Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 262



82 I 262

38. Urteil vom 21. Dezember 1956 i.S. Rieder gegen Regierungsrat des
Kantons Basel-Landschaft. Regeste

    Einspruch gegen Liegenschaftskäufe: Liegenschaften, die nicht zu einem
landwirtschaftlichen Heimwesen gehören, unterliegen dem Einspruchsverfahren
nicht, auch wenn sie landwirtschaftlich genutzt werden. Begriff der
Zugehörigkeit (Art. 19 EGG).

Sachverhalt

    A.- Die Erben der Witwe Berta Reiniger-Schütt waren Gesamteigentümer
mehrerer in Frenkendorf gelegener Grundstücke, die kein für den Betrieb
eines landwirtschaftlichen Gewerbes geeignetes Gebäude umfassten.
Die Parzellen wurden einzeln an Landwirte verpachtet. Am 17. Oktober 1955
fand die freiwillige öffentliche Versteigerung des Grundbesitzes statt. Die
Parzelle C 107, die seit 1954 dem Landwirt Georg Martin verpachtet und
seit 1955 dem Landwirt Ferdinand Hertig unterverpachtet ist, wurde dem
Kaufmann Wilhelm Rieder-Roth zugeschlagen, welcher in Frenkendorf eine
Gastwirtschaft und in Liestal ein Konfektionsgeschäft führt.

    Gegen diesen Verkauf erhob die Direktion des Innern des Kantons
Basel-Landschaft Einspruch mit der Begründung, der Käufer erwerbe
die Liegenschaft offensichtlich zum Zwecke der Spekulation oder des
Güteraufkaufs (Art. 19 Abs. 1 lit. a des BG vom 12. Juni 1951 über die
Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, EGG). Der Regierungsrat hat im
Beschwerdeverfahren den Einspruch bestätigt (Entscheid vom 16. Dezember
1955). Er nimmt an, Art. 19 EGG lasse den Einspruch auch in Fällen zu,
wo die Gegenstand des Kaufvertrages bildende Liegenschaft zwar nicht dem
Eigentum nach, wohl aber betriebswirtschaftlich, infolge Verpachtung,
zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehöre.

    B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Wilhelm Rieder,
den Entscheid des Regierungsrates und den Einspruch der Direktion des
Innern aufzuheben. Er macht in erster Linie geltend, es handle sich
nicht um eine Liegenschaft, die im Sinne des Art. 19 EGG zu einem
landwirtschaftlichen Heimwesen gehöre.

    C.- Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

    D.- Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragt, die Beschwerde
gutzuheissen. Es teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, dass die
Parzelle C 107 nicht unter Art. 19 EGG falle.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Dem Einspruchsverfahren, zu dessen Einführung Art. 18 EGG
die Kantone ermächtigt, dürfen nach Art. 19 desselben Gesetzes nur
Kaufverträge über landwirtschaftliche Heimwesen oder zu einem solchen
gehörende Liegenschaften unterstellt werden. Liegenschaften, die
nicht zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehören, unterliegen dem
Einspruch nicht, auch wenn sie landwirtschaftlich genutzt werden. Der
Einspruch ist auf landwirtschaftliche Heimwesen und Bestandteile solcher
beschränkt. Landwirtschaftliche Heimwesen sollen, im Rahmen des Gesetzes,
nicht nur an sich, sondern auch in ihrem Bestande erhalten bleiben.

    Als landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Art. 19 EGG wird
nach der Rechtsprechung (BGE 81 I 107, 254) eine aus Land und Gebäuden
bestehende Einheit angesehen, die geeignet ist, dem Inhaber (Eigentümer
oder Pächter) und seiner Familie als Lebenszentrum und Grundlage für den
Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen.

    Art. 19 EGG sagt nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Liegenschaft
als zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörig zu betrachten ist. Nach
Auffassung des Regierungsrates wäre nicht erforderlich, dass der Eigentümer
und Verkäufer der Liegenschaft, auf die sich der Einspruch bezieht, auch
Eigentümer eines bäuerlichen Heimwesens ist, welchem die Liegenschaft
zugerechnet werden kann, sondern würde genügen, dass diese vom Inhaber
eines solchen Heimwesens zwecks landwirtschaftlicher Nutzung zugepachtet
ist und so bloss wirtschaftlich zu einem Heimwesen gehört. Dieser Auslegung
kann nicht zugestimmt werden.

    Der Eigentümer des verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücks,
das einzig wegen wirtschaftlicher Zugehörigkeit zu einem Heimwesen des
Pächters dem Einspruchsverfahren unterstellt werden könnte, wäre in der
Lage, den Erfolg eines Einspruches dadurch zunichte zu machen, dass er
das Pachtverhältnis auf das nächste offene Ziel kündigen würde; denn mit
der Auflösung des Pachtvertrages würde jene wirtschaftliche Zugehörigkeit
dahinfallen, so dass ein neuer Einspruch auch nach dem Standpunkte des
Regierungsrates nicht mehr möglich wäre. Zwar wäre unter Umständen die
Beendigung der Pacht erst nach geraumer Zeit möglich, doch kann darauf
nichts ankommen. Bei Veräusserung des verpachteten landwirtschaftlichen
Grundstücks tritt nach Art. 281 bis OR (eingefügt durch Art. 26 EGG)
der Erwerber in der Regel ohne weiteres, von Gesetzes wegen, an Stelle
des Verpächters in die sich aus dem Pachtverhältnis ergebenden Rechte
und Pflichten ein (Randtitel: "Kauf bricht Pacht nicht"), so dass er,
was die Auflösung des Pachtverhältnisses anbelangt, an die gleichen
Schranken gebunden ist, die der bisherige Eigentümer beachten müsste,
wenn ein Verkauf unterbliebe. Der Schutz des Pachtverhältnisses, den der
Regierungsrat mit seiner Auslegung des Art. 19 EGG erreichen möchte, ist
demnach in der Regel, im Bereich der Anwendbarkeit des Art. 281 bis OR, im
Rahmen der im übrigen für das Verhältnis massgebenden Vorschriften bereits
durch Art. 26 EGG gewährleistet. Allerdings erleidet der Grundsatz des
Art. 281 bis OR Ausnahmen, die im nachfolgenden (ebenfalls durch Art. 26
EGG eingefügten) Art. 281 ter aufgezählt sind. Wenn nicht in allen, so doch
in den meisten Ausnahmefällen (Verkauf unmittelbar zu Bauzwecken oder zu
öffentlichen Zwecken oder zur Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber)
wäre indes ein Einspruch ohnehin nicht zulässig (Art. 19, 21 Abs. 1 lit. b
EGG). Sind Fälle denkbar, wo es sich anders verhält, so ist dies kein
ausreichender Grund, der Auslegung des Regierungsrates zu folgen. Dies
umsoweniger, als sie sich sogar zu Ungunsten des Pächterstandes auswirken
könnte; denn wenn das Einspruchsverfahren gemäss den Ausführungen des
Regierungsrates gegeben wäre, müsste der Pächter gewärtigen, dass der
Eigentümer, um schliesslich doch nach seinem Belieben verkaufen zu können,
den Pachtvertrag auf das nächste offene Ziel kündigen würde, während
andernfalls der Pächter eher Aussicht hat, dass man ihm das Grundstück
weiter belässt; zudem würde mancher Eigentümer eines Einzelgrundstücks,
das nach den Eigentumsverhältnissen nicht zu einem landwirtschaftlichen
Heimwesen gehört, vor einer zur Unterstellung unter das Einspruchsverfahren
führenden Verpachtung zurückschrecken und sein Grundstück lieber eine
gewisse Zeit brach liegen lassen, um es bei sich bietender Gelegenheit
nach Gutdünken verkaufen zu können. Art. 19 EGG kann daher nicht den
Sinn haben, den der Regierungsrat ihm beilegen möchte. Die Auslegung
der kantonalen Behörde ist sachlich unbegründet und mit dem System des
Gesetzes nicht vereinbar.

    Sie lässt sich auch nicht auf Art. 1 EGG stützen, wonach die
Vorschriften dieses Gesetzes darauf abzielen, den bäuerlichen Grundbesitz
als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes zu schützen,
die Bodennutzung zu fördern, die Bindung zwischen Familie und Heimwesen zu
festigen und die Schaffung und Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe zu
begünstigen; denn abgesehen davon, dass die vom Regierungsrat befürwortete
Ausdehnung des Einspruchsverfahrens den ihr zugedachten Zweck praktisch
verfehlen würde, darf aus jenem Programmartikel nicht die Befugnis
abgeleitet werden, in die Freiheit des Eigentums eingreifende Massnahmen
zu treffen, die im speziellen Teil des Gesetzes (in den Abschnitten II
ff.) nicht vorgesehen sind, oder eine daselbst vorgesehene Beschränkung
über den Rahmen hinaus zu erweitern, der ihr ebenda gezogen ist.

Erwägung 2

    2.- Es ist nicht bestritten, dass zur Zeit der Versteigerung des
Grundstücks, um das es hier geht, die Verkäufer nicht Eigentümer eines
landwirtschaftlichen Heimwesens im Sinne des Art 19 EGG waren. Die
Parzelle unterliegt daher dem Einspruchsverfahren nicht, auch wenn sie
wirtschaftlich als zu einem Heimwesen des Pächters oder des Unterpächters
gehörig betrachtet werden kann. Ob die Voraussetzungen, unter denen nach
Bundesrecht Einspruch erhoben werden kann, im übrigen gegeben wären,
braucht nicht erörtert zu werden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und der Einspruch für unbegründet erklärt.