miteinander Geschlechtsverkehr. Am 1. Mai 1954
heirateten sie. Am 11. Oktober 1954, 219 oder 218 Tage nach der ersten
Beiwohnung ihres heutigen Ehemanns und 163 Tage nach der Heirat, gebar die
Ehefrau einen Knaben. Nachdem sie Klage auf Scheidung angehoben hatte,
klagte der Ehemann am 17. September 1955 beim Bezirksgericht Muri, in
dessen Amtskreis er heimatberechtigt ist, auf Anfechtung der Ehelichkeit
des Kindes. Das Bezirksgericht hiess die Klage gut. Das Obergericht
des Kantons Aargau hat am 7. Dezember 1956 das erstinstanzliche Urteil
bestätigt.

    Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragen die Beklagten wie
im kantonalen Verfahren Abweisung der Klage. Der Kläger schliesst auf
Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die kantonalen Gerichte haben die erst lange nach Ablauf der
dreimonatigen Frist von Art. 253 Abs. 1 ZGB eingereichte Anfechtungsklage
als zulässig betrachtet, weil der Kläger im Sinne von Art. 257 Abs. 1
ZGB arglistig zur Unterlassung der Anfechtung bewogen worden sei und
gemäss Art. 257 Abs. 2 binnen drei Monaten nach Entdeckung der Arglist
geklagt habe, und weil die Verspätung überdies durch wichtige Gründe
im Sinne von Art. 257 Abs. 3 ZGB entschuldigt werde. Diese Annahmen
verstossen nicht gegen Bundesrecht.

    a) Die Vorinstanz hat festgestellt, die Beklagte habe Ende 1953 bis
Mitte Januar 1954 mit F. ein intimes Liebesverhältnis unterhalten. Der
bloss 219 Tage nach dem ersten Geschlechtsverkehr der Beklagten mit dem
Kläger geborene Knabe habe bei der Geburt eine Länge von 52 cm und auch
sonst alle Zeichen der Reife aufgewiesen. Gleichwohl hätten die Beklagte
und ihre Mutter nach der Geburt dem Kläger und dessen Verwandten gegenüber
wiederholt erklärt, es handle sich um eine Frühgeburt. Nach allgemeiner
Erfahrung dürfe angenommen werden, dass die Beklagte und ihre Mutter über
die Unrichtigkeit ihrer Behauptungen im klaren gewesen seien, so dass diese
als wohlüberlegte Lügen zu taxieren seien. Zum Netz, in das der Kläger
hätte eingezogen werden sollen, gehöre auch der Brief vom 18. Oktober
1954, in welchem die Beklagte nicht müde werde, dem Kläger einzuhämmern,
dass er nun einen Sohn habe. Es könne somit kein Zweifel darüber bestehen,
dass die Beklagte sich grosse Mühe gegeben habe, dem Kläger vorzutäuschen,
dass er der Vater ihres Kindes sei.

    Diese Feststellungen betreffen im wesentlichen tatsächliche
Verhältnisse und sind daher gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht
verbindlich. Fragen kann sich höchstens, ob das Bundesgericht ohne
weiteres auf die Annahme abstellen dürfe, die Beklagte habe bei ihren
Äusserungen gewusst, dass sie unrichtig seien, was u.a. voraussetzen
würde, dass der Kläger nicht der Vater ihres Kindes sein kann. Die
Vorinstanz folgert letzteres daraus, dass die Zeugung nach den
Tabellen von LABHARDT mit grösster Wahrscheinlichkeit Ende Dezember
1953 oder in der ersten Hälfte des Monats Januar 1954 erfolgt sein
müsse (Dekadenwahrscheinlichkeiten von 40 bezw. 21,86%), während die
(Dekaden-) Wahrscheinlichkeit für eine Zeugung erst am 6./7. März 1954
bloss 0,12% betrage, womit praktisch die Unmöglichkeit der Zeugung durch
den Kläger feststehe. Im Zusammenhang mit der Frage der Arglist im Sinne
von Art. 257 ZGB braucht jedoch nicht untersucht zu werden, ob gestützt
auf diese Wahrscheinlichkeitszahlen gesagt werden dürfe, die Vaterschaft
des Klägers sei unmöglich (womit der materielle Entscheid selbst für den
Fall vorweggenommen wäre, dass die Beklagten gemäss Art. 255 Abs. 2 ZGB
die Vermutung der Ehelichkeit des -Kindes für sich in Anspruch nehmen
könnten). Selbst wenn man nämlich der Beklagten zubilligen will, es
sei nicht schlechthin unmöglich und habe ihr daher nicht geradezu als
ausgeschlossen erscheinen können, dass der Kläger der Vater ihres Kindes
sei, so war die Vorinstanz doch auf jeden Fall zur Annahme berechtigt,
die Beklagte habe ernstlich mit der Möglichkeit rechnen müssen und
tatsächlich auch damit gerechnet, dass nicht der Kläger, sondern ihr
früherer Liebhaber F. ihr Kind gezeugt habe und dass man es folglich nicht
mit einer Frühgeburt, sondern mit einer Geburt am normalen Termin zu tun
habe. (Ihre Behauptung, dass sie nach Abbruch der Beziehungen mit F. noch
Monatsblutungen gehabt habe, vermochte sie nicht zu beweisen.) Versicherte
die Beklagte dem Kläger, es handle sich um eine Frühgeburt und er sei der
Vater, obwohl sie wusste, dass es sich sehr wohl anders verhalten könne,
so genügt dies, um ihr ein arglistiges Verhalten im Sinne von Art. 257
Abs. 1 ZGB vorzuwerfen. Anders als die Beklagten in den Fällen BGE 61 II
301 und 71 II 259 hat sie sich nicht darauf beschränkt, den Verkehr mit
einem andern Manne um die Empfängniszeit abzustreiten, was in den erwähnten
Entscheiden als für die Anwendung von Art. 257 Abs. 1 nicht ausreichend
erachtet wurde. Vielmehr machte sie positive Angaben über die Tragzeit
und die Vaterschaft, obwohl ihr die Fragwürdigkeit dieser Behauptungen
bewusst war, worin zweifellos ein arglistiges Verhalten zu erblicken ist
(vgl. das Urteil vom 13. Januar 1955 i.S. Hauser). Unter diesen Umständen
kann dahingestellt bleiben, ob auch das auffällige Entgegenkommen, dem
der Kläger sogleich nach Anbahnung der Bekanntschaft bei der Beklagten
und ihren Eltern begegnete, zu den Machenschaften gerechnet werden könne,
mit denen er von der Anfechtung der Ehelichkeit des am 11. Oktober 1954
geborenen Kindes abgehalten werden sollte.

    b) Die Entscheidung der weitern Frage, ob der Kläger durch das
arglistige Verhalten der Beklagten zur Unterlassung der Anfechtung bewogen
worden sei und wann er in diesem Falle die Arglist entdeckt habe, hängt
nicht davon ab, ob und wann er in der Lage gewesen wäre, die Täuschung zu
durchschauen, sondern es kommt nur darauf an, ob er sich wirklich täuschen
liess und deshalb nicht klagte, und wann ihm dann tatsächlich die Augen
aufgingen. Dabei handelt es sich um Tatfragen, über welche die Vorinstanz
abschliessend zu befinden hatte. Nach ihren Feststellungen schenkte der
Kläger (der vom Liebesverhältnis der Beklagten mit F. erst am 12. September
1955 Kenntnis erhielt) den Angaben der Beklagten über das Vorliegen einer
Frühgeburt Glauben und unterliess es deshalb, über diesen Punkt Erhebungen
anzustellen, deren Ergebnis ihn zur Bestreitung seiner Vaterschaft hätte
veranlassen können. Es war nach diesen Feststellungen erst der Bericht des
Krankenhauses G. vom 17. August 1955 über den Reifegrad des Kindes bei der
Geburt, der ihm die Augen richtig öffnete. Innert dreier Monate von diesem
Datum an hat er geklagt. Es lässt sich daher nicht als bundesrechtswidrig
beanstanden, dass die Vorinstanz die Klage auf Grund von Art. 257 Abs. 1
und 2 ZGB als zulässig erachtete.

    c) Der Vorinstanz ist im übrigen auch darin beizustimmen, dass die
Verspätung der Anfechtung mit wichtigen Gründen im Sinne von Art. 257
Abs. 3 ZGB entschuldigt wird. Solche Gründe sind nach der Rechtsprechung
gegeben, wenn der Kläger zunächst keine zureichende Veranlassung zu
Zweifeln an der Ehelichkeit und zur Anhebung einer Anfechtungsklage
hatte (BGE 61 II 301, 71 II 259). Zureichende Veranlassung zur Klage
hat der Kläger nach dem zuletzt genannten Entscheide nicht, bevor er
die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen dazu besitzt. Dies war
hier, wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, erst der Fall, als er den
Bericht vom 17. August 1955 über den Reifegrad des Kindes erhalten und am
12. September 1955 von F. erfahren hatte, dass die Beklagte am 31. Dezember
1953/1. Januar 1954 und etwa Mitte Januar 1954 mit diesem geschlechtlich
verkehrt hatte. Er konnte sich nicht von vornherein darauf verlassen, dass
er gemäss Art. 255 Abs. 1 ZGB die Anfechtung nicht weiter zu begründen
habe, sondern musste sich für den Fall zu wappnen suchen, dass es den
Beklagten gelingen sollte, gemäss Art. 255 Abs. 2 die schwer widerlegbare
Vermutung der Ehelichkeit zu begründen. Nach dem 12. September 1955 hat
der Kläger dann mit der ihm nach den Umständen zumutbaren Beschleunigung
gehandelt, indem er fünf Tage später die Klage einleiten liess.

Erwägung 2

    2.- Ist ein Kind, wie es hier zutrifft, vor dem 180. Tage nach
Abschluss der Ehe geboren oder waren die Ehegatten zur Zeit der Empfängnis
durch gerichtliches Urteil getrennt, so hat der Ehemann nach Art. 255
Abs. 1 ZGB seine Anfechtung nicht weiter zu begründen. Die Vermutung der
Ehelichkeit besteht jedoch nach Art. 255 Abs. 2 ZGB auch in diesem Falle,
d.h. die Ehelichkeit kann auch in diesem Falle nur mit dem in Art. 254
ZGB geforderten Nachweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft des Ehemannes
angefochten werden (BGE 61 II 22, 69 II 218), wenn glaubhaft gemacht wird,
dass der Ehemann um die Zeit der Empfängms der Mutter beigewohnt habe.

    Unter dem hier verwendeten Ausdrucke "um die Zeit der Empfängnis"
hat die Vorinstanz im Anschluss an BGE 61 II 22 die Zeit vom 300. bis
zum 180. Tage vor der Geburt verstanden. Dieses Präjudiz ist jedoch in
diesem Punkt überholt durch BGE 69 II 215 ff., wonach mit dem erwähnten
Ausdruck die normale, dem Reifegrad des Kindes entsprechende Empfängniszeit
gemeint ist. An der in diesem letzten Entscheid entwickelten Auffassung
ist grundsätzlich festzuhalten. Wenn das Gesetz in Art. 255 Abs. 1 und
2 von der Zeit der Empfängnis spricht, so ist klar, dass es hier - wie
gemäss BGE 79 II 26 in Art. 315 ZGB - die Zeit im Auge hat, in welche die
Empfängnis des Kindes zu verlegen ist, um das der Streit geht. Dass als
Zeit der Empfängnis nicht für jedes Kind die Zeitspanne vom 300. bis
zum 180. Tage vor der Geburt in Frage kommt, sondern dass sich aus
dem Reifegrad eine andere Abgrenzung dieser Zeit ergeben kann, war dem
Gesetzgeber bewusst (vgl. neben BGE 69 II 217/218 auch BGE 82 II 87, je
mit dortigen Hinweisen). Daher geht es nicht an, die in den erwähnten
Vorschriften verwendeten Ausdrücke in Anlehnung an die in Art. 252,
254 und 314 Abs. 1 ZGB enthaltenen Terminbestimmungen auf die Zeit vom
300. bis zum 180. Tage vor der Geburt zu beziehen. Vielmehr ist bei der
Anwendung jener Vorschriften dem Reifegrad des Kindes und der daraus zu
erschliessenden Schwangerschaftsdauer Rechnung zu tragen.

    Richtig ist allerdings, dass bei Geburt eines Kindes wenigstens
(gegebenenfalls also nur) 180 Tage nach Abschluss der Ehe der Ehemann
seine Klage gemäss Art. 254 ZGB nur durch den Nachweis zu begründen
vermag, dass er unmöglich der Vater des Kindes sein könne. Daraus
folgt aber entgegen der in BGE 61 II 22 vertretenen Auffassung nicht
notwendig, dass für weniger als 180 Tage nach Abschluss der Ehe geborene
Kinder das gleiche gelten müsse, sobald anzunehmen ist, dass der Ehemann
"ebensolange vor Abschluss der Ehe" (gemeint wohl: 180 Tage vor der Geburt)
der Mutter beigewohnt hat. Es lässt sich sachlich durchaus rechtfertigen,
einerseits bei der Umschreibung der Fälle, in denen die Vermutung der
Ehelichkeit grundsätzlich nur durch den von Art. 254 ZGB geforderten
Nachweis entkräftet werden kann, im Interesse der Rechtssicherheit einen
Anfangstermin zu wählen, der sich auf Grund der Eintragungen in den
Zivilstandsregistern durch eine einfache Rechenoperation bestimmen lässt,
und diesen Termin so festzulegen, dass auch Kinder, die nur beim Vorliegen
einer extrem kurzen Tragzeit während der Ehe gezeugt worden sein können,
ohne weiteres den Schutz von Art. 254 ZGB geniessen, anderseits aber auf
die dem Reifegrad entsprechende individuelle Empfängniszeit abzustellen,
wenn es darum geht, wann die Vermutung der Ehelichkeit in gleicher Stärke
ausnahmsweise auch für Kinder gelten soll, die angesichts der Zeitspanne
zwischen Heirat und Geburt unter allen Umständen vor der Ehe gezeugt
worden sein müssen, wie dies für die weniger als 180 Tage nach der
Heirat lebend geborenen Kinder angenommen werden darf (vgl. LABHARDT,
Schweiz. Med. Wochenschrift 1944 S. 132, am Ende). Daher kann keine
Rede davon sein, dass ein unvernünftiges Ergebnis herauskomme, wenn
Art. 255 Abs. 2 ZGB entsprechend dem Wortlaut dieser Vorschrift und den
grundsätzlich zutreffenden Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen
Tragzeit und Reifegrad, von denen bei ihrem Erlass ausgegangen wurde,
dahin ausgelegt wird, dass die Vermutung der Ehelichkeit für weniger
als 180 Tage nach der Heirat geborene Kinder nur dann gilt, wenn eine
Beiwohnung des Ehemanns um die Zeit glaubhaft gemacht wird, zu der das
in Frage stehende Kind nach seinem Reifegrad empfangen wurde.

    Diese Zeit lässt sich freilich nicht auf den Tag genau bestimmen, da
die möglichen Tragzeiten auch bei Kindern gleicher Reife eine bedeutende
Streuung aufweisen. Dieser Umstand muss auch bei der Anwendung von Art. 255
ZGB berücksichtigt werden. Vor allem aber muss vermieden werden, dass
die Ehelichkeit des Kindes in Fällen, wo sich aus dem Reifegrad und dem
Zeitpunkt der ersten Beiwohnung des Ehemannes keine erheblichen Zweifel
im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB ergeben könnten, ohne weitere Begründung
angefochten werden kann; denn sonst wäre mit der Möglichkeit zu rechnen,
dass nach der Unehelicherklärung eines Kindes gegen den Ehemann der
Mutter mit Erfolg eine Vaterschaftsklage erhoben werden könnte, wodurch
eine Lage geschaffen würde, die mit dem Grundgedanken von Art. 258 ZGB
(Legitimation der ausserehelichen Kinder durch die Eheschliessung ihrer
Eltern) schlechthin unverträglich wäre. Erhebliche Zweifel im Sinne von
Art. 314 Abs. 2 ZGB werden aber nach der herrschenden Rechtsprechung durch
den Reifegrad und den Zeitabstand zwischen Beiwohnung und Geburt nur dann
begründet, wenn die Vaterschaft des in Frage stehenden Mannes angesichts
dieser Momente als äusserst unwahrscheinlich, praktisch ausgeschlossen
erscheint, m.a.W. wenn sie auf Grund dieser Momente mit Sicherheit oder mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (BGE
82 II 87 und dortige Hinweise, 82 II 264). Deshalb muss eine Beiwohnung des
Ehemannes in einem Zeitpunkte, den mit diesem Grade von Wahrscheinlichkeit
als Empfängnistermin auszuschliessen nicht möglich ist, im Sinne von
Art. 255 Abs. 2 ZGB als um die Zeit der Empfängnis erfolgt angesehen
werden. Noch weiter zu gehen und einem weniger als 180 Tage nach der Heirat
geborenen Kinde den Schutz von Art. 254 ZGB immer dann zu gewähren, wenn
der Reifegrad in Verbindung mit dem Zeitabstand zwischen Beiwohnung und
Geburt die Vaterschaft des Ehemannes nicht geradezu als im Sinne dieser
Bestimmung unmöglich erscheinen lässt, rechtfertigt sich dagegen nicht;
denn es kann vernünftigerweise nicht die Meinung des Gesetzes sein, dass
der Ehemann, sobald eine voreheliche Beiwohnung glaubhaft gemacht ist,
der Anwendung von Art. 255 Abs. 2 ZGB und damit der Pflicht zur Leistung
des in Art. 254 geforderten Beweises nur dann entgehen könne, wenn mit
Hilfe des Reifegrades eben gerade dieser Beweis erbracht werden kann.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Falle hat man es mit einem Knaben zu tun,
der 219 oder 218 Tage nach der am 6./7. März 1954 erfolgten ersten
Beiwohnung des Ehemannes mit einer Körperlänge von 52 cm geboren
wurde. Nach LABHARDT, dessen Tabellen die Vorinstanz verwertet hat,
beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser Knabe in der Zeit vom
210. - 219. Tag vor der Geburt (d.h. in der VI. Dekade nach der mittleren)
gezeugt wurde, nur 0,12%. Setzt man für den mittleren Abstand zwischen der
letzten Menstruation und der Empfängnis entsprechend dem Ergebnis neuerer
Beobachtungen 12 statt wie Labhardt 10 Tage ein (vgl. BGE 82 II 85), so
fallen der 219. und der 218. Tag vor der Geburt noch in die V. Dekade
nach der mittleren, die in diesem Falle die Zeit vom 218.--227. Tag vor
der Geburt umfasst. Für die Zeugung in dieser Dekade beläuft sich die
Wahrscheinlichkeit nach Labhardt auf 0,25%. Die gesamte Wahrscheinlichkeit
für eine Zeugung am 218. Tage vor der Geburt oder später macht nicht
mehr als 0,44% aus. Unter diesen Umständen konnte die Vorinstanz ohne
Bundesrechtsverletzung annehmen, eine Zeugung am 6./7. März 1954 lasse
sich angesichts des Reifegrades des Kindes mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausschliessen (vgl. BGE 80 II 300 und dortige Hinweise).
Wenn es sich aber so verhält, vermag die Tatsache, dass die Beklagten
eine Beiwohnung am 6./7. März 1954 glaubhaft zu machen, ja nachzuweisen
vermochten, die Vermutung der Ehelichkeit nach dem in Erwägung 2 Gesagten
nicht herzustellen. Vielmehr bleibt Art. 255 Abs. 1 ZGB anwendbar, wonach
der Kläger seine Anfechtung nicht weiter zu begründen hat. Die Klage ist
daher gutzuheissen, ohne dass zu prüfen wäre, ob sich aus dem Reifegrad
des Kindes schliessen lasse, dass der Kläger im Sinne von Art. 254 ZGB
unmöglich der Vater sein könne, und ohne dass eine Rückweisung zur Vornahme
der vom Kläger beantragten Blutuntersuchung in Betracht zu ziehen wäre.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau, I. Abteilung, vom 7. Dezember 1956 bestätigt.