Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 36



82 I 36

6. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. April 1956 i. S. Hartmann gegen
Aargau, Regierungsrat. Regeste

    Grundbuch. Löschung einer Grunddienstbarkeit.  Voraussetzungen
(Art. 964 Abs. 1 ZGB).

Sachverhalt

    A.- Hans Hartmann ist Eigentümer des Grundstücks GB Nr.  250,
Kat. Nr. 87, in Rohr bei Aarau. Zugunsten dieses Grundstücks ist im
Grundbuch u.a. folgende Dienstbarkeit eingetragen: "Recht: Wässerungsrecht
z.L. Parz. 145 Buchs." Beim belasteten Grundstück handelt es sich um das
im Eigentum des Staates stehende Flüsschen Suhre. Davon zweigt beim sog.
Locherwuhr der Lochmatt-Wässergraben ab, dem ausser Hartmann auch noch
zahlreiche weitere Grundeigentümer auf Grund entsprechender Dienstbarkeiten
Wasser zum Zwecke der Wässerung ihrer Liegenschaften entnehmen dürfen.

    B.- Am 27. Oktober 1952 verlangte Hartmann vom Grundbuchamt Aarau die
Löschung des zu seinen Gunsten eingetragenen Wässerungsrechts, weil dieses
seit vielen Jahren nicht mehr ausgeübt werde und auch für die Zukunft keine
Bedeutung mehr habe, da es sich um Baugebiet handle. Das Grundbuchamt wies
dieses Begehren ab. Die Beschwerde Hartmanns gegen diese Verfügung wurde
von der Justizdirektion und am 17. Dezember 1955 auch vom Regierungsrat
des Kantons Aargau abgewiesen. Der Regierungsrat ist der Auffassung,
das streitige Wässerungsrecht könne nach Art. 964 Abs. 1 ZGB nur mit
Zustimmung der Eigentümer der oberhalb und unterhalb der Liegenschaft
Hartmanns gelegenen wässerungsberechtigten Grundstücke gelöscht
werden, weil diese Dienstbarkeit, mit der gemäss Dienstbarkeitsvertrag
nebensächlich die Unterhalts- und Reinigungspflicht für einen Teil des
Lochmattgrabens verbunden sei, ein Glied in einer Reihe ähnlicher Rechte
bilde und mindestens ein Teil der andern Berechtigten am Weiterbestand
des Wässergrabens interessiert sein könne.

    C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat Hartmann fristgerecht
die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, mit der er
beantragt, das Grundbuchamt sei anzuweisen, die Löschung gemäss seinem
Begehren vom 24. (richtig 27.) Oktober 1952 vorzunehmen.

    Der Regierungsrat beantragt Abweisung, das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement Gutheissung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 964 Abs. 1 ZGB bedarf es zur Löschung oder Abänderung
eines Eintrags im Grundbuch einer schriftlichen Erklärung der aus dem
Eintrag berechtigten Personen. Darunter ist bei einer Grunddienstbarkeit
in erster Linie der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu verstehen,
der hier die Löschung unstreitig in gehöriger Form beantragt hat. Daneben
kommen gegebenenfalls die Inhaber von Pfandrechten an diesem Grundstück
sowie Personen in Betracht, welche die Nutzniessung oder ein Pfandrecht
an Grundpfandtiteln auf dieser Liegenschaft oder an einer durch
Grundpfandverschreibung auf dieser Liegenschaft gesicherten Forderung
haben; ferner die Berechtigten aus Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten,
Nutzniessungen und andern Dienstbarkeiten) und Grundlasten auf dieser
Liegenschaft, soweit ihr Recht durch die Löschung beeinträchtigt werden
kann (vgl. HOMBERGER N. 10 zu Art. 964 ZGB). Der Eigentümer des mit der
zu löschenden Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zählt dagegen,
wie in BGE 67 I 126 ff. ausgeführt, auch dann nicht zu den aus ihrem
Eintrag berechtigten Personen, wenn der Eigentümer des herrschenden
Grundstücks ihm gegenüber auf Grund des Gesetzes (Art. 741 ZGB) oder
eines Vertrags verpflichtet ist, eine zur Ausübung der Grunddienstbarkeit
gehörende Vorrichtung zu unterhalten. Noch weniger ist zu diesen Personen
zu rechnen, wer sonst auf Grund rein obligatorischer Beziehungen oder
gar nur faktisch am Weiterbestand der Grunddienstbarkeit interessiert ist.

    Im vorliegenden Fall hat demnach der Regierungsrat die Zustimmung
des Staates als Eigentümers des mit der Grunddienstbarkeit belasteten
Gewässers, welche das Grundbuchamt für nötig gehalten hatte, mit Recht
nicht gefordert. Aber auch die Zustimmung der Grundeigentümer, die
neben dem Beschwerdeführer wässerungsberechtigt sind, darf nicht verlangt
werden. Indem der am 13. November 1924 erneuerte "Wasserverteilungsvertrag
und Kehrebrief" vom 31. Mai 1906, auf den der Regierungsrat hinweist,
in Art. V bestimmt, dass die Reinigung des Lochmattgrabens vom Locherwuhr
bis zur sog. Wasserteilung je zur Hälfte von den wässerungsberechtigten
Mattenbesitzern und den (Wasser-)Werkbesitzern übernommen werde und dass
von der Wasserteilung hinweg jede Nutzungspartei die Unterhaltung und
Reinigung ihres eigenen Kanals übernehme, begründet er keine dinglichen
Rechtsverhältnisse, sondern nur obligatorische Rechte und Pflichten
der Kontrahenten. Selbst wenn jedoch (was möglich gewesen wäre, aber
nicht geschehen ist) den Wässerungsberechtigten die Unterhalts- und
Reinigungspflicht in Form einer Grundlast (Art. 782 ZGB) oder einer mit
einer Durchleitungsdienstbarkeit nebensächlich verbundenen Leistungspflicht
(Art. 730 Abs. 2 ZGB) auferlegt worden wäre, bedürfte die Löschung des
dem Beschwerdeführer zustehenden Wässerungsrechts nicht der Zustimmung der
übrigen Wässerungsberechtigten. Deren Interessen wären in diesem Falle
durch die Grundlast bzw. die mit ihrem Durchleitungsrecht verbundene
Leistungspflicht des Beschwerdeführers, die durch die Löschung des
Wässerungsrechts nicht berührt würden, vollauf gesichert, so dass der
Wegfall dieses Rechts ihnen gleichgültig sein könnte.

    Grundpfandrechte bestehen am Grundstück des Beschwerdeführers keine,
wie der vom Bundesgericht in Anwendung von Art. 105 OG beigezogene
Grundbuchauszug beweist. Das Grundstück ist einzig mit einem Fahrwegrecht
zugunsten der Parzellen 900, 901, 908 und 1076 und einem Näherbaurecht
zugunsten von Parzelle 1076 belastet. Es ist klar, dass diese Rechte
durch die Löschung des streitigen Wässerungsrechts nicht beeinträchtigt
werden können.

    Dem Löschungsbegehren ist daher zu entsprechen.

Erwägung 2

    2.- Soweit dem Beschwerdeführer nach Massgabe des erwähnten
Wasserteilungsvertrags oder des Nachbarrechts oder des kantonalen
öffentlichen Rechts (z.B. des Flurgesetzes) noch Pflichten zu
gewissen Leistungen obliegen sollten, würden sie durch die Löschung
des Wässerungsrechts nicht betroffen. Ob und allenfalls in welchem
Umfange solche Pflichten bestehen, ist im vorliegenden Verfahren nicht
zu entscheiden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Aargau vom 17. Dezember 1955 aufgehoben und das Grundbuchamt
Aarau angewiesen, dem Löschungsbegehren des Beschwerdeführers vom
27. Oktober 1952 zu entsprechen.