Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 49



82 I 49

8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Februar 1956 i.S. Hämmerle gegen
Eidgen. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht.

    Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke in der
Schweiz wegen Täuschungsgefahr. Pariser Verbandsübereinkunft Art. 6 B Ziff.
3, MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2.

Sachverhalt

    A.- Die in Dornbirn (Österreich) niedergelassene Firma F. M. Hämmerle,
Textilwerke, liess am 7. Juli 1955 gestützt auf das Madrider Abkommen
von 1891/1934 betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder
Handelsmarken im internationalen Register unter Nr. 186'065 die Wortmarke
"Novelin" eintragen für folgende Erzeugnisse: "Habillements, lingerie;
fils; fibres textiles; couvertures, rideaux, tentes, voiles, sacs; tissus,
tissus à mailles."

    Am 5. Oktober 1955 teilte das eidgen. Amt für geistiges Eigentum dem
internationalen Amt unter Berufung auf Art. 5 des Madrider Abkommens
mit, dass die Marke in der Schweiz nur teilweise, nämlich nur für
Leinenerzeugnisse zum Schutz zugelassen werden könne; dies deshalb,
weil sie wegen ihrer Endsilbe "lin" bei Verwendung für andere Erzeugnisse
geeignet wäre, das Publikum über die Natur der Ware irrezuführen (Art. 6
B Ziff. 3 der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883/1934 zum Schutze des
gewerblichen Eigentums; Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG).

    B.- Gegen diese teilweise Schutzverweigerung erhob die Markeninhaberin
verwaltungsgerichtliche Beschwerde mit dem Antrag auf uneingeschränkte
Zulassung der Marke für das Gebiet der Schweiz.

    C.- Das eidgen. Amt für geistiges Eigentum beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 6 PVU, auf den Art. 5 des Madrider Abkommens Bezug nimmt,
räumt in lit. B Ziff. 3 jedem Verbandsland die Befugnis ein, Marken
zurückzuweisen, "welche gegen die guten Sitten oder die öffentliche
Ordnung verstossen, namentlich solche, welche geeignet sind, das Publikum
zu täuschen".

    Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG sodann bestimmt, dass die Eintragung einer
Marke zu verweigern sei, wenn sie gegen die guten Sitten verstosse. Als
sittenwidrig gelten nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auch
täuschende Marken (BGE 79 I 253 Erw. 1 und dort erwähnte Entscheide).

    Der streitigen Marke kann somit in der Schweiz der Schutz verweigert
werden, sofern und soweit sie zu Täuschungen der Käuferschaft Anlass
geben kann.

Erwägung 2

    2.- Für Textilerzeugnisse verwendet, ist nach den zutreffenden
Ausführungen des eidgen. Amtes für geistiges Eigentum die Marke "Novelin"
wegen ihrer Endsilbe "lin" zum mindesten im französischen Sprachgebiet
geeignet, beim Durchschnittskäufer die Vorstellung zu erwecken, dass
das mit ihr bezeichnete Erzeugnis aus Leinen hergestellt sei. Soweit
dies letztere nicht zutrifft, besteht somit unbestreitbar die Gefahr
einer Irreführung des Publikums. Dass diese Täuschungsgefahr tatsächlich
besteht, wird bestätigt durch die vom eidgen. Amt für geistiges Eigentum
durchgeführten Erhebungen bei einer Anzahl von Warenhäusern und Verbänden
der Textilfabrikation und des Textilhandels, sowie des Handels mit
Sportartikeln, die mit verschwindenden Ausnahmen der Auffassung Ausdruck
gegeben haben, dass die Marke "Novelin" auf Leinengewebe schliessen
lasse. Der Gefahr einer unzutreffenden Schlussfolgerung dieser Art ist
die Käuferschaft im deutschen Sprachgebiet weniger ausgesetzt. Indessen
genügt es nach ständiger Rechtsprechung, wenn die Täuschungsgefahr auch
nur für eines der verschiedenen Sprachgebiete der Schweiz bejaht werden
muss (BGE 76 I 169, 56 I 472).

    Zu Unrecht glaubt die Beschwerdeführerin, sich darauf berufen zu
können, dass zahlreiche Stoffbezeichnungen bestehen, die auf "lin" enden,
wie z.B. Popeline, Musselin, Goblin, Perkalin, ohne dass diese Stoffe
aus Leinen hergestellt sind und vom Publikum als Hinweis auf Leinenstoffe
verstanden werden. Denn alle diese Namen betreffen Bezeichnungen für
bestimmte Stoffarten, von denen das Publikum von vorneherein weiss, dass
sie nicht aus Leinen hergestellt sind, während es sich bei der streitigen
Marke um eine Phantasiebezeichnung ohne selbständige Bedeutung handelt.

Erwägung 3

    3.- Ohne Belang ist schliesslich, dass die streitige Marke in ihrem
Ursprungsland Österreich anstandslos zugelassen wurde. Gemäss ständiger
Praxis ist jedes Verbandsland befugt, über die Zulässigkeit einer Marke
unter dem hier in Frage stehenden Gesichtspunkt selbständig zu befinden
(BGE 79 I 256 Erw. 4 und dort erwähnte Entscheide). Die Zulassung der Marke
in Österreich ist wohl damit zu erklären, dass dieses rein deutschsprachige
Land auf die für Käufer französischer Sprache bestehende Täuschungsgefahr
nicht Rücksicht zu nehmen brauchte.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.