Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 IV 182



82 IV 182

39. Urteil des Kassationshofes vom 20. September 1956 i.S. Arpagaus gegen
Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. Regeste

    Veruntreuung, begangen durch den Verkauf einer unter Eigentumsvorbehalt
erworbenen Sache.

    1.  Wiederaufnahme des Verfahrens; Begriff der erheblichen Tatsache
im Sinne des Art. 397 StGB (Erw. 1).

    2.  Art. 184 OR. Hängt die Gültigkeit des Kaufvertrages und der damit
verbundenen Nebenabreden davon ab, dass der Kaufgegenstand dem Verkäufer
gehört? (Erw. 2).

    3.  Art. 715 Abs. 1 Z GB, Art. 7 VO betr. Eintragung der
Eigentumsvorbehalte. Berührt es die Wirksamkeit des Eigentumsvorbehaltes,
dass im Eigentumsvorbehaltsregister als Veräusserer nicht der Berechtigte,
sondern ein Dritter eingetragen ist? (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht von Appenzell A.Rh. verurteilte am 28. September
1953 Julius Arpagaus wegen Veruntreuung zu drei Monaten Gefängnis, weil
er am 13. Juni 1951 einen am 7. Juni 1951 von der Firma E. Wagner,
Centralgarage AG, St. Gallen, unter Eigentumsvorbehalt gekauften
Personenwagen der Marke "Ford" an August Tschofen weiterverkauft habe.

    B.- Am 13. Dezember 1955 ersuchte Arpagaus um Wiederaufnahme des
Verfahrens. Er machte geltend, er habe den Personenwagen nicht von der
Firma E. Wagner, Centralgarage AG, sondern von Arnold Graf gekauft. Ein
Eigentumsvorbehalt zu Gunsten der genannten Firma habe daher nicht
begründet werden können und ein solcher zu Gunsten des Graf sei nicht
eingetragen worden, weshalb der Gesuchsteller den Wagen habe weiter
veräussern dürfen, ohne sich dadurch einer Veruntreuung schuldig zu machen.

    C.- Das Obergericht wies das Gesuch am 27. Februar 1956 mit
der Begründung ab, der beim Betreibungsamt Herisau eingetragene
Eigentumsvorbehalt sei im Zeitpunkt des Weiterverkaufs des Wagens an
Tschofen rechtsgültig gewesen, unbekümmert darum, ob Arpagaus das Fahrzeug
von der Firma E. Wagner, Centralgarage AG, oder von Graf gekauft habe.

    D.- Arpagaus führt gegen diesen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde
mit den Anträgen, er sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen,
die Verurteilung wegen Veruntreuung aufzuheben. Er macht geltend, das
Obergericht habe Art. 140 StGB, sowie Art. 715 ff. ZGB und Art. 1 ff. der
EigVorbV verletzt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Unter welchen Voraussetzungen gegenüber einem rechtskräftigen
Strafurteil die Wiederaufnahme des Verfahrens verlangt werden kann,
bestimmt sich grundsätzlich nach kantonalem Recht, dessen Anwendung der
Kassationshof des Bundesgerichts auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht
nachzuprüfen hat (Art. 269 Abs. 1, Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Das
Bundesrecht, wegen dessen Verletzung der Kassationshof allein angerufen
werden kann, greift durch den Art. 397 StGB in das kantonale Recht
nur insofern ein, als es die Kantone verpflichtet, gegenüber Urteilen,
die auf Grund des StGB oder eines anderen Bundesgesetzes ergangen sind,
wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit
des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme zu Gunsten
des Verurteilten zuzulassen. Der Vorwurf, dass das angefochtene Urteil
gegen diese Vorschrift verstosse, wird in der vorliegenden Beschwerde
allerdings nicht ausdrücklich erhoben, obwohl Art. 273 Abs. 1 lit. b
BStP u.a. verlangt, dass in der Beschwerdeschrift anzugeben sei, welche
Bundesrechtssätze verletzt seien. Über den erwähnten Mangel kann indessen
hinweggesehen werden, da die Behauptung, das Obergericht habe den neuen
Tatsachen aus unzutreffenden rechtlichen Gründen die Erheblichkeit
abgesprochen, sinngemäss auf die Rüge hinausläuft, Art. 397 StGB sei
verletzt. Sie wäre begründet, wenn die behauptete neue Tatsache,
der Personenwagen "Ford" habe im Zeitpunkte des Verkaufes an den
Beschwerdeführer nicht der Firma E. Wagner, Centralgarage AG, gehört,
geeignet wäre, ein für den Verurteilten wesentlich milderes Sachurteil
herbeizuführen (BGE 69 IV 139 Erw. 6; 72 IV 45; 76 IV 39 Erw. 3; 77 IV
213 Erw. 1; 78 IV 55). Das ist aber nicht der Fall.

Erwägung 2

    2.- Für die Gültigkeit des am 7. Juni 1951 zwischen der Firma
E. Wagner, Centralgarage AG, und Julius Arpagaus abgeschlossenen
Kaufvertrags ist es bedeutungslos, ob der Personenwagen zur Zeit des
Kaufsabschlusses sich im Vermögen jener Firma befand oder einem Dritten
gehörte, da grundsätzlich auch der Verkauf einer fremden Sache gültig
ist (VON TUHR, Allg. Teil des OR, Anm. 72 zu § 31; OSER/SCHÖNENBERGER,
OR Art. 184 N. 4; BECKER, Vorbemerkungen zu OR Art. 184-186 N. 12;
HAFNER-GOLL, OR Art. 229 N. 3). Allerdings ist gemäss Art. 20 Abs. 1 OR
ein solcher Vertrag nichtig, wenn die versprochene Leistung (objektiv)
unmöglich erbracht werden kann (VON TUHR, Allg. Teil des OR, § 31 VI;
OSER/SCHÖNENBERGER, OR Art. 20 N. 4 ff.). Dieser Vorbehalt trifft indessen
hier nicht zu, da der Vertreter der Firma E. Wagner AG unmittelbar nach
Vertragsabschluss dem Arpagaus den verkauften Wagen übergeben konnte.

    Berührt es demnach die Gültigkeit des Kaufvertrages vom 7. Juni 1951
nicht, ob damals der Personenwagen der Firma E. Wagner, Centralgarage AG,
oder einem Dritten gehörte, so muss dasselbe auch für die Nebenabreden
gelten, die mit dem Kauf verbunden wurden. Zu diesen gehört gemäss Abs. 4
der auf der Rückseite des Vertragsformulars abgedruckten "Lieferungs- und
Verkaufsbedingungen", die Arpagaus durch eigenhändige Unterschrift als
Vertragsinhalt anerkannt hat, auch die Klausel, dass "der Verkäufer das
Eigentumsrecht bis zur gänzlichen Abzahlung vorbehalte" und "der Käufer
dem Verkäufer das Recht zur Eintragung des Eigentumsvorbehaltes" einräume.

Erwägung 3

    3.- Damit es bei der Verurteilung wegen Veruntreuung bleibt, ist
allerdings weiter erforderlich, dass der Eigentumsvorbehalt im Zeitpunkt
des Weiterverkaufs des Personenwagens durch Arpagaus vorschriftsgemäss
eingetragen war, weil er nur dann wirksam war (Art. 715 ZGB). Gemäss
Art. 7 lit. c der VO des Bundesgerichts betreffend die Eintragung
der Eigentumsvorbehalte (vom 19. Dezember 1910) muss die Eintragung
u.a. Namen, Beruf und Wohnort des Veräusserers enthalten. Als solcher war
in dem für die Verurteilung des Arpagaus wegen Veruntreuung massgebenden
Zeitpunkt die Firma E. Wagner, Centralgarage AG, eingetragen.

    Von der Richtigkeit dieser Angaben kann die Wirksamkeit des
Eigentumsvorbehalts aber schon deshalb nicht abhangen, weil ihnen, wie das
Bundesgericht bereits in BGE 41 III 208 f. ausgesprochen hat, überhaupt
keine Bedeutung zukommt. Tatsächlich lässt die Entstehungsgeschichte
des Art. 715 ZGB keine Zweifel darüber, dass die Eintragungspflicht nur
vorgesehen worden ist, um den Eigentumsvorbehalt für Dritte, die mit
dem Käufer in Verkehr treten wollen, erkennbar zu machen und sie vor
Irrtümern über die wirkliche Vermögenslage des letztern zu bewahren. Die
Eintragung bezweckt demnach lediglich, festzustellen, dass die Sachen,
auf die sie sich bezieht, nicht im Eigentum des Käufers stehen (BECK: Der
Eigentumsvorbehalt nach dem ZGB, S. 123; RAUCH: Der Eigentumsvorbehalt,
S. 58). Eine weitere Bedeutung hat sie nicht. Umsoweniger kann die
Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes von der Richtigkeit der - wie gesagt
in diesem Zusammenhang bedeutungslosen - Angaben über Namen, Beruf und
Wohnort des Veräusserers abhangen (vgl. SCHERRER, ZGB Art. 716 N. 82 a
Satz 3, N. 89 Satz 3 ff.). Das ergibt sich aber auch daraus, dass es nach
Lehre und Rechtsprechung im Falle der Zession der Kaufpreisforderung
mit gleichzeitiger Übertragung des Eigentumsvorbehalts dem Zessionar
unbeschadet seiner Rechte anheimgestellt ist, ob er die Abtretung im
Register vormerken lassen will oder nicht (Art. 4bis EigVorbV; Blätter
für Schuldbetreibung und Konkurs, 1943/44 S. 7 lit. È; BGE 41 III 208 f.;
SCHERRER, ZGB Art. 716 N. 85 und 127; BECK: Der Eigentumsvorbehalt nach
dem ZGB, S. 130 lit. h; RAUCH: Der Eigentumsvorbehalt, S. 92 mit Zitaten).
Macht es in diesem Falle für den Fortbestand des Eigentumsvorbehaltes
nichts aus, ob im Register der Berechtigte oder ein Dritter eingetragen
ist, so kann auch die Begründung des Eigentumsvorbehaltes nicht davon
abhängen, dass als Veräusserer der im Zeitpunkt des Registereintrages
Berechtigte angegeben wird.

Erwägung 4

    4.- Sollte, wie Arpagaus in seinem Revisionsgesuch behauptet,
der Personenwagen beim Abschluss des Kaufvertrags vom 7. Juni 1951
und auch nachher nicht der Firma E. Wagner, Centralgarage AG, sondern
einem Dritten gehört haben, so wäre damit zwar dargetan, dass die
im Eigentumsvorbehaltsregister eingetragenen Angaben über Namen,
Beruf und Wohnort des Veräusserers falsch waren; die Wirksamkeit des
Eigentumsvorbehalts würde dies nach dem in Erw. 2 und 3 Gesagten jedoch
in keiner Weise berühren.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.