Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 III 75



83 III 75

21. Entscheid vom 30. August 1957 i.S. Hächler. Regeste

    Kollokation im Konkurs. Eine Forderung, die zur Zeit der
Konkurseröffnung den Gegenstand eines Aberkennungsprozesses bildet, ist
im Kollokationsplan zunächst nur pro memoria vorzumerken (Art. 63 KV),
und zwar auch dann, wenn der Gemeinschuldner sie (zum Teil) nur mangels
Fälligkeit bestritten hat.

Sachverhalt

    Nachdem Albert Hächler in der Betreibung Nr. 35953 gegen Pasquale
Personeni für Fr. 34'366.65 nebst 5% Zins seit 31. Juli 1955 provisorische
Rechtsöffnung erhalten hatte, hob der Schuldner beim Appellationshof des
Kantons Bern Aberkennungsklage an mit dem Begehren, die Forderung Hächlers
sei für den Fr. 5000.-- übersteigenden Betrag als unbegründet zu erklären;
die von ihm anerkannte Forderung von Fr. 5000.-- sei mangels Fälligkeit
zur Zeit abzuerkennen.

    Da über den Schuldner am 12. März 1957 der Konkurs eröffnet wurde (der
im ordentlichen Verfahren durchgeführt wird), stellte der Appellationshof
das bei ihm hängige Verfahren ein und meldete der Gläubiger seine
Forderung einschliesslich Zinsen und Kosten beim Konkursamt Biel
an. Dieses merkte sie im Kollokationsplan unter Hinweis auf Art. 63
KV lediglich pro memoria vor. Hierauf führte der Gläubiger Beschwerde
mit dem Begehren, das Konkursamt sei anzuweisen, von seiner Forderung
"schon heute einen Teilbetrag von Fr. 5000.-- zu kollozieren, eventuell
schon heute über die Anerkennung und Kollozierung dieses Teilbetrages
zu entscheiden". Von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom
9. August 1957 abgewiesen, erneuert er mit dem vorliegenden Rekurs an
das Bundesgericht sein Beschwerdebegehren.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Im Falle des Konkurses werden nach Art. 207 SchKG Zivilprozesse,
in denen der Gemeinschuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme
dringlicher Fälle eingestellt und können erst 10 Tage nach der zweiten
Gläubigerversammlung wieder aufgenommen werden. Streitige Forderungen,
die im Zeitpunkte der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses
bilden, sind nach Art. 63 Abs. 1 KV im Kollokationsplan zunächst ohne
Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken. Die
zweite Gläubigerversammlung hat dann darüber zu entscheiden, ob der
Prozess fortgeführt werden soll (BGE 49 III 17). Für den Fall, dass die
Mehrheit der Gläubiger auf die Fortführung des Prozesses verzichtet, ist
den Gläubigern Gelegenheit zu geben, in der zweiten Gläubigerversammlung
oder binnen zehn Tagen nach ihrer Abhaltung Abtretungsbegehren im Sinne
von Art. 260 SchKG zu stellen (Art. 63 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 48
KV). Wird der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern
fortgeführt, so ist die Forderung nach Art. 63 Abs. 2 KV endgültig zu
kollozieren. Bei Fortführung des Prozesses erfolgt je nach dessen Ausgang
die Streichung oder die endgültige Kollokation der Forderung (Art. 63
Abs. 3 KV).

    Alle diese Vorschriften gelten nach BGE 71 III 92 ff.,
insbesondere S. 94, auch für den Aberkennungsprozess. Dieser ist,
wie im eben angeführten Entscheide (S. 92/93) näher ausgeführt,
nicht bloss ein betreibungsrechtlicher Inzidentstreit, welcher mit
der gemäss Art. 206 SchKG durch die Konkurseröffnung aufgehobenen
Betreibung dahinfiele. Vielmehr handelt es sich dabei um eine negative
Feststellungsklage materiellrechtlicher Art, die sich, einmal eingeleitet,
in keiner wesentlichen Beziehung von einem mit dem Betreibungsverfahren
überhaupt nicht zusammenhangenden Forderungsstreit unterscheidet (vgl. aaO
S. 93). Die Wirkungen des Urteils im Aberkennungsprozess beschränken sich
nicht auf die Betreibung, die zu seiner Einleitung Anlass gegeben hat,
sondern ein solches Urteil kann in einem spätern Prozess der gleichen
Parteien über die gleiche Forderung die Einrede der abgeurteilten Sache
begründen. Daher rechtfertigt es sich, im Falle des Konkurses über den
Schuldner den Aberkennungsprozess und die Forderung, auf die er sich
bezieht, wie einen andern Zivilprozess bzw. wie eine andere im Prozess
liegende Forderung zu behandeln. Entgegen den Ausführungen der I.
Zivilabteilung in BGE 71 III 93 (unteres Drittel), die für die damals
getroffene Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung waren und von
denen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer daher abweichen kann,
ohne das Verfahren gemäss Art. 16 OG einleiten zu müssen (vgl. BGE 57 II
360/61 und BIRCHMEIER N. 1 zu Art. 16 OG), hat also die Konkursverwaltung
nicht die Möglichkeit, eine streitige Forderung, die Gegenstand eines
Aberkennungsprozesses ist, im Kollokationsplan abzuweisen und damit den
Gläubiger zur Anhebung einer Kollokationsklage zu veranlassen, sondern es
bleibt ihr nichts anderes übrig, als eine solche Forderung gemäss Art. 63
KV im Kollokationsplan zunächst einfach pro memoria vorzumerken und in der
Folge eine Entschliessung der Gläubiger über die Fortsetzung des Prozesses
herbeizuführen (BRAND, Schweiz. Jur. Kartothek N. 1002, S. 3; FRITZSCHE,
Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, Bd. II S. 49/50). Der I.
Zivilabteilung kann auch darin nicht beigestimmt werden, dass das kantonale
Prozessrecht die Weiterführung eines bei einem kantonalen Gerichte
hängigen Aberkennungsprozesses nach der Konkurseröffnung ausschliessen
könnte (welche Erwägung für den getroffenen Entscheid ebenfalls nicht
massgebend war). Wie die Konkurseröffnung auf die im SchKG vorgesehene
Aberkennungsklage einwirke, ist eine Frage des Bundesrechts, in die das
kantonale Prozessrecht sich nicht einmischen kann (BRAND aaO S. 2/3).

    Im vorliegenden Falle hat also die Konkursverwaltung die Forderung,
die Gegenstand des vom Gemeinschuldner angehobenen Aberkennungsprozesses
ist, im Kollokationsplan mit Recht nur pro memoria vorgemerkt, und zwar
gilt dies auch für die Teilforderung von Fr. 5000.--, deren Aberkennung
der Gemeinschuldner nur unter Berufung darauf verlangt hatte, dass
sie nicht fällig sei. Auch eine Forderung, die der Gemeinschuldner
nur in dieser Beziehung auf dem Wege der Aberkennungsklage bestritten
hat, ist im Sinne von Art. 63 KV eine streitige Forderung, die im
Zeitpunkte der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses
bildet. Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Konkurseröffnung
gemäss Art. 208 SchKG gegenüber der Konkursmasse die Fälligkeit sämtlicher
Schuldverpflichtungen des Gemeinschuldners (mit Ausnahme der durch seine
Grundstücke pfandrechtlich gesicherten) bewirkt. Für die Zinspflicht und
für den Kostenpunkt bleibt von Bedeutung, ob der Betrag von Fr. 5000.--
erst mit der Konkurseröffnung oder schon vorher fällig geworden ist. Der
Streit über diesen Betrag ist also durch die Konkurseröffnung nicht
gegenstandslos geworden.

    Der Rekurrent irrt im übrigen, wenn er glaubt, dass im hängigen
Prozess hinsichtlich der Teilforderung von Fr. 5000.-- nur die Frage
der Fälligkeit, nicht auch die Frage des Bestandes zur Entscheidung
gebracht werden könne. Der Umstand, dass der Gemeinschuldner die
Aberkennung dieser Teilforderung nur mangels Fälligkeit verlangt hatte,
kann die Masse oder einen Abtretungsgläubiger nicht daran hindern, ihren
Bestand zu bestreiten und, sofern wenigstens das kantonale Prozessrecht
Klageänderungen sowie eine Ergänzung und Berichtigung der tatsächlichen
Vorbringen und der Beweisanträge zulässt, wie es im Kanton Bern der
Fall ist (Art. 94 und 188 ZPO), im hängigen Prozess zu verlangen, dass
ihr Nichtbestehen festgestellt werde. So kann, auch wenn die Masse oder
ein Abtretungsgläubiger bei Prüfung der Gesamtforderung dazu gelangt,
diese dem Bestande nach im vollen Umfang statt nur für den Fr. 5000.--
übersteigenden Betrag zu bestreiten, ein zweiter Prozess vermieden werden,
wogegen der Streit über das Bestehen der Teilforderung von Fr. 5000.--
im Falle, dass darüber entsprechend dem Begehren des Rekurrenten eine
Kollokationsverfügung erlassen würde, nur in einem getrennt vom hängigen
Aberkennungsprozess zu führenden Kollokationsprozess zum Austrag gebracht
werden könnte, was den Geboten der Prozessökonomie widerspräche.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.