Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 84



82 II 84

13. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. März 1956
i. S. Stutz gegen Huber. Regeste

    Vaterschaftsklage. Rechtfertigen der Reifegrad des Kindes bei der
Geburt und das Verhalten der Mutter erhebliche Zweifel über die Vaterschaft
des Beklagten? (Art. 314 Abs. 2 ZGB).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    Bei Beurteilung der vorliegenden Vaterschaftsklage fand das Obergericht
des Kantons Aargau, die Vaterschaft des Beklagten müsse im Hinblick
darauf, dass sein Geschlechtsverkehr mit der Erstklägerin am 16. März 1952,
dem 223. Tag vor der am 25. Oktober 1952 erfolgten Geburt, stattgefunden
habe und dass der Zweitkläger mit einer Länge von 47 cm geboren worden sei,
als äusserst unwahrscheinlich angesehen werden.

    Der Experte Dr. Wespi, Chefarzt der gynäkologischen Abteilung der
Kantonsspitals Aarau, hatte über diesen Punkt u.a. ausgeführt, für einen
Knaben von 47 Körperlänge betrage die mittlere Tragzeit nach den Tabellen
von LABHARDT 269 Tage vom 1. Tag der letzten Menstruation an. Um die
mittlere Schwangerschaftsdauer von der Konzeption an zu erhalten, seien
von der mittleren Schwangerschaftsdauer seit der letzten Menstruation
nach neueren Beobachtungen nicht 10, sondern 12 Tage abzuziehen. Für
den Zweitkläger falle der wahrscheinlichste Konzeptionstermin demnach
auf den 257. Tag vor der Geburt, d.h. auf den 11. Februar 1952. Die
Geburt finde jedoch nur in rund 4% der Fälle gerade nach der mittleren
Schwangerschaftsdauer statt. Die wirkliche Tragzeit schwanke bei jeder
Kindslänge und jedem Geschlecht innert sehr weiter Grenzen. Wenn man
mit LABHARDT den Schwankungsbereich in Abschnitte von 10 Tagen (Dekaden)
einteile und den der mittleren Tragzeit entsprechenden Termin als 6. Tag
der mittleren Dekade einsetze, sodass diese im vorliegenden Falle die
Zeit vom 252.--261. Tag vor der Geburt (7.-16. Februar 1952) umfasse,
liege der 16. März 1952 in der III. Dekade nach der mittleren (8.-17. März
1952). Die Wahrscheinlichkeit einer Konzeption in dieser Dekade betrage
nach LABHARDT 1,60%. Die Wahrscheinlichkeit einer Zeugung gerade am
16. März 1952, dem zweitletzten Tag der in Frage stehenden Dekade, könne
auf 0,11% geschätzt werden.

    Im Anschluss an die Wiedergabe dieser Ausführungen sagt die Begründung
des angefochtenen Urteils, die Mehrheit des Obergerichts halte dafür,
in einem Grenzfall der vorliegenden Art sei auf die für den einzelnen Tag
berechnete absolute Wahrscheinlichkeit abzustellen. Diese unterschreite
hier eindeutig die Grenze von 1%, unter welcher das Bundesgericht
zutreffenderweise die Möglichkeit der Vaterschaft des Beklagten als
äusserst unwahrscheinlich und daher die Vaterschaftsvermutung als
zerstört erachte. Den vorliegenden Grenzfall so zu beurteilen, liege
auch deshalb nahe, weil in andern wissenschaftlichen Publikationen,
auf die der Experte hinweise, die mittlere Schwangerschaftsdauer
post menstruationem auf 270 und sogar 271 Tage beziffert werde
(WICHMANN, STEIL), "was bei entsprechender Berechnung der mittleren
Schwangerschaftsdauer post conceptionem zur Folge hätte, dass dann der
16. März 1952 auf den letzten Tag der III., bzw. auf den 1. Tag der IV.
Dekade fiele, womit im ersten Falle die absolute, auf den einzelnen
Tag berechnete Wahrscheinlichkeit der Zeugung durch den Beklagten noch
geringer, bzw. im zweiten Falle die Dekadenwahrscheinlichkeit eindeutig
unter 1% sinken würde" (Wahrscheinlichkeit für die IV. Dekade gemäss
LABHARDT 0,58%). Sodann sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem ganzen
bisherigen Verhalten der Klägerin eben doch nicht ganz ausgeschlossen sei,
dass sie in der kritischen Zeit noch einem andern Manne den Beischlaf
gewährt habe. Merkwürdig sei auch, dass sie dem Beklagten erst nach der
Geburt von der Schwangerschaft Kenntnis gegeben habe, was doch eher als
Ausnahmefall zu werten und ein Indiz dafür sei, dass sie geschwankt haben
möge, wen von mehreren Männern sie als Vater ansprechen wolle. Die Klage
sei daher abzuweisen.

    Das Bundesgericht schützt die Klage.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Schon bei der Gesetzesberatung wurde hervorgehoben, dass der
Reifegrad des Kindes zu den Tatsachen gehöre, die erhebliche Zweifel
über die Vaterschaft des Beklagten rechtfertigen (oder auch die durch
Mehrverkehr der Mutter zunächst begründeten Zweifel beseitigen) können
(Sten.Bull. 1905 S. 786, 1198; vgl. BGE 51 II 113). Dieser Auffassung
folgt seit dem Jahre 1913 (BGE 39 II 507) auch das Bundesgericht. Der
Beklagte wird zum Beweise zugelassen, dass er angesichts des Reifegrades
des Kindes bei der Geburt und des Zeitabstandes zwischen seiner Beiwohnung
und der Geburt nicht als Vater gelten könne. In Übereinstimmung mit den
Grundsätzen, die heute für die Widerlegung der Vaterschaftsvermutung durch
das Mittel der Blutprobe gelten (vgl. BGE 66 II 66 Erw. 1, 78 II 316,
80 II 13/14), fordert die neuere Rechtsprechung nicht mehr geradezu den
Beweis, dass die Vaterschaft des Beklagten mit Rücksicht auf den Reifegrad
und den Zeitpunkt des festgestellten Geschlechtsverkehrs schlechthin
unmöglich sei oder dass sich im Falle der Zeugung durch den Beklagten
eine Tragzeit ergäbe, die beim gegebenen Reifegrad des Kindes eine nie
beobachtete Ausnahme darstellen würde, sondern betrachtet die Vermutung
von Art. 314 Abs. 1 schon dann als zerstört, wenn nach dem Reifegrad des
Kindes äusserst unwahrscheinlich, praktisch ausgeschlossen ist, dass es
beim nachgewiesenen Verkehr mit dem Beklagten gezeugt wurde (BGE 68 II
279, 69 II 134 u. 137, 77 II 31, 78 II 108 im Gegensatz zu BGE 51 II 114,
61 II 313).

    Die Vorinstanz glaubt, aus den Angaben über die Wahrscheinlichkeit der
Zeugung des Zweitklägers am 16. März 1952 und über die durchschnittliche
Tragzeit von 47 cm langen Neugeborenen, die sie den beiden Gutachten
von Dr. Wespi entnommen hat, folgern zu dürfen, dass die Vaterschaft
des Beklagten Huber äusserst unwahrscheinlich sei. Ihre Überlegungen
enthalten jedoch einen offenkundigen Denkfehler. Die Wahrscheinlichkeit
einer Zeugung gerade am 16. März 1952 (Tageswahrscheinlichkeit), die der
Experte - übrigens unter Betonung der Fragwürdigkeit solcher Berechnungen -
durch Interpolation auf 0,11% bestimmt hat, darf selbstverständlich nicht
auf die gleiche Linie gestellt werden wie die auf einen Zeitraum von
10 Tagen (eine Dekade) bezüglichen Wahrscheinlichkeiten von weniger als
1%, die in den von der Vorinstanz angezogenen, zugunsten der Beklagten
entschiedenen Fällen BGE 68 II 277 ff. (280) und 77 II 28 ff. (34/5)
für die Zeugung durch die damaligen Beklagten gegeben waren (vgl. BGE
78 II 109/10; über den Ausschluss der Vaterschaft eines Dritten,
welcher der Mutter in der kritischen Zeit beiwohnte, siehe nun BGE 80
II 298 Erw. 2). Die Dekadenwahrscheinlichkeit entspricht der Summe von
zehn Tageswahrscheinlichkeiten. Um die im vorliegenden Fall ermittelte
Tageswahrscheinlichkeit einigermassen mit den Dekadenwahrscheinlichkeiten
vergleichen zu können, die in den früher beurteilten Fällen festgestellt
worden waren, müsste man sie also mit zehn multiplizieren, was 1,1%,
also etwas mehr als den von der Vorinstanz angenommenen Grenzwert von
1%, ergäbe. Grundsätzlich verfehlt ist aber auch die Erwägung, dass der
16. März 1952 bei Zugrundelegung der mittleren Schwangerschaftsdauer post
menstruationem von 270 oder 271 Tagen, die WICHMANN und STEIL nach den
Angaben des Experten für Knaben von 47 cm Länge berechneten, nicht auf
den zweitletzten, sondern auf den letzten Tag der III. bzw. auf den 1. Tag
der IV. Dekade nach der mittleren fiele, womit die Tageswahrscheinlichkeit
unter den vom Experten angegebenen Wert bzw. die Dekadenwahrscheinlichkeit
eindeutig unter 1% sinken würde. Die Tabellen von LABHARDT, mit deren
Hilfe die von der Vorinstanz verwerteten Zahlen bestimmt wurden, beruhen
auf Beobachtungen dieses Forschers über die Dauer der Schwangerschaft von
der letzten Menstruation an, aus denen sich für Neugeborene männlichen
Geschlechts von 47 cm Körperlänge eine durchschnittliche Tragzeit post
menstruationem von 269 Tagen ergibt. Wenn man die Labhardt'schen Tabellen
verwenden will, um zu ermitteln, welche Wahrscheinlichkeit die Zeugung
eines mit dieser Länge geborenen Knaben in einem bestimmten Zeitabschnitt
für sich habe, darf man also die mittlere Schwangerschaftsdauer von der
letzten Menstruation an, die den Ausgangspunkt für die Einreihung der
bei solchen Kindern beobachteten Tragzeiten in die verschiedenen Dekaden
gebildet hat (LABHARDT, Schweiz. Med. Wochenschrift 1944 S. 130 rechts, 1.
Absatz), nur mit 269 Tagen einsetzen, nicht mit einem davon abweichenden
Wert, den andere Forscher aus einem andern Beobachtungsmaterial gewonnen
haben.

    Nimmt man die Gutachten von Dr. Wespi, wie sie lauten, so
vermögen sie die Vermutung der Vaterschaft des Beklagten nicht zu
entkräften. Der Experte stellt fest, für die Zeugung in der III. Dekade
nach der mittleren, die hier die Zeit vom 8.-17. März 1952 umfasse,
betrage die Wahrscheinlichkeit nach LABHARDT 1,60%, für die Zeugung
in dieser Dekade oder nachher 2,62% (Summe der Wahrscheinlichkeiten
für die III.-VII. Dekade; sog. Summenwahrscheinlichkeit). Die
Wahrscheinlichkeit einer Konzeption am 16. März 1952 oder später gibt
er mit 1,23% an. Diese Prozentzahlen beruhen u.a. darauf, dass LABHARDT
auf Grund der Angaben der Mütter über die letzte Menstruation annahm,
von 1370 mit einer Körperlänge von 47 cm geborenen Kindern seien 39 in
der III. Dekade nach der mittleren und weitere 21 noch später gezeugt
worden (Tabelle 6). Hält man sich an diese Feststellungen, so lässt sich
nicht als äusserst unwahrscheinlich bezeichnen, dass der Zweitkläger am
16. März 1952 gezeugt wurde, auch wenn man berücksichtigt, dass dieser
Tag der zweitletzte der III. Dekade war. (Dass der Experte sich bei der
Erstellung des Dekadenschemas um einen Tag verrechnet habe und dass der
16. März 1952 bei richtiger Rechnung auf den letzten Tag der III. Dekade
falle, wie der Beklagte heute behauptet hat, trifft nicht zu. Abgesehen
davon, dass der Experte den mittleren Abstand zwischen dem ersten Tag
der letzten Menstruation und der Konzeption auf 12 statt 10 Tage bemisst,
was die Grundlagen der Labhardt'schen Statistik nicht berührt und daher
ihre Verwendbarkeit nicht in Frage stellt, folgt seine Berechnungsweise
den von LABHARDT (S. 130 und 131/32) mit Hilfe von Beispielen gegebenen
Richtlinien, wonach die mittlere Dekade so zu umgrenzen ist, dass der Tag,
auf den der Beginn der durchschnittlichen Schwangerschaftsdauer fällt,
bei Zählung in Richtung von der Geburt aus rückwärts den 6. Tag dieser
Dekade darstellt. Im Beispiel auf S. 131/32, das einen am 20. Dezember
1941 mit einer Länge von 49 cm geborenen Knaben betrifft, für den die
mittlere Tragzeit post conceptionem nach der 5. Tabelle 268 Tage beträgt,
hat LABHARDT allerdings auf Grund der Annahme, dass der 268. Tag vor der
Geburt der 22. März 1941 sei, als Daten der vom 263.--272. Tag reichenden
mittleren Dekade den 17.-26. März 1941 angegeben. Der 22. März ist der
6. Tag dieses Zeitabschnitts, wenn man die Tage vorwärts, in Richtung gegen
die Geburt hin, zählt. Auf die Art, wie LABHARDT in diesem Beispiel die
Daten bestimmt hat, ist aber nicht abzustellen, weil, wie die Vorinstanz
in ihrem Schreiben an den Experten vom 3. März 1955 zutreffend bemerkt
hat, schon der Ausgangspunkt dieser Datierungen falsch ist. Der 268. Tag
vor dem 20. Dezember ist nämlich nicht der 22., sondern der 27. März. Im
übrigen vermöchte eine Verschiebung der Dekadengrenzen um einen Tag das
Ergebnis im vorliegenden Falle nicht entscheidend zu beeinflussen.)

    Der Experte weist freilich darauf hin, dass die in den Statistiken
berücksichtigten Beobachtungen über abnorm kurze (oder lange)
Schwangerschaftsdauern auf verschiedenen Fehlern beruhen können,
die vortäuschen, dass die Schwangerschaft kürzer (bzw. länger)
gewesen sei, als der Wirklichkeit entspricht. Er glaubt, diesen
Fehlermöglichkeiten werde damit, dass man die "Grenze der Unmöglichkeit"
bei einer (Summen-)Wahrscheinlichkeit von 1% ansetze, noch eher zu
wenig als zu stark Rechnung getragen. Dies ändert aber nichts daran,
dass er im vorliegenden Falle auf Grund der Forschungen LABHARDTS
zum Schlusse kommt, die Möglichkeit einer Konzeption am 16. März 1952
müsse bejaht werden; sie lasse sich nicht als praktisch ausgeschlossen
bezeichnen. Diese Schlussfolgerung, die er auch durch die Angaben
deutscher Autoren (WICHMANN, FOELLMER und KOENNINGER) bestätigt findet,
widerruft er nicht, indem er beifügt, die Wahrscheinlichkeit sei aber
doch "so gering, dass erhebliche Zweifel gerechtfertigt sind"; bei
dieser Sachlage werde die endgültige Beurteilung weitgehend von andern
Faktoren abhängig gemacht werden müssen; dabei scheine ihm wichtig,
dass die Vaterschaft des Beklagten auch bei eingehender serologischer
Untersuchung mit Berücksichtigung der Faktoren M, N, Duffy, Kell und der
Rhesusfaktoren nicht habe ausgeschlossen werden können. Die Wendung, dass
wegen der geringen Wahrscheinlichkeit erhebliche Zweifel gerechtfertigt
seien, kann nach dem Zusammenhang nicht bedeuten, dass der Reifegrad eine
Zeugung am Tage der Beiwohnung des Beklagten als äusserst unwahrscheinlich,
praktisch ausgeschlossen erscheinen lasse, wie es nach der Rechtsprechung
erforderlich wäre, um erhebliche Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB
zu begründen. Vielmehr wollte der Experte offenbar nur sagen, dass man
zwar im landläufigen Sinne erhebliche Zweifel darüber haben könne, ob die
Konzeption auf den Verkehr vom 16. März 1952 zurückzuführen sei, dass sich
diese Möglichkeit aber eben nicht mit Sicherheit oder mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ausschliessen lasse. Die Bemerkung, dass die
endgültige Beurteilung weitgehend von andern Faktoren abhängig gemacht
werden müsse, dürfte nur den Sinn haben, dass hier das Reifegutachten
für sich allein nicht prozessentscheidend sein könne. Im Ergebnis der
Blutuntersuchung scheint der Experte ein Indiz für die Vaterschaft des
Beklagten zu erblicken (vgl. hiezu HARD MEIER, Die Blutgruppenbestimmung,
1948, S. 35 und die Angaben HÄSSIGS über die Ausschlusschancen, die die
Blutuntersuchung heute bietet, in SJZ 1954 S. 275 ff.). Auf jeden Fall
aber wird in den Gutachten die entscheidende Frage, ob die Vaterschaft des
Beklagten auf Grund des Reifegrades des Kindes als unmöglich oder doch
äusserst unwahrscheinlich, praktisch ausgeschlossen bezeichnet werden
könne, nicht bejaht, was zum Nachteil des beweispflichtigen Beklagten
ausschlagen muss.

Erwägung 3

    3.- Neben den von ihr missdeuteten Angaben des Experten zieht die
Vorinstanz zur Begründung ihres Entscheides noch das "ganze bisherige
Verhalten der Klägerin" sowie die Tatsache heran, dass sie dem Beklagten
"erst nach der Geburt von der Schwangerschaft Kenntnis gegeben hat". Sie
will damit offenbar an BGE 77 II 28 ff. anknüpfen, wo (S. 32 lit. c)
gesagt wurde: "Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten können
endlich auch dann bestehen, wenn weder der Beweis für den Verkehr mit einem
bestimmten Dritten geleistet ist noch der Reifegrad des Kindes die Zeugung
durch den Beklagten als ausgeschlossen oder äusserst unwahrscheinlich
erscheinen lässt, aber die Vaterschaft des Beklagten nach dem Reifegrad
und dem Datum der Beiwohnung doch wenig wahrscheinlich ist und die Mutter
sich so verhalten hat, dass ihr nach der Lebenserfahrung intimer Verkehr
mit andern Männern während der kritischen Zeit zuzutrauen ist." Allein
abgesehen davon, dass im Falle 77 II 28 ff. die Dekadenwahrscheinlichkeit
nach LABHARDT nur 0,58% und die sog. Summenwahrscheinlichkeit nur 1,02%
betrug (gegenüber 1,60 bzw. 2,62% im vorliegenden Falle), war die Mutter
in jenem Falle weit stärker belastet als hier. Der heutigen Klägerin konnte
nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz an positiven Tatsachen
aus der Zeit der Empfängnis und der Schwangerschaft nur nachgewiesen
werden, dass sie "im Frühjahr 1952 Anlässe besuchte, von denen sie jeweilen
erst am Sonntag-Morgen heimkehrte", dass sie von Tanzvergnügungen "selbst
dann nicht lassen konnte, als sie sich bereits in andern Umständen befand"
(wobei zu berücksichtigen ist, dass die Schwangerschaft nicht einmal für
ihre Familienangehörigen erkennbar war), und dass der Zeuge B. (übrigens
nach der kritischen Zeit) "eines Abends in der Nähe der Gebäulichkeiten
des K. bei der Klägerin stund, wobei er sie um die Achsel hielt bzw. einen
Arm auf ihrer Achsel hatte". Diese Tatsachen reichen, auch wenn man an
dem in BGE 77 II 32 lit. c aufgestellten Grundsatze festhalten will,
keineswegs aus, um die aus dem Wahrscheinlichkeitsgrad sich ergebenden,
für sich allein nicht als erheblich zu wertenden Zweifel so sehr zu
verstärken, dass die Vaterschaftsvermutung dahinfallen müsste. Dabei
bleibt es auch, wenn man daneben noch die späte Verständigung des Beklagten
berücksichtigt. Die Vorinstanz wagte es selber nicht, aus diesem Umstande
den bestimmten Schluss zu ziehen, dass die Klägerin über die Vaterschaft
im Ungewissen gewesen sei, sondern betrachtet ihn nur als ein Indiz dafür,
dass sie geschwankt haben "mag", wen sie als Vater ansprechen wolle. Eine
so vage Vermutung kann die Anwendung von Art. 314 Abs. 2 ZGB nicht stützen;
dies um so weniger, als die Klägerin für ihr Verhalten eine plausible
Erklärung gegeben hat, worüber die Vorinstanz einfach hinweggegangen ist.