Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 211



82 I 211

31. Urteil vom 16. November 1956 i.S. Schweizerische Volksbank gegen
Oberzolldirektion. Regeste

    Zollpfandrecht, Zollbürgschaft: Die Zollverwaltung entscheidet
nach Ermessen, ob das Zollpfand zu beschlagnahmen sei oder nicht.
Ist es beschlagnahmt, so ist es dem Zollbürgen, der Zahlung leistet,
herauszugeben, damit er ein Retentionsrecht geltend machen kann. Nach
der Zahlung ist die Beschlagnahme nicht mehr zulässig.

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Volksbank in Bern leistete am 23.  Juli 1953
für alle Verbindlichkeiten der Firma Monakos A.-G., Nahrungsmittelfabrik
in Bern-Bümpliz, gegenüber der Zollverwaltung eine Generalbürgerschaft
bis zum Betrage von Fr. 4000.--. Nachdem über diese Firma am 5. Mai
1955 der Konkurs eröffnet worden war, wurde die Volksbank wegen einer
Zollforderung von Fr. 3373.05 für eine von jener mit Freipassabfertigung
eingeführte Sendung Rohkaffee belangt. Die Bank machte im Konkurs für ihre
Rückgriffsforderung ein Retentionsrecht an der Ware geltend und legte
der Zollverwaltung nahe, ihr durch Beschlagnahme der Ware als Zollpfand
behilflich zu sein. Die Oberzolldirektion antwortete mit Schreiben vom
11. Juni 1955, dass nach Aussonderung des Pflichtlagervorrates durch
den Bund eine Beschlagnahme als Zollpfand nur noch für 428 kg Rohkaffee
in Frage käme, "welche Massnahme sich aber erübrigen dürfte, da wir
vom Konkursamt die mündliche Auskunft erhalten haben, dass es Ihren
Retentionsanspruch anerkennt und in den Kollokationsplan aufgenommen
hat". Am 21. Juni 1955 bezahlte die Bank den von der Zollverwaltung
geforderten Betrag. Jene 428 kg Kaffee wurden vom Konkursamt im Dezember
1955 verwertet.

    Der Retentionsanspruch der Volksbank wurde durch Kollokationsklage
angefochten, worauf die Bank am 9. Februar 1956 der Oberzolldirektion
mitteilte, dass sie sich vorbehalte, gemäss Art. 503 Abs. 4 OR die
Rückerstattung des bezahlten Betrages von Fr. 3373.05 zu verlangen. Die
Oberzolldirektion entgegnete, massgebend sei das Zollrecht; da die Ware
sich nicht im Gewahrsam der Zollverwaltung befunden habe, könne diese nicht
verpflichtet gewesen sein, sie der Bank herauszugeben (Art. 68 Abs. 3 und
5 ZG). Gemäss einem im Kollokationsprozess geschlossenen Vergleich wurde
die Klage zurückgezogen, wogegen die Volksbank sich verpflichtete, nach
Deckung ihrer Regressforderung dem Kläger Fr. 2500.-- zu zahlen. Hierauf
ersuchte die Bank die Zollverwaltung erneut, die 428 kg Rohkaffee - oder
dann den Erlös aus deren Verwertung - als Zollpfand zu beschlagnahmen,
unter Androhung der Verantwortlichkeitsklage. Die Oberzolldirektion lehnte
das Begehren ab mit der Begründung, das Zollpfandrecht bestehe nur an
Waren und nur solange die dadurch gesicherte Forderung nicht bezahlt sei
(Art. 120, 121 ZG); hier sei aber die Ware konkursamtlich verwertet
und die Zollforderung bezahlt worden. Ein neues Begehren der Bank um
Beschlagnahme des Verwertungserlöses wurde von der Oberzolldirektion am
29. Mai 1956 abgewiesen.

    B.- Gegen diesen Entscheid hat die Schweizerische Volksbank
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie verlangt, "dass die
Zollverwaltung den gesamten Erlös aus der in die Konkursmasse gezogenen
Ware, die zu Beginn des Konkurses und vor Bezahlung der Zollbürgschaft
vorhanden war, zollpfandrechtlich beschlagnahmt und dem Konkursamt
entzieht". Es wird geltend gemacht, das Zollpfandrecht bestehe im
vorliegenden Fall noch immer. Solange jener Erlös nicht verteilt sei,
könne er anstelle der Ware als Zollpfand beschlagnahmt werden. Die
Zollforderung gegenüber dem Hauptschuldner sei durch die Zahlung des
Bürgen nicht untergegangen, noch sei sie auf diesen kraft Subrogation
übergegangen. Der Bürge habe Anspruch darauf, dass die Zollverwaltung das
Beschlagnahmerecht ausübe. Versäume sie dies, so werde sie ihm gegenüber
schadenersatzpflichtig.

    C.- Die Oberzolldirektion beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden könne.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1. - (Prozessuales.)

    2. - Art. 120 ZG gibt dem Bund ein gesetzliches Pfandrecht an Waren,
für die Zollpflicht besteht, und an Gegenständen, die der Verletzung
zollrechtlicher oder anderer unter Mitwirkung der Zollverwaltung
angewendeter Erlasse gedient haben (Zollpfandrecht). Nach Art. 121 Abs. 1
ZG kann die Zollverwaltung das Zollpfand, solange die dadurch gesicherte
Forderung nicht bezahlt ist, zurückbehalten oder, wenn es sich nicht in
ihrem Gewahrsam befindet, beschlagnahmen. Sie hat es demnach freizugeben,
sobald die Forderung vollständig bezahlt ist, sei es vom Zollpflichtigen
selbst, sei es von einem Zollbürgen. Wenn und soweit der Zollbürge seine
Zahlungspflicht gegenüber der Zollverwaltung erfüllt, befreit er den
Zollpflichtigen von der verbürgten Schuld. Er bezahlt "die Forderung",
wie Art. 68 Abs. 5 ZG ausdrücklich sagt. Gemeint ist die gesicherte
Forderung der Zollverwaltung gegenüber dem Hauptschuldner, im Sinne von
Art. 121 Abs. 1 ZG. Wenn auch der zahlende Zollbürge naturgemäss nicht nach
zivilrechtlichen Grundsätzen in die Stellung des Bundes zum Zollpflichtigen
eintreten kann, so findet doch insofern eine Subrogation statt, als er eine
Rückgriffsforderung gegen den Hauptschuldner erhält und ihm ein in Händen
der Zollverwaltung befindliches Zollpfand herauszugeben ist, damit er ein
Retentionsrecht gemäss Art. 895 ZGB geltend machen kann (Art. 68 Abs. 5
ZG, Art. 64 Abs. 2 VVZ; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl.,
S. 232 ff.). Diese Subrogation setzt voraus, dass die durch das Zollpfand
gesicherte Forderung der Zollverwaltung mit der Leistung des Bürgen
bezahlt ist. Sobald dies geschehen ist, darf die Zollverwaltung nach der
gesetzlichen Ordnung das Pfand, sofern sie es in ihrem Gewahrsam hat, nicht
zurückbehalten, sondern muss sie es dem zahlenden Bürgen aushändigen. Hat
sie aber im Zeitpunkt der Zahlung des Bürgen den Gewahrsam nicht, so darf
sie sich ihn nicht durch nachträgliche Beschlagnahme verschaffen. Nach
der Ordnung des Zollgesetzes, die auch für das Verhältnis zwischen dem
Bund und dem Zollbürgen massgebend ist (Art. 68 Abs. 3 ZG und Abs. 3
der Übergangsbestimmungen zum revidierten Bürgschaftsrecht, AS 1942,
290), geht das Beschlagnahmerecht unter, sobald die Zollverwaltung für
ihre durch das Zollpfand gesicherte Forderung befriedigt ist. Art. 503
Abs. 3 OR, wonach der Gläubiger die für die Übertragung von Pfändern oder
anderer Sicherheiten auf den zahlenden Bürgen erforderlichen Handlungen
vorzunehmen hat, ist nicht anwendbar.

    Hier befand sich das Zollpfand im Zeitpunkt der Zahlung des Bürgen
(21. Juni 1955) nicht im Gewahrsam der Zollverwaltung, so dass diese
es dem Bürgen nicht herausgeben konnte. Eine Beschlagnahme war nach der
Zahlung nicht mehr zulässig. Der angefochtene Entscheid vom 29. Mai 1956,
durch den die Anordnung dieser Massnahme verweigert wird, erweist sich
somit als richtig. Die Frage, ob das Zollpfandrecht nur an Waren oder
auch am Erlös ihrer konkursamtlichen Verwertung (zum mindesten bis zur
Verteilung) bestehe, kann offen gelassen werden.

    3. - Sollte anzunehmen sein, die Beschwerde richte sich auch gegen die
von der Oberzolldirektion schon vor der Zahlung der Beschwerdeführerin
eingenommene Haltung, so wäre sie insoweit ebenfalls als unbegründet
abzuweisen, sofern sie in diesem Punkte nicht wegen Verspätung von
der Hand gewiesen werden müste, was dahingestellt bleiben kann. Der
Entscheid darüber, ob das Zollpfand zu beschlagnahmen sei oder nicht,
ist in das Ermessen der Zollverwaltung gestellt. Sie "kann" die Massnahme
anordnen (Art. 121 Abs. 1 ZG). Sie "kann" den beschlagnahmten Gegenstand
gegen Sicherstellung - z.B. gegen Stellung eines Zollbürgen - freigeben
(Abs. 3 daselbst), woraus zu schliessen ist, dass sie auch von vornherein
von der Beschlagnahme Umgang nehmen kann, wenn von Anfang an anderweitige
Sicherheiten bestehen, die sie als genügend erachtet. Hier kann keine Rede
davon sein, dass die Verwaltung durch Verweigerung der Beschlagnahme vor
der Zahlung des Bürgen ihr Ermessen überschritten oder missbraucht habe,
selbst dann nicht, wenn zur pflichtgemässen Handhabung des Ermessens
auch eine gewisse Rücksichtnahme auf die Interessen des Zollbürgen
gehört. Gestützt auf die vom Konkursamt erhaltene Auskunft, dass dieses
den von der Beschwerdeführerin angemeldeten Retentionsanspruch anerkenne,
durfte die Oberzolldirektion ohne neuen Bericht, der bis zur Zahlung des
Bürgen nicht eintraf, recht wohl annehmen, dass es zur Geltendmachung
jenes Anspruches einer Beschlagnahme des Zollpfandes nicht bedürfe.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.